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2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt

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2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt

B E S C H L U S S

Dazu Entscheidung OLG Naumburg 7 Verg 4/19 vom 18.10.2019

Az.: 2 VK LSA 35/19 Halle (Saale), den 17.09.2019

§§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr.1; 169 Abs. 2 S. 1; 169 Abs. 2 S. 5 GWB; §§ 16 EU Nr.2; 13 EU Abs.1 Nr.5 VOB/A.

- zulässiger und begründeter Antrag

- Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin - verspätete Rüge

- Änderung an den Vergabeunterlagen

Die Antragsgegnerin hat sich nicht auf selbst geschaffene und in der VOB/A EU nicht vor- gesehene Ausschlusstatbestände berufen. Sie hatte in ihrem vorgenannten Schreiben deut- lich zum Ausdruck gebracht, das Angebot der Antragstellerin sei „inhaltlich abweichend und somit nicht vergleichbar“

Die Antragstellerin hatte es unterlassen, eine funktionierende Vertretungsregelung zu tref- fen. Sie hat es vorwerfbar versäumt, die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaf- fen, dass sie hiervon Kenntnis hätte erlangen können.

Aufgrund des im Vergabeverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes stellte es einen schwerwiegenden Mangel dar, dass auf Seiten der Antragstellerin ein bedeutsames Schrei- ben für einige Tage unbeachtet blieb. Ein sich Verschließen vor der Erkenntnis der vermeint- lichen Vergaberechtsverstöße ist mit einer Kenntnis gleichzusetzen.

Soweit die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag geltend macht, dass die Wertung von Ne- benangeboten unzulässig gewesen sei, hat sie dies nicht gerügt. Ihr diesbezügliches Vor- bringen ist ebenso präkludiert.

In dem Nachprüfungsverfahren der

………...

………...

………...

- Antragstellerin -

(2)

vertreten durch

………...

………...

………...

gegen die

………...

………...

………...

- Antragsgegnerin -

wegen

der gerügten Vergabeverstöße zur Vergabe der Maßnahme “Grundhafte Sanierung BAB XXX, RF XXX, km XXX bis XXX, einschließlich der Tank+Rastanlage XXX FRS zwischen der AS XXX und der AS XXX sowie Erstellung der Fahrzeugrückhaltesysteme“ hat die 2. Vergabe- kammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Herrn XXX, den hauptamtlichen Beisitzer Herrn XXX und den ehrenamtli- chen Beisitzer Herrn XXX beschlossen:

Der Antragsgegnerin wird auf deren Antrag hin gestattet, nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung den Zuschlag zu erteilen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Beschluss in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe I.

Mit Bekanntmachung vom 17.06.2019 hat die Antragsgegnerin die Vergabe der Maßnahme

„Schutz und Leiteinrichtungen der BAB XXX zwischen der AS XXX und der AS XXX“ in einem offenen Verfahren EU-weit ausgeschrieben.

Mit diesem Vorhaben sollen diese Einrichtungen im Rahmen einer grundhaften Sanierung dem Stand der Technik angepasst werden.

Der Preis soll zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes (II.2.5) einziges Zuschlagskrite- rium sein.

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Gemäß Punkt II.2.10 der Bekanntmachung waren Alternativangebote zugelassen.

Die Maßnahme betrifft auch die zum Vorhaben gehörigen Fahrzeugrückhalte- und Sicherungs- systeme (FRS) für die Fahrbahnränder, die Mittelstreifen, den Kappen der Anschlussbau- werke, die Brückenbauwerke sowie die Leitpfosten.

Die Fahrzeugrückhalte- und Sicherungssysteme bestehen ausweislich der Baubeschreibung aus den Schutzeinrichtungen, Übergangskonstruktionen sowie den Anfangs- und Endkon- struktionen. Längenangaben wurden im Leistungsverzeichnis explizit im Einzelnen nur für die Schutzeinrichtungen vorgegeben. Das Leistungsverzeichnis enthielt keine ausdrücklichen An- gaben zu Gesamtlängen für alle Bestandteile des Fahrzeugrückhalte -und Sicherungssys- tems.

