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Anforderungen an ein System zur Evaluierung potentieller Langzeitschäden durch den Einsatz gentechnischer Methoden in der Nahrungsmittelherstellung und -verarbeitung

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(1)

potentieller Langzeitschäden durch den Einsatz

gentechnischer Methoden in der

Nahrungsmittelherstellung und -verarbeitung

Vom Fachbereich Chemie der Technischen Universität Darmstadt

zur Erlangung des akademischen Grades eines

Doctor rerum naturalium [Dr. rer. nat.]

genehmigte

Dissertation

eingereicht von

Dipl. Biochem. Jens Katzek

aus Mühlheim a.d. Ruhr

Berichterstatter: Prof. Dr. H.G. Gassen

Mitberichterstatter: Prof. Dr. P. Friedl

Tag der Einreichung: 31. Januar 2000 Tag der mündlichen Prüfung: 8. Mai 2000

(2)

Darmstadt, unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. H. G. Gassen, in der Zeit von Juni 1997 bis Januar 2000 angefertigt. Der experimentelle Teil wurde in der Fa. PLANTA GmbH, Einbeck durchgeführt.

(3)

Umstände zu betreuen.

Prof. Dr. P. Friedl möchte ich für die Übernahme des Koreferats danken.

Dr. Dietmar Stahl und Dr. Josef Kraus von der PLANTA AG möchte ich für die hilfreichen Diskussionen sowie für die Beratung bei der Durchführung der praktischen Experimente danken.

Dagmar Roth-Behrendt, MEP möchte ich für die Anregungen insbesondere in der Konzeptionsphase dieser Arbeit danken.

Dr. Horst Reichenbach und der Europäischen Kommission sowie Dr. Werner Siebenpfeiffer und dem Bundesministerium für Gesundheit möchte ich für die finanzielle Unterstützung bei der Durchführung dieser Arbeit danken.

Dr. Thomas Hektor und Dr. Kristina Sinemus, Genius GmbH möchte ich für die Diskussionen und inhaltlichen Anregungen danken.

Und schließlich möchte ich meiner Frau für ihre moralische Unterstützung danken, ohne die die Erstellung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre.

(4)

A. ZUSAMMENFASSUNG... 1

B. EINLEITUNG ... 4

1. Problemstellung, Konzeption und Abgrenzung der Arbeit... 10

1.1. Problemstellung... 10

1.2. Konzeption der Arbeit ... 11

1.3. Abgrenzung der Arbeit... 12

2. Einsatzpotentiale der Gentechnik in der Lebensmittelverarbeitung ... 14

3. Potentielle Risiken, die mit dem Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittelverarbeitung in Verbindung gebracht werden... 18

3.1. Bildung unerwarteter, toxischer Begleitstoffe ... 20

3.1.1. Produktverunreinigungen am Beispiel L-Tryptophan... 22

3.1.2. Akkumulation toxischer Substanzen in GRAS-Organismen ... 26

3.1.3. Andere pleiotrope Effekte ... 28

3.2. Erhöhte Expression pflanzeneigener Toxine ... 30

3.3. Übertragung von Antibiotikaresistenzen... 32

3.4. Allergene Wirkungen neu exprimierter Proteine... 41

3.4.1. Ursachen und Wirkungsmechanismen allergischer Reaktionen ... 42

3.4.2. Allergische Reaktionen gegenüber konventionellen Lebensmitteln ... 44

3.5. Reduzierte Synthese wichtiger Nährstoffe/ Mangelerkrankungen... 47

4. Regelungen zur Risikoabschätzung und zum Risiko-Management ... 48

4.1. Risikobegriff/ Vorsorgeprinzip... 48

4.1.1. Risikowahrnehmung ... 49

4.1.2. Risikoakzeptanz ... 51

4.1.3. Risikobewertung ... 52

4.2. Rechtliche Regelungen über den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen im Lebensmittelbereich ... 56

4.2.1. Auf europäischer Ebene ... 56

4.2.1.1. Verordnung 258/97/EWG über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (Novel-Food-Verordnung) ... 57

4.2.1.2. Richtlinie 90/2220/EWG über die absichtliche Freisetzung von genetisch veränderten Organismen ... 59

4.2.2. In der Bundesrepublik ... 60

4.2.2.1. Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) und Verordnungen... 60

4.2.2.2. Gentechnikgesetz (GenTG) ... 61

4.3. Rechtliche Regelungen im Arzneimittelbereich ... 62

4.3.1. Auf europäischer Ebene ... 62

4.3.1.1. Zulassungsverfahren ... 62

4.3.1.2. Regelungen in bezug auf Pharmakovigilanz... 63

4.3.2. In der Bundesrepublik ... 68

4.3.2.1. Arzneimittelgesetz (AMG) und Verordnungen... 68

(5)

4.4. Risikoabschätzungsmethoden und -modelle... 72

4.4.1. HACCPS... 73

4.4.2. Der Begriff der substantiellen Äquivalenz... 74

4.4.3. Risikoabschätzung und -monitoring im Bereich der Arzneimittel ... 75

4.4.3.1. Toxikologische Untersuchungen ... 76

4.4.3.2. Klinische Prüfungen ... 78

4.4.3.3. Monitoring nach dem Inverkehrbringen... 81

4.4.3.3.1. System der spontanen Meldung/ - ”MedWatch” ... 85

4.4.3.3.2. Vergleichsstudien – Patienten Selbstbeobachtung (patient self-monitoring) ... 86

4.4.3.3.3. Erfahrungen mit ”Medicaid Drug-Event Data” und anderen computergestützten Systemen ... 88

4.4.3.3.4. Drug Surveillance Network ... 89

4.4.4. Risikoabschätzung und –monitoring im Bereich der Zusatzstoffe und Enzyme ... 89

4.4.4.1. Toxikologische Untersuchungen ... 90

4.4.4.2. Monitoring nach dem Inverkehrbringen... 92

4.4.5. Risikoabschätzung bei ganzen Lebensmitteln (Fallbeispiele) ... 94

4.4.5.1. Bestimmung des allergenen Potentials... 98

4.5.5.2. Bestrahlte Lebensmittel... 102

4.5.5.3. Myco-Protein ... 104

4.5.5.4. Olestra... 105

4.5. Erfahrungen mit Monitoring-Systemen aus anderen Bereichen ... 112

4.6. Risiko-Management: Vergleich der wesentlichen Elemente des AMG und des LMBG... 113

5. Nachweis gentechnisch veränderter Organismen und ihrer Produkte in Lebensmitteln... 115

5.1. Material ... 115

5.1.1. Charakterisierung der Pflanzen ... 115

5.1.1.1. Phosphinothricin-resistente Zuckerrübe (ZR-LL) ... 115

5.1.1.2. Phosphinothricin-resistenter Mais (MA-LL) ... 116

5.1.2. Oligonukleotide als Primer für Polymerasekettenreaktion ... 117

5.1.3. Chemikalien ... 117

5.1.4. DNA-Längenstandard ... 118

5.1.5. Enzyme ... 118

5.1.6. Puffer und Lösungen... 118

5.1.7. Komplettsysteme (Kits) ... 119

5.1.8. Geräte ... 119

5.1.9. Sonstige Materialien ... 120

5.1.10. Software ... 120

5.2. Methoden ... 121

5.2.1. Kultivierung von Agrobacterium tumefaciens... 121

5.2.2. Anzucht von Zuckerrübenpflanzen... 121

5.2.3. Polymerasekettenreaktion (PCR) ... 121

5.2.4. Elektrophorese von DNA ... 121

5.2.5. Isolierung von Pflanzen-Gesamt-DNA aus Maiskörnern mit Macherey+Nagel –Kit... 122

5.2.6. Isolierung von Pflanzen-Gesamt-DNA für PCR-Analysen aus Blättern der Zuckerrübe ... 122

5.2.7. PAT-ELISA – Test... 123

5.2.8. DNA-Konzentrationsbestimmung mit Fluorometer ... 123

5.2.9. DNA-Konzentrationsbestimmung mit Agarosegel und Software „RFLP Scan“ ... 124

5.3. Ergebnisse ... 124

5.3.1. PCR Protokoll zur Optimierung der Primer ... 124

5.3.1.1. Optimierung der Primer inv... 124

5.3.1.2. Optimierung der Primer 35 S ... 125

5.3.2. DNA-Nachweis in gentechnisch veränderten Zuckerrüben (LL- T120-7) über mehrere Generationen ... 127

5.3.2.1. PCR ... 128

5.3.3. Protein-Nachweis (PAT) in gentechnisch veränderten Zuckerrüben (LL- T120-7) über mehrere Generationen ... 128

5.3.4. DNA-Nachweis in Mischungen aus konventionellem und gentechnisch veränderten Mais 129 5.3.4.1. DNA-Isolierung aus Maiskörnern ... 129

(6)

5.3.4.2. Optimierung der Nachweisgrenze für Mischungen aus gentechnisch

verändertem Mais (LL – T25) und konventionellem Mais ... 130

5.3.4.3. Modifikation der DNA- und Taq-Polymerase-Menge ... 132

5.3.4.4. Effizienz unterschiedlicher Polymerasen ... 134

5.3.5. DNA-Nachweis in verarbeitetem (gekochten und frittierten), gentechnisch veränderten Mais (LL T-25) mit Hilfe der PCR-Methode... 135

