• Keine Ergebnisse gefunden

2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss"

Copied!
12
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

2. Vergabekammer

des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss

AZ: 2 VK LSA 06/15 Halle, 10.09.2015

In dem Nachprüfungsverfahren der

………..

………..

- Antragstellerin - Verfahrensbevollmächtigte

………

……….

gegen das

…………

…………

- Antragsgegnerin -

§ 114 Abs. 1 Satz 1 GWB, § 12 EG Abs. 7 VOL/A

- Vorgabe einer Frist zur Abforderung der Vergabeunterlagen in der Vergabebekanntmachung

Das Setzen einer solchen Frist kann nicht damit begründet werden, dass die Vergabeunterlagen den Bewerbern so frühzeitig vorzuliegen haben, dass sie ihre Angebote sorgfältig erstellen können.

Vielmehr ist es ausschließlich den Bewerbern überlassen, zu welchen Zeitpunkt sie innerhalb der Angebotsfrist die Vergabeunterlagen abfordern und welchen Zeitraum sie für ausreichend erachten, um die Angebote zu erstellen.

(2)

wegen

der gerügten Vergabeverstöße hat die 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt durch den Vorsitzenden Regierungsdirektor ………., den hauptamtlichen Beisitzer Herrn ………..

und die ehrenamtliche Beisitzerin Frau ……… aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2015 beschlossen:

Der Antragsgegnerin wird untersagt, auf der Grundlage der vorliegenden Ausschreibungsbedingungen den Zuschlag zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ist die Bekanntmachung entsprechend der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu korrigieren.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens. Die Verfahrenskosten werden insgesamt auf ………. Euro festgesetzt.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin war notwendig.

Gründe I.

Die Antragsgegnerin veranlasste eine Ausschreibung für die Lieferung von Blutentnahmesystemen (Punktions- und Blutentnahmeausrüstung) für das Universitätsklinikum

…………. Sie wählte für die Vergabe dieser Dienstleistungen das Offene Verfahren.

Die Antragsgegnerin versandte am 29.04.2015 eine Auftragsbekanntmachung an die TED- Datenbank. Am 02.05.2015 erfolgte die Veröffentlichung im Supplement zum Amtsblatt der EU.

Der Gegenstand der Bekanntmachung ist gemäß II.1.3) eine Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer über eine Laufzeit von 2 Jahren.

Laut II.1.4) beträgt der geschätzter Gesamtwert ohne MwSt. 400.000,00 € Die Vertragslaufzeit wird in II.3) mit 15.10.2015 bis 14.10.2017 angegeben.

Die Gesamtmenge des Auftrags gemäß II.2.1) ist im Leistungsverzeichnis zu ersehen.

III.1.2) regelt, dass die maßgebliche Vorschrift für die Abwicklung des Auftrages die VOL/A Abschn. 2 ist.

In IV.1.1) wird das Offene Verfahren als Verfahrensart festgelegt.

Gemäß IV.3.3) Bedingungen für den Erhalt von Vergabeunterlagen wird als Schlusstermin für Anforderung von oder Einsichtnahme in Unterlagen der 15.05.2015, 14.30 Uhr angegeben.

Der Schlusstermin für den Angebotseingang wurde gemäß IV.3.4) auf den 22.06.2015, 14.30 Uhr festgelegt.

(3)

In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Anlage 1 der Vergabeunterlagen) äußert sich die Antragsgegnerin zur Verfahrensweise bei Bieteranfragen.

Bieteranfragen sind grundsätzlich über eine bestimmte vorgegebene Faxnummer zu stellen.

Es wird darum gebeten, diese erst nach Ablauf der Abforderungsfrist zu stellen, mit der Begründung, dass dann der bekannte mögliche Bieterkreis in geeigneter Weise informiert werden könne. Des Weiteren würden Bieteranfragen grundsätzlich nur beantwortet, wenn sie bis zum 12.06.2015, 10.00 Uhr, eingegangen seien. Die Beantwortung verspäteter Bieteranfragen läge im pflichtgemäßen Ermessen der Vergabestelle.

Die besonderen Vertragsbedingungen (Anlage 8) enthalten unter Pkt. 1 Hinweise auf den Geltungsbereich des § 14 ff VOL/A bei nationalen Vergabeverfahren und § 17 EG bei EU- weiten Verfahren.

Als Zuschlagskriterien werden der Preis mit einer Gewichtung von 35 % und die Qualität mit einer Gewichtung von 65 % angegeben.

Das Angebotsblatt Anlage 16 enthält in Teil A – Mindestbedingungen den Punkt 6 Muster.

Eine Bereitstellung von Testprodukten sei erst nach Ende der Frist zur Abgabe eines Angebots zulässig.

Die Vergabeunterlagen enthalten als Anlage 20 einen Rahmenvertrag gemäß § 4 EG VOL/A über die Belieferung der Antragsgegnerin durch den beauftragten Lieferanten.

