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Archiv "Hausärztliche Versorgung: Nachwuchsmangel abwendbar" (13.02.2004)

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G

ut zwei Jahre ist es her, da über- raschte eine Studie von Dr. rer.

pol. Thomas Kopetsch, Referat Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), über die Arztzahlentwicklung in Deutschland (7). Von einem Ärztemangel war darin die Rede, besonders im Bereich der All- gemeinmedizin. Ende August letzten Jahres warnten KBV und Bundesärzte- kammer erneut vor einem Gesund- heitswesen „ohne Ärzte“, sprachen diesmal sogar von „drastischen Versor- gungsengpässen“ im Be-

reich der Hausärzte, sollten keine geeigneten Gegen- maßnahmen getroffen wer- den. Bis zum Jahre 2011, so die Warnungen, würden et- wa 23 000 Hausärzte (ohne Kinderärzte) aus dem Sy- stem ausscheiden, was ei- nem durchschnittlichen Er- satzbedarf in Höhe von 2 200 Hausärzten pro Jahr entspricht (8).

Damals sorgte Kopetschs These für Verwunderung, weil ein Ärztemangel de- mographisch nicht vorher- gesagt worden war und die

„Experten“ zu diesem Zeit-

punkt unverdrossen von einem kom- menden Ärzteüberschuss ausgingen.

Ein Mangel an Ausbildungskapazität an den Medizinischen Fakultäten oder eine Änderung der Prüfungsanforde- rungen konnten für das drohende Pro- blem nicht verantwortlich gemacht

werden, weil diese sich in den letzten zehn Jahren nicht wesentlich geändert hatten. Daraus zog man den Schluss, dass das neue Problem in den Einstel- lungen und Verhaltensweisen der Medi- zinstudierenden und der jungen Ärzte und Ärztinnen gesucht werden musste.

Eine Umfrage des Hamburger Insti- tuts für Allgemeinmedizin bei Studie- renden im 5. klinischen Semester, die im Zeitraum 1995 bis 2003 durchgeführt wurde, belegt jedoch das Gegenteil. Die Studierenden wurden im Rahmen der

Studie gefragt, inwiefern die Aussage,

„Ich kann mir gut vorstellen, Fach- arzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin zu werden“, auf sie zuträfe. Die Anga- ben erfolgten auf einer Skala mit den Extremen „trifft nicht zu“ und „trifft sehr zu“. In drei Befragungen wurde hierbei eine Sechser-Antwortskala, in einer – aufgrund von damaligen metho- dischen Überlegungen – eine Vierer- Antwortskala verwendet (Tabelle). Die

Ergebnisse der drei Befragungen mit der Sechser-Antwortskala sind in der Grafik dargestellt.

Interesse an Tätigkeit als Hausarzt groß

Die Grafik zeigt, dass zwischen zehn und 16 Prozent der Befragten den ex- trem zustimmenden Skalenwert an- kreuzten. Sie bejahten somit die Aus- sage, „Ich kann mir gut vorstellen, Fach- arzt/Fachärztin für Allge- meinmedizin zu werden“

ohne Einschränkung. Ad- diert man die beiden positi- ven Skalenwerte, so ergibt sich ein Potenzial zwischen 25 und 30 Prozent der Be- fragten, die sich diese Opti- on gut bis sehr gut vorstel- len können.

Die einmalige Befragung mittels einer Vierer-Ant- wortskala ergab andere Größenordnungen, die der obigen Tendenzaussage je- doch nicht widersprechen:

16 Prozent der Befragten stimmten der Aussage sehr stark und weitere 29 Pro- zent eher stark zu. Auf der positiven Skalenseite fanden sich somit 45 Pro- zent der Befragten.

Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die obigen Quoten durch die For- mulierung der Frage vom Kontext der Befragung beeinflusst wurden. Diese Befragungen fanden nämlich im Rah- men der allgemeinmedizinischen Lehr- veranstaltungen statt, weshalb es denk- bar wäre, dass positive Erfahrungen mit T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 713. Februar 2004 AA403

Hausärztliche Versorgung

Nachwuchsmangel abwendbar

Das Hamburger Institut für Allgemeinmedizin befragte Studenten

zu ihren Berufsperspektiven. Ergebnis: Der Wille zur Tätigkeit als Hausarzt ist durchaus vorhanden.

Hendrik van den Bussche1, Katja Weidtmann2, Nikolaj Kohler1, Maike Frost2, Sandra Dunkelberg1

1Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf;

2Studiendekanat des Fachbereichs Medizin der Univer- sität Hamburg

Grafik 30–

25–

20–

15–

10–

5–

0–

SS 1995 WS 2002/2003 SS 2003

1 2 3 4 5 6 .

trifft nicht zu trifft sehr zu

Verteilung der Antworten auf die Aussage: „Ich kann mir gut vorstellen, Facharzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin zu werden“, auf einer Sechser- Antwortskala in drei Befragungen von Studierenden des 5. klinischen Semesters in Hamburg (in Prozent der Beantworter)

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dem Unterricht und mit dem Praktikum Allgemeinmedizin das Antwortverhal- ten beeinflusst haben.Andere Fragefor- mulierungen (zum Beispiel nach der be- vorzugten Fachrichung) oder Studien an anderen Orten kamen zu teilweise vergleichbaren, aber auch zu beträcht- lich divergierenden Ergebnissen (1, 2, 4, 6, 9, 12).

Interesse am Hausarztberuf in den Siebzigerjahren geringer

Um die Frage beantworten zu können, ob die Ergebnisse neu sind und ob sich die Fachrichtungspräferenz von Medi- zinstudierenden im Gegensatz zu früher geändert hat, können zwei Studien aus den Sechziger- und Siebzigerjahren als Vergleich herangezogen werden: Zum einen führte Johann Jürgen Rhode, da- mals Professor für Medizinsoziologie an der Medizinischen Hochschule Hanno- ver, Ende der Sechzigerjahre eine schriftliche Befragung von Medizinalas- sistenten in Niedersachsen und Nord- Württemberg durch. Hierbei gaben nur neun Prozent an, zum Zeitpunkt des Staatsexamens den Beruf des Prakti- schen Arztes angestrebt zu haben (10, 11). Zum anderen ermittelte Infra- test 1976 im Auftrag des Bundesministe- riums für Jugend, Familie und Gesund-

heit, dass neun Prozent der Studieren- den in der klinischen Ausbildung das Be- rufsziel Allgemeinmedizin verfolgten (5).In beiden Studien wurde zudem über- einstimmend festgestellt, dass der Be- rufswunsch Hausarzt im Laufe des Stu- diums dramatisch abgenommen hatte.

Im Hinblick auf die beiden Studien kann gefolgert werden, dass das Inter- esse an der Allgemeinmedizin im Ver- gleich zu den Sechziger- und Siebziger- jahren nicht abgenommen, sondern zu- genommen hat. Der Befragung zufolge ist zurzeit bei Medizinstudenten in der klinischen Ausbildungsphase ein großes Potenzial für die Allgemeinmedizin be-

ziehungsweise für die hausärztliche Tätigkeit vorhanden. Einen Nach- wuchsmangel in der hausärztlichen Ver- sorgung kann man aufgrund der vorlie- genden Studienergebnisse somit nicht auf eine prinzipielle Abneigung der Medizinstudierenden gegen die Allge- meinmedizin zurückführen. Käme es zu einem Mangel an Hausärzten, läge dies an anderen Faktoren. Schlechte Arbeitsbedingungen könnten ebenso die Ursache sein wie das fehlende Renommee des Hausarztberufes oder die derzeitige Ausbildungs- und Wei- terbildungssituation. Beide Qualifizie- rungsabschnitte müssten so ausge- richtet sein, dass sie den Nachwuchs für die hausärztliche Tätigkeit mög- lichst fördern.

