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2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss

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2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt

Beschluss

AZ: 2 VK LSA 12/16 Halle (Saale), 28.09.2016

§ 18 EG VOL/A, § 10 Abs. 1 LVG LSA, § 19 EG Abs. 5 VOL/A

- verspäteter Eingang des Aufklärungsschreibens führt nicht zu Ausschluss - Zuverlässigkeit eines Bieters

Die Antragsgegnerin hat die Angebote wegen verspäteten Eingangs des

Aufklärungsschreibens zu Unrecht ausgeschlossen. Zu einer solchen Maßnahme ist der Auftraggeber aus Gründen der Transparenz vielmehr nur dann befugt, wenn er vorab auf die Möglichkeit des Ausschlusses bei Verfristung hinweist. Dem Bieter muss klar sein, dass es sich um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. OLG Jena vom 14.11.2002; Az. 6 Verg 7/02).

Sinn und Zweck des § 10 LVG ist erkennbar, dass Aufträge nur an Unternehmen erteilt werden, die die Bestimmungen des für sie geltenden Tarifvertrages beachten. Bei dieser Sachlage ist es nicht entscheidend, dass die Antragstellerin rein formal betrachtet die Tariftreueerklärung abgegeben hatte. Sie hatte nämlich durch die Vorlage des zeitlich

unbefristeten Arbeitsvertrages zu erkennen gegeben, sich tatsächlich bei der Ausführung der Leistungen hiervon abweichend zu verhalten. Eine Vergabe des Auftrages an die

Antragstellerin kommt damit nur in Betracht, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt einen

Änderungsvertrag mit der Objektleiterin geschlossen hat. Aber selbst in diesem Fall wäre zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bereits vom 01.01.2016 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Objektleiterin eine höhere wöchentliche Arbeitszeit, als im

Rahmentarifvertrag vorgesehen, vereinbart hatte. Sie hat damit unabhängig von den in Streit stehenden Aufträgen die Vorgaben des Tarifvertrages diesbezüglich nicht eingehalten. Die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge sind Bestandteil der Arbeitsrechtsordnung und von dem im sachlichen und räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages tätigen Unternehmen stets zu beachten. Die Antragsgegnerin hat daher im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes in eigener Verantwortung zu prüfen, ob durch die Verstöße der Antragstellerin gegen den § 3 Nr. 1.1 des vorgenannten Rahmentarifvertrages ihre Zuverlässigkeit im Sinne des § 19 EG Abs. 5 VOL/A in Frage gestellt wird.

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In den Nachprüfungsverfahren der

… Antragstellerin

Verfahrensbevollmächtigte

gegen die

… Antragsgegnerin

unter Beiladung der

… Beigeladene zu 1)

Verfahrensbevollmächtigte

… Beigeladene zu 2)

wegen

der gerügten Vergabeverstöße bezüglich der Offenen Verfahren zur Vergabe von Unterhaltsreinigung und Glasreinigung von Schulen und Kindertagesstätten im Stadtgebiet … (Lose 1 bis 4) hat die 2.

Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt durch den Vorsitzenden Regierungsdirektor …, der hauptamtlichen Beisitzerin Frau … und der ehrenamtlichen Beisitzerin … auf die mündliche Verhandlung vom 08.09.2016 beschlossen:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, das Vergabeverfahren ab Wertung der Angebote, unter Einbeziehung der Angebote der Antragstellerin, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens. Die Verfahrenskosten werden insgesamt auf … Euro festgesetzt.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin war notwendig.

Gründe I.

Mit Bekanntmachung vom … schrieb die Antragsgegnerin die Leistung „Unterhaltsreinigung und Glasreinigung von Schulen und Kindergärten in ihrem Stadtgebiet einschließlich der dazugehörigen Ortsteile“ nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen, Teil A (VOL/A), Abschnitt 2, im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Offenen Verfahren aus. Die Leistungen sind zum einen in die Unterhaltsreinigung und die Glasreinigung und zum anderen territorial in insgesamt vier Lose aufgeteilt worden. Die Bieter konnten zu einem Los oder mehreren Losen ein Angebot einreichen.

Nach Ziffer II.3) der Bekanntmachung erstreckt sich der Vertragszeitraum vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2020.