5.3.5.1. DNA-Isolierung aus den behandelten Maiskörnern ... 135

5.3.5.2. DNA-Konzentrationsbestimmung mit Fluorometer ... 136

5.3.5.3. PCR ... 136

5.4. Diskussion... 137

C. ERGEBNISSE ... 139

1. Bewertung bestehender Risikoabschätzungsmodelle ... 139

1.1. Toxikologische Untersuchungen ... 139

1.1.1. Übertragbarkeit der Ergebnisse von Fütterungsstudien an Tieren ... 142

1.1.2. Korrelation zwischen toxikologischen Befunden und histologischen Veränderungen ... 146

1.2. Auswertung und Bewertung der bei bestehenden post-Marketing Monitoring Systemen gesammelten Erfahrungen ... 150

1.2.1. Erfahrungen aus dem Bereich der Pharmazie ... 150

1.2.1.1. Fallbeispiele ... 150

1.2.1.2. Bewertung von post-Marketing Monitoring Systemen im medizinischen Bereich ... 157

1.2.1.2.1. Nachweis von Kausalzusammenhängen... 159

1.2.1.2.2. Under-Reporting ... 161

1.2.1.2.3. Bewertung einzelner Methoden ... 164

1.2.1.2.4. System der spontanen Meldung (spontanous reporting) ... 166

1.2.1.2.5. Patienten-Selbstbeobachtung (patient self monitoring) ... 167

1.2.2. Erfahrungen aus dem Bereich der Zusatzstoffe (ARMS) ... 167

1.2.2.1. Das Beispiel Aspartam... 169

1.2.3. Erfahrungen mit anderen post-Marketing Monitoring Systemen ... 173

1.2.3.1. Fettersatzstoff Olestra... 173

1.2.3.2. Bestrahlte Lebensmittel ... 175

2. Notwendigkeit eines post-Marketing Monitorings für gentechnisch veränderte Lebensmittel ... 177

3. Anforderungen an ein Langzeitmonitoring von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ... 181

3.1. Anforderungsprofil an ein Monitoring-System ... 183

3.3.1. Datenerhebung/ Fragebogen ... 190

3.2. Anmelde- und Genehmigungsverfahren sowie die Kennzeichnung als Unterstützung eines post-Marketing Monitorings... 194

(7)

4. Fallbeispiele für Risikoabschätzungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ... 195

4.1. Xylanase, die mit Hilfe eines gentechnisch veränderten Mikroorganismus (Aspergillus niger awamori ) gewonnen wurde ... 195

4.2. Modifizierte ω-3-Fettsäurezusammensetzung aus gentechnisch verändertem Raps (Brassica napus) ... 197

4.3. Gentechnisch veränderte Tomaten (Lycopersicon esculentum) ... 199

4.3.1. Bt-Tomate ... 199

4.3.2. FLAVR SAVR -Tomate... 200

4.4. Glyphosat tolerante Sojabohne (Glycine max.) ... 204

D. DISKUSSION... 206

1. Risiken, die mit dem Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich verbunden werden ... 207

2. Bestehende rechtliche Rahmenbedingungen als Grundlage eines post-Marketing Monitorings . 208 2.1. Im Lebensmittelbereich ... 208

2.2. Im Arzneimittelbereich ... 209

3. Analyse bestehender Risikoabschätzungsmethoden ... 210

4. Nachweis gentechnisch veränderter Organismen und ihrer Produkte in Lebensmitteln... 210

5. Fallstudien ... 211

6. Model zum post-Marketing Monitoring von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ... 211

7. Fazit und Ausblick... 215

E. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... 219

(8)

wirklich bewußt, was sie eigentlich essen. Alles ... ist letztendlich High-Tech, hat irgendwie und irgendwann einen Verarbeitungsprozeß durchlaufen, der im Zweifelsfall nicht unnatürlicher sein könnte.”

(9)

A. ZUSAMMENFASSUNG

Der Einsatz gentechnischer Methoden bei der Synthese und Veränderung von Lebensmittelbestandteilen unterliegt strengen gesetzlichen Regeln, die eine umfangreiche Risikoabschätzung vor dem Inverkehrbringen gewährleisten sollen. Erfahrungen aus anderen Technikbereichen – insbesondere der Pharmazie – zeigen jedoch, daß Risikoabschätzungen vor dem Inverkehrbringen eines Produktes nicht in der Lage sind, alle möglichen Rahmenbedingungen für die Evaluierung des Gefährdungspotentials bereits im voraus zu erfassen. Um sowohl die im Rahmen des pre-marketing getroffenen Aussagen bezüglich der Risikoabschätzung verifizieren zu können, als auch um eine größere Akzeptanz für den Einsatz gentechnischer Methoden in der Lebensmittelherstellung und –verarbeitung zu erreichen, wird verstärkt gefordert, ein post-Marketing Surveillance oder auch post-Marketing Monitoring System (pMMS) aufzubauen.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde erstmals aus wissenschaftlicher Sicht ein Protokoll für das Langzeitmonitoring gentechnisch veränderter Organismen und für die im Zusammenhang mit der Verwendung gentechnischer Methoden postulierten Risiken in einem breiten Bevölkerungskreis erarbeitet. Dafür wurde zunächst die relevante Literatur auf mögliche Hinweise für solche Langzeitfolgen untersucht.

In einem nächsten Schritt wurde die Risikoabschätzung von bereits zugelassenen Produkten und insbesondere die Erfahrungen im post-Marketing Monitoring dieser Produkte analysiert. Hierzu gehören:

(1) Medikamente; wobei dies auch die Untersuchung der Strukturen und der Effektivität der bestehenden gesetzlichen Grundlagen für ein post-Marketing Monitoring im pharmazeutischen Bereich umfaßte;

(2) bestrahlte Lebensmittel; (3) Lebensmittelzusatzstoffe; (4) der Fettersatzstoff Olestra.

Aus diesen Erfahrungen wurden dann allgemeingültige Aussagen getroffen, die auf andere Lebensmittel übertragbar sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den möglichen Langzeitschäden, die zu erwarten und spezifisch für den Eingriff sind (d.h. welche physiologische Rolle besitzt das neue Protein und kann es z.B. Mangelerkrankungen induzieren oder hat es andere bekannte negative Eigenschaften) und solchen möglichen Langzeitschäden, die eher unspezifischer Natur sind.

Des weiteren wurde die im Rahmen des gesetzlichen Rahmens vorgeschriebene und durchgeführte Risikoabschätzung verschiedener gentechnisch hergestellter Produkte analysiert um mögliche Ansatzpunkte für besondere Fragestellungen zu identifizieren, denen im Rahmen eines post-Monitoring Systems nachgegangen werden sollte. Bei diesen Produkten handelte es sich um:

(1) die Verwendung des aus gentechnisch verändertem Aspergillus gewonnenen Enzyms Xylanase, das in der Brotherstellung genutzt wird,

(2) gentechnisch veränderte Tomaten, wie die FLAVR SAVR -Tomate,

(3) Öle aus gentechnisch verändertem Raps mit einer modifizierten Fettsäurezusammensetzung, (4) Soja, die gegenüber dem Herbizid RoundUp Ready resistent ist.

(10)

Die Ergebnisse dieser Arbeit, die auch im Mittelpunkt einer durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und der Generaldirektion XXIV der Europäischen Kommission geförderten Fachtagung zum Thema „Potential long-term health effects caused by the application of genetic engineering techniques in the food production and processing“ am 15./16. Oktober 1999 an der Technischen Hochschule Darmstadt standen (1), lassen sich wie folgt zusammenfassen:

(1) Die Forderungen insbesondere aus dem politischen Raum nach der Etablierung eines post-Marketing

Monitoring System (pMMS) für gentechnisch veränderter Lebensmittel bestehen und werden aufgrund der

Zuspitzung der öffentlichen Diskussion über die Anwendung der Gentechnik im Lebensmittelbereich eher lauter.

(2) Die Erfahrungen aus dem Langzeitmonitoring in verschiedenen anderen Bereichen, die im Rahmen dieser Arbeit analysiert wurden, lassen sich auf das Monitoring gentechnisch veränderter Lebensmittel übertragen.

(3) In der hier vorgelegten Studie werden die Anforderungen beschrieben, die an ein solches pMMS zu stellen sind. Die herausgearbeiteten Schwierigkeiten bei der Detektion unerwünschter Langzeitfolgen, die durch den Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel bedingt sein können, sowie der möglichst eindeutige Nachweises eines Kausalzusammenhanges zwischen dem Verzehr eines solchen Lebensmittels und der beobachteten gesundheitlichen Beeinträchtigung, haben zu der Erkenntnis geführt, daß ein post-Marketing Monitoring System nicht auf einer einzigen Maßnahme allein beruhen kann, sondern daß ein solches System verschiedene, gleichberechtigte Maßnahmen umfassen muß.

(4) Der derzeit bestehende Rechtsrahmen sieht ein pMMS für Lebensmittel nicht vor. Es gibt jedoch aus anderen Bereichen (insbesondere der Pharmazie) Erfahrungen, die auf den Lebensmittelbereich übertragbar wären.

(5) Für den Nachweis von Kausalzusammenhängen ist sowohl eine ausreichende Kennzeichnung des gentechnisch veränderten Lebensmittels notwendig, als auch die Bereitstellung entsprechender Analysetechniken, die es ermöglichen, im Falle einer Nicht-Kennzeichnung (z.B. im Falle von Offenware) den Nachweis der gentechnischen Veränderung zu erbringen.

(6) Die Erfahrungen mit anderen pMMS zeigt, daß die Glaubwürdigkeit des Systems für die breite Öffentlichkeit und seine wissenschaftliche Aussagefähigkeit nur dann gewährleistet ist, wenn vor seiner Implementierung ein breiter Konsens zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren (Behörden, Wissenschaft, Unternehmen, Nicht-Regierungsorganisationen) über das System und seine Implementierung besteht.

(7) Wenn ein pMMS etabliert wird, macht dies nur dann Sinn, wenn ein Vergleich zwischen dem

gentechnisch veränderten Lebensmittel und seinem nicht-gentechnisch veränderten Pendant besteht. Um die Neutralität der im Rahmen eines solchen Systems erhobenen Daten und ihrer

(11)

Interpretation zu gewährleisten, sollten die Daten zum einen durch eine möglichst nicht interessensgebundenen Institution erhoben, zumindest aber bewertet werden und zum anderen auch positive Effekte, die im Zusammenhang mit dem Konsum des gentechnisch veränderten Lebensmittel in stehen, erfaßt werden.

