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2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss

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2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt

Beschluss

dazu OLG-Entscheidung 7 Verg 1/17 vom 14.07.2017

AZ: 2 VK LSA 19/16 Halle, 14.02.2017

§ 134 Abs. 1 S. 1 GWB, 168 Abs. 1 S. 1 GWB, § 34a Abs. 1 S.1 GewO

- unbegründeter Nachprüfungsantrag - Informations- und Wartepflicht

- Empfangsdienstleistung ohne Gewerbeerlaubnis nach § 34a Abs. 1 S.1 GewO

Die ausgeschriebenen Leistungen sind nicht dem Bewachungsgewerbe zuzuordnen. Der Schwerpunkt der Leistungen liegt auf Tätigkeiten wie dem Empfang von Besuchern, die Ausgabe von Besucherausweisen, der Schlüsselausgabe und -rücknahme, der Annahme des Posteingangs, der telefonischen Anmeldung von Besuchern, sowie der Telefonvermittlung etc. Diese Aufgaben erfüllen die Voraussetzungen i.S. des § 34a Abs. 1 S. 1 GewO nicht. Weiterhin hatte die Antragsgegnerin in der Vergabebekanntmachung gerade nicht vorgegeben, dass die Bieter zum Nachweis ihrer Eignung eine Gewerbeerlaubnis i.S. der vorgenannten Vorschrift vorzulegen haben. Zu Recht ist die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene die Anforderungen an die ausgeschriebene Leistung erfüllt. Ihre Entscheidung, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Vorgehen der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nicht in ihren Rechten gemäß

§ 168 Abs. 1 S. 1 GWB verletzt.

Hierbei kann offenbleiben, ob das Informationsschreiben der Antragsgegnerin vom 09.09.2016 den Anforderungen des § 134 Abs. 1 S. 1 GWB genügt hat. Allein die Missachtung von Informations- und Wartepflichten begründet noch kein berechtigtes Interesse eines Bieters an der Feststellung der Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrages. Nur derjenige, dessen Chancen auf Erlangung des Auftrages durch die Zuschlagsentscheidung geschmälert sein können, wird durch ein fehlerhaftes Vergabeverfahren in seinen Rechten beeinträchtigt. Steht fest, dass der Bieter selbst bei ordnungsgemäßer Korrektur des Vergabeverfahrens den Zuschlag nicht erhalten kann, ist sein Nachprüfungsantrag unbegründet (vgl. OLG München vom 12.05.2011; Verg 26/10).

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In dem Nachprüfungsverfahren der

Antragstellerin

Verfahrensbevollmächtigte

gegen die

Antragsgegnerin

Verfahrensbevollmächtigte

unter Beiladung des

Beigeladene Verfahrensbevollmächtigte

wegen

der gerügten Vergabeverstöße bezüglich des Offenen Verfahrens zur Vergabe von Empfangsdienstleistungen in den Räumlichkeiten der … hat die 2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden …, die hauptamtliche Beisitzerin … und die ehrenamtliche Beisitzerin … beschlossen:

Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren, Auslagen und Kopierkosten) des Verfahrens. Die Verfahrenskosten werden insgesamt auf … Euro festgesetzt.

Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten für die Antragsgegnerin und die Beigeladene waren notwendig.

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Gründe

I.

Mit Bekanntmachung vom … schrieb die Antragsgegnerin Empfangsdienstleistungen unter dem CPV-Code 79992000-4 nach der Vergabeverordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Offenen Verfahren aus.

Die Vertragslaufzeit erstreckt sich vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2018 mit der Möglichkeit einer zweimaligen Vertragsverlängerung um jeweils ein Jahr (hier bis zum 30.09.2020).

Einziges Wertungskriterium ist der Preis.

Unter anderem ist mit dem Angebot der Nachweis über eine Betriebshaftpflichtversicherung über 2 Mio. Euro für Personen-, Sach- und Vermögensschäden, Abhandenkommen von Schlüsseln/Schlüsselversicherung über 75.000 Euro oder eine Eigenerklärung des Versicherers, dass im Ausnahmefall diese Summen zur Verfügung stehen, vorzulegen.

Nach Ziffer III.2.2) der Bekanntmachung haben die Bieter als Bedingung zur Auftragsausführung u.a. eine Erklärung zur Tariftreue und Entgeltgleichheit entsprechend

§ 10 Abs. 1 und 3 des Landesvergabegesetzes Sachsen-Anhalt abzugeben.

Zur Überprüfung der technischen Leistungsfähigkeit ist nach Ziffer III.2.3) der Bekanntmachung eine Referenzliste über mindestens drei mit dem Auftragsgegenstand vergleichbaren Leistungen, in den letzten drei Jahren, unter Nennung des Auftraggebers, des Ansprechpartners und seiner Telefonnummer anzugeben.

Gemäß Leistungsbeschreibung haben die Bieter auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gültigen Normen und Tarifverträgen zu kalkulieren.

Weiterhin haben sie mit dem Formblatt “Erklärung zur Tariftreue und Entgeltgleichheit“

unter Ziffer 1 zu bestätigen, dass

„meinen/unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Auftragsausführung der Leistung Arbeitsbedingungen gewährt werden, die mindestens den Vorgaben desjenigen Tarifvertrages entsprechen, an den das Unternehmen aufgrund des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes vom 20. April 2009 in der jeweils gültigen Fassung gebunden ist.“

Gemäß Ziffer 5 der Vorbemerkungen in den Vergabeunterlagen muss der Auftragnehmer Preisanpassungen bei Erhöhung der tariflichen Entgelte gegenüber dem Auftraggeber bis zum 01.04. eines Jahres geltend machen. Nach schriftlicher Zustimmung durch den Auftraggeber tritt die Preisanpassung jedoch erst mit Wirkung vom 01.10. desselben Jahres in Kraft. Der Auftraggeber kann den Nachweis der Verbindlichkeit der tariflichen Regelungen verlangen.