Die Antragsgegnerin hatte für die übrigen Bauteile wie Übergangskonstruktionen, Anfangs- und Endkonstruktionen und Leitpfosten als Maßeinheit „Stück“ angegeben. Sie hatte im Leis- tungsverzeichnis einen Systemvorschlag benannt. Dieser beinhaltete neben produktneutralen Vorgaben wie „Aufprallheftigkeitsstufe“ auch eine produktbezogene TÜL-Nr. der Gütegemein- schaft Stahlschutzplanken.

Seitens der Bieter wurden nach Aktenlage 4 Bieteranfragen gestellt, die gem. Pkt. VI.3 der Bekanntmachung über das Vergabeportal-vergabe-online beantwortet wurden. Eine Frage be- zieht sich auf die geforderte Anprallheftigkeitsstufe der OZ 01.01.18, 36 und 50. Dabei wurde die Befürchtung geäußert, dass die Produktneutralität nicht gewährleistet würde. Im „Nach- schreiben 4“ hatte die Antragsgegnerin klargestellt, dass im Leistungsverzeichnis „maximal“

die Anprallheftigkeitsstufe B gefordert wurde. Die übrigen Anfragen standen nicht im Zusam- menhang mit den streitgegenständlichen Sachverhalten.

Bei der Antragsgegnerin gingen fristgerecht 6 Angebote ein.

Die Antragstellerin hielt sich für die angebotenen Schutzeinrichtungen an die Längenvorgaben des Leistungsverzeichnisses. Ihr Angebot enthielt ein vom Systemvorschlag abweichendes Produkt für die Übergangskonstruktionen. Sie hat bei diesen Übergangskonstruktionen zu- sätzlich zu der Bezeichnung „Stück“ Längenangaben in Klammern ergänzt.

Die Antragsgegnerin gelangte im Rahmen der Angebotsprüfung zu dem Ergebnis, dass diese ergänzenden Längenangaben für diese Konstruktionen im Umfang von insgesamt 78 m im Widerspruch zu den Maßen des im Leistungsverzeichnis enthaltenen Systemvorschlages ste- hen würden. Deswegen sei das Angebot der Antragstellerin vom 17.07.2019 auszuschließen.

Die Abweichungen wurden im Dokument „Überprüfung der Bieterangaben-Längenermittlung der geplanten und angebotenen Systeme“ dokumentiert. Die Antragsgegnerin schloss ein wei- teres Angebot aus ähnlichen Gründen aus.

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Sie informierte die Antragstellerin hierüber mit Schreiben vom 01.08.2019. Danach sei das Angebot unstimmig, da „die Längen nicht denen entsprächen, die aufgrund der angebotenen FRS-Systeme erforderlich seien“. Bezüglich dieses Systems sei es in der Mengenbilanz zu Differenzen gekommen. Das Angebot sei somit unklar und inhaltlich abweichend. Die daraus resultierende Unvergleichbarkeit führe zwingend zum Ausschluss. Weiter sei es ihr nicht zu- mutbar und im Übrigen unzulässig, durch Anpassungen des Mengengerüstes eine Vergleich- barkeit des Angebotes hinsichtlich der Längen, die sich aus dem Systemvorschlag zwangs- läufig ergäben, herzustellen. Nebenangebote wären hingegen zulässig und möglich gewesen.

