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Archiv "Arbeitslosigkeit von Ärztinnen/Ärzten: Nicht tatenlos hinnehmen" (16.02.1989)

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Arbeitslosigkeit von Ärztinnen/Ärzten

Die Arbeitslosigkeit von Ärzten hat in den letzten Jahren erheb- lich zugenommen. Nach der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit (BA) waren

im

Bundes- gebiet

im

September 1986 ins- gesamt 4677 Ärztinnen und Ärz- te als arbeitssuchend gemeldet.

Im September 1987 betrug die- se Zahl bereits 6502, ein Zu- wachs von fast 2000 in einem Jahr! Die Bundesärztekarnmer, Köln, schätzt die Zahlen deutlich höher ein, da nach ihrer Mei- nung nicht alle arbeitslosen Ärzte amtlich registriert sind.

Mit der Einführung des Arztes

D

ie Entwicklung bei den Arzt- zahlen läßt sich nur annä- hernd voraussehen. Die Zahl der Approbationen hat von rund 6500 im Jahr 1977 auf über 11 000 im Jahr 1987 zugenommen. Die Auf- nahmekapazität dürfte dagegen un- gefähr 5000 Ärzte pro Jahr betra- gen. Wenn diese Zahl nicht gestei- gert wird, läßt sich prognostizieren, daß es Mitte der 90er Jahre minde- stens 50 000 arbeitslose Ärztinnen und Ärzte geben wird.

Die Ursache der immer größer werdenden Arbeitslosigkeit von Ärzten und Ärztinnen liegt überwie- gend in dem Mißverhältnis zwischen dem Bedarf an Ärzten/ Ärztinnen und den viel zu hohen Studenten- zahlen. Es ist schon viel zu viel Zeit ungenutzt vergangen, um die Kapa- zitätspläne der Universitäten dem Bedarf anzupassen. Wenn eine Ver- minderung der Studentenzahlen durchgesetzt werden kann, wirkt sich dies aber frühestens nach sechs bis acht Jahren aus. Dadurch wird die Arbeitslosigkeit der bereits jetzt und der in den nächsten Jahren ap- probierten Ärzte nicht gemildert.

Ist diese hohe Arbeitslosigkeit unausweichlich, oder kann sie abge- baut werden?

Die Krankenhäuser als zahlen- mäßig dominierende Aus- und Wei-

im Praktikum (AiP) ist ein vor- übergehender Stillstand der Zu- wachsraten zu erwarten. Nach Ablauf von etwa zwei Jahren dürfte die Arbeitslosigkeit ange- sichtsder Studentenzahlen in der Medizin jedoch rapide wachsen.

N i c h t tatenlos hinnehmen!

terbildungsstätten sind derzeit für Berufsanfänger nicht ausreichend aufnahmefähig. Die Kosten der sta- tionären Krankenversorgung sind so gestiegen, daß neue Stellen kaum bewilligt werden. Dabei werden die Stellenpläne zum Teil aufgrund von Anhaltszahlen aus dem Jahr 1969 (!) berechnet. Im internationalen Lei- stungs- und Kostenvergleich liegt das deutsche Krankenhauswesen sehr günstig. Niedrige Kosten gehen in erster Linie auf geringe Personal- besetzung zurück. Eine personelle Anpassung an die gestiegenen Lei- stungen der Krankenhäuser ist längst überfällig.

Als Folge der erschwerten Nie- derlassungsbedingungen hat die Fluktuation der Ärzte abgenom- men. Immer mehr nachgeordnete Ärzte streben eine Lebenstätigkeit im Krankenhaus an, sie blockieren damit die Stellen für den Nach- wuchs.

Alle Anstrengungen, Ärzte ver- mehrt in anderen Tätigkeitsberei- chen (öffentliches Gesundheitswe- sen, Behörden, Wirtschaft und in anderen Bereichen) einzusetzen, sind richtig und sollten intensiviert werden. Zahlenmäßig spielen sie al- lerdings keine große Rolle. Außer- dem werden für diese Stellen ausge- bildete Ärzte benötigt. Berufsanfän- A-368 (20) Dt. Ärztebl. 86, Heft 7, 16. Februar 1989

ger kommen dafür kaum in Be- tracht. Sie können mittelbar aller- dings dadurch profitieren, daß da- durch in den Kliniken Stellen frei ge- macht werden. Die Aufnahmefähig- keit der ärztlichen Praxen für Be- rufsanfänger ist zeitlich und zahlen- mäßig durch die Weiterbildungsord- nung begrenzt.