Die Antragsgegnerin fordert auf Seite 6 des Leistungsverzeichnisses unter der Überschrift

„Sicherheits- und Empfangsdienste“, dass der Auftragnehmer eine 24-stündige Erreichbarkeit über eine Notrufzentrale, Sicherheitsstelle etc. zu gewährleisten hat.

In den Vorbemerkungen der Leistungsbeschreibung heißt es u.a.:

„Eine Bewaffnung des Empfangs- und Sicherheitspersonals in der Betriebszeit des Gebäudes ist nicht Leistungsbestandteil und nur mit Zustimmung des AG zulässig.“

Der Empfang ist zweischichtig Montag bis Donnerstag von 06:00 Uhr bis 21:00 Uhr und Freitag sowie vor Feiertagen bis 20:00 Uhr zu besetzen.

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Die Vergabeunterlagen sehen vor, dass die Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers bei der Ausführung der Empfangs- und Sicherheitsdienstleistungen über das gesamte Objekt die Schlüssel- und Schließgewalten haben.

Die Aufgaben der Leistung sind auf Seite 8 wie folgt in der Leistungsbeschreibung aufgelistet:

 Empfangen, Registrieren und Verabschieden von Besuchern

 Besuchsausweise ausgeben und verwalten

 Entgegennahme und Weiterleiten von Gesprächen sowie Rückinformationen für die Mitarbeiter

 Posteingang annehmen und verteilen

 Annahme von Sendungen und Warensendungen, Lieferscheinweiterleitung

 Tägliche Rundgänge in den Fluren nach 18:00 Uhr und Beleuchtung ausschalten

 Einweisung von Rettungsdiensten

 Koordination sicherheitsrelevanter Belange

 Kontakt mit der Sicherheitsstelle

 Schlüsselausgabe/-rücknahme

 Personen-, Zutritt- und Austrittsverkehr (Betriebsangehörige, Besucher, Kunden, Fremdfirmen und Gäste) mit EDV-Unterstützung

 Fundsachen entgegennehmen und weiterleiten

 Telefonische Anmeldung von Besuchern, Kunden Fremdfirmen und Gäste

 Einweisung der externen Rettungsdienste

 Telefonvermittlung mittels EDV

Ein Eignungsnachweis über eine Gewerbeerlaubnis nach § 34a Gewerbeordnung (GewO) ist weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen gefordert.

Ein Bewerber gab an, dass aufgrund der im Jahr 2016 noch anstehenden Tarifverhandlungen für das Sicherheitsgewerbe mit geänderten Tariflöhnen ab 2017 gerechnet werde. Die Höhe der Löhne stehe bislang noch nicht fest. Nach den Vergabeunterlagen könne der Auftragnehmer eine Preisanpassung der geänderten Tariflöhne jedoch erst ab den 01.10.2017 gegenüber dem Auftraggeber geltend machen.

Es sei dem Auftragnehmer nicht möglich, die Tariflohnerhöhung bis zum 01.10.2017 zu zahlen und gleichzeitig gegenüber dem Auftraggeber bei seiner monatlichen Abrechnung den geringeren Tariflohn aus den vorangegangenen Jahr anzusetzen. Um einen Hinweis für die Angebotsbearbeitung werde gebeten.

Die Antragsgegnerin verwies in ihrer Bieterinformation vom 05.07.2016 auf die Vorgaben bezüglich der Preisanpassungen in den Vergabeunterlagen. Sie erklärte weiterhin, dass der Bieter das kalkulatorische Risiko bei Tariflohnänderungen trage. Eine Preisanpassung sei jedenfalls nur ab den 01.10. eines jeden Jahres, bei einer Geltendmachung gegenüber dem Auftraggeber bis zum 01.04. desselben Jahres, möglich.

Außer der Antragstellerin und der Beigeladene reichten insgesamt 18 Firmen ihre Angebote fristgemäß bis zum 01.08.2016, 14:00 Uhr ein.

Die Antragsgegnerin stellte bei der Prüfung des Angebotes der Beigeladenen fest, dass der Nachweis der Betriebshaftpflichtversicherung nicht oder nur teilweise beigefügt war. Sie forderte gem. § 56 Abs. 2 VgV die Beigeladene mit Schreiben vom 04.08.2016 auf, die entsprechenden Nachweise entsprechend der Bekanntmachung per Fax bzw. E-Mail bis zum 10.08.2016, 12:00 Uhr nachzureichen.

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Per E-Mail übersandte die Beigeladene am 10.08.2016, 11:28 Uhr die geforderten Nachweise.

Die Antragstellerin erhielt mit Schreiben vom 09.09.2016 gemäß § 134 GWB die Mitteilung, dass frühestens am 20.09.2016 das Angebot der Firma … (die Beigeladene) den Zuschlag erhalten soll. Das Angebot der Antragstellerin würde nach der Angebotsprüfung den zweiten Platz belegen.

Gemäß § 160 Abs. 3 GWB rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 16.09.2016 (Eingang bei der Antragsgegnerin am selben Tag) die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin. Sie macht darin im Wesentlichen geltend, dass die Bezeichnung des Bieters im Informationsschreiben vom 09.09.2016 falsch bzw. unvollständig sei. Aufgrund ihrer Recherche ginge sie davon aus, dass es sich bei der Beigeladenen möglicherweise um das Einzelunternehmen … aus … handele.

Als angemeldete Tätigkeit sei die Beigeladene im Gewerbeauszug für den Hausmeisterservice registriert und nicht wie ausgeschrieben für Bewachungsdienstleistungen.