(8) Aufgrund der Komplexität der Anforderungen, die an die Durchführung eines pMMS gestellt werden, das zum Ziel hat, potentielle negative Auswirkungen, die im Zusammenhang mit dem Konsum gentechnisch veränderter Lebensmittel stehen, zu detektieren und aufgrund der mit der Durchführung des pMM verbundenen Kosten ist aus wissenschaftlicher Sicht zu hinterfragen, ob die mit der Anwendung der Technologie postulierten Risiken einen solchen Prozeß rechtfertigen, der erhebliche volkswirtschaftliche

Kosten verursacht. Nach Auffassung der Autoren spricht aus wissenschaftlicher Sicht der derzeitige

wissenschaftliche Kenntnisstand über die in der Öffentlichkeit diskutierten Risikoszenarien (Allergien, Antibiotikaresistenz) und die gleichzeitige Rigidität der gesetzlichen Genehmigungsverfahren (Novel-Food-Verordnung, Freisetzungs-Richtlinie, saatgutrechtliche Bestimmungen) nicht notwendigerweise für die Bindung größerer volkswirtschaftlicher Kapazitäten.

Hiervon unberührt bleibt jedoch die Frage, ob die Durchführung eines solchen post-Marketing Monitoring Systems unter dem Aspekt der Vertrauensbildung gegenüber den Verbrauchern nicht einen Beitrag dazu leisten kann, eine gesellschaftliche Situation zu erlangen, in der die Vermarktung gentechnischer Lebensmittel in anderem Maße möglich ist, als dies heute der Fall ist.

(12)

B. EINLEITUNG

Die Entwicklung und Nutzung der verschiedenen Anwendungsbereiche der Gentechnik wurden in den letzten Jahren sowohl in der Öffentlichkeit, als auch in der Politik intensiv diskutiert (BULLARD, 1986; HBS, 1985; FLÖHL, 1985; STEINDOR, 1998) und hatten ihren Ursprung in einer Debatte, die von Seiten der Wissenschaft selbst initiiert wurde (siehe u. a. BERG, 1974; 1975; GOTTWEIS, 1996; KRIMSKEY, 1982; USDHEW, 1990), nachdem es 1973 erstmalig gelang, DNA außerhalb eines Organismus gezielt zu rekombinieren und nach Reintegration zur Expression zu bringen (COHEN, 1973; CHANG, 1974). Kristallisationspunkt für die Debatte in der Bundesrepublik Deutschland war der Antrag der Fa. HOECHST zur Erteilung der Genehmigung für die Erstellung einer Insulinproduktionsanlage (BARTH, 1989; ROBINS, 1992), während sich die gesellschaftliche Debatte in den USA 1976 zuerst an einer erfolgreich umgesetzten Forderung nach einem neunmonatigem Moratorium für gentechnische Arbeiten an der Harvard-Universität in Massachussetts (GASSEN, 1995b) und dann an dem weltweit ersten Freilandexperiment mit einem gentechnisch veränderten Pseudomonas syringae-Stamm (sog. ”Ice-Minus-Bakterium”) focussierte (KOBBE, 1987). Diese Diskussionen haben auch in einer Reihe von gesetzlichen Initiativen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ihren Niederschlag gefunden (BMFT, 1978; 1986 (2); EG, 1990a; 1990b; KATZEK, 1991; KRIMSKEY, 1982; NIH, 1976ff; OECD, 1986; UNEP, 1999). Die möglichen ökologischen und gesundheitlichen Risiken des Einsatzes der Gentechnik wurden schon relativ früh im parlamentarischen Raum sowohl in den USA (GPO, 1984; 1985) als auch in der Bundesrepublik diskutiert. So hat etwa der Deutsche Bundestag am 29. Juni 1984 eine Enquete-Kommission zum Thema ”Chancen und Risiken der Gentechnologie” eingesetzt (DEUTSCHER BUNDESTAG, 1987; 1989; 1991c; s.a. DEUTSCHER BUNDESTAG 1989b; 1990a; 1990b; 1991a; 1991b; 1992;1992a; 1992b; 1992c; 1993; 1995).

Seit nunmehr 10 Jahren bestehen praktische Erfahrungen bei der Herstellung und Bewertung von Pharmazeutika, die mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen (GVO) synthetisiert werden (PMA, 1991; DEUTSCHER BUNDESTAG, 1993b; RONCHI, 1996, ANONYMUS, 1996b; ANONYMUS, 1997; COOKSON, 1999; FIRN, 1999; WALSH, 1999, ISB, 1999). Zu den ersten mit Hilfe von gentechnisch veränderten Organismen hergestellten Medikamenten gehörten Insulin (GOEDDEL, 1979), menschliches Wachstumshormon (MARTIAL, 1979) und Interferon (NAGATA, 1980). Unter den 10 Medikamenten, mit denen mehr als 1 Mrd. $ Umsatz gemacht werden (sog. ”Blockbuster”), gehen bereits drei auf gentechnische Verfahren zurück (GASSEN, 1995; FIRN, 1999). Nicht zuletzt auch aus diesem Grunde wird der Einsatz der Biotechnologie als entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung der Europäischen Union angesehen (KOMMISSION, 1994b; OECD, 1992). Vergleichbare langfristige Erfahrungen beim Einsatz gentechnischer Methoden im Lebensmittelbereich liegen derzeit noch nicht vor. So wurde das erste gentechnisch veränderte Lebensmittel, die sogenannte FLAVR SAVR -Tomate, erst 1992 in den USA zugelassen (USDA, 1992) (s. a. Kapitel C-4.3.2.). Das erste Produkt aus einem gentechnisch

2 Die sog. Gen-Richtlinien des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) waren nur für Forschungsinstitute verbindlich, die eine staatliche Förderung erhielten. Für industriell genutzte Anlagen galt § 4 Abs.1 S.1 BImschG (Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigung, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge – Bundes-Immisssionsschutzgesetz, i.d.F. d. Bek. vom 14.5.1990, BGBL. Teil I, S. 880), wonach die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umweltbeeinträchtigungen hervorzurufen, einer Genehmigung bedürfen. In der 4. BImSchV wurde festgelegt, das hierzu auch gentechnische Anlagen gehören (Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 24.7.1985, BGBL. Teil I, S. 1586). Diese Regelungen wurden durch das Gentechnik-Gesetz (Gesetz zur Regelung von Fragen der Gentechnik - Gentechnikgesetz (GenTG) vom 20.6.1990 (BGBl. I, S. 1080) i.d.F. vom Dezember 1993 (BGBl. I S. 2059)) ersetzt, dessen Erlaß aufgrund eines Beschlusses des Hessischen VGH (NJW 1990, 336) notwendig geworden ist (s. STREINZ, 1995).

(13)

veränderten Organismus, welches im Lebensmittelbereich verwendet wurde, ist das zur Käseherstellung verwendete Enzym Chymosin, welches, aus E.coli gewonnen, im März 1990 in den USA durch die FOOD AND DRUG ADMINISTRATION (FDA) (3) zugelassen worden ist (FDA, 1990; INGERSOLL, 1990; FLAMM 1991; OECD, 1993a). Mittlerweile liegen in den USA auch Genehmigungen für Chymosin aus gentechnisch veränderten Kluyveromyces marxianus var. lactis (FDA, 1992b; BONEKAMP, 1994) und Aspergillus niger var. awamori (FDA, 1993b) vor. In der Bundesrepublik war die Zulassung von Chymosin Gegenstand parlamentarischer Anfragen (DEUTSCHER BUNDESTAG, 1991b) und wurde erst nach jahrelanger Verzögerung erteilt (BMG, 1997) (s.a. Kap. C.-1.1.2). In Großbritannien wurde seine Anwendung bereits 1991 zugelassen (ACNFP, 1991; 1992; 1993).

Akzeptanz

Die Anwendung der Gentechnik im medizinischen Bereich ist mittlerweile von einer großen Akzeptanz auf Seiten der Endverbraucher geprägt (HENNEN, 1992; KOMMISSION 1997k), während der Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich kritischer betrachtet wird (GASKELL, 1999; KOSCHATZKY, 1994; ANONYMUS, 1996c; AKADEMIE, 1998; FLICK, 1995; VAN DEN DAELE, 1996; THOMPSON, 1997; BREHDAL, 1998; MENRAD, 1998; BERGMANN, 1999). Das Akzeptanzniveau schwankt dabei je nach Herkunftsland des Befragten und je nach Anwendungsbeispiel. So lehnen z.B. ca. 40% der US-Amerikaner die Anwendung des Rinderwachstumshormons BST ab (HOBAN, 1996), während die Bereitschaft zum Kauf von gentechnisch veränderten, insektenresistenten Pflanzen bei 74% der Verbraucher liegt. Das selbe Anwendungsbeispiel findet in der Bundesrepublik lediglich 30% Unterstützung (HOBAN, 1997).

