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Archiv "CDU/CSU: Die beiden Pole" (20.06.2003)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2520. Juni 2003 AA1701

S E I T E E I N S

Altersversorgung

Bestandsschutz W

enn die gesetzliche Rentenver-

sicherung in finanziellen Nöten ist und von der Politik an der Ren- tenformel gebastelt wird, kommen Gelüste auf, die völlig eigenständig finanzierten berufsständischen Ver- sorgungswerke der klassischen ver- kammerten Freien Berufe zur Dis- position zu stellen. Besonders groß ist die Gefahr, wenn programmati- sche Forderungen der Politik und anderer Interessenten für eine all- umfassende soziale Volksversiche- rung plädieren und auch Beamte und Angehörige der Freien Berufe und Selbstständige zwangsrekrutie- ren wollen.

Dabei gibt es starke verfassungs- rechtliche und gesetzliche Schutz- wälle, die die Eigenständigkeit der Versorgungseinrichtungen der Frei- en Berufe garantieren und Gesetzge- ber wie Politik in die Schranken wei-

sen. Erst kürzlich haben renommier- te Verfassungsjuristen vor einem Fachforum der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungsein- richtungen e.V. (ABV) in Berlin un- ter Hinweis auf höchstrichterliche Urteile unterstrichen, dass das seit mehr als 40 Jahren geltende Befrei- ungsrecht für die Angehörigen der Freien Berufe, die als Angestellte ar- beiten, ersatzlos zu streichen, ein Ta- bu sein müsse. Die Versorgungswer- ke und deren Mitglieder stünden un- ter dem Bestandsschutz gemäß Arti- kel 14 des Grundgesetzes (Eigen- tumsschutz), Artikel 12 (Berufsfrei- heit) in Verbindung mit Artikel 3 (Gleichbehandlungsgrundsatz). Eine zwangsweise Überleitung oder Ein- gliederung von Freiberuflern und Selbstständigen in die Rentenversi- cherung sei ein unzulässiger Eingriff in die Freiheitsrechte. Deshalb dürfe

der Staat die Altersversorgung auch nicht zu einer Vollkaskoeinrichtung mutieren. Die Juristen argumentie- ren: Eine freie Entscheidung des Bür- gers für oder gegen eine bestimmte Form der Altersversorgung ist umso risikoloser, als der Staat verpflichtet ist, dem Einzelnen im Falle einer Not- lage die Mittel für die Daseinsvorsor- ge zur Verfügung zu stellen.

Dies ist die eigentliche Legitimati- on für die Aufrechterhaltung der so- zialen Rentenversicherung. Dies be- deutet jedoch nicht, dass nach der Sozialverfassung die Altersvor- und -fürsorge ausschließlich auf das heu- tige System der solidarisch finanzier- ten Sozialversicherung festgelegt werden muss. Vielmehr sind auch andere substitutive Versorgungsfor- men realisierbar, wie dies mit der

„Riester“-Rente exemplarisch belegt wurde. Dr. rer. pol. Harald Clade

CDU/CSU

Die beiden Pole W

er jetzt noch, nachdem das

„Gesundheitssystemmodernisie- rungsgesetz“ im Bundestag beraten wird, mit grundlegenden Reformvor- schlägen kommt, der setzt entweder darauf, dass das Gesetz scheitert oder dass die nächste „Gesundheits- reform“ nicht lange auf sich warten lässt. Die Reformvorschläge sind so bunt wie unsere Gesellschaft. Die katholischen Bischöfe präsentieren Orientierungen, Management Con- sultants geben handfeste Ratschläge.

Die einen orientieren sich an Sozial- lehre und Sozialethik und empfehlen systemkonforme Anpassungen. Die anderen raten zur neoliberalen Be- sinnung und schlagen den System- wechsel zur Privatisierung vor. Die ganze Spannbreite der Reformop- tionen wird augenblicklich in der

CDU/CSU offenbar. Die Differenzen nämlich zwischen Horst Seehofer, dem Sozialpolitiker aus der CSU, und der CDU-Kommission Soziale Si- cherheit, die von Altbundespräsident Roman Herzog geleitet und CDU- Generalsekretär Laurenz Meyer be- einflusst wird, sind von grundsätzli- cher Art und nicht allein mit dem Wahlkampf in Bayern zu erklären.

Seehofer argumentiert wie früher die Sozialausschüsse von CDU und CSU, bevor sie öffentlich verstumm- ten. Die Sozialausschüsse waren im- mer eine Stütze der solidarischen Ab- sicherung durch eine soziale Renten- und Krankenversicherung. Die Aus- weitungen der Leistungen und der Versichertenkreise gehen auf Uni- onspolitiker wie Hans Katzer (CDU) zurück, die von den Sozialausschüs-

sen geprägt waren. Seehofer verfolgt im Moment diese Linie. Die andere, die neoliberale, wirtschaftsnahe Rich- tung, ist in CDU und CSU gleichfalls seit eh und je vertreten. Beide Pole haben in der Vergangenheit für über- wiegend fruchtbare Spannungen ge- sorgt, ausgedrückt in der sozialen Marktwirtschaft. Das ging so lange gut, wie die Wirtschaft rund lief. In der Sozialpolitik naht jetzt aber, erzwun- gen durch die wirtschaftliche Krise, auch für CDU und CSU die Stunde der Wahrheit. Welche Richtung wird sich durchsetzen? Die im buchstäbli- chen Sinne christlich-soziale oder die wirtschaftlich-liberale? Mit einem schlichten Telefonat zwischen Seeho- fer und Angela Merkel über Details sind solche Grundsatzfragen nicht zu beantworten. Norbert Jachertz

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