Wie unstreitig ist, war die Antragstellerin Vertragspartnerin der Antragsgegnerin im vorangegangen Vertragszeitraum. Sie führt weiter aus, dass im diesbezüglichen Dienstleistungsvertrag auf die Unfallverhütungsvorschrift für Wach- und Sicherheitsdienste Bezug genommen worden sei. Daraus sei erkennbar, dass die ausgeschriebene Leistung entsprechend zu qualifizieren sei. Der Leistungserbringer müsse schließlich eine Gewerbeerlaubnis nach § 34a Gewerbeordnung (GewO) besitzen. Dies sei bei der Beigeladenen nicht der Fall.

Auch existiere das Unternehmen nach dem Gewerberegister erst seit dem 13.07.2015.

Damit könne es nicht die geforderten Referenzen der letzten drei Jahre, die mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar sein müssen, vorweisen.

Außerdem werde bezweifelt, dass das Unternehmen über die geforderte 24-stündige Erreichbarkeit mittels Notrufzentrale bzw. über eine Sicherheitsleitstelle verfüge.

Schließlich müsse die Beigeladene lediglich einen Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen, weil es nicht als Bewachungsunternehmen tätig sei. Dies widerspräche der vorzulegenden

„Erklärung zur Tariftreue und Entgeltgleichheit“.

Die Antragsgegnerin half mit Schreiben vom 19.09.2016 dem Rügeschreiben, welches sie am 20.09.2016, 07:07 Uhr an die Antragstellerin per Fax übermittelte, nicht ab.

Die Antragsgegnerin sandte am 20.09.2016, 9:45 Uhr das Zuschlagsschreiben auf das auf den 26.07.2016 datierte Angebot der Beigeladenen.

Mit dem Fax-Schreiben vom 20.09.2016; 17:55 Uhr erklärte nunmehr der hinzugezogene Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, dass sie aufgrund ihres Nichtabhilfeschreibens den Vergabevorgang gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Landesvergabegesetz Sachsen-Anhalt der Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt vorlegen müsse. Im Übrigen könne sie erst nach vier Wochen den Zuschlag erteilen, sofern die Vergabekammer innerhalb der vorgenannten Frist keine Entscheidung treffen sollte.

Demgegenüber äußerte sich die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23.09.2016, dass die in Streit stehende Leistung in einem europaweiten Vergabeverfahren ausgeschrieben

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worden sei. Anders als bei einem unterschwelligen Vergabeverfahren hätte die Antragstellerin nach ihrem Rügeschreiben bis zu dem im Informationsschreiben benannten frühestmöglichen Zuschlagstermin gemäß §§ 160 ff. GWB ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt einleiten müssen. Dies habe sie unterlassen, so dass die Antragsgegnerin am 20.09.2016 das Zuschlagsschreiben an die Beigeladene versandt habe.

Am 27.09.2016 stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt. Mit Schreiben vom 07.11.2016 wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass die Bearbeitung des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 2 S. 5 der gemeinsamen Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Sachsen- Anhalt nunmehr durch die 2. Vergabekammer erfolgen würde.

In ihrem Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin ihr Vorbringen aus ihrem Rügeschreiben ergänzt und vertieft.

Sie ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin mit dem am 09.09.2016 versandten Schreiben gegen die gebotene Informationspflicht nach § 134 GWB verstoßen habe. Sie habe lediglich die Firmenbezeichnung des Zuschlagsaspiranten mitgeteilt. Der Antragstellerin wäre es nur unter zeitaufwendigen Recherchen möglich gewesen, die Firma zu identifizieren. Bei der erfolgten Internetsuche seien zwei Firmen mit derselben Bezeichnung angezeigt worden.

Nahezu Klarheit über den Zuschlagsaspiranten habe die Antragstellerin jedoch erst nach Erhalt des Nichtabhilfeschreibens der Antragsgegnerin vom 19.09.2016 erhalten.

Der nunmehr geschlossene Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladene sei gemäß § 135 Abs. 1 Nr.1 GWB unwirksam.

Des Weiteren handele es sich bei der ausgeschriebenen Leistung um Bewachungs- und Sicherheitsdienstleistungen. Das in den Vergabeunterlagen definierte Aufgabenspektrum beschreibe typische Tätigkeiten von Sicherheitskräften, die am Empfang eingesetzt werden. Auch übe das einzusetzende Empfangspersonal eine allein verantwortliche Zutrittskontrolle aus. Dabei müsse das Personal unter Umständen auch den Zutritt verweigern. Dies habe es entweder allein oder unter Einschaltung der Sicherheitsleitzentrale oder Notrufzentrale zu organisieren. Schließlich solle außer dem fremden Eigentum auch die im Gebäude befindlichen Personen vor Gefahren für Leib und Leben geschützt werden. Ein Nachweis nach § 34a GewO sei unabdingbar. Die Beigeladene könne diesen Nachweis jedoch nach Auskunft aus dem Gewerberegister nicht vorlegen.

Auch betrage die ausgeschriebene Dienstzeit des Auftragnehmers jeweils zwei Stunden vor bzw. nach den Öffnungszeiten der Antragsgegnerin. Ein einfacher Empfangsdienst sei dadurch nicht gegeben. Der Auftragnehmer habe außerhalb der Öffnungszeiten stattdessen Kontroll- und Schließvorgänge durchzuführen. Dies spreche wiederum für eine gewerbsmäßige Bewachung von Leben und Eigentum Dritter.

Im Übrigen sei eine Bewaffnung der Mitarbeiter während der Betriebszeit im vorangegangen Vergabeverfahren nicht erforderlich gewesen. Im streitgegenständlichen Verfahren sei nach den Vergabeunterlagen eine Bewaffnung des Empfangs- und Sicherheitspersonals, wenn auch nur mit Zustimmung der Antragsgegnerin, möglich. Auch diese Vorgabe spreche dafür, dass es sich um eine nach § 34a GewO definierte Bewachungsleistung handele.