Eine Übersichtliste der Antragsgegnerin über die Abforderungen der Unterlagen enthält die Namen von 12 Firmen. Gemäß der Bemerkungsspalte haben 5 der an den Vergabeunterlagen interessierten Firmen nach Einsichtnahme in die Unterlagen zwischen dem 07.05.2015 und dem 02.06.2015 Absagen erteilt. 6 Firmen haben die Angebotsunterlagen zwischen dem 04.05.2015 und 11.05.2015 abgefordert und erhalten.

Die Antragstellerin ist darin mit der Bemerkung gelistet „Abforderung am 26.05.2015 verspätet/keine Ausgabe“.

Zwischen dem 28.05.2015 und 10.06.2015 kam es zu drei inhaltlich verschiedenen Bieteranfragen. Diese wurden durch die Antragsgegnerin am 01.06.2015 und am 15.06.2015 beantwortet.

Des Weiteren sendete sie am 12.06.2015 an die von ihr zugelassenen Bewerber fehlende Kennzettel und eine gesonderte Anlieferadresse für von ihr gemäß Pkt. 6 des Leistungsverzeichnisses geforderte Muster von Testprodukten.

Die Antragstellerin bat per Fax an die Antragsgegnerin am 22.05.2015 um die Vergabeunterlagen. Sie habe die Ausschreibung im Supplement des EU-Amtsblatts entdeckt und habe Interesse daran, ein wirtschaftlich attraktives Angebot unterbreiten zu können.

Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass die Frist für die Abforderung der Vergabeunterlagen mit aus ihrer Sicht 10 Arbeitstagen zwischen Veröffentlichung und Ablauf des Schlusstermins ungewöhnlich kurz bemessen sei. Sie bat, dass diese Frist verlängert werde. Dies sei vergaberechtlich unproblematisch möglich, da die Frist zur Abgabe der Angebote erst am 22.06.2015 ausliefe. Sie erläuterte, dass die vergaberechtlichen Normen keine Regelungen für eine Unterlagenabforderungsfrist enthielten. Sie wäre auch im Sinne der Gleichbehandlung damit einverstanden, wenn die Vergabeunterlagen in diesem Zusammenhang allen anderen Interessenten zur Verfügung gestellt würden.

Da es offensichtlich bei der Antragsgegnerin zu keinem Faxeingang gekommenen war, sendete die Antragstellerin dieses Schreiben am 26.05.2015 als Word-Anhang einer E-Mail.

Am 29.05.2015 erhielt die Antragstellerin dazu vorab eine Antwort per E-Mail mit einem pdf- Dokument als Anhang. Dieses enthält auch den Hinweis, dass der Anhang keine Unterschrift trage und eine angekündigte Postzustellung nicht vorläge.

(4)

Die Antragsgegnerin teilte auch mit, dass sie aus vergaberechtlichen Gründen und zur Vorbeugung wettbewerblicher Verfehlungen die Vergabeunterlagen nach dem von ihr veröffentlichten Schlusstermin 15.05.2015 nicht versenden könne. Die Frist zur Abforderung der Vergabeunterlagen von 16 Tagen sei angemessen gesetzt worden. Diese begründe sich aus der Art und dem Umfang der Ausschreibung, bei der mit einer relativ hohen Bewerberzahl zu rechnen sei.

Eine nachträgliche Verlängerung im laufenden Vergabeverfahren, wegen verspäteter Abforderung durch die Antragstellerin 10 Arbeitstage nach Ablauf der gesetzten Frist, wäre nicht legitim.

Auch wenn es zuträfe, dass die vergaberechtlichen Bestimmungen zur Unterlagenabforderungsfrist keine Vorgaben enthielten, würde es gefestigter Rechtsprechung entsprechen, dass solche Fristen zulässig wären.

Der Wettbewerb wäre ausreichend gewährt und man dürfe nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Wettbewerbsteilnehmer verstoßen.

Am 02.06.2015 sendete die Antragstellerin ein Rügeschreiben an die Antragsgegnerin. Sie rügte, nunmehr anwaltlich vertreten, die Ablehnung der Übersendung der Vergabeunterlagen an sie als Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB und das Diskriminierungsverbot des § 97 Abs. 2 GWB. Die Antragstellerin wäre erst nach Ablauf der Unterlagenabforderungsfrist, aber noch vor der Angebotsfrist, auf die Ausschreibung aufmerksam geworden. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Beschränkung besäße keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Vielmehr ließe sich aus § 12 Abs. 7 VOL/A EG ableiten, dass es eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers gäbe, rechtzeitig angeforderte Unterlagen innerhalb von 6 Tagen nach Eingang des Antrags an die Unternehmen abzusenden. Unter Verweis auf den Beschluss der VK Sachsen vom 19.04.2012 – Az. 1/SVK/009-12 verblieben dem Auftraggeber also noch sechs Tage für die Unterlagenversendung, soweit der Antrag noch vor dem Schlusstermin für den Eingang der Angebote eingegangen sei.