Der Hintergrund für die größere Akzeptanz der Gentechnik im pharmazeutischen Bereich im Vergleich zum Lebensmittelbereich ist vielfältiger Natur. Zum einen werden mögliche unerwünschte Wirkungen durch den Konsum eines Arzneimittel aufgrund des erwarteten Heilungserfolges in Kauf genommen, zum anderen besteht von Seiten der Verbraucherschaft ein großes Vertrauen in die gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsverfahren von Arzneimitteln. Um unvertretbare Risiken für Patienten auszuschließen und/ oder mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen aufzeigen bzw. ggf. quantifizieren zu können, hat die Europäische Union, und darauf aufbauend auch der nationale Gesetzgeber im Rahmen des Arzneimittelgesetz (AMG) (4), ein ausgeklügeltes Kontrollsystem etabliert (s.a. Kap. B.-4.3). Bei der Zulassung von Medikamenten wird deren gesundheitliche Unbedenklichkeit im Rahmen verschiedener, u.a. auch klinischer Prüfungen entsprechend des AMG festgestellt. Nach der nationalen Zulassung des Medikaments durch das BUNDESINSTITUT FÜR GESUNDHEITLICHEN VERBRAUCHERSCHUTZ UND VETERINÄRMEDIZIN (BGVV) (5) bzw. der europäischen Zulassung durch die EUROPÄISCHE AGENTUR FÜR DIE BEURTEILUNG VON ARZNEIMITTELN (EMEA) (6) besteht für den verschreibenden Arzt und für das herstellende Unternehmen für mehrere Jahre eine Berichtspflicht für erkennbare unerwünschte Arzneimittelwirkungen (s.a. Kap. B.-4.3.1.2 und B.-4.3.2.2). Wenngleich die auf der Grundlage des LMBG und der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung (7) durchgeführten toxikologischen Untersuchungen vor dem Inverkehrbringen von Lebensmittelzusatzstoffen durchaus mit denen der Zulassung von Arzneimitteln

3 Internet-Adresse: http://www.vm.cfscan-fda.gov.

4 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBL I S. 3018) geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 6.8.1998 (BGBl I S. 2005) und geändert durch das Achte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 7. September 1998 (BGBl I, 1998, S. 2649).

5 Internet-Adresse: http://www.bgvv.de 6 Internet-Adresse: http://www.eudra.org

7 Verordnung über die Zulassung von Zusatzstoffen zu Lebensmitteln (Zusatzstoff-Zulassungsverordnung - ZZulV) vom 22. Dezember 1981 (BGBL. I S. 1625/1633).

(14)

vergleichbar sind, bestehen keine vergleichbaren post-Marketing Monitoring-Systeme (pMMS) im Bereich neuartiger Lebensmittel.

Die mangelnde Akzeptanz der Gentechnik im Lebensmittelbereich ist auch darauf zurückzuführen, daß das Vertrauen von Verbrauchern in die Regulationsbehörden durch die Handhabung der BSE-Erkrankungen nachhaltig erschüttert (MURRAY, 1998) – und das, obgleich die Erfahrungen mit BSE zu einer deutlichen Stärkung des Verbraucherschutzgedankens geführt haben (KOMMISSION, 1997f). Die steigende Bedeutung des Verbraucherschutzes innerhalb der europäischen Institutionen wird u.a. durch den Aufbau des neuenINSTITUTE FOR HEALTH AND CONSUMER PROTECTION in Italien (8) und der damit verbundenen Stärkung des JOINT RESEARCH CENTER (JRC) (9) der Europäischen Kommission deutlich (MANES, 1998).

Lebensmittel und Gesundheit

Lebensmittel unterscheiden sich nicht nur in bezug auf die Prüfung ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit und in bezug auf ihre rechtliche Handhabung grundsätzlich von Pharmazeutika. Ihr Verbrauch erfolgt regelmäßig und in großen Mengen und ist mit der Alltagssituation von Konsumenten verbunden. Lebensmittel sind frei verkehrsfähig, und der Hersteller muß lediglich die gesundheitliche Unbedenklichkeit nach § 8 des Lebensmittel-und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) (10) garantieren. In der BLebensmittel-undesrepublik Deutschland werden jedes Jahr ca. 15 Mio. to an Nahrungsmitteln verzehrt (DGE, 1992) und in immer stärkerem Maße technisch verarbeitet (SMITH, 1993). Die Lebensmittelüberwachung, die die Aufgabe wahrnimmt, die Einhaltung bestehender Qualitätsnormen zu kontrollieren, ist in der Bundesrepublik im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Mitgliedstaaten außergewöhnlich gut ausgebaut (SPD, 1994). So sind z.B. allein in NRW ca. 3500 Mitarbeiter in der Lebensmittelüberwachung tätig (AHN, 1995). Die Lebensmittelüberwachung konzentriert sich vor allen Dingen auf die Kontrolle der Einhaltung lebensmittelhygienischer Vorschriften. Trotz dieses umfangreichen Kontrollapparates steht die Art der modernen Lebensmittelverarbeitung immer wieder in der öffentlichen Kritik (KATALYSE, 1990b).

Daß unabhängig von der jeweiligen gesundheitlichen Qualität der im einzelnen konsumierten Lebensmittel ernährungsbedingte Erkrankungen auftreten können, ist bekannt (GHEBREMESKEL, 1994; CONNING, 1993). Dazu gehören vor allem Übergewicht, Karies oder Herz- und Kreislaufbeschwerden aufgrund einer zu hohen Cholesterinaufnahme (BIESALSKI, 1995; TYROLER, 1995). Ernährungsgewohnheiten beeinflussen auch die Anfälligkeit für Krebs (CHEN, 1990; AMES, 1983; KASPER, 1992; 1996; BECKER, 1997, BAUSCH-GOLDBOHM, O.J.). Dies gilt insbesondere für den Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Fett und Dickdarmkrebs (s.a. Kap. C-4.2.). Die These über den Einfluß der Nahrung auf den Gesundheitszustand wird auch durch vergleichende epidemiologische Studien in verschiedenen Regionen z.B. dem Mittelmeerraum unterstützt (KUSHI, 1995). Eine Abgrenzung gegenüber anderen begleitenden Lebensumständen, die ebenfalls ursächlich für die gesundheitliche Situation sein können, ist jedoch nur schwer möglich.

8 Internet-Adresse: http://ihcp.etomep.net/ 9 Internet-Adresse: http://www.jrc.it/

10 Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) i. d. F. der Bekanntmachung vom 9. September 1997 (BGBL I 2296 vom 17.9.1997).

(15)

Daten, die im Rahmen einer Studie im Auftrag des BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT (BMG) (11) erhoben wurden, weisen darauf hin, daß für die Therapie ernährungsbedingter Erkrankungen allein in der Bundesrepublik jährlich ca. 200 Mrd. DM aufgebracht werden. Dabei handelt es sich zumeist um ein individuelles Fehlverhalten des Konsumenten, wie erhöhter Fett-, Tabak- und/ oder Alkoholkonsum (BMG, 1993; kritisch hierzu BLL, 1994). Andere Zusammenhänge, wie etwa ein Ca2+-Mangel und die damit einhergehende Osteoporose (12;

PIETSCHMANN, 1999) oder eine aus Jodmangel resultierende Schilddrüsenüberfunktion (Struma- oder Kropfbildung) gehören bereits in den Grenzbereich zwischen Krankheit und Mangelernährung. Darüber hinaus spielen in einigen Fällen auch genetische Defekte eine Rolle, wie etwa die Phenylketonurie (DE FREITAS, 1999; LEVY, 1998; ENDRES, 1998) oder partiell Diabetes, welche die Betroffenen zu einer speziellen Ernährung zwingen.

Eines der wesentlichsten Gefahrenmomente in bezug auf nahrungsmittelbedingte Erkrankungen sind bakterielle Infektionen aufgrund verdorbener Lebensmittel (WHO, 1984; KÄFERSTEIN, 1993). So wurden z.B. Escherichia coli, Listeria monocytogenes, Anthrobacter butzleri, Helicobacter pylori, Cryptosporidium parvum, Salmonella spp., Campylobacter jejuni, Staphylococcus aureus, Shigella spp., Yersina enterocolitica, Vibrio parahaemolyticus und Clostridium spp. als wesentliche Pathogene identifiziert, die in Lebensmitteln vorkommen und zu ernsthaften Erkrankungen und auch Todesfällen führen können (LINDNER, 1990; MENG, 1997; PIERSON, 1993; REDDY, 1994; NOTERMANS, 1996). Es sind allein 100 Todesfälle durch Infektion mit Listeria monocytogenes in Milchprodukten bekannt geworden (RYSER, 1989), und in den USA ging man Ende der 80er Jahre davon aus, daß jährlich etwa 7000 Menschen an lebensmittelbedingten bakteriellen Infektionen sterben (ROBERTS, 1989; NOTERMANS, 1998). Die Gesamtzahl an Erkrankungen wird auf ca. 100 Mio. und die der direkten und indirekten Kosten hierfür auf ca. 23 Milliarden US $ geschätzt (ARCHER, 1985; GARTHRIGHT, 1988).

Ein anderes Beispiel für lebensmittelbedingte Erkrankungen ist die Entwicklung lebensmittelbedingter Allergien (s. Kap. B.-3.4.2) und die Entwicklung von Krankheitsbildern durch verarbeitungsbedingt in Lebensmitteln vorkommende toxische Stoffe (z.B. Nitrosamine durch Räuchern, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) durch Grillen, heterozyklische aromatische Amine (HAA) durch Braten von Fleisch (WILD, D., 1996)).

Neben den bekannten nutritiven und den oben angesprochenen, gesundheitsschädigenden Eigenschaften besitzen eine Reihe von Lebensmittelbestandteilen (sog. ”phytochemicals”) auch einen positiven Einfluß auf den Gesundheitszustand (WATZL, 1996). So konnte bei Phytoöstrogenenwie Lignan,und Isoflavonenanti-virale und anti-karzinogene Wirkungen nachgewiesen werden (ADLERCREUTZ, 1997; DIXON 1999, MAZUR, 1999, POOL-ZOBEL, 1999). Reich an Isoflavonen wie Genisteinsind insbesondere Sojabohnen. Genistein inhibiert die Tyrosinkinase, ein Protein, das eine Schlüsselrolle in der Tumorgenese spielt (KNIGHT, 1996; LAMARTINIERE, 1998; WEI, 1998). Schon seit einigen Jahren werden Lebensmittel angeboten, die aus Gründen der Gesundheitsvorsorge entweder bestimmte Lebensmittel-Supplemente enthalten oder aber reduzierte Mengen an bestimmten Lebensmittelbestandteilen wie Zucker und Fett aufweisen, die mit einer Beeinträchtigung des gesundheitlichen Wohlbefindens in Verbindung gebracht werden (KORVER, 1997). In den Bereich der gesundheitsfördernden Lebensmittel gehört auch der Einsatz sog. probiotischer Bakterien (FLETCHER, 1998), oder der Ansatz, den Anteil an Soja-Protein zu erhöhen, welches einen reduzierenden Einfluß auf die Cholesterin-Konzentration im Blut besitzt (KLEIN, 1995).