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Ferner sei aus den Vergabeunterlagen zu entnehmen, dass der Auftragnehmer rund um der Empfangs- und Sicherheitsdienstleistung eine Schlüssel-/Schließgewalt über das gesamte Objekt habe.

Schließlich fordere die Antragsgegnerin in ihren Vergabeunterlagen Separatdienste bei Veranstaltungen und die Koordination sicherheitsrelevanter Belange. Dies sei ebenfalls dem Sicherheitsgewerbe zuzuordnen.

Bei einem Vergleich zwischen dem am 30.09.2016 abgelaufenen und dem aktuellen Vertragswerk würden sich diese beiden Unterlagen im Wesentlichen nicht voneinander unterscheiden. In dem abgelaufenen Vertrag wäre eine entsprechende Gewerbeerlaubnis für das Bewachungsgewerbe gefordert. Es sei deshalb nicht erkennbar, weshalb eine Gewerbeerlaubnis nach § 34a GewO im streitgegenständlichen Verfahren entbehrlich sein solle.

Außerdem habe die Beigeladene, nicht wie gefordert, einen entsprechenden Nachweis zur Betriebshaftpflicht mit ihrem Angebot vorgelegt. Diesen habe sie erst nach dem vorgegebenen Einreichungstermin eingereicht. Die Bieter waren jedoch gehalten gewesen, eine Betriebshaftpflichtversicherung gemäß § 7 EG Abs. 12 VOL/A mit ihrem Angebot vorzulegen. Damit hätte das Angebot der Beigeladenen nach § 19 EG Abs. 3a VOL/A ausgeschlossen werden müssen.

Mit dem Informationsschreiben vom 05.07.2016 habe die Antragsgegnerin erklärt, dass Preisanpassungen aufgrund von Tariflohnerhöhungen entsprechend den Vorgaben der Vergabeunterlagen gegenüber dem Auftraggeber geltend gemacht werden könnten. Im Übrigen habe der Bieter selbst das kalkulatorische Risiko zu tragen. Mit dieser Antwort sei bei den Bietern kein Zweifel aufgekommen, dass der Entgelttarifvertrag für das Sicherheitsgewerbe bei der Angebotskalkulation zu berücksichtigen sei. Nunmehr bringe die Antragsgegnerin im laufenden Nachprüfungsverfahren vor, dass es sich bei der ausgeschriebenen Leistung nicht um Sicherheitsdienste handele. Damit liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie gegen die Vorgaben in den Vergabeunterlagen vor. Schließlich habe die Beigeladene mit dem deutlich geringeren Mindestlohn kalkuliert.

Im Übrigen seien reine Empfangsdienstleistungen lediglich zu den üblichen Öffnungszeiten erforderlich. Es werde jedoch vom Dienstleister eine 24-stündige Erreichbarkeit gefordert.

Dies widerspreche dem Vorbringen der anderen Parteien, dass es sich nicht auch um Bewachungsleistungen handele. Schließlich habe die Antragstellerin bis zur Kündigung des ausgelaufenen Vertrages nachgewiesen, dass sie über die erforderliche Erlaubnis zum Betreiben eines Bewachungsgewerbes verfüge.

Soweit die Beigeladene vorgebe, dass sie sich bezüglich der 24-stündigen Erreichbarkeit mittels eines Dienstleisters bediene sowie ein Mitarbeiter immer über Handy erreichbar sei, erfülle dies nicht den Anforderungen aus den Vergabeunterlagen. Weiterhin hätte die Antragstellerin das geforderte Nachunternehmerverzeichnis einreichen müssen. Damit wäre das Angebot der Beigeladenen nicht zu bezuschlagen gewesen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. festzustellen, dass die Antragstellerin in dem Vergabeverfahren mit der Bekanntmachung per eVergabe ID … Kennzeichen …, Verfahrensnummer Amtsblatt der EU …, mit dem am 20.09.2016 erteilten Zuschlag an die Beigeladene gegen die Informations- und Wartepflicht gemäß § 134 GWB verstoßen hat und

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deshalb der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossene Vertrag gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB unwirksam ist,

2. der Antragsgegnerin zu untersagen, in dem Vergabeverfahren mit der Bekanntmachung per eVergabe ID … Kennzeichen …, Verfahrensnummer Amtsblatt der EU …, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 27.09.2016 als unzulässig, hilfsweise,

als unbegründet, zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen rechtmäßig am 20.09.2016, 09:45 Uhr erteilt worden sei.

Das Angebot der Beigeladenen sei unter Benennung ihres eindeutigen Firmennamens versehen worden. Ebenso sei die zweifelsfreie Nennung des Namens der Beigeladenen im Informationsschreiben vom 09.09.2016 gem. § 134 Abs. 1 GWB erfolgt. Die zusätzliche Angabe des Firmensitzes wäre nur erforderlich gewesen, wenn es sich beispielsweise um eine Bezeichnung handele, die nicht zuließe, den Zuschlagsaspiranten zu ermitteln. Soweit die Antragstellerin geltend mache, dass sie bei ihrer diesbezüglichen Internetrecherche gleich zwei Firmen mit derselben Firmenbezeichnung gefunden habe, könne dem nicht widersprochen werden. Allerdings sei schnell anhand der Internetauftritte zu ermitteln gewesen, welche Firma die Zuschlagsaspirantin sei. Ausweislich ihres Rügeschreibens vom 16.09.2016 sei dies der Antragstellerin, trotz fehlender Nennung des Firmensitzes der Beigeladenen, gelungen. Schließlich habe sie sich detailliert in ihrem Rügeschreiben über die vermeintlichen Mängel der Beigeladenen äußern können.