Am 06.08.2019 erfolgte die förmliche Information nach § 134 GWB. Die Antragsgegnerin un- terrichtete die Antragstellerin darüber, dass sie beabsichtige, auf das Angebot der XXX den Zuschlag zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 14.08.2019 rügte die Antragstellerin diese Vorgehensweise gegenüber der Antragsgegnerin. Insbesondere wird die vorgesehene Zuschlagserteilung an die Mitbieterin als vergaberechtswidrig angesehen. Nach Ansicht der Antragstellerin habe die Antragsgegne- rin den Wettbewerbs- und den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die Vergabebestimmungen nach dem GWB verletzt. Sie machte geltend, dass ihr unstreitig als Hauptangebot zu verste- hendes Angebot vollumfänglich den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entsprechen würde und etwaige Zweifel seitens der Vergabestelle im Wege der Aufklärung zu beseitigen gewesen wären. Sie führte aus, dass die Längenangaben aus dem Leistungsverzeichnis nicht verbindlich seien, da allein die vom Bieter angebotenen Einheitspreise heranzuziehen wären.

Für die sogenannten „Übergangstücke“ seien im Leistungsverzeichnis keine Längen vorgege- ben worden. Vielmehr seien diese in der Maßeinheit in „Stück“ anzubieten gewesen. Tatsäch- lich weise auch ein Übergangsstück eine bestimmte Länge auf. Die Antragsgegnerin habe die entsprechenden Abmessungen in Form einer Mengenbilanz bei der Wertung dann überra- schend als Vergleichsgrundlage herangezogen. Somit würde jedes Alternativsystem zwangs- läufig zu Längenabweichungen zum Systemvorschlag führen.

Nach Ansicht der Antragstellerin würde dies einen Verstoß gegen das Gebot der produktneut- ralen Ausschreibung bedeuten. Es gebe keine alternative Konstruktion, die hinsichtlich der Gesamtlängenbilanz dem Systemvorschlag entspreche.

Sie hat weiter ausgeführt, dass die Antragsgegnerin sich auf Ausschlussgründe berufe, die in der Vergabeordnung für Bauleistungen nicht vorgesehen seien.

Da sich die Antragsgegnerin innerhalb der bis zum 15.08.2019,14:00 Uhr gesetzten Frist nicht zu den Rügevorwürfen äußerte, hat die Antragstellerin mit Datum vom 15.08.2019, 15:04 Uhr einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt

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Sachsen-Anhalt eingereicht. Die Antragstellerin erachtet das Handeln der Antragsgegnerin als vergaberechtswidrig.

Im Nachprüfungsantrag hat sie ihr Vorbringen vertieft und ergänzt. Im Übrigen sei es der An- tragstellerin verwehrt gewesen, in einem Nebenangebot vom Systemvorschlag abweichende Längen der Übergangskonstruktionen vorzusehen. Die Abgabe eines solchen Angebotes sei nicht zulässig gewesen.

Die Antragsgegnerin des Nachprüfungsverfahrens beantragt,

mit Schriftsatz vom 20.08.2019 das von der Vergabekammer verhängte vorläufige Verbot der Zuschlagserteilung aufzuheben und ihr gem. § 169 Absatz 2 GWB zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Entscheidung erteilen zu können.

Sie trägt vor, dass eine weitere Verzögerung des Bauablaufs die Aufrechterhaltung des öffent- lichen Verkehrs direkt gefährde und sich insbesondere die Gefahr für Leib und Leben der Ver- kehrsteilnehmer durch ein erhöhtes Unfallrisiko in den bevorstehenden Wintermonaten erhö- hen würde. Durch die mit der Baumaßnahme verbundene Reduzierung von 3 auf 2 Fahrstrei- fen komme es zu Behinderungen.

So sei die Haltbarkeit von Markierungsstoffen während der Wintermonate nicht gegeben. Wei- ter sei die temporäre Beschilderung nicht wintertauglich und eine Schneeräumung innerhalb der transportablen Schutzwände kaum möglich. Es sei daher dringend erforderlich, den sa- nierten Autobahnabschnitt bis zum 29.11.2019 freizugeben. Die Antragsgegnerin beabsichtige deshalb, die Schutz- und Leiteinrichtungen ab dem 16.09.2019 zu verbauen.

Im Übrigen seien regelmäßig die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages bei der Eilent- scheidung über die vorzeitige Zuschlagsgestattung zu berücksichtigen. Diese seien nach An- sicht der Antragsgegnerin nicht gegeben.

