A2354 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 37⏐⏐15. September 2006
P O L I T I K
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ie Novelle der (Muster-)Wei- terbildungsordnung aus dem Jahr 2002 hat den Internisten ohne Schwerpunkt abgeschafft, und sie hat ihn zum Auslaufmodell ge- macht. Diese These des ehemaligen Präsidenten der Bayerischen Lan- desärztekammer, Dr. med. Hans Hege, kann nicht unwidersprochen bleiben (siehe DÄ, Heft 24/2006).Ohne auf die Diskussion über eine Änderung der Weiterbildungsord- nung im Sinne eines Weiterbil- dungsganges zum Facharzt für „All- gemeine Innere Medizin“ für die fachärztliche Versorgung einzuge- hen, ist festzuhalten, dass jeder Facharzt für Innere Medizin, der in seiner Weiterbildung darüber hinaus die Qualifikation zu einem Schwer- punkt erworben hat, trotzdem Fach- arzt für Innere Medizin bleibt. Auch kann man die Weiterbildungszeit in der allgemeinen Inneren Medizin und die Weiterbildungszeit zum Schwerpunkt nicht scharf trennen, sondern in beiden Weiterbildungs- abschnitten werden sowohl Inhalte des Schwerpunktes als auch Inhalte der allgemeinen Inneren Medizin vermittelt. Dies kam auch in der al- ten Weiterbildungsordnung zum Ausdruck, in der die Hälfte der Wei- terbildungszeit zur Schwerpunkt- qualifikation in der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin versenkt werden konnte.
Bereits in der ersten Weiterbil- dungsordnung von 1924 wurde aus- drücklich geregelt, dass der Fach- arzt – also auch der Facharzt für In- nere Medizin – keine „hausärztliche Praxis“ betreiben darf. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die bayeri- sche Berufsordnung, die der 10.
Bayerische Ärztetag am 28. Sep- tember 1957 beschloss, in § 34 (Pflichten der Fachärzte) folgende
Bestimmung enthielt: „(2) Fachärz- te müssen sich grundsätzlich auf das Fach beschränken, dessen Facharzt- bezeichnung sie führen, und dürfen eine allgemeinärztliche oder allge- mein-vertrauensärztliche Tätigkeit nicht ausüben.“ Folglich ist Heges Feststellung zu widersprechen, dass nie daran gedacht gewesen sei, den Internisten von der hausärztlichen Tätigkeit auszuschließen.
Aufgrund des medizinischen Fort- schritts und als Folge des zunehmen- den Wissens wurde es notwendig, dass der für die Basisversorgung der
Patientinnen und Patienten zuständi- ge praktische Arzt eine strukturierte Weiterbildung absolviert. Deshalb wurde in die Weiterbildungsordnung 1968 das Fachgebiet „Allgemeinme- dizin“ aufgenommen.
Der hohe Anspruch an medizini- sches Überblickwissen und die damit einhergehenden hohen Ansprüche an die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin führten dazu, dass die Weiterbildungsordnung so- wohl inhaltlich als auch bezüglich ihres zeitlichen Umfangs öfter geän- dert wurde. Ursprünglich war eine Weiterbildungszeit von vier Jahren (1968), dann von drei Jahren (1993) und letztendlich von fünf Jahren (1998) vorgeschrieben.
Zurzeit besteht noch eine unein- heitliche Qualifizierung als Haus- arzt: Es gibt den „Arzt“, den „Prak- tischen Arzt“, den „Facharzt für All- gemeinmedizin“, den „Facharzt für Innere Medizin“ und künftig auch den „Facharzt für Innere und Allge-
meinmedizin“, was einerseits die Patienten verunsichert und anderer- seits die Attraktivität des Berufsbil- des „Hausarzt“ für den Nachwuchs nicht gerade fördert.
Die Europäische Union fordert in der bereits seit 1986 existierenden Richtlinie über eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedi- zin (86/457/EWG), die 1993 als
„Titel IV“ in der Richtlinie 93/16 aufging, dass ab dem 1. Januar 1995 jeder Hausarzt, der im Sozialversi- cherungssystem tätig wird, im Be- sitz eines entsprechenden Diploms ist und einen strukturierten Weiter- bildungsgang nachweist.
Es bestand somit schon allein auf- grund der EU-Richtlinie die Notwen- digkeit, einen einheitlich qualifizier- ten Hausarzt zu schaffen, um ein Ver- tragsverletzungsverfahren zu verhin- dern. Diese Situation haben sowohl die Internisten als auch die Allge- meinmediziner beim 104. Deutschen Ärztetag 2001 in Ludwigshafen er- kannt und deshalb beschlossen, die- sen einheitlich quali- fizierten Hausarzt zu schaffen, dessen Weiter- bildungsweg so flexibel gestaltet werden sollte, dass dieser dem Versor- gungsbedarf der Patien- ten sowohl in ländlichen Regionen als auch in den Städten gerecht wird.
Mit dem novellierten Weiterbil- dungsgang zum Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin ist dies in hervorragender Weise gelungen, in- dem die Möglichkeit geschaffen wurde, von der vorgeschriebenen dreijährigen Weiterbildungszeit in der Inneren Medizin ein Jahr aufge- splittet in bis zu vier Abschnitten in anderen patientennahen Fächern zu absolvieren. Gerade durch die vom 106. Deutschen Ärztetag 2003 in Köln verabschiedete (Muster-)Wei- terbildungsordnung ist gewährlei- stet, dass ausschließlich der Fach- arzt für Innere und Allgemeinmedi- zin hochqualifiziert das gesamte Spektrum der hausärztlichen Ver- sorgung abdeckt und der Internist konsequenterweise ausschließlich für die fachärztliche Versorgung zu-
ständig ist. I
Dr. med. Max Kaplan, Deutscher Hausärzteverband
HAUSÄRZTLICHE VERSORGUNG