Im Übrigen hätte die Antragstellerin den vermeintlichen Mangel im Informationsschreiben gem. § 160 Abs. 3 Ziff. 1 GWB rügen und die entsprechende Firmenbezeichnung von der Antragsgegnerin einfordern müssen. Dies habe sie verabsäumt. Damit sei die Geltendmachung der Verletzung des Informationsschreibens präkludiert. Der Zugang zum vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren sei mit dieser sowie anderen Rügen nicht mehr gegeben. Der Nachprüfungsantrag sei aufgrund dessen unzulässig.

Weiterhin handele es sich bei der ausgeschriebenen Leistung nicht um Bewachungsleistungen. Eine Bewachungsdienstleistung liege nur vor, wenn die Bewachung die tätigkeitsprägende Hauptpflicht des Vertragsverhältnisses beinhalten würde. Die Bewachung stelle ausweislich der Anforderungen in den Vergabeunterlagen eine Nebenpflicht dar. Damit seien die Voraussetzungen des § 34a GewO nicht erfüllt.

Wie unstreitig ist, hat die Antragsgegnerin das Objekt von der … gemietet. Diese habe unabhängig von dem streitgegenständlichen Vertrag, eine Objektbewachung veranlasst.

Dieses Unternehmen stelle ein Wachbuch der Antragsgegnerin zur Verfügung, welche von dem Auftragnehmer zu führen sei. Auch hierbei handele es sich um untergeordnete Tätigkeiten der ausgeschriebenen Leistung. Die Kontrolle über die Führung des Wachbuches unterliege sodann dem von der Vermieterin beauftragten Wachunternehmen.

Die Antragsgegnerin fordere die ausgeschriebene Leistung auch nicht ganztägig. Zum einen basiere die vorgegebene Zeit auf den für die Mitarbeiter der Antragsgegnerin

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festgelegten Arbeitszeitrahmen. Zum anderen würden in der letzten Stunde des jeweiligen Arbeitstages Reinigungsleistungen erbracht. Außerhalb dieser Zeiten müsse das Gebäude nicht bewacht werden. Als langjähriger Dienstleister dürfte das der Antragstellerin bekannt sein.

Die Beigeladene habe auch die gemäß Bekanntmachung geforderten Referenzen bezüglich der ausgeschriebenen Leistung vorgelegt. Schließlich habe die Antragsgegnerin diesbezüglich gefordert, dass die Referenzen innerhalb und nicht aus den letzten drei Jahren stammen müssten.

Soweit die Antragstellerin rügt, dass die Beigeladene nicht über eine 24-stündige Erreichbarkeit mittels einer Notrufzentrale etc. verfüge, sei dies eine bloße Behauptung. Die Antragsgegnerin habe alle Anforderungen aus den Vergabeunterlagen überprüft. Bei Nichterfüllung seitens der Beigeladenen wäre ihr Angebot nicht bezuschlagt worden.

Im Übrigen habe die Beigeladene in ihrem Angebot die Erklärung zur Tariftreue und Entgeltgleichheit abgegeben. Gleichzeitig habe die Antragsgegnerin eine entsprechende Auskömmlichkeit des Angebotspreises der Beigeladenen durchgeführt. Dabei sei festgestellt worden, dass keine Fehlkalkulation vorliege.

Mit Beschluss vom 12.12.2016 wurde die Beigeladene zum Nachprüfungsverfahren hinzugezogen.

Sie beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der am 27.09.2016 gestellte Nachprüfungsantrag nach § 168 Abs. 2 GWB unzulässig sei. Er sei erst eingereicht worden, nachdem am 20.09.2016 der Auftrag wirksam erteilt worden sei.

Es könne nicht nachvollzogen werden, dass die Antragstellerin erst nach einer zeitaufwendigen Recherche die Identität der im Informationsschreiben benannten Bestbieterin habe ermitteln können. Nach eigenem Vorbringen habe sie bereits am 13.09.2016 erfahren, dass das Unternehmen in Münster ansässig sei. Andererseits wolle sie noch beim Verfassen ihres Rügeschreibens vom 16.09.2016 im Ungewissen gewesen sein, ob die Beigeladene die vorgesehene Zuschlagsaspirantin sei. Sie könne sich diesbezüglich nun nicht auf ein fehlerhaftes Informationsschreiben berufen.

Schließlich habe die Antragstellerin es versäumt, vor dem am 20.09.2016 erteilten Zuschlag einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer zu beantragen.

Unabhängig hiervon treffe der öffentliche Auftraggeber vor Beginn eines Vergabeverfahrens die Entscheidung, welche Leistungen er beschaffen wolle. Diese Entscheidung könne von Seiten der Nachprüfungsinstanzen nicht zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gemacht werden.

Die Antragsgegnerin habe sich jedoch dafür entschieden, dass bei dem Beschaffungsgegenstand nicht zwingend eine gewerberechtliche Erlaubnis nach § 34a GewO erforderlich sei. Dementsprechend habe sie dies auch weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen gefordert. Bieter, die nicht über solch einen Nachweis verfügten, könnten nunmehr vom Vergabeverfahren nicht mehr ausgeschlossen werden.

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Auch erfülle die Beigeladene die geforderte 24-stündige Erreichbarkeit. So habe die Beigeladene eine firmeneigene Telefonnummer, bei der mindestens ein Mitarbeiter ganztägig erreichbar sei. Zusätzlich habe sie einen Dienstleister gebunden, der die Geschäftsleitung der Beigeladenen auf deren privaten Handyanschlüssen kontaktieren könne.

Weiterhin unterliege die ausgeschriebene Leistung keinem Tarifvertrag. Damit sei der Arbeitgeber einzig und allein verpflichtet, den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn zu zahlen. Diese Vorgaben erfülle die Beigeladene.

