• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "CDU/CSU: Prämie ohne Priorität" (29.07.2005)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "CDU/CSU: Prämie ohne Priorität" (29.07.2005)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A

ngela Merkel wurden schon viele Etiketten angeklebt. Erst war sie Helmut Kohls „Mädchen“, heute gilt sie als ehrgeizige Machtpolitikerin.

Auf dem Weg zur Macht ist die CDU- Vorsitzende und Kanzlerkandidatin nun ein bedeutendes Stück vorangekom- men. So gab Bundespräsident Horst Köhler vergangene Woche sein Einver- ständnis für eine vorzeitige Auflösung des Bundestages. Die Chancen für die Union, dass es mit der für den 18. Sep- tember anvisierten Neuwahl zu einem Re- gierungswechsel kommt, sind trotz leich- ter Verluste bei Meinungsumfragen gut.

Zu einem vorzeitigen Absturz in der Wählergunst führte auch nicht die An- kündigung im Unions-Wahlprogramm, im Falle eines Wahlsieges die Mehr- wertsteuer anheben zu wollen. Mit ei- nem Großteil der daraus resultierenden Mehreinnahmen sollen die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt wer- den – ein deutliches Signal an die Wirt- schaft, dass man es ernst damit meint, die Lohnnebenkosten zu reduzieren.

Neuer Reformfahrplan

Dieser Schritt zeigt, dass die Union ihre politische Prioritätenliste neu geordnet hat. Den aktuellen Reformfahrplan gibt die niedersächsische Gesundheitsmini- sterin Ursula von der Leyen (CDU) wieder: „Zunächst sinken die Lohnne- benkosten durch den niedrigeren Ar- beitslosenbeitrag. Dann wird die Ar- beitsvermittlung effizienter, und danach kommt die Gesundheitsprämie.“ Diese gilt zumindest nach offizieller Lesart als wichtiges Instrument zur Senkung der Arbeitskosten. Doch verhindern Un- wägbarkeiten konkrete Aussagen zum Prämienmodell. Eine genaue Kalkulati- on der Prämie sei erst möglich, wenn die angestrebte Steuerreform „klare Kon-

turen“ gewinne, sagt Unionsfraktions- vize Wolfgang Zöller gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. „Wie die letzt- endlich aussieht, wissen wir erst 2007.“

Bis dahin müssten noch Hausaufgaben gemacht werden, räumt Zöller ein. Es gehe darum, den Kompromiss sozial und unbürokratisch zu gestalten.

Wie das Prämienmodell ausgestaltet werden soll, beantwortet das Wahlpro- gramm nur in Ansätzen. Demnach plant die Union, dass die Versicherten einer Krankenkasse einen einheitlichen Be- trag zahlen, der durch einen pauschalen Zuschuss der Arbeitgeber ergänzt wird.

Um die Lohnnebenkosten von der Ent- wicklung der Krankheitskosten abzu- koppeln, soll die Arbeitgeberprämie

„dauerhaft begrenzt“ werden.

Im Wahlprogramm fehlen jedoch An- gaben zum Zeitpunkt der Einführung und zur Höhe der geplanten Prämie.

Dass der ursprünglich von der Union ge- nannte Betrag von 109 Euro für Versi- cherte und einem Arbeitgeberanteil von 69 Euro Bestand haben wird, bezweifelt mittlerweile auch CDU-Chefin Merkel:

Es sei „vermessen, heute eine genaue Zahl anzugeben“, da man die Finanzsi- tuation in der Gesetzlichen Krankenver- sicherung (GKV) zum Zeitpunkt der Einführung nicht abschätzen könne.

Deshalb heißt es im Wahlprogramm nur:

„Niemand zahlt bei der solidarischen Gesundheitsprämie mehr als bisher.“

Denn Geringverdiener erhalten staatli- che Unterstützung. Woher jedoch das Geld für die Transferzahlungen kommen soll, gibt das Programm nicht preis.

Für den Darmstädter Gesundheits- ökonomen Prof. Dr. Bert Rürup ist es ein „starkes Wort“, dass keiner mehr als bisher zahlen soll. Allein die steuer- finanzierte Kinderversicherung ver- schlinge rund 16 Milliarden Euro.

„Wenn man bösartig ist, könnte man meinen, die Union will sich langsam von

der Gesundheitsprämie verabschieden“, so Rürup. Er bezweifelt, dass die Prä- mie in der nächsten Legislaturperiode eingeführt werden wird. Nicht auszu- schließen sei, dass die Union eine Zwi- schenlösung anstrebe. „Man friert den Arbeitgeberbeitrag ein und beschränkt sich in einem ersten Schritt auf eine steuerfinanzierte Kinderversicherung.“

Mehrkosten für Kassen

Kritik hagelt es auch für das Vorhaben, die Mehrwertsteuer von derzeit 16 auf 18 Prozent anzuheben.Weil in Deutsch- land der volle Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel erhoben werde, würde dies für die GKV Mehrkosten in drei- stelliger Millionenhöhe verursachen, warnt der Bundesverband der Pharma- zeutischen Industrie. Der Verband der niedergelassenen Ärzte, NAV-Virchow- Bund, fordert gar eine Abschaffung der Steuer auf Medikamente. „Statt über eine Mehrwertsteuer zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme nach- zudenken, sollte die Politik die Systeme von unnötigem Ballast befreien“, er- klärte dessen Vorsitzender, Dr. med.