Sie erachtet die Rüge als verfristet, da sie die Antragstellerin bereits am 01.08.2019 über den Ausschluss ihres Angebotes vom Vergabeverfahren informiert habe.

Darüber hinaus sei der Nachprüfungsantrag auch unbegründet. Die Antragsgegnerin habe keinen eigenen Ausschlussgrund kreiert. Vielmehr basiere diese Entscheidung auf

§ 13 EU Abs. 1 Nr.5 VOB/A. Die Ausschreibung wende sich an verständige Fachfirmen. Einer solchen Firma sei bekannt, dass bei der Wahl einer vom Systemvorschlag abweichenden Kon- struktion Mengenänderungen entstehen können. Es sei zwar zutreffend, dass die Übergangs- konstruktionen mit der Mengeneinheit „Stück“ ausgeschrieben worden sei. Nach Ansicht der

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Antragsgegnerin berücksichtige das Angebot der Antragstellerin weder den Wegfall oder das Hinzukommen von Übergangskonstruktionen. Es berücksichtige auch nicht, welche Auswir- kungen Abweichungen der Maße dieser Konstruktionen auf die Länge der Streckensysteme hätten.

Die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren beantragt,

den Eilantrag der Antragsgegnerin nach § 169 Abs. 2 GWB zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da die Antrags- gegnerin nicht dargelegt habe, dass es aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen möglich sei, den Zuschlag vor Ablauf der Sperrfrist zu erteilen. Das Nachprüfungsverfahren diene dem Schutz subjektiver Rechte von Unternehmen. Mit der Zuschlagserteilung verliere die Antrag- stellerin ihren Primärrechtsschutz. Der Sinn und Zweck des Nachprüfungsverfahrens sei dann nicht mehr erreichbar. Bei dieser Sachlage könne die Gestattung des Zuschlags nur in beson- deren Ausnahmefällen erfolgen. Die durch das Verfahren vor der Vergabekammer naturge- mäß entstehenden zeitlichen Verzögerungen würden eine derartige Entscheidung keinesfalls rechtfertigen.

Nach Auffassung der Antragstellerin könne der grundhaft sanierte Abschnitt der BAB XXX dem öffentlichen Verkehr übergeben werden, sofern transportable Fahrzeugrück- halte- und Sicherungssysteme als Interimslösung installiert würden. Dies sei auch dann mög- lich, wenn der Antragsgegnerin nicht gestattet werde, den Zuschlag vorzeitig zu erteilen.

Es komme daher auch nicht darauf an, dass die derzeitig installierten Schutzeinrichtungen nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen würden.

Soweit die Antragsgegnerin auf ein erhöhtes Unfallrisiko und damit verbundene Gefahren für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer durch einen längeren Fortbestand der Baustelle ver- weise, sei dies zu pauschal. Die Fahrstreifenreduzierung dauere in jedem Fall bis zum 29.11.2019 an. Es sei kein Grund ersichtlich, dass die derzeitige Verkehrsführung nicht auch über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten werden könne.

Es sei allgemein bekannt, dass auch in den Wintermonaten Baustellen mit Markierungsstoffen und transportablen Schutzwänden eingerichtet seien. Hierdurch sei der Verkehrsfluss zwar eingeschränkt, komme aber nicht zum Erliegen.

Die Antragsgegnerin habe, soweit die Baumaßnahme nicht in die Wintermonate hätte hinein- reichen dürfen, zu spät ausgeschrieben und müsse nun die sich aus dem Vergabeverfahren ergebende Verzögerungen hinnehmen. Denn wenn erst mit Datum vom 19.06.2019 ausge-

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schrieben worden sei, spreche dies für eine zu knappe Planung, zumal die Fahrbahnerneue- rung bereits seit Februar 2019 andauern würde. Die Antragsgegnerin habe nicht substantiiert vorgebracht, dass eine Verzögerung der Baumaßnahme zu außergewöhnlichen Mehrkosten führe.