Die Vergabekammer teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 20.01.2017 mit, dass der Antrag nach ihrer vorläufigen Auffassung offensichtlich unbegründet sei. Anders als die Antragstellerin meine, bedürfe die Beigeladene keiner Erlaubnis für das Bewachungsgewerbe nach § 34a GewO. Die ausgeschriebenen Leistungen seien nicht diesem Gewerbe zuzuordnen. Dies werde schon dadurch deutlich, dass die Antragsgegnerin die Vorlage einer diesbezüglichen Gewerbeerlaubnis als Eignungsnachweis in der Vergabebekanntmachung nicht verlangt habe. Auch im Übrigen habe die Beigeladene die Vorgaben der Antragsgegnerin erfüllt. Bei dieser Sachlage könne offenbleiben, ob das Informationsschreiben der Antragsgegnerin i.S. des § 134 Abs. 1 S. 1 GWB unzureichend sei.

Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.01.2017. Sie hat dabei ihr bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Zulässigkeit 1.1 Zuständigkeit

Gemäß § 156 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) veröffentlicht im BGBl. Teil 1 Nr. 8 vom 23.02.2016 modifiziert durch Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsverordnung – VergRModVO) vom 12.04.2016 (BGBl. Teil I Nr. 16 vom 14.04.2016), Verordnung (EG) Nr.

2015/2170, 2015/2171 und 2015/2172 vom 24.11.2015 sowie RdErl. des MW vom 04.03.1999 – Einrichtung der Vergabekammern LSA – (MBl. LSA Nr. 13/99), zuletzt geändert durch RdErl. des MW vom 08.12.2003 (MBl. LSA Nr. 57/2003) i.V.m. d.

Geschäftsordnung d. VgK, Bek. des MW v. 17.04.2013 (MBl. LSA Nr. 14/2013) ist die 2.

Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt für die Nachprüfung des vorliegenden Vergabeverfahrens örtlich zuständig.

Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber gem. § 99 Nr. 2 lit. a) GWB.

Der maßgebliche Schwellenwert von 209.000 Euro gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist für dieses Vorhaben bei Weitem überschritten.

1.2 Antragsbefugnis

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Sie hat durch die Abgabe eines Angebotes ihr Interesse am Auftrag bekundet. Weiterhin hat sie eine Verletzung in ihren Rechten durch

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Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht (§ 160 Abs. 2, Satz 1 GWB).

Damit hat sie hinreichend dargelegt, dass ihr durch Verletzung von Vergabevorschriften möglicherweise ein Schaden drohe (§ 160 Abs. 2, Satz 2 GWB).

1.3. Rüge

Die Antragstellerin ist ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ordnungsgemäß nachgekommen. Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrages erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Abs. 2 GWB bleibt unberührt. Die Antragstellerin hatte die behaupteten Vergabeverstöße am 16.09.2016, also innerhalb der vorgenannten zehn Kalendertage nach Erhalt des Informationsschreibens am 09.09.2016, gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht.

Dies ist i.S. der Vorschrift rechtzeitig.

1.4 Frist zur Geltung der Unwirksamkeit des Vertrages

Die Antragstellerin hat ferner die Frist nach § 135 Abs. 2 GWB gewahrt. Nach dieser Vorschrift kann die Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrages nur festgestellt werden, wenn sie innerhalb von 30 Tagen nach der Information der betroffenen Bieter über den Abschluss des Vertrages, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss, geltend gemacht wird. Diese Frist hat die Antragstellerin eingehalten.

Die Antragsgegnerin erklärte mit Schreiben vom 26.09.2016 gegenüber der Antragstellerin, dass der Vertrag am 20.09.2016 wirksam geschlossen worden sei. Die Antragstellerin hat am 27.09.2016 einen Nachprüfungsantrag gestellt und damit die oben genannten Fristen eingehalten.

2. Begründetheit

Der Nachprüfungsantrag ist nicht begründet.

Das Vorgehen der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nicht in ihren Rechten gemäß

§ 168 Abs. 1 S. 1 GWB verletzt. Zu Recht ist die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene die Anforderungen an die ausgeschriebene Leistung erfüllt. Ihre Entscheidung, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Hierbei kann offenbleiben, ob das Informationsschreiben der Antragsgegnerin vom 09.09.2016 den Anforderungen des § 134 Abs. 1 S. 1 GWB genügt hat. Selbst wenn dieses Schreiben unzureichend wäre, würde dies nicht zum Erfolg des Nachprüfungsantrages führen. Allein die Missachtung von Informations- und Wartepflichten begründet noch kein berechtigtes Interesse eines Bieters an der Feststellung der Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrages. Hierfür wäre vielmehr erforderlich, dass ein über eine Verletzung von § 134 Abs.1 GWB hinausgehender Vergabeverstoß vorliegt. Nur derjenige, dessen Chancen auf Erlangung des Auftrages durch die Zuschlagsentscheidung geschmälert sein können, wird durch ein fehlerhaftes Vergabeverfahren in seinen Rechten beeinträchtigt.

Steht fest, dass der Bieter selbst bei ordnungsgemäßer Korrektur des Vergabeverfahrens den Zuschlag nicht erhalten kann, ist sein Nachprüfungsantrag unbegründet (vgl. OLG München vom 12.05.2011; Verg 26/10).

(12)

So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Beigeladenen zu Recht nicht ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es nicht erforderlich, dass die Beigeladene über eine Gewerbeerlaubnis im Sinne des § 34a Abs. 1 S.1 GewO verfügt.