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Zur Überprüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Bieter hatten diese gemäß Ziffer III.2.2) u.a. mit dem Angebot ihre Stundenverrechnungssätze für die Unterhalts-, Grund- und Glasreinigung mit dem Angebot vorzulegen.

Das wirtschaftlich günstigste Angebot soll entsprechend Ziffer IV.2.1) wie folgt gewichtet werden:

1. niedrigster Preis 60%

2. höchste Reinigungszeit 30%

3. höchste Stundenzahl Objektleiter 5%

4. höchste Stundenzahl für Schulung der Mitarbeiter 5%.

Die Vergabeunterlagen beinhalteten u.a. getrennt nach Unterhalts-, Grund- und Glasreinigung je ein Kalkulationsschema, in dem die Bieter die Berechnung ihrer Stundenverrechnungssätze darlegen mussten.

Für die einzelnen Wertungskriterien wurden zwischen null und zehn Punkte vergeben. Die dazwischenliegenden Punkte sollten über eine lineare Interpolation ermittelt werden.

Im Formblatt „Erklärung zur Tariftreue und Entgeltgleichheit“ heißt es unter Ziffer 1 u.a.:

„Ich erkläre/Wir erklären, dass

-1. meinen/unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Auftragsausführung der Leistung Arbeitsbedingungen gewährt werden, die mindestens den Vorgaben desjenigen Tarifvertrages entsprechen, an den das Unternehmen aufgrund des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes vom 20. April 2009 (BGBI. I S. 799), zuletzt geändert durch Artikel 5 Abs. 11 des Gesetzes vom 24. Februar 2012 (BGBI. I S. 212, 249) in der jeweils geltenden Fassung, gebunden ist. ….“

Bei der Antragsgegnerin gingen für die einzelnen Lose fristgerecht bis zum 03.03.2016, 11:00 Uhr zahlreiche Angebote ein. Die Antragstellerin und die Beigeladene zu 2) hatten für alle Lose ein Angebot eingereicht. Die Antragstellerin hatte das Formblatt „Erklärung zur Tariftreue und Entgeltgleichheit“ unterschrieben dem Angebot beigefügt. Die Beigeladene zu 1) legte ihre Angebote für Los 1 und Los 2 vor.

Die Antragstellerin wurde gemäß § 18 EG VOL/A mit Schreiben vom 16.03.2016 u.a. aufgefordert, bezüglich des Kalkulationszuschlages für den Vorarbeiter/Objektleiter (Pos. 3.10) die Berechnung des Stundenverrechnungssatzes darzulegen. Es bestünden diesbezüglich Zweifel an der Auskömmlichkeit der Kalkulation der Zuschläge für die Objektleiterin. Die Antragstellerin erwartete die Rückantwort bis einschließlich 22.03.2016, 12:00 Uhr. Ein entsprechender Hinweis, dass bei einem Versäumnis der gesetzten Frist die Angebote ausgeschlossen würden, fehlt in diesem Schreiben.

Weiterhin wurden die Beigeladenen zu 1) und zu 2) mit Schreiben desselben Datums von der Antragsgegnerin zur Angebotsaufklärung bis zum 22.03.2016, 12:00 Uhr aufgefordert. Auch in diesen Schreiben fehlt es an einer für den Empfänger eindeutig erkennbaren Mitteilung, dass dieser Termin den Charakter einer Ausschlussfrist beinhaltet.

Das auf den 21.03.2016 datierte Antwortschreiben der Antragstellerin ging bei der Antragsgegnerin am 23.03.2016 per Post ein. Sie gab an, dass eine Mitarbeiterin für die Personalstelle

„Vorarbeiter/Objektleiter“ eingesetzt sei. Die Mitarbeiterin bekleide darüber hinaus noch weitere Aufgabengebiete, so dass ihre Personalkosten anteilmäßig aufgeteilt worden seien. Im Ergebnis ergebe sich ein verhältnismäßig geringer Wert für die Pos. 3.10. Dieser ließe sich aus dem Stundenverrechnungssatz nicht ermitteln.

Die Beigeladenen zu 1) und zu 2) versandten ihre Antwortschreiben an die Antragsgegnerin per Fax bzw. per E-Mail bis zum 22.03.2016, 12:00 Uhr.