Die Unterlagenabforderungsfrist verstoße zudem gegen die aktuell gültige Bestimmung des Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments. Danach habe der öffentliche Auftraggeber ab dem Tag der Veröffentlichung oder dem Tag der Aufforderung zur Interessensbestätigung unentgeltlich einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang anhand elektronischer Mittel zu den Auftragsunterlagen anzubieten. Diese Regelungen würden bereits eine Vorwirkung auf das geltende nationale Recht entfalten (OLG Düsseldorf v. 19.11.2014 –VII-Verg 30/14) und alte Beschlüsse, die auf der Grundlage der Regelung in § 18a Abs. 4 VOL/A 2002 und der 2006 novellierten EU-Vergaberichtlinie 2004/18/EG ablösen.

Es gäbe auch keinen sachlichen Grund für diese kurze Fristsetzung. Das Risiko für die Kalkulation eines seriösen und wirtschaftlichen Angebots würde ohnehin der Bieter tragen.

Es läge bezüglich der zwingenden Notwendigkeit zu einer möglichst frühen Abforderung der Unterlagen kein schützenswertes Interesse des Auftraggebers vor.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin wäre eine Aufhebung der gesetzten Frist während eines laufenden Vergabeverfahrens nicht möglich. Dies verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz. Voraussetzung dafür wäre, dass die Änderung allen potentiellen Bieter transparent und gleichbehandelnd bekannt gegeben werden würde. Sie wäre jedoch durch die gesetzte Frist ungleich behandelt worden, da sie sich ohne sachlichen Grund nicht an der Ausschreibung beteiligen könne. Sie habe jedoch gemäß § 15 Abs. 11 lit.

a) VOL/A EG einen Anspruch auf Erhalt der Vergabeunterlagen.

Mit einem Nichtabhilfeschreiben reagierte die Antragsgegnerin am 08.06.2015 auf die Rüge der Antragstellerin.

Sie zeigte zuerst ihre Verwunderung darüber, dass die Antragstellerin als langjährige Lieferantin ihre vorhandenen Informationsvorteile nicht genutzt habe. So habe die Antragstellerin bereits eine im Vorjahr begonnene Ausschreibung zum gleichen Lieferumfang beanstandet. Die Ausschreibung wäre nach Beanstandung durch die jetzige Antragstellerin

(5)

aufgehoben und der jetzigen Antragstellerin angekündigt worden, dass die Leistung erneut vergeben werden solle.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass sich aus dem Begriff „rechtzeitig“ in § 12 Abs. 7 VOL/A EG die Möglichkeit einer Fristbestimmungsvorgabe für die Abforderung der Vergabeunterlagen entnehmen ließe. Ebenso spräche die RL 2004/18/EG, Anhang VII, Teil A, Nr. 11 lit. b) aufgrund ihrer Formulierung “Gegebenenfalls Frist, bis zu der die Unterlagen angefordert werden können“ für eine Fristsetzung. Die Muster der Standardformulare für Bekanntmachungstexte bei offenen Verfahren enthielten die für den Auftraggeber sinnvollen Angaben.

Anders als die VK Sachsen habe die Vergabekammer des Bundes am 05.10.2012, Az.: VK 3-114/12 nachvollziehbar entschieden, dass das Setzen einer Frist nicht vergaberechtswidrig sei. Diese trage dazu bei, dass die Angebote durch frühzeitiges Vorliegen der Vergabeunterlagen bei den Bietern sorgfältig erstellt werden können.

Auch der Regelung des Art. 53 Abs. 1 der RL 2014/24/EU (Artikel 21 und 22) könne nicht entnommen werden, dass Befristungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden sollen. Die Regelung beziehe sich ausschließlich auf die elektronische Verfügbarkeit der Auftragsunterlagen. Die betreffenden Unterlagen seien aber nicht elektronisch zugänglich gemacht worden.

Die Fristsetzung sei auch sachlich begründet und angemessen.

Die Ausschreibungsterminkette mit 52 Kalendertagen für die Angebotsfrist und 16 Kalendertagen für die Unterlagenabforderungsfrist weise ein angemessenes Verhältnis auf.

Innerhalb einer kürzeren Frist würden aufklärende Informationen zu Bieteranfragen nur sehr eingeschränkt möglich sein. Das Leistungsverzeichnis weise aber eine Komplexität auf, bei dem mit einem höheren Aufklärungsbedarf der Bieter zu rechnen wäre. Im Gegensatz zur Antragstellerin, als aktuelle Lieferantin, wäre durch die anderen Bieter das zusätzliche Erarbeiten eines Umstellungskonzeptes erforderlich.

Die Antragstellerin habe bereits durch die vorangegangene Ausschreibung, an der sie teilgenommen habe, Kenntnis über die Verfahrensweise mit einer Abforderungsfrist gehabt.

Sie könne nicht im Sinne der Rüge der Antragstellerin abhelfen, da dies einen Verstoß gegen geltendes Vergaberecht darstellen würde.

Am 15.06.2015 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gemäß § 107 Abs. 1 GWB bei der Vergabekammer gestellt. Hierbei hat sie ihr Vorbringen aus den Rügeschreiben ergänzt und vertieft.

Sie hebt hervor, dass ihr als aktuelle Lieferantin für Blutentnahmesysteme bei der Antragsgegnerin durch die Verweigerung zur Übersendung der Vergabeunterlagen ein Schaden entstehe, da sie keine Möglichkeit zur Angebotserstellung erhalte.