Die ausgeschriebenen Leistungen sind nicht dem Bewachungsgewerbe zuzuordnen. Die Bewachungstätigkeit erfolgt zur Gefahrenabwehr. Es handelt sich um eine Tätigkeit zum Schutz vor Eingriffen Dritter. Die entsprechende Erlaubnis soll zum Schutz der Allgemeinheit gerade dazu dienen, sicher zu stellen, dass die Wachleute insbesondere für das Einschreiten gegen Dritte rechtlich, menschlich und technisch geschult sind. Die Bewachung muss schließlich die tätigkeitsprägende Hauptpflicht des Vertragsverhältnisses darstellen. Sofern eine bewachungsähnliche Tätigkeit die bloße Erfüllung einer Nebenpflicht aus einem anderen Vertragsverhältnis darstellt, ist keine Bewachung anzunehmen (vgl. Pielow, Kommentar Gewerbeordnung, 2009, § 34a Rn. 11 und 12).

Nach Seite 8 des Leistungsverzeichnisses liegt der Schwerpunkt der Leistungen in Tätigkeiten wie den Empfang von Besuchern, die Ausgabe von Besucherausweisen, der Entgegennahme und Weiterleitung von Gesprächen, der Schlüsselausgabe und -rück- nahme, der Annahme des Posteingangs sowie anderer Sendungen, der Entgegennahme und Weiterleitung von Fundsachen, der Entgegennahme und Weiterleitung von Beanstandungen und Mängel, der telefonischen Anmeldung von Besuchern, Kunden, Fremdfirmen und Gästen, sowie der Telefonvermittlung etc. Diese Aufgaben erfüllen die o.g. Voraussetzungen i.S. des § 34a Abs. 1 S. 1 GewO nicht. In geringerer Anzahl hat die Antragsgegnerin zwar Tätigkeiten vorgegeben, die im Zusammenhang mit Aufgaben der Bewachung stehen (wie die Koordination sicherheitsrelevanter Belange sowie die Herstellung des Kontakts mit der Sicherheitsstelle). Diese haben bei dem Umfang des Leistungsspektrums jedoch eine untergeordnete Bedeutung und stellen eine Nebentätigkeit dar. Sie sind nicht prägend für die alltägliche Verrichtung der Arbeiten und sind teilweise nur in besonderen Situationen auszuführen (wie z.B. Einweisung von Rettungsdiensten und Kontakt mit der Sicherheitsleitstelle). Hierfür spricht auch, dass die … ein anderes Unternehmen mit originären Aufgaben der Bewachung beauftragt hat.

Weiterhin hatte die Antragsgegnerin in der Vergabebekanntmachung – anders als im vorangegangenen Vergabeverfahren - gerade nicht vorgegeben, dass die Bieter zum Nachweis ihrer Eignung eine Gewerbeerlaubnis i.S. der vorgenannten Vorschrift vorzulegen haben. Hieraus ergibt sich zwingend, dass die Antragsgegnerin keine Bewachungsdienstleistungen beschaffen wollte. Dieser Schluss hätte sich einem fachkundigen Bieter auch aufdrängen müssen. Im Übrigen hatte die Antragsgegnerin die Leistung in der Vergabebekanntmachung dem CPV-Code 79992000-4 zugeordnet. Dieser CPV-Code ist nur für Empfangsdienstleistungen kennzeichnend. Bewachungs- dienstleistungen werden durch den CPV-Code 79713000-5 ausgewiesen. Auch aufgrund dieser Umstände war eindeutig erkennbar, wie die Leistungen zu qualifizieren waren.

Aufgrund dieser Umstände ist es nicht entscheidend, dass die Antragsgegnerin die zu beschäftigenden Mitarbeiter in der Leistungsbeschreibung wiederholt als Sicherheitspersonal bezeichnet hat. Dies ändert nichts daran, dass die Bewachungsleistungen nur als Nebenpflicht qualifiziert werden können. Auch die geforderte 24-stündige Erreichbarkeit des Auftragnehmers über eine Sicherheitsleitstelle, Notrufzentrale etc. deutet nicht zwingend auf die Erbringung von Bewachungsleistungen i.S. des § 34a Abs. 1 S. 1 GewO hin. Dies gilt auch für die Tatsache, dass nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen das Empfangspersonal auch über die Öffnungszeiten der Antragsgegnerin hinaus anwesend sein soll.

(13)

Soweit die Antragstellerin auf die Bieterinformation vom 05.07.2016 verweist, kann hieraus nicht geschlussfolgert werden, dass für die ausgeschriebene Leistung ein Tarifvertrag gilt.

Vielmehr kann eine Tarifbindung auch an den jeweiligen Betrieb, unabhängig von der im Einzelnen zu erbringenden Leistung, anknüpfen (betrieblicher Geltungsbereich des Tarifvertrages). In diesem Fall würde sich der Geltungsbereich des Tarifvertrages an den überwiegenden Betriebszweck orientieren (vgl. Zöllner, Loritz, Arbeitsrecht, 5. Auflage 1998, S. 415).

Die Antragsgegnerin hatte weiterhin im Leistungsverzeichnis auf Seite 7 vorgegeben, dass eine Bewaffnung der Mitarbeiter nicht Leistungsbestandteil ist und nur mit Zustimmung des Auftraggebers zulässig ist. Anders als die Antragstellerin meint, deutet dies nicht darauf hin, dass es sich um Bewachungsleistungen handelt. Vielmehr ist eine Bewaffnung der Mitarbeiter grundsätzlich nicht vorgesehen und nur auf Wunsch des Auftragnehmers mit Zustimmung der Antragsgegnerin zulässig. Im Übrigen ist es ohne Belang, dass in der vorangegangenen Ausschreibung zu der Bewaffnung der Mitarbeiter noch andere Regelungen getroffen wurden.

Selbst wenn man die Tätigkeiten entgegen der hier vertretenen Auffassung als Bewachungsleistungen qualifizieren würde, könnte es mangels eines entsprechenden Verlangens der Antragsgegnerin in der Vergabebekanntmachung keinesfalls zu Lasten der Beigeladenen gehen, dass sie einen entsprechenden Nachweis nach § 34a Abs. 1 S. 1 GewO nicht eingereicht hatte.