Die Erfolgsaussichten der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren müssten nicht unbedingt in die Abwägung einbezogen werden. Die Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung komme nur in Betracht, wenn die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Nachprüfungsan- trages auf der Hand liege. Dies sei jedoch nicht gegeben.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass sie ihrer Rügeobliegenheit ordnungsgemäß nach- gekommen sei. Die Sekretärin der Antragstellerin habe am 01.08.2019 lediglich das Aus- schlussschreiben im elektronischen System hochgeladen. Der zuständige Bearbeiter sei zu diesem Zeitpunkt abwesend gewesen. Anschließend habe er sich vom 02.08.2019 bis zum Nachmittag des 05.08.2019 im Urlaub befunden. Erst danach habe er das Ausschlussschrei- ben zur Kenntnis genommen. Angesichts der Schwierigkeiten der Angelegenheit habe er keine zweifelsfreie Entscheidung treffen können, ob es sich bei dem Ausschluss um einen Vergabe- rechtsverstoß handele. Er habe den in Rede stehenden Vergabeverstoß erst nach Einholung anwaltlicher Beratung am 07.08.2019 positiv erkannt. Keinesfalls könne insoweit auf das Da- tum vom 01.08.2019 abgestellt werden. Die Antragstellerin ist der Meinung, dass die Rügefrist am 06.08.2019, 00:00 Uhr begonnen und am 16.08.2019 geendet habe. Vor dem 06.08.2019 sei die Antragstellerin nicht verpflichtet gewesen, sich durch Nachforschungen Kenntnis über die Verstöße zu verschaffen.

Die Rüge vom 14.08.2019 sei somit rechtzeitig erhoben worden.

Die Antragstellerin ist weiter von der Begründetheit ihres Nachprüfungsantrages überzeugt.

Nach ihrer Ansicht habe sie sich vollständig an die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses gehalten. Das Ausschlusskriterium “Gesamtlängendifferenz“ sei an keiner Stelle der Vergabe- unterlagen verbindlich vorgegeben worden. Folglich könne es bei der Wertung auch nicht her- angezogen werden.

Im Übrigen hat die Antragstellerin ihr Vorbringen aus dem Nachprüfungsantrag ergänzt und vertieft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakte und die eingereichten Schrifts- ätze verwiesen.

II.

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Der Antrag ist gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB, veröffentlicht im BGBl. Teil 1 Nr. 8 vom 23.02.2016, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters und zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbs- beschränkungen vom 18.07.2017, BGBl. Teil 1 Nr. 52 vom 28.07.2017) zulässig.

Der Nachprüfungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 15.08.2019 übermittelt. Zu diesem Zeitpunkt war der Zuschlag noch nicht erteilt. Die Übermittlung entfaltete damit die Sperrwir- kung des § 169 Abs. 1 GWB.

Anders als die Antragstellerin meint, fehlt es dem Antrag auch nicht an einem Rechtsschutz- bedürfnis. Die Antragsgegnerin hat sämtliche Bieter gemäß § 134 GWB über die beabsichtigte Zuschlagserteilung in Kenntnis gesetzt. Ihr wäre es daher möglich, gegebenenfalls den Zu- schlag nach Ablauf der zweiwöchigen Wartefrist gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 GWB zu erteilen.

Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 169 Abs. 2 S. 1 GWB kann die Vergabekammer dem Auftraggeber auf seinen Antrag gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von 2 Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen.

Die Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin.

Zwar müssen nach § 169 Abs. 2 S. 5 GWB die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages nicht in jedem Fall Gegenstand der Abwägung sein. Sind diese jedoch bereits gut einzuschät- zen, sind sie bei der Entscheidung von erheblichem Gewicht. Die Interessen des Antragstellers an der Aufrechterhaltung seines Primärrechtsschutzes können regelmäßig zurückgestellt wer- den, wenn absehbar ist, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig ist und somit erfolglos bleibt.