Die Antragstellerin erhielt gemäß § 134 GWB die auf den 09.06.2016 datierten Informationen, dass ihre Angebote wegen verspäteten Eingangs des Aufklärungsschreibens ausgeschlossen worden

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seien. Weiter wurde mitgeteilt, dass die Zuschlagsaspiranten für Los 1 und 2 die Beigeladene zu 1) und für Los 3 und 4 die Beigeladene zu 2) seien.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin, nunmehr anwaltlich vertreten, mit ihren Schreiben vom 13.06.2016 und 14.06.2016 an die Antragsgegnerin.

Sie trägt vor, dass sie ihr Aufklärungsschreiben per Post am 21.03.2016 rechtzeitig an die Antragsgegnerin versandt habe. Zusätzlich hätte die Objektleiterin am 21.03.2016 gegen 14:00 Uhr ein Exemplar dieses Schreibens bei der Antragsgegnerin persönlich abgegeben.

Im Übrigen fehle im Schreiben der Antragsgegnerin vom 16.03.2016 der Hinweis, dass eine etwaige Fristversäumnis eine Nichtberücksichtigung der Angebote zur Folge hätte. Ein zwingender Angebotsausschluss aufgrund angeblich verspätet eingereichter Unterlagen sei deshalb unzulässig.

Die Antragsgegnerin half der Rüge mit Schreiben vom 15.06.2016 nicht ab.

Am 16.06.2016 reichte die Antragstellerin bei der zuständigen Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt einen Nachprüfungsantrag ein. Sie hat dabei ihr Rügevorbringen ergänzt und vertieft.

Sie brachte weiter vor, dass aufgrund der örtlichen Nähe aller Objekte zum Firmensitz sich Synergien bei der Besetzung des Objektleiters ergeben würden. Die Antragstellerin erwirtschafte bereits mit den vorhandenen Objekten in der Reinigung die kompletten Gehaltkosten für die Objektleitung. Sie sei auch nach DIN ISO 9001:2008 zertifiziert. Dies schließe die Zahlung der Löhne nach dem Lohntarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung mit ein.

Als Beweis legte die Antragstellerin einen nicht unterzeichneten Arbeitsvertrag zwischen ihr und der Objektleiterin vor. Auf Anfrage der Vergabekammer wurde ein auf den 29.12.2015 unterzeichneter Arbeitsvertrag vorgelegt. Aus diesem ging hervor, dass die Arbeitnehmerin einen geringeren Urlaubsanspruch, als im § 15 des Rahmentarifvertrages festgesetzt, erhält. Weiterhin beträgt die wöchentliche Arbeitszeit nach diesem Vertrag 40 Stunden.

Im Rahmen einer Anhörung sandte die Antragstellerin eine auf den 14.03.2016 datierte Ergänzung zum Arbeitsvertrag an die Vergabekammer. Daraus geht hervor, dass der Urlaubsanspruch nunmehr die tariflichen Vorgaben erfüllt. Sie hat danach einen Urlaubsanspruch von 29 Tagen. Im Übrigen behalten alle anderen Vereinbarungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag ihre Gültigkeit. Die Antragstellerin bringt vor, dass sie mit einer entsprechenden Anzahl von Urlaubstagen kalkuliert habe. Sie führt weiterhin aus, dass die Mitarbeiterin aufgrund fehlender Vorkenntnisse im Reinigungsbereich verschiedener Abteilungen im Firmenverbund eingesetzt worden sei. Ab Ende Februar 2016 sei sie dann mit der Betreuung einiger Objekte der Antragstellerin betraut worden. Dort habe sie sich in kurzer Zeit die entsprechende Fachkompetenz erarbeitet und habe dann rückwirkend zum 01.03.2016 einen Arbeitsvertrag für die Leitung der Reinigungsabteilung erhalten. Der Einreichungstermin für die Angebote sei auf den 03.03.2016 datiert worden. Damit sei der auf den 01.03.2016 datierte Arbeitsvertrag maßgebend. Sie habe bei der Kalkulation Synergieeffekte und Standortvorteile eingerechnet. Es sei ein Prozentsatz von 1%

der Lohnkosten für die Kosten der Objektleiterin anzusetzen.