Anders als die Antragstellerin vorbringt, hat die Beigeladene schließlich die notwendigen Referenzen vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat die Vorlage einer Referenzliste mit mindestens drei mit dem Ausschreibungsgegenstand vergleichbaren Leistungen in den letzten drei Jahren verlangt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Bieter innerhalb der letzten drei Jahre pro Jahr eine entsprechende Referenzleistung erbracht haben müssen.

Vielmehr ist nur gefordert, dass sich diesbezügliche Referenzen auf die letzten drei Jahren beziehen. Diese Vorgabe hat die Beigeladene erfüllt.

Die Beigeladene hat außerdem ausweislich der Vergabeakte die geforderten Nachweise zur Betriebshaftpflichtversicherung fristgerecht gem. § 56 Abs. 2 VgV nachgereicht. Die Antragsgegnerin hatte weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen ausgeschlossen, dass sie Unterlagen nachfordert. Sie hat auch ihrer Dokumentationspflicht gemäß § 56 Abs. 5 VgV genügt. Die diesbezüglichen Ausführungen der Antragsgegnerin wurden allerdings der Antragstellerin im Rahmen der Akteneinsicht nicht zur Verfügung gestellt, da Auswertungsunterlagen, die Rückschlüsse auf den Inhalt der Angebote der anderen Bieter zuließen, nicht freigegeben wurden (vgl.

Akteneinsichtsbeschluss vom 23.12.2016).

Die Beigeladene erfüllt auch die Vorgabe, dass sie ganztägig über eine Notrufzentrale bzw.

Sicherheitsleitstelle etc. erreichbar ist. Dies heißt nicht zwingend, dass sie selbst über entsprechende Einrichtungen verfügen muss. Sie hat in ihrem Schriftsatz vom 04.01.2017 dargelegt, dass sie diese Anforderungen teils selbst und teils mittels eines Dienstleisters erfüllt. Es bestehen keine Anhaltspunkte, hieran zu zweifeln. Anders als die Antragstellerin meint, handelt es sich hierbei nicht um Nachunternehmerleistungen. Vielmehr sind sie als Hilfsleistungen zu qualifizieren. Deren Kosten hat der Bieter in seine Kalkulation einzustellen, ohne dass sie - wie hier - als eigene Leistungsposition oder Unterposition anzubieten sind. Sie werden nicht gesondert vergütet (vgl. 2. Vergabekammer Land Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.07.2008, Az. VK 2 LVwA LSA – 07/08).

(14)

Schließlich hat die Beigeladene zutreffenderweise darauf hingewiesen, dass für Empfangsdienstleistungen kein Tarifvertrag gilt. Ausweislich ihres eigenen Vorbringens ist sie auch im Übrigen an keinen Tarifvertrag gebunden. Ausweislich der Vergabeakte liegt sie mit ihrem kalkulierten Stundensatz über den zu zahlenden Mindestlohn und erfüllt insoweit die Vorgaben der Vergabeunterlagen.

Auf eine mündliche Verhandlung wurde nach § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB verzichtet, weil allein aufgrund der Aktenlage die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages erfolgen musste. Eine andere Bewertung hätte sich auch nach einer mündlichen Verhandlung nicht ergeben können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GWB i.V. m. Abs. 4 S. 1 GWB. Nach dieser Vorschrift hat ein Beteiligter die Kosten, Gebühren und Auslagen zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt, mithin die Antragstellerin. Sie ist mit ihrem Begehren nicht durchgedrungen. Es ist daher gerechtfertigt, dass sie die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu tragen hat.

Ferner entspricht es nach § 182 Abs. 4 S. 2 GWB der Billigkeit, der Antragstellerin auch die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen. Die Beigeladene selbst hat sich durch schriftlichen Vortrag am Nachprüfungsverfahren beteiligt, Sachanträge gestellt und damit ein Kostenrisiko auf sich genommen.

Angesichts der sachlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falls waren die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin und die Beigeladene notwendig (vgl. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V. § 80 Abs. 2 VwVfG). Im Übrigen war es zur Herstellung der „Waffengleichheit“ erforderlich, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene neben der anwaltlich vertretenen Antragstellerin ebenfalls einen Verfahrensbevollmächtigten hinzugezogen haben.

Rechtsgrundlage für die Bemessung der Höhe der Gebühren ist § 182 Abs. 2 Satz 1 GWB.

Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Als Grundlage für die Bemessung des wirtschaftlichen Wertes dient der Vergabekammer die Angebotssumme (brutto) der Antragstellerin über die feste Vertragslaufzeit. Aufgrund der optional möglichen Vertragsverlängerung erhöht sich der Streitwert um die Hälfte der Angebotssumme, der rechnerisch während dieser Vertragslaufzeit erzielt werden könnte (vgl. BGH vom 18.03.2014; X ZB 12/13). Nach der Gebührentabelle der Vergabekammer ergibt sich ein Richtwert von … Euro zuzüglich der Mindestgebühr gem. § 182 Abs. 2 S. 1 GWB in Höhe von 2.500,00 Euro. Für die Auslagen sind weiterhin … Euro zuzüglich der im Rahmen der Akteneinsicht angefallenen Kopierkosten in Höhe von … Euro zu begleichen.

IV.

Die ehrenamtliche Beisitzerin, …, hat den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin der Vergabekammer ermächtigt, den Beschluss allein zu unterzeichnen. Ihr lag dieser Beschluss hierzu vor.

(15)

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Entscheidung kann das Oberlandesgericht Naumburg, Domplatz 10, 06618 Naumburg, innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, schriftlich angerufen werden.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen.

Die Beschwerde muss die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, sowie die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt, enthalten.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

… …

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