Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 23–24|
10. Juni 2013 A 1125D
eutsche Ärztetage gehören eigentlich abge- schafft. Warum sollen Ärztinnen und Ärzte in öf- fentlicher Sitzung dokumentieren, dass sie in wichtigen Fragen der Gesundheitspolitik unterschiedlicher Mei- nung sind? Warum sollten die ärztlichen Spitzenreprä- sentanten ihre Strategie zur Durchsetzung ärztlicher Belange offenlegen? Ist all das nicht ein gefundenes Fressen für jene, die mit ärztlichen Anliegen nicht viel am Hut haben?Nach dem 116. Deutschen Ärztetag in Hannover las- sen sich solche Fragen beantworten. Das Parlament der Ärzteschaft hat sich eingehend mit der Zukunft der Krankenversicherung befasst. Am Ende stand wie vor einem Jahr ein klares Votum für den Erhalt des dualen Systems. Es wurden Anforderungen formuliert, die ei- ne generationengerechte, demografiefeste und sozial gerechte Krankenversicherung erfüllen sollte. Und es wurde eine Reformskizze beschlossen, die Vorschläge für eine Weiterentwicklung von gesetzlicher und priva- ter Krankenversicherung umfasst. Dabei gab es Wider- spruch, es gab auch Stimmen, es sei nicht Sache von Ärztinnen und Ärzten, sich zu Finanzierungsfragen zu äußern. Zwischenzeitlich schien es fraglich, ob es über- haupt zu einem Beschluss kommt. Das machte die Beratungen (siehe dieses Heft und aerzteblatt.de/
aerztetag2013) für die nichtärztliche Öffentlichkeit um- so interessanter, manchmal sogar spannend.
Die letztlich deutliche Mehrheit – ein persönlicher Erfolg für den Präsidenten der Bundesärztekammer – verleiht den Reformvorschlägen Gewicht, auch wenn sie kein geschlossenes Konzept darstellen, das eins zu eins in Gesetzesform gegossen werden kann. Die Bot- schaft ein Vierteljahr vor der Bundestagswahl lautet:
Die Ärzteschaft warnt vor einer Bürgerversicherung, weil sie den Wettbewerb um Qualität, den Wettbewerb um die beste medizinische Versorgung in einer Ein- heitsversicherung gefährdet sieht. Dabei sehen Ärztin- nen und Ärzte Wettbewerb nicht als Wert an sich an.
„Ökonomie ist ein Mittel zum Zweck, nicht aber der Zweck an sich“, hatte Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, zur Eröffnung gemahnt. Es
geht also nicht um die Verteufelung ökonomischer Me- thoden beim Einsatz knapper Mittel. Ökonomie darf nur nicht das ärztliche Handeln prägen. „Wie viel Markt verträgt die Medizin?“, fragen sich immer häu - figer auch Patienten. Deshalb ist es gut, dass sich der Ärztetag ernsthaft mit der Ökonomisierung des Ge- sundheitswesens auseinandergesetzt hat. Es dient der Glaubwürdigkeit des Berufsstands.
Die härtesten Kontroversen gab es vor und während des 116. Deutschen Ärztetags über die ambulante Wei- terbildung. Dabei war das Ziel nie strittig, dass mehr junge Ärztinnen und Ärzte in den Praxen weitergebil- det und diese Stellen auch bezahlt werden müssen.
Über den Weg dorthin kam es zu einer Konfrontation zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Marburger Bund. Am Ende eines zä- hen argumentativen Ringens stand eine Einigung, die von allen Beteiligten mitgetragen wird. Nun können in diesem elementar wichtigen Gebiet der ärztlichen Selbstverwaltung die für die Weiterbildung zuständige Bundesärztekammer und die KBV, die der jungen Ärz- tegeneration die Arbeit in der Niederlassung nahebrin- gen will, gemeinsam gegenüber der Politik auftreten.
Hat es der Sache geschadet, dass die intensive Dis- kussion großenteils im öffentlichen Forum des Ärzte- tags stattfand? Wohl kaum. Hannover hat erneut ge- zeigt: Wenn es den Deutschen Ärztetag nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.
116. DEUTSCHER ÄRZTETAG
Botschaft aus Hannover
Heinz Stüwe
Heinz Stüwe Chefredakteur