Weiterhin gehe aus der Tariftreueerklärung nicht hervor, dass diese bereits mit Abgabe der Angebote einzuhalten sei. Schließlich sei die Erklärung darauf gerichtet, dass das Unternehmen seinen Mitarbeitern bei der Auftragsdurchführung ein Entgelt entsprechend des Tarifvertrages zahle. Im Übrigen halte sich die Antragstellerin an dem für sie geltenden Rahmentarifvertrag. Selbst soweit sie dagegen verstoßen habe, berechtige § 10 Abs. 1 und Abs. 3 Landesvergabegesetz - LVG LSA (im Folgenden: LVG) nicht zum Ausschluss der Angebote. Sie habe im Nachprüfungsverfahren die bestehenden Arbeitsverträge vorgelegt. Dies sei im Vergabeverfahren jedoch nicht gefordert worden. Es komme nicht auf die Wirksamkeit der Verträge bei Angebotsabgabe an, sondern bei der Durchführung der erteilten Aufträge.

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Die Antragstellerin beantragt,

die Wertung ihrer Angebote vom 01.03.2016, hilfsweise,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren wegen Vergabe der öffentlichen Ausschreibung der Stadt … Unterhaltsreinigung und Glasreinigung von Schulen und Kindertagesstätten im Stadtgebiet der Stadt … erneut durchzuführen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Sie ist hauptsächlich der Meinung, dass sie in ihrem Aufforderungsschreiben zur Angebotsaufklärung vom 16.03.2016 eindeutig die Postanschrift, wie auch ihre Fax-Nummer bzw.

E-Mailadresse sowie die Einreichungsfrist für das Aufklärungsschreiben genannt habe. Gleiches gelte für ihre Sprechzeiten.

Unabhängig hiervon habe die Antragsgegnerin festgestellt, dass der von der Antragstellerin kalkulierte Lohn für die Objektleiterin den Mindestlohn für das Gebäudereiniger-Handwerk unterschreite. Ihr diesbezüglicher Aufklärungsbedarf sei begründet und notwendig gewesen.

Das Antwortschreiben der Antragstellerin vom 21.03.2016 sei im Übrigen ausschließlich per Post am 23.03.2016 bei ihr eingegangen. Soweit die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag geltend macht, dass ihre Mitarbeiterin das Antwortschreiben zusätzlich persönlich bei ihr am 21.03.2016 abgegeben habe, könne dies nicht bestätigt werden. Schließlich fehle es in dem Nachprüfungsantrag an der konkreten Benennung, an welcher Stelle bzw. welcher Person sie das Schreiben übergeben habe.

Auch habe die Antragsgegnerin nach pflichtgemäßen Ermessen und im Sinne der Gleichbehandlung gegenüber den Bietern, die ihre Mitteilungen fristgemäß vorgelegt haben, diejenigen Angebote auszuschließen, die ihre Aufklärungsschreiben nicht termingerecht eingereicht haben. Ein entsprechender Hinweis im Aufforderungsschreiben vom 16.03.2016 habe die Antragsgegnerin nicht gegeben, da das Ermessen erst nach Fristablauf ausgeübt worden sei.

Weiterhin könne die Antragstellerin nicht zwangsläufig schlussfolgern, dass das Angebot mit dem niedrigsten Preis auch das wirtschaftlichste sei. Schließlich seien bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung noch drei weitere Kriterien zu berücksichtigen gewesen.

Auch sei aus dem Vorbringen der Antragstellerin zu entnehmen, dass sie, entgegen ihrer Tariftreueerklärung, ihren Arbeitnehmern erst dann die Vorgaben des RTV gewährt, wenn sie tatsächlich mit Reinigungsleistungen betraut werden. Der Tarifvertrag gelte jedoch für alle bei der Antragstellerin beschäftigten Arbeitnehmer.

Im Übrigen werde bestritten, dass die Antragstellerin den Arbeitsvertrag rückwirkend an die tariflichen Vorgaben angepasst habe. Dies stehe zu dem vorherigen Vorbringen der Antragstellerin in Widerspruch. Damit würde ihre Tariftreueerklärung in ihren Angeboten nicht den Tatsachen entsprechen.

Mit Beschluss vom 16.08.2016 wurden die Beigeladene zu 1) und zu 2) zum Nachprüfungsverfahren hinzugezogen.

Die Beigeladene zu 1) stellte keine eigenen Anträge.