Die gesetzte Frist verstoße sowohl gegen nationales als auch europäisches Vergaberecht.

Mit der Novellierung des Vergaberechts 2006 zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie 2004/18/EG sei die Möglichkeit zur Setzung von Fristen zur Anforderung der Vergabeunterlagen ersatzlos entfallen. Vielmehr sei ein Auftraggeber gemäß § 12 Abs. 7 VOL/A EG verpflichtet, Unterlagen innerhalb von 6 Tagen nach Eingang des Antrags an ein Unternehmen zu senden, wenn es diese rechtzeitig abgefordert habe.

Aus dem Begriff „rechtzeitig“ in § 12 Abs. 7 VOL/A EG leite sich keine Befugnis zur Setzung einer Abforderungsfrist für Unterlagen ab. Die Norm enthalte auch keine Bestimmung einer

„Rechtzeitigkeit“.

Die Antragstellerin habe die Unterlagen am 22.05.2015, also einen Monat vor Ablauf der Angebotsfrist, abgefordert. Insoweit sei die Abforderung im Sinne des § 12 Abs. 7 VOL/A EG rechtzeitig erfolgt.

Die Argumentation der Antragsgegnerin, nach der die Regelung des Art. 53 RL 2014/24/EU nicht anwendbar sei, da sie sich nur auf die elektronische Verfügbarkeit von Unterlagen

(6)

beziehe, wäre nicht nachvollziehbar. Gemäß Abs. 1 dieses Artikels dürfe die Übersendung der Vergabeunterlagen nicht von einer vorherigen Abforderung abhängig gemacht werden.

Die Bewerber müssten vielmehr in der Lage sein, die Unterlagen jederzeit frei abzurufen.

Ohnehin habe die Antragsgegnerin gegen diese neue Richtlinie verstoßen, indem sie der Forderung aus Art. 53 nicht nachgekommen sei, ab dem Tag der Veröffentlichung oder dem Tag der Aufforderung zur Interessensbestätigung unentgeltlich eine uneingeschränkten und vollständigen Zugang zu den Auftragsunterklagen anhand elektronischer Mittel zu gewährleisten.

Entgegen der Rechtauffassung der Antragsgegnerin entfalte die neue Richtlinie durchaus bereits eine Vorwirkung (vgl. OLG Düsseldorf v. 19.11.2014 – VII-Verg 30/14).

Sie weist auch zurück, dass die Unterlagen so frühzeitig und mit einer knapp bemessenen Frist anzufordern gewesen sein sollen, weil sonst keine ausreichende Kalkulationszeit für seriöse und wirtschaftliche Angebote zur Verfügung stünde. Abgesehen davon, dass es die alleinige Entscheidung eines Bieters sei, ob ihm die verbleibende Zeit zur Kalkulation genüge, wäre zu beachten, dass die Antragstellerin mit der Leistung und den Abläufen besten vertraut sei. Auch die beschriebene Komplexität des Leistungsverzeichnisses würde sich nicht nachteilig auf die Antragstellerin auswirken können. Sie müsse auch als aktuelle Leistungserbringerin kein Umstellungskonzept erarbeiten.

Sie vermutet vielmehr, dass die Antragsgegnerin angesichts der von dieser angenommenen relativ hohen zu erwartenden Bewerberzahl von der verspäteten Wahrnehmung der Ausschreibung bei einigen potentiellen Anbietern ausgehe. Es sei aber geradezu die Pflicht eines öffentlichen Auftraggebers, einen breiten Wettbewerb mit einer regen Teilnahme von Bietern zu fördern.

Auch die Setzung einer Frist für die Einreichung von Bieteranfragen sei in keinem Zusammenhang mit der Abforderungsfrist für Vergabeunterlagen zu sehen. Hier sei dem Auftraggeber die Möglichkeit gegeben, im Fall von umfangreichen Bieteranfragen, die er nicht rechtzeitig vor Angebotsfristende beantworten könne, das Verfahren zu verlängern.

Auch die Darstellung der Antragsgegnerin, dass eine Aufhebung der gesetzten Frist gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, wäre sachlich nicht haltbar. Vielmehr wäre die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen, vergaberechtswidrige Verfahrensregelungen während des laufenden Vergabeverfahrens abzuändern.

Es gäbe auch keine sachlichen Gründe für die festgesetzte Frist.

So habe die Antragsgegnerin keine Gründe zur Setzung dieser Frist, z.B. in einem Vergabevermerk dokumentiert, obwohl sie dazu gemäß § 24 Abs. 1 VOL/A EG verpflichtet sei.

Der Verweis auf 48 Einzelpositionen und einigen kurzen fachlichen Produktangaben stelle im Vergleich mit anderen ähnlichen Ausschreibungen für Fachanbieter keine besonderen Anforderungen dar, die diese nicht auch in kurzer Zeit kalkulieren könnten.

