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Archiv "Hausärztliche Versorgung: Szenen einer Zwangsehe" (18.08.2006)

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zu lassen, ist ein Schildbürger- streich und kostentreibend.

Die Qualität der niedergelas- senen Hausärzte hat in den letzten Jahren deutlich zuge- nommen und Facharztniveau;

und wie immer im Leben kommt es darauf an, dass Leu- te Dinge, die sie durchführen, auch vernünftig beherrschen.

In einem Zeitalter der Medi- zinrationierung sollte zumin- dest die Vorstufe der Medizin- rationalisierung beherrscht werden . . .

Dr. med. Jan Peter Theurich,Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Psy- chosomatik, Westfälische Klinik Güters- loh, Hermann-Simon-Straße 7, 33334 Gütersloh

Nicht zu Ende gedacht

Der Artikel von Herrn Hege ist ein Plädoyer für den neuen Facharzt für Innere und All- gemeinmedizin – anders als es der Autor selbst explizit sagt.

In dem Artikel wird sehr an- schaulich die Trennung einzel- ner Spezialbereiche der Inne- ren Medizin untereinander als auch die Trennung der Allge- meinmedizin von der Inneren beschrieben. Analytisch wird allerdings vergessen, die Gründe dafür zu benennen:

immer höhergradige Speziali- sierung in der Medizin, und dies auch in ihrem größten primär noch zusammenhän- genden Bereich. Analytisch wird ebenfalls vergessen dar- zustellen, welche Funktion der Allgemeinmedizin über die Zeit zugewachsen ist: Sie hat auf dem Hintergrund der Auf- splitterung zu integrieren – was Hege für den Allgemein- internisten reklamiert, aber nicht zu Ende denkt. Denn wenn Integration notwendig wurde, dann kann sie nur auf die gesamte Person bezogen sein, nicht auf die „internisti- sche“ beschränkt werden. Der Allgemeinarzt sollte dies kön- nen, vom Allgemeininterni- sten ist es nicht zu erwarten, weil alle anderen medizini- schen und psycho-sozialen Be- reiche hier rausfallen. Die weitere zentrale Funktion der Allgemeinmedizin ist eben- falls nur auf dem Hintergrund

der Medizin-Entwicklung zu verstehen: In einer Zeit, in der unendlich viel aus der Medizin möglich ist, und der Spruch, ein gesunder Mensch ist der, der nicht ausreichend unter- sucht ist, leider Wirklichkeit geworden ist, in einer solchen Zeit braucht es diese Kompe- tenz, Wesentliches, im Vorder- grund Stehendes, Gewünsch- tes und für diesen Patienten in dieser Situation mit wenig Ne- benwirkungen Ausgestattetes von dem jeweiligen Gegenteil zu trennen. Man muss als Ge- neralist selektieren, wer das, was möglich ist, braucht – um ihn vor Überversorgung zu schützen. Heges Gedanken- gang analytisch erweiternd, kommt man also zu einem Plä- doyer für den Generalisten, dieser ist aber sehr viel mehr in der Allgemeinmedizin als in der Allgemeinen Inneren, die ja auch eine Einengung dar- stellt, zu finden. Denn wieder ist Hege zuzustimmen: für die Aufgabe ist generalistisches Denken notwendig, dies zu lernen erlaubt die neue Wei- terbildung über die Zeit in der Allgemeinpraxis, wenn auch dies durch die nur noch einge- schränkte Seminar-Weiterbil- dung nur unzureichend vorbe- reitet sein wird. Zukunfts- trächtig wäre hier die Forde- rung nach besserer Vorberei- tung. Schließlich diffamiert Hege den Allgemeinarzt als

„Makler“, „Archivar“ etc.