(vgl. OLG Naumburg vom 11.09.2018, Az.: 7 Verg 4/18, OLG Düsseldorf v. 22.12.2011, Az.: VII-Verg 101/11; VK Bund v. 26.04.2011, Az.: VK 3-50/11; vgl. in diese Richtung gehend VK Hessen v. 26.05.2015, Az.: 69d VK-15/2015; VK Hessen v. 24.02.2014, Az.: 69d VK-05/2014).

So liegt der Fall hier.

Aufgrund des Schreibens der Antragsgegnerin vom 01.08.2019 waren der Antragstellerin die von ihr behaupteten Vergabeverstöße im Sinne des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr.1 GWB spätestens am 02.08.2019 bekannt. Sie hat diese nicht innerhalb einer Frist von 10 Tagen gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht.

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Im Einzelnen:

Die Rügeobliegenheit besteht nicht erst ab dem Zeitpunkt, an dem der Bieter Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Weise nachweisbaren Vergabefehler erlangt; ausrei- chend ist vielmehr das Wissen um einen Sachverhalt, der aus subjektiver Sicht des Bieters den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt und der es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (Vergl. OLG Naumburg vom 14.12.2004, Az.: 1 Verg 17/04, Weyand Vergaberecht 4. Auflage 2013 § 107 GWB Rn 543, 2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt vom 07.09.2017, Az. 2 VK LSA 09/17).

In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die Antragstellerin hinsichtlich des Be- schaffungsgegenstandes (Fahrzeugrückhalte- und Sicherungssysteme) als sehr erfahren an- zusehen ist. Sie bezeichnet sich selbst in ihrer Internetpräsentation als führende Anbieterin für solche Systeme. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie als solche an zahlreichen Vergabeverfahren teilgenommen hat und insoweit zumindest über Grundlagenkenntnisse des Vergaberechts verfügt. Wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, benötigte sie vor diesem Hintergrund keine Rechtsberatung, um die geltend gemachten vermeintlichen Vergabeverstöße zu erkennen.

So hat die Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 01.08.2019 ausgeführt, dass der „Aus- schluss vom Vergabeverfahren zwingend“ sei. Aufgrund der Eindeutigkeit dieser Formulierung bedarf es diesbezüglich keiner weitergehenden Erläuterung.

Die Antragsgegnerin hat sich nicht auf selbst geschaffene und in der VOB/A EU nicht vorge- sehene Ausschlusstatbestände berufen. Sie hatte in ihrem vorgenannten Schreiben deutlich zum Ausdruck gebracht, das Angebot der Antragstellerin sei „inhaltlich abweichend und somit nicht vergleichbar“. Hieraus ergab sich unmissverständlich für die Antragstellerin, dass die An- tragsgegnerin die Auffassung vertrat, das Angebot enthalte unzulässige Abänderungen der Vergabeunterlagen gemäß § 16 EU Nr.2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs.1 Nr.5 VOB/A.

Dass der dort vorgebrachte Ausschlussgrund aus ihrer Sicht nicht gegeben ist, musste sich der Antragstellerin unmittelbar aufdrängen. Sie ist davon ausgegangen, ein in jeder Hinsicht ausschreibungskonformes Angebot abgegeben zu haben. Die Antragsgegnerin hatte auf Seite 3 des genannten Schreibens angeführt, die „Mengenbilanz der Längen“ im Angebot der An- tragstellerin sei unstimmig. Die Antragstellerin musste sich bei der Erstellung des Angebots eingehend mit den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses befassen. Dort hatte die Antrags- gegnerin eine „Mengenbilanz“ nicht ausdrücklich vorgegeben.

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Aufgrund der vorgenannten Umstände sah sich die Antragstellerin in der Lage, ein von dem Systemvorschlag abweichendes Alternativsystem für die Übergangskonstruktion anzubieten.

Laut Leistungsverzeichnis waren diese ausschließlich in „Stück“ anzugeben. Es enthielt hierzu keine expliziten Maßvorgaben. Im Widerspruch dazu hat die Antragsgegnerin im Schreiben vom 01.08.2019 weiter ausgeführt, dass für das angebotene Fahrzeugrückhalte- und Siche- rungssystem diesbezüglich bestimmte Längen „erforderlich“ seien.