Die Antragstellerin beantragt,

die von der Vergabekammer festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen und insbesondere die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei Fortsetzung der Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren ab überarbeiteter EU- Bekanntmachung unter Beseitigung des Rechtsverstoßes zu wiederholen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

(7)

Sie gibt an, dass sie am 29.04.2015 die Veröffentlichung der Ausschreibung in mehreren elektronischen Veröffentlichungsplattformen Deutschland- und EU-weit veranlasst habe.

Dabei habe sie gültige Standardformulare verwendet, in denen jeweils die Terminvorgabe für die Anforderung von Unterlagen mit einem entsprechenden Feld vorgegeben wäre. Sie habe sich zur Anwendung dieser Veröffentlichungsform verpflichtet gefühlt.

Sie vertritt auch weiterhin ihre gegenteilige Auffassung, nach der die Formulierung in § 12 Abs. 7 VOL/A EG „rechtzeitig“ in Verbindung mit der Verpflichtung eines Auftraggebers, nach Eingang eines Antrags die Vergabeunterlagen innerhalb von 6 Tagen zu verschicken, eine Fristsetzung zuließe, auch wenn für diese vom Verordnungsgeber keine konkrete Frist vorgegeben sei.

Ebenso verhielte es sich bei den Vorgaben des Artikel 36 Abs. 1 RL 2004/18/EG für die Bekanntmachungstexte bei offenen Verfahren, die „gegebenenfalls“ eine Fristsetzung zuließen.

Weiterhin gäbe es auch keinen Verstoß der Antragsgegnerin gegen Art. 53 Abs. 1 der RL 2014/24/EU. Diese sei noch nicht anwendbar. Eine Vorwirkung auf das nationale Vergaberecht wäre nicht vorhanden. Im Fall einer tatsächlichen elektronischen Verfügbarkeit der Vergabeunterlagen dürfe diese nicht eingeschränkt werden.

Der von der Antragstellerin hinzugezogenen Entscheidung der VK Sachsen vom 19.04.2012 stünde die neuere Entscheidung der VK Bund vom 05.10.2012 entgegen.

Es sei der Antragsgegnerin auch wichtig gewesen, dass Bieteranfragen fristgemäß beantwortet werden könnten. Die Komplexität der hier anzubietenden 48 Einzelartikel mit unterschiedlichen Spezifika würde dazu beitragen, dass mit einem erhöhten Aufklärungsbedarf der Bieter zu rechnen sei, was auch eingetreten wäre.

Von besonderer Bedeutung sei, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin schriftlich mitgeteilt habe, dass die Leistung demnächst neu ausgeschrieben werden soll. Offensichtlich habe die Antragstellerin den Vorgang nicht überwacht und damit die Frist fruchtlos verstreichen lassen. Angesichts des nicht zu verkennenden Wettbewerbsvorteils der Antragstellerin als derzeitige Leistungserbringerin sei es als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten, wenn sie zu Gunsten der Antragstellerin die Unterlagenabforderungsfrist neu festlegen würde.

Somit wäre kein Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz und das Diskriminierungsgebot ersichtlich.

In der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2015 haben die Beteiligten Ihr Vorbringen ergänzt und vertieft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.

Der Vorsitzende hatte die Frist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 3 GWB bis zum 14.09.2015 verlängert.

II.

Der Antrag ist zulässig.

1. Zulässigkeit 1.1 Zuständigkeit

Gemäß § 104 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) veröffentlicht im BGBl. I, 1998, Nr. 59, S. 2568 ff., neugefasst durch Bekanntmachung vom 15.07.2005, BGBl. I, 2005, Nr. 44, S. 2114 ff., zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.06.2013, BGBl. I, 2013, Nr. 32, S. 1750, i.V.m. der Richtlinie über die Einrichtung von Vergabekammern in Sachsen-Anhalt (RdErl. des MW LSA vom 04.03.1999 – 63 - 32570/03,

(8)

veröffentlicht im MBl. LSA Nr. 13/1999 S. 441 ff., zuletzt geändert durch RdErl. des MW vom 08.12.2003 – 42-32570/03, veröffentlicht im MBl. LSA Nr. 57/2003, S. 942) i.V.m. d. gem.

Geschäftsordnung d. VgK (Bek. des MW vom 17.04.2013 – 41-32570-17, veröffentlicht im MBl. LSA Nr. 14/2013) ist die 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen- Anhalt für die Nachprüfung des vorliegenden Vergabeverfahrens örtlich zuständig.

Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB.

Der maßgebliche Schwellenwert von 207.000 Euro gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.2003, BGBl I S. 169, zuletzt geändert durch Artikel 1 Siebte ÄndVO v. 15.10.2013 BGBl I S. 3584) für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträge ist für dieses Vorhaben bei Weitem überschritten.

1.2 Antragsbefugnis

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setzt gemäß § 107 Abs. 2 GWB voraus, dass ein Unternehmen ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht und dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Diese Voraussetzungen sind gegeben, da die Antragstellerin vorbringt, durch den gerügten Vergabeverstoß an der Erstellung eines Angebotes gehindert worden zu sein.