(16)

Evaluierung von Langzeitschäden

Der Kenntnisstand über die Zusammensetzung von Lebensmitteln und deren gesundheitlichen Auswirkungen ist in den vergangenen Jahren enorm angestiegen. Bei der historischen Betrachtung der Prüfung der Sicherheit von Lebensmitteln können dabei nach MILLER verschiedene Stufen unterschieden werden (MILLER, 1992): Zuerst die durch HIPPOCRATES beeinflußte Phase der eher epidemiologisch ausgerichteten Form der Beobachtung, dann die Einbeziehung der Dosis-Wirkungs-Beziehung in die Risikobetrachtung durch PARACELSUS (1493-1541) in seinem Werk ”The Third Principle” (DIECHMANN, 1986); die Einführung des Prinzip der ”akzeptablen täglichen Aufnahmemenge” (ADI) (LU, 1988; TRUHAUT, 1991; s.a. Kap. B-4.4.3.1); die Entwicklung von Tests zur Detektion chronischer Toxizität, und schließlich die Auffassung, daß extrapolierende Methoden bei der Bestimmung der Karzinogenität nicht ausreichend sind, weil für die Karzinogenität kein fest definierbarer Schwellenwert existiert (s.a. DECKER, 1987).

Heute, so die Ansicht mancher Autoren, stehen wir am Beginn eines neuen, grundlegenden Paradigmenwechsels in der Herangehensweise an die Prüfung von Lebensmitteln. GLINSMANN z.B. vertritt die Auffassung, daß ”dieses erweiterte Wissen uns paradoxerweise mit der Frage konfrontiert, ob die Paradigmen der bisherigen Sicherheitsbewertung ausreichend sind. Wenn sich das Wissen über die Sicherheit von Lebensmittelbestandteilen oder der nachteiligen Eigenschaften von Herstellungs- und Konservierungsverfahren erweitert, gilt dies auch für die Menge an Fragen, die neu hinzukommen ... Dies führt dazu, daß die FDA vor einer schwierigen Entscheidung steht, ob sie in der Zukunft zur Beantwortung dieser neuartigen Fragestellungen in-vitro Tierversuchstestsysteme entwickeln, oder verstärkt Versuche mit Probanden durchführen soll.”(GLINSMANN, 1992). In die gleiche Richtung argumentiert auch HATTAN, der davon ausgeht, daß aufgrund der beschränkten Aussagefähigkeit von Fütterungsexperimenten mit Tieren bei Lebensmitteln”zusätzliche Studien mit Menschen durchgeführt werden müssen, um zu verifizieren, daß sich Menschen in der gleichen Art verhalten, wie dies zuvor in Tierversuchen eruiert wurde.“ (HATTAN, 1992; ähnlich auchKIRSCHMANN, 1992; s.a. Kap. C-1.1.1). In Großbritannien werden derzeit entsprechende Richtlinienfür ein solches Vorgehen diskutiert (ACNFP, 1999c).

Eine systematische, gesetzlich vorgeschriebene Evaluierung nach dem Inverkehrbringen, ob durch den Verzehr neuartiger Lebensmittel - und dazu gehören auch solche, die mit Hilfe gentechnischer Methoden modifiziert oder hergestellt wurden - potentielle Langzeitschäden hervorgerufen werden können, besteht im Lebensmittelbereich derzeit nicht (s. Kap. B-4.2). Die Diskussion über die Relevanz bzw. die prinzipielle Notwendigkeit der Etablierung eines solchen Systems zur Evaluierung möglicher Langzeitschäden, wie es im Rahmen dieser Arbeit entwickelt wurde, findet aufgrund der heftigen öffentlichen Debatte um den Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittelverarbeitung sowohl im wissenschaftlichen (z.B. HERMUS, 1993; HATTAN, 1996; NEWTON, 1999; VAN DEN DAELE, 1999), als auch im journalistischen (ANONYMUS, 1999b) und politischen Raum statt (GAO, 1993; WAUGH, 1999). Das Europäische Parlament forderte bereits in seiner ersten Lesung der späteren Verordnung 258/97/EWG über Neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (EG, 1997) die Europäische Kommission auf, ”ein System zur Beobachtung gentechnisch veränderter Lebensmittel, deren Inverkehrbringen genehmigt worden ist, zu etablieren, um die Langzeiteffekte der so veränderten Lebensmittel zu evaluieren und um sicherzustellen, daß diese Lebensmittel auch in Zukunft den Zulassungskriterien entsprechen.” (EP, 1993;

(17)

ähnlich auch EP, 1997; BGVV, 1997). Die Europäische Kommission ist diesem Vorschlag in einer Empfehlung z.T. auch gefolgt, in der es heißt, daß ”Informationen über die lang- und kurzfristigen Auswirkungen des Verzehrs des neuartigen Lebensmittels benötigt werden. Diese sollten im Rahmen eines nach dem Inverkehrbringen durchgeführten Überwachungsprogrammes gewonnen werden, bei dem sowohl ernährungswissenschaftliche Aspekte als auch die Unbedenklichkeit des Erzeugnisses kontrolliert werden.” (KOMMISSION, 1997e). Auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist festgehalten, daß ”Freilandversuche und das Inverkehrbringen (von GVOs) wegen der langfristigen Auswirkungen des Anbaus transgener Pflanzen in einem Langzeit-Monitoring wissenschaftlich begleitet werden müssen.” (SPD, 1998). Nach den Vorstellung des Ministerrates besteht die Aufgabe des Monitorings darin, ”zu bestätigen, daß (a) Vermutungen in bezug auf das Auftreten und die Auswirkungen möglicher negativer Effekte von GVOs oder ihrer Verwendung im Rahmen der Sicherheitsbewertung korrekt waren; und (b) das Auftreten von Nebenwirkungen von GVOs oder ihrer Verwendung auf die menschliche Gesundheit zu identifizieren, die im Rahmen des Sicherheitsbewertung nicht postuliert wurden.” (COUNCIL, 1999 (Anhang VIII)).

Während bezüglich eines Langzeitmonitorings unter dem Gesichtspunkt ökologischer Fragestellungen bereits konkretere Vorstellungen bestehen (BDP, 1999; ÖKO-INSTITUT, 1999), liegen für ein Monitoring unter gesundheitlichen Aspekten noch keine Angaben darüber vor, wer dieses Monitoring durchführen soll, in welcher Form dies zu geschehen hat bzw. auf welche Produkte ein solches Monitoring-System vorrangig angewendet werden soll. Auf diese Fragestellungen werden durch die vorliegende Arbeit Lösungswege entwickelt.

(18)

1 Problemstellung, Konzeption und Abgrenzung der Arbeit

1.1 Problemstellung

Die steigende Zahl der Genehmigungen zum Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen in den letzten Jahren in den Vereinigten Staaten und Canada ist ein deutliches Signal, daß bereits in naher Zukunft auch in Europa eine Vielzahl von Lebensmitteln auf dem Markt erhältlich sein werden, die entweder selbst gentechnisch veränderte Organismen sind oder Produkte aus solchen enthalten (s.a. Kap. B-2 und KOMMISSION, 1988; 1991).

Die Diskussion um den Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich wird in der breiten Öffentlichkeit intensiv geführt. Eine Reihe von Umfragen (KOSCHATZKY, 1994; ANONYMUS, 1996c; AKADEMIE, 1998; FLICK, 1995; VAN DEN DAELE, 1996, THOMPSON, 1997; BREHDAL, 1998; MENRAD, 1998; BERGMANN, 1999) weist darauf hin, daß Verbraucherinnen und Verbraucher dieser Anwendung der Gentechnik eher skeptisch gegenüberstehen. Dies wird u.a. auch damit begründet, daß über die Sicherheit der Produkte keine verläßlichen Aussagen getroffen werden können.

Sowohl von Seiten des Gesetzgebers als auch von Seiten der herstellenden Industrie besteht ein erklärtes Interesse, neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten nur dann auf den Markt zu bringen, wenn deren Sicherheit gewährleistet ist. Aus diesem Grunde gibt eine Vielzahl von international abgestimmten Verfahren, mit denen potentiell negative gesundheitliche Auswirkungen neuer Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten evaluiert werden können (ILSI, o.J.; Joint FAO/ WHO, 1991; KOMMISSION, 1995). Diese Verfahren können auch für die Beurteilung von gentechnisch veränderten Organismen herangezogen werden. Sie konzentrieren sich i.d.R. auf die Erfassung kurzzeitbedingter potentieller Schädigungen.

Die Intensität der öffentlichen Auseinandersetzung über den Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich zeigt auch, daß objektivierbare, naturwissenschaftliche Parameter noch nicht ausreichend bei der Langzeitevaluierung von Lebensmitteln berücksichtigt werden und daß kein ausreichend verläßliches Monitoring stattfindet. Wenngleich auch primäre gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den Verzehr neuartiger Lebensmittel durch die vorgegebenen gesetzlichen Prüfungen und Kontrollen weitestgehend auszuschließen sind, ist die Evaluierungspraxis in bezug auf mögliche Langzeitfolgen kaum systematisiert. Es besteht kein wirkliches methodisches Protokoll und auch keine entsprechende rechtliche Grundlage, wie solche potentiellen Langzeitfolgen zu evaluieren wären. Toxikologische Kurzzeituntersuchungen, wie sie im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von neuartigen Lebensmitteln durchgeführt werden, sind nur bedingt aussagekräftig, ob der langfristige Verzehr eines Lebensmittels zur Beeinträchtigung der Gesundheit führt. Aus diesem Grunde wird sowohl von Seiten der Wissenschaft, als auch von Seiten der Politik die Etablierung eines Systems zur Evaluierung potentieller Langzeitschäden durch den Einsatz gentechnischer Methoden in der Nahrungsmittelherstellung dringend eingefordert (BEHRENS, 1996; DALE, 1995; EUROPÄISCHER RAT, 1996; EP 1993; 1995; 1997). Auch von Seiten der produzierenden Industrie gibt es bereits diesbezügliche erste Überlegungen (13).

