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Archiv "116. Deutscher Ärztetag: Anspruch auf Wertschätzung und Anerkennung" (31.05.2013)

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31. Mai 2013 A 1065

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er weit ausladende Kuppel- saal der 1911 bis 1914 er - bauten Stadthalle bot die beeindru - ckende Kulisse für die Eröffnungs- veranstaltung zum 116. Deutschen Ärztetag in Hannover. Es war keine umfassende Leistungsbilanz, die der Präsident der Bundesärztekam- mer (BÄK), Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery (Bild oben), hier präsentierte, sondern die mit- unter emotional vorgetragene Aus- einandersetzung mit Themen, die von der Ärzteschaft derzeit als be- sonders belastend empfunden wer- den. Der Anspruch auf Wertschät- zung und Anerkennung für das, was Ärzte für die Patienten leisten, war ein zentrales Motiv in der Rede des Präsidenten. „Die meisten unserer Kolleginnen und Kollegen bemü-

hen sich Tag für Tag, dem in sie gesetzte n Vertrauen der Patienten gerecht zu werden. Sie spüren die- se hohe Verantwortung und han- deln aus ethischer Selbstverpflich- tung“, betonte Mont gomery. Da - gegen würden die Schlagzeilen in den Medien beherrscht von Schlag- wörtern wie Ärztepfusch oder Ärz- tekorruption.

Montgomery warf insbesondere den Krankenkassen vor, „einige Wochen vor dem Ärztetag mit ihren üblichen Kampagnen zur Desavou- ierung der Ärzteschaft“ begonnen zu haben. Als Beispiele nannte er die Behauptung des GKV-Spitzen- verbands, die Hälfte aller Klinikab- rechnungen sei falsch, und die vom Medizinischen Dienst der Kranken- versicherung vorgelegte Statistik

zur Fehlerhäufigkeit bei der ärzt - lichen Behandlung. Dabei werde allzu gerne vergessen, dass es die Ärzteschaft selbst sei, die mit ih - ren Gutachterkommissionen und Schlich tungsstellen konstruktiv an der Konfliktlösung im Interesse von Patient und Arzt arbeite.

Kritisch ging Montgomery auch mit denen ins Gericht, die die ärz - tekritischen Schlagzeilen produzie- ren. „So wie wir Ärzte uns den medizinethischen Standards stellen müssen, so sollten auch im Journa- lismus die Grundsätze einer saube- ren Recherche und einer ausgewo- genen Berichterstattung gelten.“

Selbstverständlich machten Ärzte gelegentlich Fehler, doch es sei fast unvermeidlich, danach jedes Mal wieder in den Medien pauschalisie- 116. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Anspruch auf Wertschätzung und Anerkennung

Die Forderung nach Wertschätzung der Arbeit von Ärztinnen und Ärzten war ein zentrales Motiv bei der Eröffnungsveranstaltung am 28. Mai in Hannover.

Fotos: Jürgen Gebhardt

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oder zu hören. Wenn aber von den Ärzten erfolgreich Fehlervermei- dungssysteme implementiert wür- den, sei das den Journalisten zu- meist keine Zeile wert.

Auch die mediale Aufbereitung von Fällen ärztlicher Korruption folgt nach Ansicht des BÄK-Präsi- denten dem gleichen Schema: „Das Fehlverhalten eines einzelnen Arz- tes wird zum Verhaltensmuster ei- nes ganzen Berufsstandes hochstili- siert.“ Montgomery erklärte sich bereit, einem Gesetz zur Bekämp- fung von Korruption im Gesund- heitswesen zuzustimmen, damit die wenigen, die sich bestechen ließen, bestraft würden. Bedingung für die- se Bereitschaft der Ärzteschaft sei aber, führte Montgomery aus, dass es keine Lex specialis allein für Ärzte geben dürfe. Zudem müssten Bestechende und Bestochene glei- chermaßen bestraft werden. „Wir müssen sehr darauf achten, dass die böse Saat des Gerüchts, der Ver- leumdung und Unterstellung nicht den ärztlichen Alltag zerstört“, fass- te Montgomery unter lebhaftem Applaus den Sachverhalt zusam- men. „Wir wollen nicht, dass die wenigen, die sich falsch verhalten, letztlich den Ruf der vielen recht- schaffenen Ärzte ruinieren, die sich an die Gesetze halten und die es leid sind, immer populistisch in ei-

nen Topf mit den anderen geworfen zu werden.“

Auch mit Blick auf bekanntge- wordene Verfehlungen in der Trans- plantationsmedizin sieht Montgo- mery ähnliche Wirkmechanismen.

Obwohl die ärztliche Selbstverwal- tung die Aufklärung entscheidend vorangetrieben habe und staatliche Institutionen viel zu oft weggese- hen hätten, werde nun öffentlich nach mehr Staat bei der Regelung

der Organspende und der Trans- plantationsmedizin gerufen. „Mehr Staat kann nicht die Lösung sein“, brachte es der BÄK-Präsident auf den Punkt und verwies auf die erfolgreiche Überprüfung der Le - bertransplantationen durch Kom- missionen der Bundesärztekammer.

Montgomery sprach von schmerz - lichen Ergebnissen, die dabei in einigen wenigen Fällen zutage ge- fördert worden seien. Allen Betei- ligten müsse klar sein, dass es sich bei der Manipulation an Organ - verteilungslisten nicht um Kava- liersdelikte, sondern um schwere Rechtsverstöße handele.