Bei dieser Sachlage musste sich für die Antragstellerin subjektiv der Schluss ergeben, dass das Schreiben der Antragsgegnerin fehlerhaft war.

Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob bei den im Leistungsverzeichnis aufge- führten Systemkomponenten durch die Angabe einer TÜL-Nummer bestimmte Abmessungen vorgegeben waren.

Die Antragsgegnerin hatte die sich aus dem Systemvorschlag ergebenden Längen als ver- bindliche Vergleichsgröße herangezogen. Somit konnten nach dem Verständnis der Antrags- gegnerin keine alternativen Systeme mit anderen Abmaßen angeboten werden.

Der Antragstellerin war bewusst, dass alternative Übergangssysteme mit gleichen Abmessun- gen, wie im Systemvorschlag enthalten, nicht existieren.

Die Antragstellerin musste daraus folgern, dass nach ihrer Auffassung die Antragsgegnerin gegen das Gebot einer produktneutralen Ausschreibung verstoßen hatte.

Im Schreiben vom 01.08.2019 hatte sich die Antragsgegnerin weiter darauf berufen, dass das Angebot der Antragstellerin unklar sei. Vor diesem Hintergrund hätte sich der Antragstellerin erschließen müssen, dass nach ihrer Ansicht die Antragsgegnerin gehalten wäre, Aufklärungs- maßnahmen zu ergreifen.

Aufgrund der vorgenannten Umstände ist die am 14.08.2019 erhobene Rüge verspätet. Die Antragstellerin hätte die behaupteten Vergabeverstöße bis zum 12.08.2019 gegenüber der Antragsgegnerin geltend machen müssen. Gemäß § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr.1 GWB beträgt die Rügefrist 10 Tage nach Kenntnis der behaupteten Vergabeverstöße. Für den Beginn der Frist ist spätestens auf den 02.08.2019 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich die An- tragstellerin mit dem bereits am Vortag eingegangenen Schreiben der Antragsgegnerin befas- sen müssen. Sie bringt in diesem Zusammenhang vor, dass dieses Schreiben aufgrund ur- laubsbedingter Abwesenheit dem zuständigen Bearbeiter erst am 05.08.2019 vorgelegen hätte. Die Antragstellerin hatte es jedoch unterlassen, eine funktionierende Vertretungsrege- lung zu treffen. Es muss davon ausgegangen werden, dass ihr dies, wie allgemein üblich, ohne weiteres möglich gewesen wäre.

(11)

Die Antragstellerin hat sich diesbezüglich der Erkenntnis der behaupteten Vergabeverstöße verschlossen. Sie hat es vorwerfbar versäumt, die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie hiervon Kenntnis hätte erlangen können (vgl. VK Bund vom 26.01.2006;

Az.: VK 2 – 165/05; VK Hessen vom 17.08.2009 Az.: 69 d VK- 25/2009).

Aufgrund des im Vergabeverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes stellte es einen schwerwiegenden Mangel dar, dass auf Seiten der Antragstellerin ein bedeutsames Schreiben für einige Tage unbeachtet blieb.

Ein sich Verschließen vor der Erkenntnis der vermeintlichen Vergaberechtsverstöße ist mit einer Kenntnis i.S. des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB gleichzusetzen.

Soweit die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag geltend macht, dass die Wertung von Ne- benangeboten unzulässig gewesen sei, hat sie dies überhaupt nicht gerügt. Ihr diesbezügli- ches Vorbringen ist ebenso präkludiert.

Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob die von der Antragstellerin geltend gemachten Vergabeverstöße tatsächlich gegeben sind.