Aber auch in diesem Fall hätte er analytisch herangehen müs- sen: Natürlich spart es Kosten, wenn nicht jeder Patient all das, was denkbar und möglich ist, sondern nur das, was für ihn adäquat ist, an Diagnostik und Therapie erhält. Bei ei- nem gesammelten Auftritt al- ler angesprochenen Spezial- disziplinen zu einem Gesund- heitsproblem eines Patienten ist aber die Ausweitung not- wendiges Ergebnis – und aus der Sicht jeder Einzeldisziplin auch gerechtfertigt. Und wie- der: Die Entwicklung der Me- dizin bedarf des Generalisten, der hier den Patienten vor dem Zuviel bewahrt. Man darf dann nicht den positiven Ne- beneffekt, Kostenersparnis, mit der eigentlich geleisteten

Arbeit, Belastungsersparung für den Patienten durch Nicht- Notwendiges, verwechseln.

Prof. Dr. Heinz-Harald Abholz, Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf

Szenen einer Zwangsehe

Wenn zwei Riesen in eine Ehe gezwungen werden, kann es nicht gut gehen: Zwei grundle- gend wichtige Fächer wie die Allgemeinmedizin und die In- nere Medizin miteinander zu verheiraten sollte – wohl gut gemeint – gesundheitspolitisch ein großer Schachzug werden.

Kompromisse lassen Mängel erwarten. Herr Dr. Hege be- schreibt in seinem Artikel die Defizite, die sich für das Ge- biet Innere Medizin ergeben.

Wie er jedoch das Bild des All- gemeinarztes kennzeichnet, bedarf des Widerspruchs. Er zeichnet den Allgemeinmedizi- ner als „Archivar, medizini- schen Makler, Hausbesucher und in der Sprechstunde zur Schnellmedizin Verdammten, der ausgiebig von Überweisun- gen an Spezialisten Gebrauch“

mache. Weiß Herr Dr. Hege nicht, dass der hausärztliche Internist deutlich mehr Über- weisungen an Spezialisten ver- anlasst als der Facharzt für All- gemeinmedizin (Untersuchun- gen des Zentralinstituts Köln)? Die Tätigkeit des Fach- arztes für Allgemeinmedizin beinhaltet vielmehr umfang- reiche Aufgaben der Prophyla- xe, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation. Er besitzt Ein- fluss auf die Ausschaltung pa- thogener Faktoren im Vorfeld der Entstehung von Erkran- kungen, forciert die Früher- kennung und -behandlung häufig vorkommender Erkran- kungen und ist für die wirksa- me medizinische und soziale Betreuung der Bürger seines Sprengels verantwortlich . . . Mit diesem Tätigkeitsprofil wird einem Grundbedürfnis der Bevölkerung entsprochen.

Hierzu bedarf es einer struktu- rierten, breit angelegten, hoch- wertigen und zu evaluierenden Weiterbildung über fünf Jahre.

Der Rostocker Beschluss, die

obligaten chirurgischen und pädiatrischen Weiterbildungs- zeiten zugunsten einer drei- jährigen Weiterbildungszeit in der Inneren Medizin zu op- fern, führt zwangsläufig zu ei- ner Verschlechterung der Qua- lität künftiger Hausärzte. Die- se Weiterbildungsordnung sieht es nicht einmal vor, die 36 internistischen Monate zu strukturieren: Somit könnte der Assistent beispielsweise drei Jahre gastroenterologi- sche Weiterbildung absolvie- ren und hätte seine internisti- sche Zeit realisiert . . . Eine Wochenanalyse in 25 bundes- deutschen Allgemeinpraxen aus dem Jahre 2003 ergab le- diglich einen Anteil von 38,5 Prozent internistischer Bera- tungsanlässe und eine Vielzahl anderer breit gefächerter Pati- entenanliegen. An diesen Pati- entenbedürfnissen müssen sich Weiterbildungsinhalte orien- tieren, um die Versorgung der Bevölkerung auf hohem Ni- veau zu garantieren . . . Die Tatsache, dass in fast allen Landesärztekammern das Pro- blem des „Facharztes für Inne- re und Allgemeinmedizin“ un- terschiedlich gehandhabt wird, ist beredtes Zeugnis für das entstandene Chaos . . . Ich möchte meine Ausführungen nicht so verstanden wissen, als ob die internistische Weiterbil- dung nicht für die allgemein- medizinische Qualifikation wichtig sei. Sie ist es unbenom- men – aber im Kanon der wei- teren Fachgebiete. Die Verbin- dung der Inneren Medizin und der Allgemeinmedizin macht allein vom Arbeitsauftrag, den die Bürger traditionell verin- nerlicht haben, keinen Sinn:

Zum Allgemeinarzt kommen gleiche Patienten mit verschie- denen Krankheiten und zum Internisten verschiedene Pati- enten mit den gleichen Krank- heiten. Es ist nicht so, wie Herr Dr. Hege sagt, dass die „Be- freiung der Allgemeinärzte in der hausärztlichen Versorgung von dem Wettbewerb mit dem Allgemeininternisten dazu führen würde, dass die Kompe- tenzbreite der in der Primär- versorgung Tätigen sinken würde“. Die hohe Qualifikati- on des Facharztes für Allge-

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 33⏐⏐18. August 2006

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meinmedizin ist vielmehr die Voraussetzung, dass eine gute Kooperation mit Spezialisten und Subspezialisten aus dem ambulanten und stationären Sektor resultiert . . . Ganz be- sonders ungünstig wirkt sich der Doppelfacharzt auf die Stellung an den Universitäten aus. Erst im letzten Jahrfünft ist es uns gelungen, einen er- freulichen Aufschwung zu er- reichen. An den gerade eta- blierten Lehrstühlen erheben wie in unseren Gründungsjah- ren neuerlich Internisten den Anspruch, allgemeinmedizini- sche Inhalte darstellen zu wol- len. Die Situation an den Hochschulen wird verwässert und unscharf. Studenten fällt die Einordnung schwer. Junge Kollegen können nicht mehr nachhaltig motiviert werden, sich für die Allgemeinmedizin zu entscheiden. Ohne diese Möglichkeit der Identität des Faches und der strukturierten fünfjährigen Weiterbildung für Allgemeinmedizin auf hohem Niveau werden wir aber unse- rem Versorgungsauftrag nicht gerecht . . .

Literatur bei der Verfasserin Prof. Vittoria Braun,Lehrstuhl für Allgemeinmedizin der Charité Berlin, Schumannstraße 20/21, 10117 Berlin

Richtigstellung und Aktualisierung

Wenngleich die Ausführungen von einem ehemaligen und verdienten Allgemeinarzt stammen, bedürfen sie doch einiger Richtigstellungen bzw.

Aktualisierungen . . . So er- scheint es aus heutiger Sicht nur logisch, wenn die Allge- meinmedizin das Monopol für die Hausarztfunktion bean- sprucht, weil eben nur in die- sem Gebiet die Ärzte auch dort ausgebildet werden, wo sie später auch arbeiten. Es ist doch allen niedergelassenen Kollegen eine wiederkehrende Erfahrung, dass neu niederge- lassene Kollegen, die nur in der Klinik weitergebildet wur- den, drei bis vier Jahre benöti- gen, bis sie sich an das andere Prävalenzniveau gewöhnt ha- ben. Auf der anderen Seite schreibt Hege von einer „drei-

jährigen internistischen Schmalspurweiterbildung“

und bringt Vergleiche mit übrigen EU-Staaten. – Nun zum einen erscheint es in heu- tigen Zeiten EU-weit wie auch in Deutschland möglich, sich breit mit internistischen Pati- enten zu beschäftigen, sofern man nicht in spezialisierten Abteilungen weitergebildet wird (hier scheint etwas Struk- tur und nicht die Zeit zu feh-

len). Zum anderen schaffen das andere Länder in kürzeren Zeiten, z. B. FA für Kardiolo- gie in Frankreich in drei Jah- ren. Auch der Hinweis, dass Internisten sich nicht in der Öffentlichkeit vom Arzt für Innere und Allgemeinmedizin abgrenzen können, trifft nicht die Realität. Wer sich Internist nennt, ist eben (nur) Internist.