Montgomery verwies darauf, dass es bei den bekannten Verstößen

nicht um materielle Vorteile für den Einzelnen gegangen sei, sondern um lukrative Operationen für das ganze Haus. Diese Beeinflussung ärztli- chen Handelns, die Ökonomisierung der Medizin, entwickele sich zu ei- nem Problem, dem man vonseiten der Ärzte mehr entgegensetzen müs- se. Montgomery: „Im Krankenhaus bekommt die wirtschaftliche Leis- tungsfähigkeit, das Ergebnis vor Steuern, einen höheren Stellenwert

als die medizinische Leistungsfähig- keit, die Qualität der Patientenver- sorgung und die Humanität in der Daseinsvorsorge für die uns anver- trauten Patienten. Und in der Praxis dominieren Budgets, Pauschalen und Regresse das medizinisch Sinn- volle.“ Mittlerweile müssten Ärzte ständig gegen die Versuchung kämpfen, primär in ökonomischen Kategorien zu denken.

Abschließend wandte sich der BÄK-Präsident dem Thema „Zu- kunft der Finanzierung der Kran- kenversicherung“ zu. Er stellte die sieben Kernpunkte eines vom BÄK- Vorstand gemeinsam mit Gesund- heitsökonomen erarbeiteten Re- formpapiers vor. Dieses sieht vor:

Delegierte und Gäste bei der Eröffnungsveranstaltung zum 116. Deutschen Ärztetag

Ich glaube nicht, dass wir eine bessere ambulante Versorgung haben werden, wenn es nur noch angestellte Ärzte gibt.

Daniel Bahr, Bundesgesundheitsminister

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ein klares Bekenntnis zum Erhalt des dualen Krankenversicherungs- systems,

die Wiederherstellung der Fi- nanzautonomie der Krankenkassen;

sie erheben einen einkommensun- abhängigen und von ihnen autonom festgelegten Gesundheitsbeitrag;

eine Belastungsgrenze von maxi- mal neun Prozent des Haushaltsein- kommens;

dieser Ausgleich erfolgt aus Mit- teln des Gesundheitsfonds;

der Arbeitgeberanteil wird auf 7,3 Prozent festgelegt;

dieser fließt gemeinsam mit Mit- teln aus der Rentenversicherung und Steuermitteln für den Solidar- ausgleich in den Gesundheitsfonds, mit dem der Sozialausgleich und die Kinder- und Familienmitversi- cherung finanziert werden;

ein Gesundheitssparkonto für je- des Kind, auf das aus Steuermitteln eine portable Grundausstattung zur Verfügung gestellt wird, wenn es im Erwachsenenalter eine sozial- versicherungspflichtige Beschäfti- gung aufnimmt.

In der Ablehnung der Bürgerver- sicherung weiß sich Montgomery einig mit dem Bundesminister für Gesundheit, Daniel Bahr, der zur Eröffnungsveranstaltung nach Han- nover gekommen war. „Eine solche Einheitsversicherung für alle“, be- tonte Bahr in seiner Grußansprache,

„wird den Bedürfnissen und Er - wartungen der Menschen nicht ge- recht.“ Bahrs Befürchtung: „Die Bürgerversicherung macht den Pa- tienten zum Bittsteller einer Ein- heitskasse.“ Ohne den Druck der

privaten Krankenversicherung fehle ein Anreiz für die Krankenkassen, sich zu bewegen, erläuterte Bahr.

Er plädierte dafür, auch in der ge- setzlichen Krankenversicherung das System der Zusatzbeiträge weiter auszubauen. „Wir wollen ein Ver - sicherungssystem, das auf Vielfalt aufbaut und den Ansprüchen der Versicherten gerecht wird.“

Bahr warnte davor, das deutsche Gesundheitssystem schlechtzure- den. Andere Länder beneideten Deutschland um seinen für alle Ver- sicherten gleich hohen Standard der medizinischen Versorgung. Er ver- wies auf zwei große Herausforde- rungen, die es, wolle man diesen Standard aufrechterhalten, zu be- wältigen gelte. Das seien zum einen die Folgen der demografischen Ent- wicklung mit den höheren Krank- heitskosten im Alter. Zum anderen werde der Wettbewerb um die jun- gen Fachkräfte immer härter, und es

müsse gelingen, für eine nachwach- sende Ärztegeneration attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Hierauf verwies auch Dr. med.

Martina Wenker, Präsidentin der gastgebenden Ärztekammer Nieder- sachsen, in ihrer Begrüßungsrede.

Der Ärztemangel werde sich in den nächsten Jahren bei zunehmender Morbidität noch verschärfen; sie geht davon aus, dass in den nächsten sieben Jahren 71 000 Ärzte, das sind 20 Prozent der derzeit knapp 349 000 berufstätigen Ärzte, in den Ruhestand treten werden. Wolle man diese ersetzen, müsse man sich auf die Bedürfnisse und Erwartungen der nachwachsenden Generation einstellen, wozu vor allem zählten:

planbare, aber auch flexible Ar- beitszeiten mit der Möglichkeit der Teilzeittätigkeit,

Tätigkeit im Team, in Koopera- tionen, in vernetzten Versorgungs- strukturen,

Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Genauso wichtig aber sei, beton- te Wenker abschließend, dass allen hier tätigen Ärzten die Wertschät- zung entgegengebracht werde, die sie aufgrund ihres immer verdich - teteren und rigideren Arbeitsall - tags verdienten. Wertschätzungs- kultur bedeute für sie mit Blick auf die zukunftsfähige Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung auch, „die fachliche Expertise der verfassten deutschen Ärzteschaft im zukünftigen Diskussions- und Entscheidungs- prozess mit einzubeziehen“.

Thomas Gerst Verstärktes Be-

mühen um den Nachwuchs: Nie- dersachsens Kam- merpräsidentin Martina Wenker will den Bedürfnissen der nachwachsen- den Ärztegeneration gerecht werden.

Einig mit dem BÄK-Vorstand in der Ablehnung der Bürgerversicherung:

der Bundesminister für Gesundheit,

Daniel Bahr

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