2. Rüge

Die Antragstellerin ist ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB ordnungsgemäß nachgekommen. Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Die Antragstellerin hat bereits mit Schreiben vom 22.05.2015 (Eingang bei der Antragsgegnerin per E-Mail am 26.05.2014) beanstandet, dass die Frist für die Abforderung der Vergabeunterlagen ungewöhnlich kurz bemessen sei. Sie bat darum, diese zu verlängern. Sie hat damit auch schon zu diesem Zeitpunkt Vergabeverstöße geltend gemacht und um Abhilfe nachgesucht. Das Schreiben ist daher als Rüge anzusehen.

Die Rüge ist auch rechtzeitig erfolgt. Sie hat die Antragsgegnerin innerhalb von vier Tagen nach Kenntniserlangung erreicht.

Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 29.05.2015 ist als Nichtabhilfenachricht im Sinne des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB anzusehen.

Diese Nachricht hat aber die Frist gemäß dieser Vorschrift nicht in Gang gesetzt, weil es an einem ausreichenden diesbezüglichen Hinweis fehlt. Nach § 15 EG Abs. 1 VOL/A in Verbindung mit Anhang II der Verordnung (EU) 842/2011, Abschnitt VI.4.2) ist der Auftraggeber verpflichtet, genaue Angaben zu den von den Bewerbern zu beachtenden Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen zu machen oder eine Stelle zu benennen, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich sind.

Angesichts des Wortlauts dieser Vorgaben ist die Frist nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB als Rechtsbehelfsfrist anzusehen, die nur zu laufen beginnt, wenn in der europaweiten Ausschreibung die vorgenannten Hinweise erteilt worden sind (OLG Brandenburg v. 13.09.2011–Verg W 10/11 S. 10). Dies hat die Antragsgegnerin jedoch unterlassen. Damit kann der Antragstellerin eine etwaige Fristversäumnis nicht zur Last gelegt werden.

(9)

3. Begründetheit

Der Antrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist durch die Vorgabe einer Frist zur Abforderung der Vergabeunterlagen in der Vergabebekanntmachung in ihren Rechten im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB verletzt. Der Antragsgegnerin wird daher untersagt, auf Grundlage der gegenwärtigen Ausschreibungsbedingungen den Zuschlag zu erteilen.

Hierzu Im Einzelnen:

Nach § 12 EG Abs. 7 VOL/A müssen die Auftraggeber die Vergabeunterlagen innerhalb von sechs Tagen nach Eingang des Antrags an die Unternehmen absenden, sofern diese rechtzeitig angefordert worden sind und die Unterlagen nicht auf elektronischem Wege verfügbar gemacht wurden. Nach § 15 EG Abs. 11 lit. a) VOL/A sind die Vergabeunterlagen an alle anfordernden Unternehmen zu übermitteln. Aus diesen Vorschriften kann geschlussfolgert werden, dass ein öffentlicher Auftraggeber verpflichtet ist, einem Interessenten die Vergabeunterlagen zuzusenden, sofern ein entsprechender Antrag so rechtzeitig vor dem Schlusstermin für den Eingang der Angebote eingegangen ist, dass dem Auftraggeber noch sechs Tage für die Versendung der Unterlagen verbleiben (vgl. VK Sachsen v. 19.04.2012-1/SVK/009-12).

Aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt sich mithin nicht, dass der Auftraggeber befugt wäre, den Termin über die oben erwähnten sechs Tage hinaus vorzuverlegen (vgl. auch Weyand Vergaberecht 4. Aufl. 2013 EG § 12 Rd. 54).

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 12 EG Abs. 8 VOL/A. Hier ist lediglich eine Frist vorgegeben, nach deren Ablauf ein öffentlicher Auftraggeber nicht mehr verpflichtet ist, Auskünfte zu den Angebotsunterlagen zu erteilen.

Soweit die Antragsgegnerin hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hatte, dass es ihr nur durch eine Vorverlegung des Termins zur Abforderung der Vergabeunterlagen möglich wäre, rechtzeitig gemäß § 12 EG Abs. 8 VOL/A entsprechende Auskünfte zu geben, kann dem nicht gefolgt werden. In diesem Zusammenhang hatte die Antragstellerin zu Recht darauf hingewiesen, dass auch bei einer Vorverlegung dieses Termins Bieteranfragen erst kurz vor Ablauf der Frist nach § 12 EG Abs. 8 VOL/A gestellt werden können. Der Auftraggeber hat betriebsinterne Vorkehrungen zu treffen, um eine rechtzeitige Erfüllung dieser Obliegenheit zu gewährleisten. Sollte dies dennoch nicht möglich sein, kann er auch auf eine Verlängerung der Angebotsfrist im Sinne des § 12 EG Abs. 1 VOL/A zurückgreifen.

Darüber hinaus kann das Setzen einer solchen Frist nicht damit begründet werden, dass die Vergabeunterlagen den Bewerbern so frühzeitig vorzuliegen haben, dass sie ihre Angebote sorgfältig erstellen können. Vielmehr ist es ausschließlich den Bewerbern überlassen, zu welchen Zeitpunkt sie innerhalb der Angebotsfrist die Vergabeunterlagen abfordern und welchen Zeitraum sie für ausreichend erachten, um die Angebote zu erstellen.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist ein Auftraggeber auch nicht europarechtlich berechtigt, eine derartige Frist zu setzen. Zwar sieht hinsichtlich des Bekanntmachungstextes die Richtlinie 2004/18/EG Anhang VII Teil A Nr. 11 lit. b) vor, dass die Auftraggeber gegebenenfalls eine Frist setzen können, bis zu der die Unterlagen angefordert werden können.