Die Antragstellerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine mangelnde Erfolgsaussicht des Nachprüfungsantrages für sich genommen die vorzeitige Gestattung des Zuschlages nicht rechtfertigt (vgl. OLG Naumburg vom 11.09.2018, Az.: 7 Verg 4/18). Die Antragsgegnerin hat jedoch plausibel zusätzlich ein besonderes Beschleunigungsinteresse dargelegt.

Die von ihr vorgebrachten Umstände reichen deutlich über die Nachteile hinaus, die mit dem durch die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bedingten Zeitverlust in gewöhnlicher Weise verbunden sind.

Es ist der Antragstellerin allerdings zuzugeben, dass das streitgegenständliche Vergabever- fahren zeitiger hätte begonnen werden können. Die Antragsgegnerin hatte das Verfahren erst am 17.06.2019 eingeleitet. Unabhängig hiervon führt jede weitere Verzögerung der Baumaß- nahme zu einem Anstieg des Risikos für die körperliche Unversehrtheit und das Leben der Verkehrsteilnehmer, die diesen Streckenabschnitt passieren müssen. Dies fällt bei der Abwä- gung angesichts des hohen Rangs der hiervon betroffenen Rechtsgüter besonders ins Ge- wicht.

Grundsätzlich weist die Autobahn in diesem Streckenabschnitt eine Lastspur und zwei Über- holspuren von je 3,75 m Breite auf.

Während der Sanierung stehen jedoch nur eine Lastspur und eine Überholspur mit jeweils reduzierter Breite zur Verfügung.

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Durch den deutlich geringeren seitlichen Sicherheitsabstand erhöht sich die Gefahr, dass Fahrzeuge von der Fahrbahn abweichen oder sich berühren. Dies hat häufig Unfälle mit Sach- oder Personenschäden zur Folge. Weiterhin sind in den Baustellenbereichen keine Standspu- ren vorhanden. Verkehrsuntüchtige Fahrzeuge verbleiben somit auf den Fahrspuren und ver- ursachen beträchtliche Behinderungen durch Staubildung. Alle hiermit verbundenen Gefahren potenzieren sich bei winterlichen Straßenverhältnissen.

Die Interimsmarkierungen sind im Übrigen nicht für einen längeren Winterbetrieb tauglich. Hie- rauf hat die Antragsgegnerin zu Recht hingewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die veranschlagte Bauzeit laut Bauzeitenplan auf den Zeitraum von April bis November gelegt. Damit wurde dafür Sorge getragen, dass bei der Durchführung der Baumaßnahme die erfahrungsgemäß strengsten Wintermonate Dezember bis März ausge- spart bleiben. Dies wäre bei einer weiteren Verzögerung nicht gewährleistet.

Die provisorische Absicherung der Baustelle mit transportablen Vorrichtungen weist schluss- endlich nicht dieselbe Schutzwirkung wie die endgültigen Fahrzeugrückhalte- und Sicherungs- systeme auf.

Im Rahmen eines Verfahrens nach § 169 Abs. 2 GWB ist schließlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich (vgl. VK Berlin v. 18.03.2010, Az.: B2-3/10E). Dies wäre mit dem Beschleunigungsgrundsatz nicht vereinbar.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht einheitlich im Hauptsacheverfahren.

IV.

Der ehrenamtliche Beisitzer, Herr XXX, hat den Vorsitzenden und den hauptamtlichen Beisitzer der Vergabekammer ermächtigt, den Beschluss allein zu unterzeichnen. Ihm lag dieser Beschluss hierzu vor.

Rechtsbehelfsbelehrung

(13)

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer im Verfahren des § 169 Abs. 2 GWB, den Zu- schlag zu gestatten, ist der Antrag, das Zuschlagsverbot wiederherzustellen, zulässig. Er ist schriftlich beim Oberlandesgericht Naumburg, Domplatz 10, 06118 Naumburg, zu stellen und gleichzeitig zu begründen.

Die zur Begründung des Antrags vorzutragenden Tatsachen sowie der Grund für die Eilbe- dürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 169 Abs. 2 Satz 7 i.V.m.

§ 176 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB).

XXX XXX

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