So konzentriert sich alles auf ei- ne Ausweitung der Weiterbildungs- stellen an den Krankenhäusern.

Welche Möglichkeiten gibt es dafür?

Assistenzärzte werden überwiegend nach Bundesangestellten-Tarifver- trag (BAT) II als Eingangsstufe be- soldet. Dazu kommen Nebenein- nahmen für Nacht- und Bereit- schaftsdienst sowie für regelmäßige Überstunden, die oft mehr als die Hälfte des eigentlic;:hen Gehaltes ausmachen. Junge Arzte, die das Glück haben, eine Stelle zu bekom- men, beziehen so überdurchschnitt- lich hohe Einnahmen, während ihre arbeitslosen Kollegen keine Er- werbseinnahmen haben. Arbeitslo- senunterstützung wird nicht ge- währt, weil keine Beiträge geleistet wurden.

~ Um diese unerfreuliche und ungerechte Situation abzumildern, sollte für das Geld, das für Nacht- und Wochenenddienste sowie für re- gelmäßige Überstunden geleistet wird, neue Stellen eingerichtet wer- den. Wenn ein Bereitschaftsdienst nach Stufe D entschädigt wird, kön- nen dafür kostenneutral drei bis vier , ,Ärzte/ Ärztinnen im Praktikum'' oder etwa zwei vollapprobierte Ärz- te eingestellt werden. Wird dies bun- desweit konsequent durchgeführt, entstehen Tausende neuer Stellen.

Auf Dauer kann ärztliche Arbeitslo- sigkeit angesichts der hohen Studen- tenzahlen dadurch sicher nicht ver- mieden werden. Sie würde jedoch für mehrere Jahre verhindert und auch auf Dauer gemildert.

Für die Bereitschaftsdienste und regelmäßig notwendige Überstun- den sollte dann voller Freizeitaus- gleich gewährt werden. Lediglich der in den Tarifverträgen vorgesehe- ne Zuschlag für den Bereitschafts- dienst in Höhe von 25 Prozent wird weiterhin in Geld geleistet.

Der Nacht- und Wochenend- Bereitschaftsdienst sollte neu orga-

(2)

Der übliche Tagesdienst einer Abteilung geht von 7.30 bis 16.15 Uhr.

Der Nacht- beziehungsweise Bereitschaftsdienst deckt dann folgende Zeiten ab:

An 5 Wochentagen 55 Prozent nach

An 7 Tagen Übergabe als Dienst 7.30 bis 9.00 Uhr 10,5 Std.

79,5 Std.

Alternative mit Übergabezeit eine Stunde täglich = 76 Std.

= 77,5 Std.

= 24 Std.

= 24 Std.

16.00-7.30 Uhr Stufe D

Sonnabend Stufe D

Sonntag Stufe D

= 42,6 Std.

= 13,2 Std.

= 13,2 Std.

69,0 Std.

nisiert werden. Eine Möglichkeit be- steht in der Durchführung als Schicht-Bereitschaftsdienst. Es sind jedoch auch andere flexible Organi- sationsmodelle denkbar. Die AiP sollen nach einer Einarbeitungspha- se an dem Bereitschaftsdienst teil- nehmen, wie es die bisherigen Be- rufsanfänger auch getan haben.

Bereitschaftsdienst:

Flexibel gestalten

Die praktische Organisation des Bereitschaftsdienstes sollte flexibel gestaltet werden und die Eigenhei- ten und bisherigen Dienst-Rhyth- men einer Abteilung berücksichti- gen. Beispielsweise werden von den Assistenten und AiP in Rotation je- weils zwei Kollegen für 14 Tage zum Nachtdienst eingeteilt. Während dieser Zeit scheiden sie aus dem Ta- gesdienst ganz aus und leisten nur Nacht- oder Wochenend-Bereit- schaftsdienst nach Stufe D. Nach Ablauf dieser Zeit kehren diese Kol- legen in den Tagesdienst zurück und werden durch zwei andere im Nacht- dienst ersetzt. Während der 14tägi- gen Nachtdienstphase haben die bei- den Kollegen alternierend eine Nacht Dienst und eine Nacht frei.

Denkbar ist auch eine Regelung, bei der ein Kollege am Sonntag begin- nend jede Nacht Dienst macht bis zum folgenden Sonnabend, danach eine Woche frei hat, um dann wie- der in den Tagesdienst zurückzukeh- ren (Tabelle).