Maximilian Zollner. Durch die Mehr- wertsteuer werde die GKV jährlich mit drei Milliarden Euro belastet.

Noch knapper als die Angaben zur Gesundheitsprämie sind die Aussagen der Union zur möglichen Weiterent- wicklung der Anbieterseite. Diese wird im Wahlprogramm nur in einem Satz er- wähnt. Darin fordert die Union, „den Wettbewerb von Ärzten, Krankenhäu- sern, Arzneimittelherstellern und Apo- theken“ zu stärken.

CSU-Sozialexperte Zöller betont je- doch, dass die Union im Falle eines Wahl- sieges strukturelle Weiterentwicklungen rasch angehen werde. Er kritisiert, dass mit der Debatte über Bürgerversiche- P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 3029. Juli 2005 AA2059

CDU/CSU

Prämie ohne Priorität

Anders als geplant hängt die Union die Gesundheitspolitik im anlaufenden Bundestagswahlkampf tiefer.

Unwägbarkeiten verhindern konkrete Aussagen zur Gesundheitsprämie.

(2)

rung und Gesundheitsprämie eine inhalt- liche Auseinandersetzung über die nächste Strukturreform überlagert wer- de. Doch es gebe enormen Handlungs- bedarf. So müsse darüber nachgedacht werden, den Kassenärztlichen Vereini- gungen (KVen) bei der Integrierten Ver- sorgung die Möglichkeit zu geben, die Ärzte zu beraten und zu unterstützen.

Dies käme den niedergelassenen Ärzten zugute, die dann nicht länger als Ein- zelkämpfer der „Verhandlungsmacht der Krankenkassen“ gegenüberstehen müssten. „Einkaufsmodelle der Kran- kenkassen führen zu einem Machtmono- pol, wie ich es nicht haben möchte“, sagt Zöller. Doch sei es auch an den KVen, sich stärker zu öffnen.

Union gegen Morbi-RSA

Direkte Auswirkungen auf die Kas- senärzte könnte im Falle eines Regie- rungswechsels ein Scheitern des mor- biditätsorientierten Risikostrukturaus- gleichs, kurz Morbi-RSA, haben. Denn mit dessen Hilfe sollen die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, um die für 2007 geplante Umstellung der ärztli- chen Vergütung auf morbiditätsbezoge- ne Regelleistungsvolumina zu finanzie- ren. Die Union lehnt die von Rot-Grün vorangetriebenen Reformpläne für den RSA entschieden ab. „Es konterkariert die Bemühungen um mehr Wirtschaft- lichkeit, wenn die Ausgaben für Arznei- mittel und Krankenhausbehandlung zur Richtschnur für Morbidität ge- macht werden“, kritisiert Zöller. Man wolle doch gerade die Liegedauer in den Krankenhäusern verkürzen und Arzneimittelkosten einsparen.

Schwerer wiege jedoch, dass der Wettbewerb zwischen den Krankenkas- sen durch die rot-grünen Reformpläne weiter zurückgeschraubt werde. Schon jetzt gebe es kaum Unterschiede bei den Beitragssätzen. Mit einem Morbi- RSA, wie die Regierung ihn vorsieht, würde die Differenz weiter schrump- fen. Nach Meinung Zöllers hätte man am Ende nicht anderes als eine Ein- heitskasse. „Die Union verfolgt jedoch das Ziel, mehr Wettbewerb und Ent- scheidungsfreiheit zu schaffen. Und zwar für alle Beteiligten im Gesund- heitswesen.“ Timo Blöß, Samir Rabbata

P O L I T I K

A

A2060 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 3029. Juli 2005

Internistenverband

Reform aus einem Guss

BDI stellt Forderungen an eine neue Gesundheitspolitik.

W

ir müssen versuchen, die Poli- tik mitzugestalten. Das haben wir in der Vergangenheit zu wenig getan“, erklärte der Präsident des Berufsverbands Deutscher Interni- sten (BDI), Dr. med. Wolfgang Wesiack, Mitte Juli vor Journalisten in Wiesbaden.

Im Vorfeld der vorgezogenen Bundes- tagswahl im September hat der Verband deshalb seine Forderungen an die Politik formuliert. In erster Linie geht es dem BDI dabei um ein schlüssiges Gesamt- konzept. Reformen in der Sozial-, Ar- beitsmarkt- und Wirtschaftspolitik müss- ten mit den Reformmaßnahmen im Ge- sundheitswesen verzahnt werden, wenn ein langfristiger Erfolg sichergestellt werden solle. Die vielen so genannten Reformen im Gesundheitswesen der Vergangenheit seien der beste Beweis dafür, dass die Wirkung von Insellösun- gen allzu schnell verpuffe.Von den Wahl- programmen der Parteien zeigte sich Wesiack allerdings enttäuscht. „Es sieht so aus, als gehe die alte Leier weiter.“

Leistungskatalog überarbeiten

Kritik übte er insbesondere an den Reformvorschlägen zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). „Weder die Bürgerversiche- rung der SPD noch die Kopfpauschale der CDU/CSU ist demographieresi- stent und damit zukunftssicher.“ Um die Finanzierung des Gesundheitssy- stems langfristig zu sichern, fordert der BDI Korrekturen sowohl auf der Ein- nahmen- als auch auf der Leistungsseite.