Sie ist der Auffassung, dass die Angebote der Antragstellerin zumindest für die Lose 1 und 2 wegen Unauskömmlichkeit des Preises von der Wertung auszuschließen sei. Für die Antragsgegnerin sei zweifelhaft gewesen, mit welchem Anteil an Urlaubstagen die Antragstellerin bei ihrer Objektleiterin

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kalkuliert habe. Bislang sei jedenfalls nicht aufgeklärt worden, wie sie den Kostenanteil der Objektleiterin für den Stundenverrechnungssatz ermittelt habe. Die Änderung des Arbeitsvertrages vom 14.03.2016 ließe jedoch die Schlussfolgerung zu, dass mit einem geringeren Urlaubsanteil für die Objektleiterin kalkuliert worden sei. Dies müsse angenommen werden, obwohl die Änderung rückwirkend zum 01.03.2016 vereinbart worden sei. Eine Änderung der Angebotspreise nach dem Einreichungstermin sei jedoch ausgeschlossen.

Die Beigeladene zu 2) stellte keine eigenen Anträge.

Sie äußerte sich auch nicht zu dem Nachprüfungsantrag.

Die Beteiligten haben in der am 08.09.2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung ihr bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft. Die Antragstellerin hatte auf Nachfrage erklärt, dass es bis auf eine Erhöhung des Gehaltes der Objektleiterin in dem entsprechenden Arbeitsvertrag keine weiteren Änderungen gebe. Es wird insoweit auf das dabei gefertigte Protokoll verwiesen.

Der Vorsitzende hatte die Frist zur Entscheidung der Vergabekammer bis zum 29.09.2016 verlängert.

In Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die eingereichten Unterlagen der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

1. Zulässigkeit 1.1 Zuständigkeit

Gemäß § 104 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) veröffentlicht im BGBl. I, 1998, Nr. 59, S. 2568 ff., neugefasst durch Bekanntmachung vom 15.07.2005, BGBl. I, 2005, Nr. 44, S. 2114 ff., zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.06.2013, BGBl. I, 2013, Nr. 32, S.

1750, i.V.m. der Richtlinie über die Einrichtung von Vergabekammern in Sachsen-Anhalt (RdErl.

des MW LSA vom 04.03.1999 – 63 - 32570/03, veröffentlicht im MBl. LSA Nr. 13/1999 S. 441 ff., zuletzt geändert durch RdErl. des MW vom 08.12.2003 – 42-32570/03, veröffentlicht im MBl. LSA Nr. 57/2003, S. 942) i.V.m. d. gem. Geschäftsordnung d. VgK (Bek. des MW vom 17.04.2013 – 41- 32570-17, veröffentlicht im MBl. LSA Nr. 14/2013) ist die 2. Vergabekammer des Landes Sachsen- Anhalt für die Nachprüfung der vorliegenden Vergabeverfahren örtlich zuständig.

Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 GWB.

Der maßgebliche Schwellenwert von 207.000 Euro gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.2003, BGBl I S. 169, zuletzt geändert durch Artikel 1 Siebte ÄndVO v. 15.10.2013 BGBl I S. 3584) für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträge ist für dieses Vorhaben bei Weitem überschritten.

1.2 Antragsbefugnis

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Sie hat durch die Abgabe ihrer Angebote ihr Interesse am Auftrag bekundet. Weiterhin hat sie eine Verletzung in ihren Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht (§ 107 Abs. 2, Satz 1 GWB). Sie hatte ferner ausgeführt, dass sie durch den Ausschluss ihrer Angebote in ihren Rechten verletzt sei. Damit hat sie auch

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hinreichend dargelegt, dass ihr durch diese Maßnahme ein Schaden drohe (§ 107 Abs. 2, Satz 2 GWB).

1.3 Rüge

Das Vorbringen der Antragstellerin ist nicht präkludiert. Die Antragstellerin wurde am 09.05.2016 darüber informiert, dass ihre Angebote wegen verspäteten Eingangs ihres Aufklärungsschreibens vom 09.06.2016 ausgeschlossen wurden. Hiergegen hat sie sich mit ihren Rügeschreiben vom 13.06. und 14.06.2016 gewandt. Dies ist als unverzüglich i.S. des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB anzusehen.