Diesbezüglich verdrängt jedoch Art. 53 Abs. 1 der neueren Richtlinie 2014/24/EU die Regelungen der früheren Richtlinie 2004/18/EU. Insoweit ist die Entscheidung der VK Bund v. 05.10.2012 – VK 3-114/12 überholt.

Nach Art. 53 Abs. 1 der o.g. Richtlinie bieten die öffentlichen Auftraggeber ab Bekanntmachung unentgeltlich einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang anhand elektronischer Mittel zu diesen Auftragsunterlagen an. Kann ein solcher Zugang nicht angeboten werden, so können die öffentlichen Auftraggeber die Unterlagen nicht elektronisch, sondern durch andere Mittel übermitteln.

(10)

Diese Vorgaben sind bei der Auslegung des § 12 EG Abs. 7 VOL/A zu berücksichtigen, auch wenn die Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt wurde. Sie ist aber gemäß Art.

93 der RL 2014/24/EU bereits in Kraft getreten und hat eine entsprechende Vorwirkung.

Diese ist gegeben, da die vorgenannte Regelung des Art. 53 Abs. 1 dieser Richtlinie den Mitgliedsstaaten bei deren Umsetzung keine Alternativen oder einen Normierungsfreiraum lassen. Vor Umsetzung der Richtlinie darf das innerstaatliche Recht nicht in einer Weise ausgelegt werden, die das Erreichen des Richtlinienziels nach Ablauf der Umsetzungsfrist gefährden könnte (vgl. BGH v.05.02.1998 Az.: I ZR 211/95, Rd 47, 48 und OLG Düsseldorf v. 19.11.2014 Az.: Verg 30/14). Aus dem Wortlaut des Art. 53 Abs. 1 RL 2014/24/EU ist abzuleiten, dass es dem Richtliniengeber im Sinne eines möglichst breiten Wettbewerbs darauf ankam, den Bietern eine uneingeschränkten Zugang zu den Auftragsunterlagen zu ermöglichen. Der Wortlaut der Richtlinie sieht insoweit keine Ausnahmen vor. Der nationale Gesetzgeber hat keine Möglichkeit, bei der Umsetzung der Richtlinie von diesen Vorgaben abzuweichen. Auch eine Auslegung des § 12 EG Abs. 7 VOL/A, die etwa eine zeitliche Beschränkung des Zugangs zu den Auftragsunterlagen vorsähe, würde den vorgenannten Zielen des Art. 53 Abs. 1 der RL 2014/24/EU zuwider laufen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie primär Regelungen zur elektronischen Verfügbarkeit der Unterlagen trifft.

Der Umstand, dass die Formblätter für die Bekanntmachung von EU-weiten Ausschreibungen unter Pkt. IV.3.3) „Bedingungen für den Erhalt von Vergabe- /Ausschreibungs-und ergänzenden Unterlage bzw. der Beschreibung“ die Eintragung eines

„Schlusstermins für die Abforderung von oder Einsicht in Unterlagen:“ enthalten, erklärt sich offensichtlich ausschließlich aus deren Bezug auf die RL 2004/18/EU.

Die Auftraggeber müssen jedoch in diesen Punkt nicht zwingend Vorgaben machen.

Zu treffende Maßnahmen der Vergabekammer:

Grundsätzlich ist der Auftraggeber zu verpflichten, das Vergabeverfahren ab dem Zeitpunkt zu wiederholen, in dem es fehlerhaft ist.

Der Auftraggeber hat jedoch in eigener Verantwortung zu prüfen und zu klären, ob er das Vergabeverfahren gemäß § 20 EG VOL/A aufheben will. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die Antragsgegnerin zusätzlich die Leitungsbeschreibung abändern möchte.

Da dies eine eigene Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin ist, kann die Vergabekammer sie hierzu nicht verpflichten. Ihr steht auch die Möglichkeit offen, durch eine Berichtigung der Bekanntmachung die Frist zur Angebotsabgabe zu verlängern und dabei keine Frist zur Abforderung der Vergabeunterlagen vorzusehen. Soweit die Angebote schon bereits geöffnet sind, müssten die entsprechenden Bieter aufgefordert werden, ein neues Angebot abzugeben. Hierbei wären ihnen die Vergabeunterlagen mit den aktualisierten Daten zu übermitteln.

Soweit die Angebote nicht geöffnet sind, müsste sich die Antragsgegnerin mit den Bietern in Verbindung setzen und erfragen, ob diese ihr Angebot aufrecht erhalten oder überarbeiten möchten. In diesem Fall wären die ungeöffneten Angebote den Bietern zurückzusenden.