Zum einen müsse man sich auf den Kern des Solidaritätsprinzips zurückbesinnen:

Jedes Mitglied einer Krankenkasse leiste einen prozentual gleichen Beitrag seines Einkommens für seine Gesundheitsver- sorgung, und jedem erkrankten Mitglied werde für die gleiche Erkrankung der

gleiche Schutz gewährt. Beide Regeln sollen nach dem Willen des BDI für die Versichertengemeinschaft einer einzel- nen Krankenkasse gelten. Zum anderen muss nach Ansicht des Internistenver- bandes der GKV-Leistungskatalog neu geordnet werden. Sinnvoll sei eine Auf- teilung in solidarische Pflicht- und Ge- staltungsleistungen sowie risikoäquiva- lent kalkulierte, zusätzlich durch Prämi- en abgesicherte Ergänzungsleistungen.

Denn nicht jedes Risiko müsse GKV- versichert sein, betonte BDI-Hauptge- schäftsführer Prof. Dr. med. Peter Knuth.

Als wesentliche Ziele für eine neue Gesundheitspolitik nennt der BDI dar- über hinaus den Abbau von Bürokratie sowie eine Stärkung von Qualität und Prävention. In diesem Zusammenhang kritisierte der Verband erneut die Ver- knüpfung von Disease-Management- Programmen (DMP) mit dem Risiko- strukturausgleich. Sie seien der Beleg dafür, dass eine ökonomisch definierte Qualität nicht die bestverfügbare Qua- lität darstelle. Skeptisch bewertet der Verband auch die neue Vertragsvielfalt.

„Wettbewerb ist hier nur in Grenzen sinnvoll“, betonte BDI-Vizepräsident Dr. med. Wolf von Römer. „Sonst droht die völlige Zersplitterung der Versor- gungslandschaft, und die Sicherstellung ist in Gefahr.“ Er plädierte dafür, die neuen Versorgungsformen auf ein Min- destmaß zu beschränken und die ver- schiedenen Modelle zu evaluieren. Für wenig zukunftsweisend hält BDI-Präsi- dent Wesiack auch die Hausarztmodelle.

Einerseits schränkten sie die freie Arzt- wahl ein, andererseits sei das Konzept aufgrund des drohenden massiven Hausärztemangels kaum noch umsetz- bar. Um Behandlungsabläufe sinnvoll koordinieren zu können, setzt sich der Verband – der sich als Vertreter des ge- samten internistischen Spektrums der Haus-, Fach- und Krankenhausärzte versteht – stattdessen für einen „persön- lichen Koordinationsarzt“ ein. Danach soll jeder Versicherte verpflichtet wer- den – je nach Art und Behandlungsin- tensität seiner Erkrankung –, einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelasse- nen Arzt seines Vertrauens auszuwählen, den er für eine angemessene Zeit als sei- nen persönlichen Koordinationsarzt be- stimmt.Wesiack: „Die Hausarzt-Facharzt- Trennung ist überholt.“ Heike Korzilius

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Für Merkel und Stoiber ist das Uni- ons-Konzept dennoch eine klare Ant- wort auf die von Rot-Grün favorisierte Bürgerversicherung.Auch weil erstmals mit konkreten Zahlen geplant

Die Juristen argumentie- ren: Eine freie Entscheidung des Bür- gers für oder gegen eine bestimmte Form der Altersversorgung ist umso risikoloser, als der Staat verpflichtet ist,

Immer wieder geht und ging es dabei auch persönliche Fehden – so wie heute Horst Seehofer und Ange- la Merkel auf Kollisionskurs sind, waren es früher zum Beispiel Franz-Josef

Die Union setzt stattdessen auf ein „Entfesselungspro- gramm“ für Unternehmen und eine Entlastung von Haushalten mit hohen Einkommen: Die Unternehmens- steuern sollen auf

3. die einmalige Gewährung eines Bonus von 300 Euro je kindergeldberechtigtem Kind, 4. den steuerlichen Verlustrücktrag für das Jahr 2020 auf 5 Mio. Euro bei

Wie wollen Sie die Selbstbestimmung von trans* & inter* Menschen rechtlich sicherstellen (hinsichtlich Abschaffung des Transsexuellengesetzes, Voraussetzungen und Altersgrenze

Zwar gab es bereits im März 2019 unter der damaligen Justizministerin Kata- rina Barley einen ersten Vorschlag für eine Reform, der auch eine Änderung für

Insbesondere dass Baugeld nur speziell für die Baumaßnahme verwendet werden darf, für die das Geld tatsächlich gezahlt wurde, bedeutet für diese Bauunternehmen eine