Die Antragsgegnerin hat sich zur Begründung des Ausschlusses im Laufe des Nachprüfungsverfahrens auch darauf berufen, dass die Antragstellerin gegen Vorgaben des Tarifvertrages verstoßen habe. Die Antragstellerin war jedoch nicht gehalten, dies gesondert zu rügen. Der Zweck der Rügeobliegenheit besteht darin, dass dem Auftraggeber die Möglichkeit gegeben wird, Vergabeverstöße während des Vergabeverfahrens abzustellen und so unnötige Nachprüfungsverfahren vermieden werden. Dieses Ziel kann nicht mehr erreicht werden, wenn bereits ein Nachprüfungsverfahren anhängig ist (vgl. Weyand Vergaberecht 4. Auflage § 107 GWB Rn 392).

2. Begründetheit

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass ihre Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer gewertet werden.

Die Antragsgegnerin hat die Angebote wegen verspäteten Eingangs des Aufklärungsschreibens zu Unrecht ausgeschlossen. Zu einer solchen Maßnahme ist der Auftraggeber aus Gründen der Transparenz vielmehr nur dann befugt, wenn er vorab auf die Möglichkeit des Ausschlusses bei Verfristung hinweist. Dem Bieter muss klar sein, dass es sich um eine Ausschlussfrist handelt (vgl.

OLG Jena vom 14.11.2002; Az. 6 Verg 7/02). Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass dies der Antragstellerin auch ohne ausdrücklichen Hinweis hätte bekannt sein müssen, vermag dies nicht zu überzeugen. Die Vorschrift des § 18 EG VOL/A sieht – anders als nach der früheren Rechtslage - keine Rechtsfolge vor, wenn der Bieter Fristen für Aufklärungsmaßnahmen, die ihm von dem Auftraggeber gesetzt worden, versäumt. Die Antragstellerin konnte damit nicht aus dem Wortlaut der vorgenannten Vorschrift entnehmen, dass eine Nicht-Einhaltung der Frist zwangsläufig zum Angebotsausschluss führt.

Bei dieser Sachlage hat die Antragsgegnerin die Angebote neu zu werten. Bei der Wertung ist zu berücksichtigen, dass nach § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Sachsen-Anhalt (LVG) für Dienstleistungen, die das Arbeitnehmer-Entsendegesetz erfasst, Aufträge nur an Bieter vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichtet haben, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen Arbeitsbedingungen zu gewähren, die mindestens den Vorgaben desjenigen Tarifvertrages entsprechen, an den das Unternehmen auf Grund des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes gebunden ist. Die Antragstellerin hatte zwar eine entsprechende Erklärung zur Tariftreue und Entgeltgleichheit (Anlage 1) mit ihrem Angebot eingereicht. Im Nachprüfungsverfahren legte die Antragstellerin jedoch einen Arbeitsvertrag der Objektleiterin vor. Im Sinne des § 3 sowie § 4 Nr. 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist der für allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für gewerblich Beschäftigte in der Gebäudereinigung (RTV) für sie maßgeblich.

Nach § 3 Nr. 1.1 dieses Vertrages beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 39 Stunden.

Gemäß § 5 des vorgelegten Arbeitsvertrages ist die Objektleiterin jedoch verpflichtet, wöchentlich 40 Stunden zu arbeiten. Die Vorgaben des Tarifvertrages gelten für alle gewerblich Beschäftigten, die eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. Die Antragstellerin hat damit dokumentiert, dass sie nicht beabsichtigt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Vorgaben des Tarifvertrages einzuhalten.

Sinn und Zweck des § 10 LVG ist erkennbar, dass Aufträge nur an Unternehmen erteilt werden, die die Bestimmungen des für sie geltenden Tarifvertrages beachten. Bei dieser Sachlage ist es nicht entscheidend, dass die Antragstellerin rein formal betrachtet die Tariftreueerklärung abgegeben hatte. Sie hatte nämlich durch die Vorlage des zeitlich unbefristeten Arbeitsvertrages zu erkennen