(19)

Die Analyse der möglichen Gefährdungen, die mit dem Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich verbunden werden (s. Kapitel B-2.), zeigt die Notwendigkeit von Langzeituntersuchungen, wie sie im Rahmen dieser Arbeit entwickelt werden. Hierfür sprechen insbesondere, daß:

(1) von Seiten der Wissenschaft die prinzipielle Notwendigkeit der Entwicklung eines solchen Systems anerkannt wird;

(2) die bisherigen Erfahrungen im Bereich der Risikoabschätzung zeigen, daß die toxikologischen Untersuchungen, auf deren Grundlage die derzeitigen Risikobewertung stattfindet, wie jede andere wissenschaftliche Aussage, auch fehlerbehaftet sein können.

1.2 Konzeption

Bei der Analyse der möglichen Gefährdungen, die mit dem Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich verbunden werden, ist zu unterscheiden zwischen:

(1) der Risiko-Analyse, d.h. welche potentiellen Gefahren (= Risiken) bestehen nach Ansicht der Verbraucher und wie ist der Stand der wissenschaftlichen Debatte in bezug auf die einzelnen Risikofaktoren (z.B. Allergien).

(2) der Risiko-Evaluierung, d.h. wie kann der Umfang der potentiellen Gefahren quantifiziert bzw. wie können Gefährdungen ausgeschlossen werden;

(3) dem Risiko-Management, d.h. wie kann man mit möglichen Restrisiken umgehen (Erfahrungen aus den Bereichen Arzneimittel, bestrahlte Lebensmittel, Gifte und Erfahrungen bei Einzelprodukten wie z.B. Olestra).

Im Rahmen dieser Arbeit wurde erstmals aus wissenschaftlicher Sicht ein Protokoll für das Langzeitmonitoring gentechnisch veränderter Organismen und an die im Zusammenhang mit der Verwendung gentechnischer Methoden postulierten Risiken in einem breiten Bevölkerungskreis erarbeitet. Dabei galt es, zunächst die relevante Literatur auf mögliche Hinweise für solche Langzeitfolgen zu untersuchen. Dabei wurde der Weg beschritten, die Risikoabschätzung von bereits zugelassenen Produkten an verschiedenen Beispielen zu analysieren. Hierzu gehören:

(1) Medikamente; wobei dies auch die Untersuchung der Strukturen und der Effektivität der bestehenden gesetzlichen Grundlagen für ein post-Marketing Monitoring im pharmazeutischen Bereich umfaßt;

(2) bestrahlte Lebensmittel; (3) Lebensmittelzusatzstoffe; (4) dem Fettersatzstoff Olestra;

(5) konkrete, sich bereits auf dem Markt befindlichen Produkten wie

- die Verwendung des aus gentechnisch veränderten Aspergillus gewonnenen Enzyms Xylanase, daß in der Brotherstellung genutzt wird,

- gentechnisch veränderte Tomaten wie die FLAVR SAVR -Tomate,

- Öle aus gentechnisch verändertem Raps mit einer modifizierten ω-3 Fettsäurezusammensetzung, - Soja, die gegenüber dem Herbizid RoundUp Ready resistent ist.

(20)

Aus diesen Erfahrungen werden dann allgemeingültige Aussagen getroffen, die auf andere Lebensmittel übertragbar sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den möglichen Langzeitschäden, die zu erwarten und spezifisch für den Eingriff sind (d.h. welche physiologische Rolle besitzt das neue Protein und kann es z.B. Mangelerkrankungen induzieren oder hat er andere bekannte negative Eigenschaften) und solchen möglichen Langzeitschäden, die eher unspezifischer Natur sind.

Das im Rahmen dieser Arbeit erarbeitet System ermöglicht dabei die Datensammlung, auf deren Grundlage erst eine präzise Aussage über das Gefährdungspotential möglich ist.

Ziel dieser Promotionsarbeit ist es, zu analysieren:

- welche gesundheitlichen Risiken beim Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich diskutiert werden bzw. welche Aussagen die bisher durchgeführte Forschung in diesem Bereich zuläßt (dies umfaßt z.B. die unbeabsichtigte Synthese toxischer Begleitstoffe, das Auftreten von Mangelerkrankungen, das Auftreten von allergischen Reaktionen) (s. Kap. B-3);

- ob die bestehenden naturwissenschaftlichen Methoden und rechtlichen Rahmenbedingungen im Lebensmittelbereich ausreichen, um die postulierten potentiellen Langzeitschäden durch den Einsatz gentechnischer Methoden in der Nahrungsmittelherstellung und -verarbeitung zu detektieren, falsifizieren und / oder zu quantifizieren (s. Kap. B-4.2; B-4.4.4; B-4.4.5; C-1.1);

- inwieweit bestehende Regelungen für die Evaluierung potentieller Langzeitschäden von Arzneimitteln nach dem Arzneimittelgesetz auf neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten übertragen werden können (s. Kap. C-3.);

- wie ein mögliches Langzeitmonitoring durchgeführt werden könnte (s. Kap. C-3.);

- welche Parameter bei einem Langzeitmonitoring neuartiger, und insbesondere mit Hilfe der Gentechnik modifizierter, Lebensmittel zu berücksichtigen sind. Dies soll anhand verschiedener konkreter Fallbeispiele untersucht werden (s. Kap. C-4).

1.3 Abgrenzung der Arbeit

Neben den im Zusammenhang mit der gesundheitlichen (Un)Verträglichkeit gentechnisch veränderter Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile diskutierten Risiken werden auch Gefahrenmomente in anderen Bereichen erörtert, die jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter beleuchtet werden sollen. Hierzu gehören insbesondere:

- mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt durch den Transfer der rekombinanten DNA auf andere Organismen und daraus resultierende, negative phänotypische Eigenschaften dieser Organismen - hierzu gehört insbesondere die Frage nach dem horizontalen Gentransfer (HEIDENREICH, 1998; SCHLÜTER, 1998), d.h. der asexuellen Übertragung von Genen zwischen Organismen (AMMAN, 1995; ALBRECHT, 1995; BRANDT, 1995; CCRO, 1995; HALVORSON, 1985; KJELLSON, 1994; RISSLER, 1993; SCHMIDT, 1995; SINEMUS, 1995; TAPPESER, 1996; TIEDJE, 1989; TORGERSEN 1993; VON SCHELL, 1994; SRU, 1998; SCHIEMANN, 1999);

(21)

- mögliche negative sozio-ökonomische Auswirkungen. Hierunter wird etwa der Abbau von Arbeitsplätzen in der Dritten Welt (CONSUMER INTERNATIONAL, 1996) oder eine stärkere Abhängigkeit bzw. ein erhöhter Konkurrenzdruck in der Landwirtschaft verstanden (z.B. DEUTSCHER BUNDESTAG, 1987; 1989b);

- ethische Aspekte, d.h. eine Diskussion, die sich nicht nur an dem ”wissenschaftlich Machbaren”, sondern mehr an dem ”Wünschbaren” orientiert (ELSTNER, 1997);

- generelle Aspekte der Lebensmittelqualität. So werden nach Ansicht etwa der AgV von einer wachsenden Zahl von Verbrauchern Lebensmittel bevorzugt, die ”umweltverträglich und unter Berücksichtigung von Tierschutzaspekten hergestellt werden, weniger Zusatzstoffe enthalten und weniger verarbeitet sind.” (AGV, 1997).

Im Rahmen dieser Arbeit wurde ganz bewußt keine Bewertung des möglichen Schadensumfanges - also eine quantitative Betrachtung - vorgenommen, mit dem zu rechnen ist, wenn kein post-Marketing Monitoring-Systems (pMMS) etabliert wird, da keine Anhaltspunkte und Daten für solche Bewertungen vorliegen. Entsprechende Überlegungen hätten damit keine ausreichende wissenschaftliche Basis und wären eher spekulativer Natur. Aus diesem Grunde wurden die Kosten des vorgeschlagenen pMMS nicht abgeschätzt.

Wenngleich das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte pMMS prinzipiell auch auf andere neuartige Lebensmittel (sieh z.B. SMITH, 1993) übertragbar wäre, und eine solche Vorgehensweise, die sich nicht nur auf den Einsatz der Gentechnik beschränkt, vermutlich ebenfalls dazu beitragen würde, der zur Zeit in der öffentlichen Diskussion vorherrschenden Fokussierung auf die Anwendung der Gentechnik entgegenzutreten, soll aus methodischen Gründen und aus Gründen der Eingrenzung auf eine Untersuchung der möglichen Ausweitung des vorgeschlagenen pMMS auf andere neuartige Lebensmittel im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden.

(22)

2 Einsatzpotentiale der Gentechnik in der Lebensmittelverarbeitung

Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen und Produkte aus diesen Organismen werden seit jeher als Nahrungsmittel vom Menschen genutzt. Konventionelle Züchtung verändert die Erbinformationen dieser Organismen seit mehreren tausend Jahren entsprechend den Anforderungen menschlicher Kulturen (ANONYMUS, 1990b; OECD, 1993b). Die ”Geburtsstunde” der modernen Gentechnik wurde begründet durch Arbeiten von CHANG und COHEN, denen es 1973 erstmalig gelang, in vitro DNA verschiedener Mikroorganismen miteinander zu rekombinieren und nach Wiedereinführung in E.coli auch dort zur Expression zu bringen (COHEN, 1973; CHANG, 1974). Die Gentechnik zeichnet sich im Vergleich zur konventionellen Züchtung dadurch aus, daß sie Organismen durch ”(1) DNS-Rekombinationstechniken, bei denen Vektorsysteme eingesetzt werden, verändert .... und (2) durch Verfahren, bei denen in einen Organismus direkt Erbgut eingeführt wird, das außerhalb des Organismus zubereitet wurde.” (14).