Bei dieser Sachlage kann die Vergabekammer der Antragsgegnerin nur untersagen, auf Grundlage der gegenwärtigen Ausschreibungsbedingungen auf eines der vorliegenden Angebote den Zuschlag zu erteilen.

III.

Die Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren beruht auf § 128 Abs. 1 i.V.m.

Abs. 3 Satz 1 GWB. Nach dieser Vorschrift hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt, mithin die Antragsgegnerin. Sie ist mit ihrem Begehren, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen, nicht durchgedrungen.

Die Antragsgegnerin ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungskostengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (VwKostG LSA vom 27.06.1991) von der Entrichtung der Kosten befreit. Nach dieser Vorschrift werden Gebühren im Verwaltungsverfahren nicht erhoben für Amtshandlungen, zu denen eine Landes- oder gleichgestellte Behörde Anlass gegeben hat.

(11)

Nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwKostG LSA ist diese Regelung jedoch nicht anzuwenden bei Entscheidungen über förmliche Rechtsbehelfe, z. B. über einen Widerspruch. Das Vergabenachprüfverfahren ist in diesem Zusammenhang mit einem Widerspruchsverfahren vergleichbar (vgl. OLG Naumburg v. 17.09.2002, Az.: 1 Verg 8/02; OLG Naumburg v.

20.09.2012, Az.: 2 Verg 4/12).

Rechtsgrundlage für die Bemessung der Höhe der Gebühren im Hauptsacheverfahren ist § 128 Abs. 2 Satz 1 GWB. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Grundlage des wirtschaftlichen Wertes ist insoweit der Angebotspreis (Brutto) der Antragstellerin. Da diese darin gehindert war, ein Angebot abzugeben, ist der geschätzte Auftragswert der Antragsgegnerin heranzuziehen. Dieser beträgt gemäß Vergabevermerk vom 04.04.2015 für die Laufzeit des Rahmenvertrages von 2 Jahren Brutto ……….. Euro.

Nach der Gebührentabelle der Vergabekammer ergibt sich ein Richtwert von ………… Euro zuzüglich der Auslagen in Höhe von ………. Euro. Die Antragsgegnerin hat nach Eintritt der Bestandskraft des Beschlusses einen Betrag in Höhe von ………. Euro unter Verwendung des Kassenzeichens 3300-………. auf das Konto 810 015 00 bei der Landeshauptkasse Sachsen-Anhalt, Deutsche Bundesbank Magdeburg, BLZ 810 000 00, BIC MARKDEF1810, IBAN DE21810000000081001500 zu entrichten.

Nach § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB hat ein Beteiligter die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des jeweiligen Antragsgegners zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt. Die Antragsgegnerin ist hier als Unterliegende anzusehen und hat daher diese Aufwendungen zu tragen.

Angesichts der sachlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falls war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragstellerin notwendig (§ 128 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG ).

Der Antragstellerin wird der bereits geleistete Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,00 Euro abzüglich der im Rahmen der Akteneinsicht entstandenen Kopierkosten in Höhe von …….. Euro (somit insgesamt …………. Euro) nach Eintritt der Bestandskraft des Beschlusses zurückerstattet. Dazu wird um Angabe der Bankverbindung gebeten.

Ihrer eigenen Aufwendungen für ihre Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung hat die Antragsgegnerin selbst zu tragen.

IV.

Die ehrenamtliche Beisitzerin, Frau …….., hat den Vorsitzenden und den hauptamtlichen Beisitzer der Vergabekammer ermächtigt, den Beschluss allein zu unterzeichnen. Ihr lag dieser Beschluss hierzu vor.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Entscheidung kann das Oberlandesgericht Naumburg, Domplatz 10, 06618 Naumburg, innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, schriftlich angerufen werden.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen.

Die Beschwerde muss die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, sowie die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt, enthalten.

(12)

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

………. ………….

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Weiterhin soll durch die Bekanntgabe dieser Unterkriterien sichergestellt werden, dass bei der Wertung der Angebote Manipulationen ausgeschlossen werden und

Soweit die Antragsgegnerin sich darauf berufe, dass sie den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilen wolle, sei dies für die Antragstellerin nicht

1.2.2.4.11 Innenliegender Absturz S02.5.1 als Absturzsystem mit Revisionsöffnung verlangt, konstruktive Lösungen aus Formteilen eines Rohrsystems seien nicht

Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren (Palandt,

4 LVG LSA findet eine Prüfung des Vergabeverfahrens durch die Vergabekammer nicht statt, wenn der Auftragswert bei Leistungen ohne Umsatzsteuer einen Betrag

Es genügen Schritte des Auftraggebers, die von außen wahrgenommen werden und geeignet sind, das leistende Unternehmen mit dem Ziel eines Vertragsschlusses zu ermitteln und

Angesichts des zu diesem Zeitpunkt noch offenen Nachprüfungsverfahrens (Az. 2 VK LSA 33/15) beabsichtige sie die interimsweise Vergabe der Ölspurbeseitigung für das

Bei dieser Sachlage mussten die beiden Bevollmächtigten der Bietergemeinschaft bei der nach ihrer Auffassung selbst verursachten Dringlichkeit der