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gegeben, sich tatsächlich bei der Ausführung der Leistungen hiervon abweichend zu verhalten. Eine Vergabe des Auftrages an die Antragstellerin kommt damit nur in Betracht, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt einen Änderungsvertrag mit der Objektleiterin geschlossen hat. Aber selbst in diesem Fall wäre zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bereits vom 01.01.2016 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Objektleiterin eine höhere wöchentliche Arbeitszeit, als im Rahmentarifvertrag vorgesehen, vereinbart hatte. Sie hat damit unabhängig von den in Streit stehenden Aufträgen die Vorgaben des Tarifvertrages diesbezüglich nicht eingehalten. Die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge sind Bestandteil der Arbeitsrechtsordnung und von dem im sachlichen und räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages tätigen Unternehmen stets zu beachten. Die Antragsgegnerin hat daher im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes in eigener Verantwortung zu prüfen, ob durch die Verstöße der Antragstellerin gegen den § 3 Nr. 1.1 des vorgenannten Rahmentarifvertrages ihre Zuverlässigkeit im Sinne des § 19 EG Abs. 5 VOL/A in Frage gestellt wird (vgl. allgemein zu dem Themenkomplex, dass die Nichteinhaltung von Tarifverträgen die Unzuverlässigkeit der Bieter begründen kann, Weyand Vergaberecht 4. Auflage § 97 GWB Rn 781, 792 und 1081). Zuverlässig ist ein Bieter nur dann, wenn er seinen rechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist und eine insoweit einwandfreie Ausführung des Auftrages erwarten lässt.

Anders als bei der Antragstellerin bestehen bei den übrigen Bietern keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich nicht tariftreu verhalten. Die Antragsgegnerin ist daher nicht gehalten, sich die Arbeitsverträge der Bieter, die in die engere Wahl kommen, vorlegen zu lassen und entsprechend zu prüfen. Dies gilt umso mehr, als dass sie die Vorlage dieser Unterlagen weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen abgefordert hatte.

Schließlich ist zu dem Vorbringen der Beigeladenen zu 1) anzumerken, dass die Antragstellerin in ihren Angeboten bereits mit einer tarifgerechten Urlaubszeit kalkuliert hatte. Die Antragsgegnerin hat allerdings zu prüfen, ob sich die mögliche Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit der Objektleiterin auf die Kalkulation auswirkt.

Da der Hauptantrag erfolgreich ist, braucht über den Hilfsantrag nicht mehr entschieden zu werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 GWB. Nach dieser Vorschrift hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt, mithin der Antragsgegnerin. Sie ist mit ihrem Begehren nicht durchgedrungen. Es ist daher gerechtfertigt, dass sie die Kosten zu tragen hat.

Die Antragsgegnerin ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungskostengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (VwKostG LSA vom 27.06.1991) von der Entrichtung der Kosten befreit. Nach dieser Vorschrift werden Gebühren im Verwaltungsverfahren nicht erhoben für Amtshandlungen, zu denen eine Landes- oder gleichgestellte Behörde Anlass gegeben hat. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwKostG LSA ist diese Regelung jedoch nicht anzuwenden bei Entscheidungen über förmliche Rechtsbehelfe, z. B. über einen Widerspruch. Das Vergabenachprüfverfahren ist in diesem Zusammenhang mit einem Widerspruchs-verfahren vergleichbar (vgl. OLG Naumburg v.

17.09.2002, Az.: 1 Verg 8/02; OLG Naumburg v. 20.09.2012, Az.: 2 Verg 4/12).

Rechtsgrundlage für die Bemessung der Höhe der Gebühren ist § 128 Abs. 2 Satz 1 GWB. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Als Grundlage für die Bemessung des wirtschaftlichen Wertes dienen der Vergabekammer insoweit die Angebotssummen (brutto) der Antragstellerin. Nach der Gebührentabelle der Vergabekammer ergibt sich ein Richtwert von … Euro zuzüglich der Auslagen in Höhe von … Euro. Es besteht keine Veranlassung, von diesem Richtwert abzuweichen.

Nach § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB hat ein Beteiligter die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des jeweiligen Antragsgegners zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt. Die Antragsgegnerin ist hier als Unterliegende anzusehen und hat daher diese Aufwendungen zu tragen.

(9)

Angesichts der sachlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falls war die Hinzuziehung einer Bevollmächtigten für die Antragstellerin notwendig (§ 128 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG).

IV.

Die ehrenamtliche Beisitzerin, …, hat den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin der Vergabekammer ermächtigt, den Beschluss allein zu unterzeichnen. Ihr lag dieser Beschluss hierzu vor.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Entscheidung kann das Oberlandesgericht Naumburg, Domplatz 10, 06618 Naumburg, innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, schriftlich angerufen werden.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen.

Die Beschwerde muss die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, sowie die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt, enthalten.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

… …

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