Die Ergebnisqualität einer Weiterbildung ist nur bedingt von der Zeitdauer abhängig, viel wichtiger ist die Struktur und dass man an seinem späte- ren Wirkort lernt. Insofern scheint es absurd, wenn Hege von einer Verflachung der ärzt- lichen Bildung in der hausärzt- lichen Versorgung spricht . . . Dr. med. Hans-Michael Mühlenfeld, Woltmershauser Straße 215 a, 28197 Bremen

Unausgewogen

Herr Kollege Hege, den ich während früherer gemeinsa- mer Gremienarbeit bei der

Bundesärztekammer (BÄK) schätzen lernte, hat in seinem grundsätzlich bemerkenswer- ten Plädoyer für den Allge- meininternisten einige, m. E.

wesentliche Aspekte überse- hen bzw. unausgewogen ge- wichtet. Der Berücksichtigung des Gebietes Allgemeinmedi- zin in der Weiterbildungsord- nung aus dem Jahr 1968 folgte eine zunehmend eigenständige wissenschaftliche und versor-

gungsbezogene Weiterent- wicklung des spezifisch haus- ärztlichen Fachbereiches. Ge- stützt durch die Initiativen von Hausärzteverband (damals BPA), Fachverband Deutscher Allgemeinärzte (ehemaliger FDA) und der wissenschaft- lichen Fachgesellschaft (DEGAM), gelang es der BÄK, eine inhaltlich klar strukturierte, curriculare fünf- jährige Weiterbildung zu eta- blieren. Die integrierte 240- stündige Kursweiterbildung trug dabei wesentlich zu einer Identifizierung mit dem Ge- biet Allgemeinmedizin bei.

Nach den Arbeiten von Robert N. Braun (Fälleverteilungsge- setz etc.) ist Allgemeinmedizin gerade nicht „90 Prozent Inne- re Medizin plus x“, sondern ei- ne Disziplin, deren Arbeitsbe- reich durch eine besondere Ar- beitsweise, spezifische Arbeits- grundlagen und einen umfas- senden Arbeitsauftrag defi- niert wird. Es ist nicht die In- tention der Weiterbildung im neuen Gebiet „Innere und All-

gemeinmedizin“, künftigen Hausärzten lediglich eine

„Schmalspur-Weiterbildung“

in der Inneren Medizin zu bie- ten, sondern vielmehr, bisheri- ge Allgemeininternisten durch entsprechende zusätzliche In- halte (kleine Fächer, ambulan- te Zeit) auf den breit gefächer- ten primärärztlichen Aufga- benbereich vorzubereiten, um eine künftig einheitliche Qua- lifikation der Basisversorgung

zu etablieren . . . Im Interesse einer bestmöglichen Primär- versorgung sollten wir uns ge- meinsam um Inhalte und Werkzeuge einer versorgungs- orientierten Aus-, Weiter- und Fortbildung bemühen. Dabei sind Diskussionen um Titel und Pfründe eher kontrapro- duktiv.

Dr. med. Wolfgang Kölling, Saarbrücker Straße 25 b, 66399 Mandelbachtal-Ommersheim

Irritierend

Der Aufbau des Plädoyers von Hans Hege für den Allgemein- internisten ist schon etwas irri- tierend. Es werden Zwischen- überschriften, wie „Statusdif- ferenz“, „Bildung droht zu verflachen“, „Hausarzt als Kontrollinstanz“ benutzt, an- gesichts einer zurzeit gleich- langen Weiterbildung in Allge- meinmedizin und Innerer Me- dizin von jeweils fünf Jahren.

Sollte sich nicht die Versor- gungsrealität des Hausarztes

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 33⏐⏐18. August 2006

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Noch sorgen allgemeininternistische Krankenhausabteilungen und in sechs Jahren weitergebildete Internisten ohne Schwerpunkt für eine fundierte Weiterbildung des Nachwuchses.

Foto:Eckel

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