Jeder Assistent oder „Arzt im Praktikum" leistet so etwa 40 Stun- den in der Woche. Die anstehenden

Verkürzungen der wöchentlichen Arbeitszeit können durch Verkür- zung der täglichen Übergabezeit be- rücksichtigt werden. Genaue Zahlen können hier nicht angegeben wer- den. Sie richten sich nach den sehr unterschiedlichen Vorgaben und Dienstregelungen in den einzelnen Häusern.

Mit einer solchen Regelung wer- den mehrere Probleme gelöst:

• Die jetzige Bereitschafts- dienstregelung mit dem obligaten Freizeitausgleich nach jedem Dienst wird überflüssig. Damit wird eine patientenunfreundliche Dienstrege- lung beseitigt. Der Patient findet

„seinen" Arzt täglich auf der Sta- tion vor. Der notwendige Wechsel alle 14 Tage dürfte vom Patienten besser toleriert werden als die jetzi- ge „zerrissene" Stationsbesetzung.

• Klagen der Assistenzärzte über die Überlastung durch den Be- reitschaftsdienst neben der Stations- tätigkeit entfallen. Die Dienstfre- quenz nimmt ab, weil sich mehr Kol- leginnen/Kollegen daran beteiligen.

Dies dürfte vor allem zu einer Entla- stung der in kleineren Abteilungen tätigen Ärzte führen.

• Der wesentliche Vorteil aber liegt darin, daß weitgehend kosten- neutral neue Stellen geschaffen wer- den. Keine der vorhandenen Assi- stentenstellen muß in AiP-Stellen umgewandelt werden. Zusätzlich können zahlreiche neue Vollassi- stentenstellen eingerichtet werden.

Dies ist ein Beitrag zur Eindäm- mung der ärztlichen Arbeitslosig- keit.

Diese Neuregelung hat zur Fol- ge, daß der größte Teil der Neben-

einnahmen durch Nacht- und Bereit- schaftsdienst sowie regelmäßige Überstunden entfällt. Dies muß als Solidarbeitrag der „Stelleninhaber"

zur Bekämpfung der Arbeitslosig- keit angesehen werden Immerhin bleibt mehr als das eigentliche Ge- halt übrig. Es ist unsozial und auf Dauer nicht tragbar, wenn es eine Gruppe von Assistenzärzten mit ho- hen Nebeneinnahmen durch Über- stunden bei einem guten Grundge- halt gibt, während ihre Kollegen nicht nur keine Erwerbseinnahmen haben, sondern darüber hinaus von jeder Weiterbildungsmöglichkeit ausgeschlossen werden. Der mit dieser Neuregelung verbundene Schichtdienst erscheint zumutbar.

Es wäre zu wünschen, daß eine solche Neuregelung durch freiwillige oder tarifliche Vereinbarungen zu- stande kommt. Eine gesetzliche Re- gelung sollte möglichst vermieden werden. Sie könnte jedoch daraus abgeleitet werden, daß die Kranken- häuser eine „Monopolstellung" für die ärztliche Weiterbildung haben.

Wenn die Arbeitslosigkeit ernsthaft bekämpft werden soll, ist es unver- ständlich, daß Krankenhäuser als überwiegend öffentliche Arbeitge- ber permanent und regelmäßig an- fallende Überstunden durch Bezah- lung ausgleichen.

Wie in anderen Arbeitsberei- chen kann die Arbeitslosigkeit nur dadurch zurückgedrängt werden, daß die Arbeit auf mehr Menschen verteilt wird. In dem beschriebenen Bereich läßt sich dies vorerst allein durch den Abbau von Überstunden- und Bereitschaftsdienst-Vergütun- gen erreichen. Die Teilung von Stel- len im Krankenhaus sollte jedoch nicht nur bei den Assistentenstellen Halt machen. Auch Leitungspositio- nen müßten darauf überprüft wer- den, ob sie geteilt werden sollten.

Vielfach dürfte dies nicht nur zum Vorteil der Patienten und der Kran- kenhausträger, sondern auch der bisherigen Stelleninhaber sein.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. H. Thomas Hansen

Chefarzt Innere Abteilung

I Martin-Luther-Krankenhaus Lutherstraße 22

2380 Schleswig

Dt. Ärztebl. 86, Heft 7, 16. Februar 1989 (21) A-369

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