Unter dem Begriff "gentechnisch veränderte Lebensmittel" (GVL) werden nach Art. 1 Abs. 2 Nr. a und b der Verordnung 258/97/EWG über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (sog. ”Novel Food Verordnung” (NFV); EG, 1997; s.a. Kap. B-4.2.1.1) solche Lebensmittel und Lebensmittelzutaten verstanden, in denen das Lebensmittel selbst der lebende gentechnisch veränderte Organismus (GVO) ist (z.B. die FLAVR SAVR™-Tomate), GVO im Sinne der EU-Freisetzungs-Richtlinie 90/220/EWG (15) enthält (z.B. Joghurt mit Lebendkulturen), oder darüber hinausgehend aus GVO hergestellt wurde (z.B. Ketchup aus der FLAVR SAVR™-Tomate).

Gentechnisch veränderte Lebensmittel stellen lediglich eine Teilmenge der sogenannten ”neuartigen Lebensmittel” dar, deren Inverkehrbringen und Kennzeichnung in der o.g. Verordnung 258/97/EWG geregelt ist und zu denen nach Art. 1 Abs. 2 c, d, und e der Verordnung auch die folgenden Kategorien von Lebensmitteln gezählt werden:

- Lebensmittel und Lebensmittelzutaten mit neuer oder gezielt modifizierter primärer Molekularstruktur; - Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen bestehen oder aus

diesen isoliert worden sind;

- Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen isoliert worden sind, und aus Tieren isolierte Lebensmittelzutaten; außer Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die mit herkömmlichen Vermehrungs- oder Zuchtmethoden gewonnen wurden und die erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können;

- Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, bei deren Herstellung ein nicht übliches Verfahren angewandt worden ist und bei denen dieses Verfahren eine bedeutende Veränderung der Zusammensetzung oder der Struktur des Lebensmittels oder der Lebensmittelzutat bewirkt, was sich auf den Nährwert, den Stoffwechsel oder auf die Menge unerwünschter Stoffe im Lebensmittel auswirkt.

Über die o.g. gesetzliche Definition hinaus werden im Rahmen dieser Arbeit unter dem Begriff ”gentechnisch veränderte Lebensmittel” auch solche Lebensmittel verstanden, die Zusatzstoffe oder technische Hilfsstoffe

14 Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang I A Teil 1 der EU-Richtlinie 90/220/EWG (EG, 1990b).

15 Die Freisetzungs-Richtlinie 90/220/EWG (EG, 1990b) definiert den Begriff ”Organismus” in Art. 2 Abs. 1 als ”jede

biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen”. Insofern fällt die

Freisetzung und das Inverkehrbringen abgetöteter Organismen nicht mehr unter den Geltungsbereich der Richtlinie 90/220/EWG.

(23)

(Enzyme) enthalten, die aus GVO hergestellt werden, diese jedoch nicht enthalten (16). Eine solche Erweiterung der gesetzlichen Vorgaben erscheint sinnvoll, da Enzyme im Rahmen der Lebensmittelverarbeitung vielfältige Einsatzgebiete finden (AMFEP, o.J.(a); JANY, 1996; KATZEK, 1994; BEHRENS, 1996; 1997; MEIER, 1996). Darüber hinaus wird auf europäischer Ebene bereits seit längerem auch eine Enzym-Richtlinie diskutiert (BLL, pers. Mitteilung). Eine Übersicht über die wichtigsten bisher zugelassenen, gentechnisch veränderten Nahrungspflanzen gibt die Tabelle 1.

Gentechnische Veränderungen an Pflanzen können in zwei Hauptklassen eingeteilt werden (FDA, 1992; KESSLER, 1992): Veränderungen, welche die agronomischen Eigenschaften der Pflanze betreffen (d.h. Resistenzen gegenüber Krankheitserregern, Schadinsekten, Herbiziden und Stressfaktoren), und Veränderungen, welche die Qualitätseigenschaften des Lebensmittels betreffen (z.B. erhöhter Vitamin- oder reduzierter Cholesteringehalt, besserer Geschmack etc.) (zur Übersicht s. KOSCHATZKY, 1994; BRANDT, 1995; DAY, 1996; 1996b).

Wie Tab. 1 zeigt, wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Genehmigungen zum Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen erteilt, die bis zum Jahr 1999 auf insgesamt ca. 70 Mio. ha weltweit angebaut wurden (JAMES, 1998; 1999). Bei den Pflanzen der sog. ”ersten Generation” handelt es sich vor allen Dingen um solche, die Resistenzen gegenüber Herbiziden und Insektenfraß aufweisen, die also eine Veränderung ihrer landwirtschaftlichen Charakteristika aufzeigen. Auch wenn diese Ansätze (ESTRUCH, 1997) sowie eine Erhöhung des Ertrages z.B. durch Integration des Phytochromgens (ROBSON, 1996) auch in Zukunft weiter ausgebaut und entwickelt werden, wird erwartet, daß die zweite Generation von Nahrungspflanzen sowohl Anforderungen von Verbrauchern als auch von Lebensmittelherstellern stärker berücksichtigt, wie in Tab. 2 beispielhaft gezeigt wird. Hierzu gehört auch die Entwicklung von funktionellen Lebensmitteln (sog. ”functional food” oder auch ”Nutraceuticals”), d.h. Lebensmitteln, die aufgrund ihrer Zusammensetzung oder Verarbeitungsweise bestimmte gesundheitliche Vorteile versprechen, die über die rein nutritive Wirkung hinausgehen (HUGGETT, 1996b; HOLLRICHER, 1999; ZEISEL, 1999; kritisch hierzu SPRENGER, 1999; SMAGLIK, 1999; GRUSAK, 1999; DIXON, 1999).

Aufgrund der mangelnden öffentlichen Akzeptanz wurden verschiedene gentechnisch veränderte Organismen nicht in den Verkehr gebracht, obgleich eine entsprechende Genehmigung vorlag (TOET in: FES, 1992). Beispiele hierfür sind die Genehmigung von:

- gentechnisch veränderter Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae), genehmigt durch das Britische ADVISORY COMMITTEE ON NOVEL FOODS AND PROCESSES (ACNFP). Hierbei wurden das Maltase- und das Maltose Permeasegen durch Gene aus einem effizienteren Hefe-Stamm substituiert (ACNFP, 1990; ACNFP, 1991); und

- gentechnisch veränderter Brauhefe (Saccharomyces cerevisiae), ebenfalls durch das ACNFP genehmigt. Hierbei wurde Amylase aus einem nicht zur Bierherstellung verwendeten Hefe-Stamm in den zur Bierherstellung verwendeten Stamm von Saccharomyces cerevisiae integriert (ACNFP, 1994).

16 Lebensmittelzusatzstoffe entsprechend der Richtlinie 89/107/EWG (ABl Nr. L 40 vom 11.2.1989, S. 27, zuletzt geändert durch Richtlinie 94/34/EG (ABl. Nr. L 237 vom 10.9.1994, S.1)) und Aromen entsprechend der Richtlinie 88/388 (ABl Nr. L 184 vom 15.7.1988, S. 61, zuletzt geändert durch die Richtlinie 91/71/EWG (ABl Nr. L 42 vom

(24)

Name der Firma Haupteigenschaften Land/ Jahr der Zulassung

EU UK US Japan Canada

Mais

Novartis/ Ciba Geigy AgrEvo

Monsanto

Novartis/ Northrup King Pioneer

Mycogen DeKalb DeKalb

Plant Genetic Systems

Bt, Glufosinat-R Glufosinat-R Bt, Glufosinat-R Bt, Glufosinat-R Bt Bt Bt Glufosinat-R männl. Sterilität 1996 1998 1998 1998 i.B. -1996 1997 1997 1997 1997 -1995 i.B. 1996 1996 -1995 1997 1997 1996 1996 -i.B. 1996 i.B. -1996 i.B. i.B. 1996 -Raps

Plant Genetic Systems Plant Genetic Systems AgrEvo AgrEvo Monsanto Monsanto/ Calgene männl. Sterilität Glufosinat-R Glufosinat-R Glufosinat-R Glyphosat-R veränd. Fettsäure 1996 -i.B. i.B. i.B. -1995 1995 1995 1995 1996 i.B. 1996 -1997 1995 1996 1995 1996 i.B. -1996 1996 -1995 -1995 1995 1996 Papaya

Univ. Hawaii Virus-R - - 1997 -

-Kartoffel Monsanto Bt - - 1996 - -Soja Monsanto DuPont AgrEvo Glyphosat-R veränd. Fettsäure Glufosinat-R 1996 -1995 -1995 1997 1998 1996 -199 -Kürbis

Seminis Veg. Seeds Virus-R - - 1997 -

-Tomate

Monsanto/ Calgene Zeneca & Petoseed Agritope

DNA Plant Technology

verzög. Reifung verzög. Reifung verzög. Reifung verzög. Reifung -i.B. -1996 1995 -1994 1994 1996 1995 -1995 -Chicorée

Bejo Zaden männl. Sterilität (zur Zucht) 1996 i.B. 1997 -

-Tab. 1 Übersicht über beantragte bzw. zugelassene gentechnisch veränderte Pflanzen, die im Lebensmittelbereich verwendet werden (Daten aus: FDA-Internet-Seite (http://www.vm.cfscan-fda.gov:80/ Lrd/biocon.html); BECK, 1993; LACROIX, 1997; 1998; UCS, 1998).

i.B. = in Bearbeitung

- = es liegen keine diesbezüglichen Angaben vor R = Resistenz

Bt = Bacillus thuringiensis

(25)

Organismus Ziel Referenz

Aubergine (Solanum

melongena)

Beeinflussung der Auxinsynthese, so daß die Früchte weniger Kerne ausbilden. Dies führt auch zu einer geringeren Applikation synthetischer Phytohormone in der Landwirtschaft, wie sie derzeit noch verwendet werden.