Auf der Ebene der ärztlichen Ausbil- dung kann man von einem gewissen Durchbruch der Allgemeinmedizin sprechen. Die künftigen allgemeinme- dizinischen Pflicht-Bausteine im Unter- richtsangebot zeigen, dass die Allge- meinmedizin mit der neuen Approbati- onsordnung kurzerhand in den Status eines Hauptfachs erhoben wurde (Text- kasten). Länder und Fakultäten müssen jedoch – und dies ist sicherlich das Schwierigste – dafür sorgen, dass dieser

Unterrichtsbedarf an den einzelnen Fakultäten auch qualifiziert abgedeckt werden kann. Ohne Investitionen oder Umverteilungen von Mitteln wird dies nicht zu bewerkstelligen sein.

Dennoch: Dies ist nicht nur ein Gebot der Sicherstellung der Versorgung, son- dern der Umfrage nach auch der Wunsch eines beträchtlichen Anteils der Studierenden.

Bei der Facharztweiterbildung ist die Situation nach wie vor nicht zufrieden stellend. Für die Weiterzubildenden ist der Wechsel von einer Disziplin zur nächsten in der Regel ein Stellenwech- sel, wenn nicht ein Wechsel des Arbeit-

gebers oder gar des Ortes. Umso not- wendiger ist es, dass an den Weiterbil- dungsorten Verbundlösungen und in den einzelnen Krankenhäusern Rotati- onsmodelle entwickelt werden, die eine möglichst reibungsarme Absolvierung der Weiterbildung erlauben (3).

Ob sich die Situation des hausärztli- chen Nachwuchses im Zuge der geplan- ten Abschaffung des Arztes im Prakti- kum beziehungsweise der Zusammen- führung der Weiterbildungen Innere Medizin und Allgemeinmedizin verbes- sern wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur, dass künftig weiterhin große An- strengungen nötig sein werden, um die hausärztliche Versorgung in qualifizier- ter Weise sicherzustellen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 403–404 [Heft 7]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit0704 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. Hendrik van den Bussche

Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistraße 52 20246 Hamburg

E-Mail: bussche@uke.uni-hamburg.de T H E M E N D E R Z E I T

A

A404 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 713. Februar 2004

´ TabelleCC´

Merkmale der Befragungen Hamburger Medizinstudierenden im 5. klinischen Semester

Befragungszeitpunkt Skalenpunkte N Antwortquote %

Sommersemester 1995 6 168 88

Sommersemester 2002 $ 132 94

Wintersemester 2002/2003 6 120 85

Sommersemester 2003 6 116 82

Künftiges anwesenheits- und schein- pflichtiges Unterrichtsangebot Allgemein- medizin gemäß Approbationsordnung für Ärzte vom 27. 6. 2002:

1. Vorlesung und Seminar Allgemeinmedizin in der klinischen Ausbildung gemäß § 27 (1) 2. Blockpraktikum Allgemeinmedizin in der klini-

schen Ausbildung gemäß § 27 (4)

3. Wahlfach Allgemeinmedizin in der klinischen Ausbildung gemäß Anlage 3 (zu § 2 [8]) 4. Begleitende Veranstaltungen (zum Beispiel Se-

minare und Fallvorstellungen) zum Wahlfach Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr gemäß

§ 3 (1)

5. In vielen Fakultäten: Beteiligung an den Pflicht- veranstaltungen anderer Fächer und Quer- schnittsbereiche (zum Beispiel „Gesundheits- system, Gesundheitsökonomie, Öffentliche Ge- sundheitspflege“ oder „Prävention und Ge- sundheitsförderung“)

6. In vielen Fakultäten: Beteiligung am Praktikum der Berufsfelderkundung beziehungsweise an der Einführung in die klinische Medizin in der Vorklinik gemäß Anlage 1 (zu § 2 [1]) Textkasten

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