Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 928. Februar 2003 AA509
S E I T E E I N S
Pflegeversicherung
Falscher Ansatz H
orst Seehofer, sozial- und ge-sundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ehemaliger Bundesgesundheits- minister, spielt die gesamte Klavia- tur der Sozial- und Gesundheitspoli- tik: Nach einem rentenpolitischen Geplänkel hat er sich jetzt auch der gesetzlichen Pflegeversicherung zu- gewandt.
Seehofer baut dabei offenbar auf das kurze Gedächtnis seiner Mit- streiter. Er empfiehlt, die selbststän- digen Sozialversicherungszweige Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und Pflegeversicherung zu fusionieren – und will damit die an- geblichen Finanzkalamitäten der 1995 unter der CDU/CSU-FDP- Bundesregierung als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführten Pflegeversicherung mit einem Schlag
beseitigen. Zugleich soll dadurch der „Verschiebebahnhof“ stillgelegt werden.
Die Finanzreserven der gesetzli- chen Pflegeversicherung, die noch vor drei Jahren mehr als 9,5 Milliar- den DM (rund 4,8 Milliarden Euro) betrugen, sind heute auf rund 2,5 Milliarden Euro geschmolzen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung sagt aber, der- zeit seien die Finanzen der Pflege- versicherung solide, und am Bei- tragssatz von 1,7 Prozent werde nicht gedreht.
Was am Seehoferschen Vorstoß stört, ist, dass er das Prinzip der strik- ten Spartentrennung von Gesetzli- cher Kranken- und Pflegeversiche- rung über Bord werfen will. Würden die gesetzliche und die private Pfle- gepflichtversicherung in die GKV
versenkt, wäre hier ein Fass aufge- macht, das weder politisch noch von der Selbstverwaltung abzudichten wäre. Seehofer hätte dann seinen ei- genen Prinzipien abgeschworen. Es war bei der Gründung der Pflegever- sicherung richtig und konsequent, keine neue Sozialbürokratie aufzu- bauen, sondern der GKV die Verwal- tungskosten der Pflegeversicherung als Auftragsleistung zu erstatten.
Dass mit einer Fusion beider Sozial- leistungszweige künftig Hunderte Millionen Euro Verwaltungskosten weggezaubert werden können, kann Seehofer nicht glauben machen.
Auf einem anderen Blatt steht, dass es noch Abgrenzungs- und Defi- nitionsprobleme gibt, die gelöst wer- den müssen. Durch eine bloße Fusion kann dies nicht geschehen. Eher wür- de es schlimmer. Dr. rer. pol. Harald Clade
Private Krankenversicherung
Auf Einkaufstour D
ie Deutsche Krankenversiche-rung AG (DKV) will „schon heu- te verwirklichen, was die Politik für morgen fordert“. Dazu richtet sich der Marktführer unter den privaten Krankenversicherungen strategisch neu aus und steigt in den Versor- gungsmarkt ein. „Wir wollen Lösun- gen aus einer Hand anbieten für Versicherung, Service und Versor- gung“, sagt der DKV-Vorstandsvor- sitzende Dr. Jan Boetius. Kernpunkt des neuen Konzepts sind Gesund- heitszentren, in denen verschiedene Fachrichtungen zusammenarbeiten.
Derzeit akquiriert die DKV Ärzte für ein solches primärärztliches Ge- sundheitszentrum in Köln, das im Juni eröffnet. Dort sollen zunächst ein All- gemeinarzt, ein Internist, ein Gynäko-
loge, ein Kinderarzt und ein Zahnarzt in einer Partnerschaftsgesellschaft Privatpatienten behandeln. Zudem wird Psychotherapie angeboten.
Die DKV stellt über eine Betrei- bergesellschaft einen Praxismana- ger und die technische Infrastruk- tur. Auch die Abrechnung läuft über die DKV-Tochter. Die Ärzte sind zwar keine Angestellten der Betrei- bergesellschaft, sie hängen aber an deren Tropf. Freiberuflichkeit sieht anders aus. Von den nach GOÄ ab- gerechneten Honoraren erhalten die Ärzte einen festen Prozentsatz, dessen Höhe die DKV verschweigt.
Hinzu kommt eine erfolgsabhängi- ge Bonifikation – bemessen nach der Patientenzufriedenheit, dem Ge- sundheitszustand der Patienten (im
Vergleich zu wissenschaftlich defi- nierten Standards) und nach den Versicherungsleistungen, die die Pa- tienten im Vergleich zu anderen Gruppen in Anspruch nehmen. Im- merhin: Der Anteil der erfolgsab- hängigen Komponente überwiege nicht, betont Boetius.
Das „Unternehmen Gesundheit“
– so nennt sich die DKV jetzt – ist auf Einkaufstour. Gesucht werden Ärzte, die die Nase voll haben vom arbeitsintensiven Krankenhausall- tag beziehungsweise dem unterneh- merischen Risiko bei unsicheren Rahmenbedingungen in der Nieder- lassung. Der Einstieg in die neue
„Gesundheitswelt“ sollte aber wohl überlegt sein, denn es droht die fi- nanzielle Abhängigkeit. Jens Flintrop