S
tationäre und ambulante Behandlung in der Urologie sollen in Berlin künf- tig besser verzahnt werden.“ Das kündigten die Vivantes GmbH, die in Berlin neun Krankenhäuser betreibt, und ein genossenschaftlicher Zusammen- schluss von Berliner Urologen im Mai 2005 an. In sinnvollen Fällen, so die Planung, würden niedergelassene Ärzte in zwei Vivantes-Häu-sern ambulant operie- ren. Auch im Bereit- schaftsdienst und den Rettungsstellen solle eine Beteiligung mög-
lich sein. Außerdem wurde angestrebt, dass die niedergelassenen Urologen für Prostata- und Blasenkrebspatienten in ihren Praxen erhebliche Teile der prä- und poststationären Behandlung über- nehmen. „Zum ersten Mal schließt sich eine gesamte Facharztgruppe mit einem Krankenhausträger zusammen“, lobte damals selbst Franz Knieps, Abteilungs- leiter im Bundesgesundheitsministerium.
Vorwürfe wegen 250 Euro „Kopfprämie“
Kurze Zeit später mussten sich die Ko- operationspartner jedoch Kritik gefal- len lassen. Ihnen wurde vorgeworfen, dass eine „Kopfprämie“ von 250 Euro und nicht etwa die besondere Qualität die niedergelassenen Urologen dazu verführe, krebskranke Patienten zur Operation in eine der beiden Vivantes- Kliniken einzuweisen. Dort hoffe man auf mehr Fälle, denn schließlich sei die radikale Prostatektomie ein gut bezahl- ter Eingriff. Von Wettbewerbsverzer- rung und Marktkontrolle war die Rede.
Dem widerspricht Eberhard Thom- bansen, bei Vivantes Bereichsleiter für neue Versorgungsformen: „Die nieder- gelassenen Urologen werden für die medizinisch erbrachten Leistungen be- zahlt. Anamnese, die umfassende prä- operative Aufklärung des Patienten oder eine Sonographie erbringen sie anstelle der Klinik, weshalb ihnen auch eine Honorierung zu- steht.“ Außerdem, er- gänzt Thombansen, hätten sich die Ärzte in den Praxen ver- traglich verpflichtet, die Patienten acht Wochen nach dem Eingriff zu befragen und den Verlauf der Erkrankung zur Qualitätssicherung im Berliner Tumorregister zu do- kumentieren.
Auch Dr. med. André Rollenhagen, Sprecher des Urologen-Zusammen- schlusses in Berlin, findet die Kritik nicht berechtigt. „Wir machen das, was alle Leute für sinnvoll halten: eine en- gere Kooperation ambulant-stationär“, betont er. Vor dem Vertrag mit Vivan- tes habe man sich im Rahmen einer Umfrage erkundigt, wohin Kollegen bevorzugt überweisen. Das Auguste- Viktoria-Krankenhaus von Vivantes habe an erster Stelle gestanden, und dieser Klinikträger habe auf die Idee einer Kooperation umgehend positiv reagiert.
Ist das Rosinenpicken durch Nieder- gelassene? „Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung in Richtung Kompetenz- zentrum geht, und wollten uns positio- nieren“, sagt Rollenhagen. Noch hätten ambulant tätige Ärzte wie in ihrem Fall Spielräume, und die solle man nutzen.
Kollegen in Köln, Leipzig oder München
machten es ähnlich. Als nächster Schritt ist geplant, die Kooperation zu einem echten Integrationsvertrag aus- zubauen.
Der Berliner Ärztekammerpräsi- dent Dr. med. Günther Jonitz hält das Projekt gleichwohl für „problema- tisch“. „Ich als Patient wollte wissen, ob mein Arzt Geld dafür bekommt, dass er mich überweist“, sagt er. Jonitz fordert deshalb eine Transparenz- pflicht: Versicherte sollten Kenntnis davon haben, welche Kooperations- verträge ihre Krankenkassen und die behandelnden Ärzte abgeschlossen haben. Nach Ansicht von Rollenhagen trifft das in diesem Fall zu: Patienten würden über die Kooperation mit Vi- vantes schriftlich informiert.
Ob es sich bei den vereinbarten Zah- lungen innerhalb derartiger Koopera- tionen um eine „Kopfprämie“ handelt oder um Geld für erbrachte Leistun- gen, könne man nicht beurteilen, stellt Jonitz allerdings klar: „Die Verträge liegen weder der Kammer noch der Kassenärztlichen Vereinigung vor.“
Das bestätigt die Sprecherin der KV Berlin, Annette Kurth. „Verwerflich ist der Vertrag nicht“, betont sie. Proble- matisch sei allerdings, dass in Verträgen von niedergelassenen Ärzten mit Krankenhäusern Leistungen ausge- grenzt werden könnten, die dann aus dem ambulanten Honorartopf aller be- zahlt werden. Im Vorfeld des Vertrags der Urologen mit Vivantes gab es of- fenbar Klärungsbedarf wegen der Ab- rechnung von Laborleistungen.
KV Berlin verlangt
Offenlegung der IV-Verträge
Mittlerweile hat die KV ihre Satzung aber geändert, sodass Ärzte mitteilen müssen, ob und an welchen IV-Verträ- gen sie beteiligt sind. Die Delegierten- versammlung hatte zudem entschieden, dass derartige Verträge der KV vorzule- gen sind. „Ein Arzt könnte sonst inner- halb eines IV-Vertrags möglicherweise Leistungen erbringen, für die er gar kei- ne Erlaubnis besitzt“, erläutert Kurth.
Doch so viel Transparenz ging dem Ber- liner Senat zu weit. Er lehnte diesen Passus in der überarbeiteten Satzung ohne Begründung ab. Sabine Rieser P O L I T I K
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A2148 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 33⏐⏐18. August 2006