ROTINO, 1997

Weizen (Triticum

aestivum)

Modifikation der High Molecular Weight (HMW) Untereinheit von Weizen-Glutenin, einem wichtige Faktor, der für die Elastizität und damit für die Verarbeitungsfähigkeit des aus Mehl gewonnenen Teigs verantwortlich ist.

BARRO, 1997; BLECHL, 1996; ALTPETER, 1996

Lactobacillus Reduktion der für die Käsereifung benötigten Zeit durch die Nisin-induzierte Expression der lytischen Enzyme Lysin und Holin in

Lactococcus lactis.

DE RUYTER, 1997; KNAUF, 1992

Melone (Cucumis melo) Verzögerte Reifung der Frucht und damit verstärkte Möglichkeit zur Ausbildung von Geschmacksstoffen durch die Expression der anti-mRNA der Aminocyclopropan-1-essigsäure-(ACC)-Oxidase, welche die Ethylenbildung reguliert.

AYUB, 1996

Hefe (Saccharomyces

cerevisiae)

Stabilisierung des Geschmacks von Bier durch Blockierung der Expression der Sulfit-Reduktase Untereinheit MET10 und der damit einhergehenden erhöhten Sulfit-Konzentration. Sulfit wirkt als Antioxidant und gilt als Schlüsselsubstanz für die Stabilität von Geschmacksstoffen im Bier.

HANSEN, 1996

Hefe (Candida utilis) Produktion des natürlichen Zuckerersatzstoffes Monellin, der eine dem Thaumatin vergleichbare Süßkraft besitzt.

KONDO, 1997; KURIHARA, 1992

Kartoffel (Solanum

tuberosum)

Expression von Glutamat-Decarboxylase (GAD) zum Schutz vor Diabetis. MA, 1999

Tab. 2 Beispiele für zukünftige Anwendungen der Gentechnik im Lebensmittelbereich (s.a. COMAI, 1993; DELLA -PENNA, 1999 undOHLROGGE, 1999).

(26)

3 Potentielle Risiken, die mit dem Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittelverarbeitung in Verbindung gebracht werden

Auch wenn bereits andere neuartige, nicht auf gentechnischen Methoden beruhende Züchtungstechniken dazu geführt haben, daß genetische Informationen zwischen Organismenklassen in einer Form ausgetauscht werden, wie dies durch natürliche Kreuzungen in der Vergangenheit nicht möglich gewesen ist (z.B. bei Triticale, einer polyploiden Pflanze, welche die genetische Information aus Roggen (Secale cereale) und Weizen (Triticum aestivum) enthält (OECD, 1992)), war die Entwicklung der modernen Molekularbiologie ein wesentlicher Schritt, um einen gezielten Austausch genetischer Informationen über biologische Schranken hinweg zu ermöglichen. Insofern besitzt die Gentechnik gegenüber der konventionellen Züchtung eine neuartige Qualität, die auch Ursache ist für eine Reihe von Befürchtungen in bezug auf die Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit der aus der Anwendung dieser Technologie resultierenden Lebensmittel.

Die Anwendung der Gentechnik wird von Seiten der Umwelt- und Verbraucherverbände häufig nicht als eine Fortführung bestehender Züchtungstechniken angesehen, wie dies etwa das FDA tut (17), sondern gentechnische Methoden ”repräsentieren einen fundamentalen technischen Fortschritt in unserer Fähigkeit Lebensmitteln genetisch kodierte Substanzen hinzuzufügen. Diese Unterschiede können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, daß bestimmte Probleme, die bereits aus der traditionellen Züchtung bekannt sind (wie etwa der Anstieg des Toxin-Niveaus) auch beim Einsatz gentechnischer Methoden auftreten. Diese Unterschiede können jedoch auch bedeuten, daß die Gentechnik Ursache für Probleme ist, die bisher in neuen Pflanzensorten nicht aufgetreten sind.” (CONSUMER UNION, 1992; kritisch hierzu VAN DEN DAELE, 1996).

Nach Ansicht des WISSENSCHAFTLICHEN LEBENSMITTELAUSSCHUSSES (WLA) der EUROPÄISCHEN UNION (KOMMISSION, 1974) kann z.Zt. davon ausgegangen werden, daß ”Lebensmittel bisher nicht systematisch einer ernährungswissenschaftlichen oder toxikologischen Bewertung unterzogen (wurden), mit Ausnahme der seltenen Fälle, in denen akute toxische Effekte bei Menschen bekannt wurden (z.B. Solanin, Blausäureglykoside), oder in denen Tierversuche oder Erfahrungen bei Menschen auf die schädliche Wirkung von Lebensmittelrohstoffen hindeuteten (z.B. Sojarohmehl).” Dies bedeutet nicht, daß keine ernährungswissenschaftlichen Einschätzungen einzelner Lebensmittel durchgeführt wurden (siehe z.B. WATZL, 1996; KARG, 1996), sondern ”daß diese bisher nicht als Grundlage für die Bewertung der Sicherheit der jeweiligen Lebensmittel dienten.” (KOMMISSION, 1997e).

Die Senatskommission der DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT geht in einer Stellungnahme davon aus, daß ”mit dem Einsatz gentechnischer Verfahren im Ernährungsbereich prinzipiell keine Risikofaktoren (verbunden sind), die nicht zu erkennen und nicht zu beherrschen sind.” (DFG, 1995).

Ein anderes Bild zeichnet eine repräsentative Umfrage in ca. 500 Haushalten in Deutschland. Hiernach besitzen ca. 68% der Befragten gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln die Erwartung, daß sie die Gesundheit gefährden. 74% der Befragten gehen davon aus, daß diese Lebensmittel allergische Reaktionen hervorrufen können. Etwa die gleiche Zahl an Verbrauchern glaubt, daß es zu Störungen des ökologischen

17 FDA (1992): ”... the new techniques are extensions at the molecular level of traditional methods and will be used to

(27)

Gleichgewichtes kommen kann und etwas mehr als 65% der Befragten erwarten sogar, daß auch die eigenen Erbinformationen verändert werden (PUDEL, 1996).

Die Auswertung der Literatur (AGV, 1997a; 1997b; BECKTEPPE 1991; BLL, 1995; 1996; CONSUMER INTERNATIONAL 1995; 1996; CONSUMER UNION, 1992; EDF, 1992; FDA, 1992; FES, 1992; GAO, 1993; KATALYSE, 1993a; 1993b; KATZEK, 1997; NABC, 1990; NWF, 1992; OECD, 1993a; 1994; SCHÜTTE, 1998; SPELSBERG, 1993, WHO, 1991) ergab die folgende Auflistung von toxikologischen und den Nährwertgehalt des Lebensmittels betreffenden Risiken, die mit dem Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung postuliert werden: (1) Bildung neuartiger, toxischer Begleitstoffe;

(2) Erhöhte Expression immanenter Toxine; (3) Ansteigen allergischer Reaktionen; (4) Übertragung von Antibiotikaresistenzen;

(5) Reduzierte Synthese wichtiger Nährstoffe/ Auftreten von Mangelerkrankungen; (6) Veränderte Bioverfügbarkeit der Nährstoffe.

Die Befürchtungen von Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen gehen dabei häufig in die Richtung, daß bestehende Methoden der Risikoabschätzungen zu fokussiert und eingeschränkt sind um insbesondere unerwartete Nebenreaktionen in ausreichendem Maße zu erfassen. So wird z.B. von der NATIONAL WILDLIFE FEDERATION befürchtet, daß Kaffee, dem die für die Koffein-Synthese verantwortlichen Gene entfernt werden, dahingehend unvorhergesehene negative Auswirkungen zeigt, daß nicht wie bisher Koffein die Synthese von Aflatoxinen, also potentiellen Karzinogenen, bei bestimmten Schimmelpilzen (Aspergillus flavus und A. parasiticus) inhibiert (NWF, 1992; PARIZA, 1990; NARTOWITZ, 1979). In diesem Fall werden also nicht Eigenschaften des neuen Genproduktes selbst befürchtet, vielmehr stehen mögliche negative und nicht vorherzusehende Auswirkungen auf bestehende Interaktionen mit der Umwelt im Vordergrund der Betrachtung. Solche Befürchtungen wurden gegenüber bisherigen konventionellen Züchtungsprogrammen nicht vorgebracht, die ohne den Einsatz gentechnischer Methoden versuchen, das selbe Ziel, d.h. die Reduktion des Koffeingehaltes, zu erreichen.

In den folgenden Kapiteln wird näher auf die einzelnen Risikoszenarien eingegangen, wobei hervorzuheben ist, daß diese Befürchtungen bei der Verfolgung ähnlicher Züchtungsziele in der Landwirtschaft mit Hilfe konventioneller, nicht-gentechnischer Methoden bisher nicht im gleichen Maße in der Öffentlichkeit diskutiert wurden.

(28)

3.1 Bildung unerwarteter, toxischer Begleitstoffe

Fast alle Züchtungstechniken besitzen nach Ansicht des FDA das Potential, unerwartete Effekte hervorzurufen (FDA, 1992). Durch Züchtung induzierte Sequenzmodifikationen im Ursprungsorganismus können dabei sowohl positive als auch negative phänotypische Eigenschaften zur Folge haben. Ziel des Züchtungsprozesses ist es, innerhalb des Selektionsprozesses solche Pflanzen mit negativen Eigenschaften von denen mit positiven Eigenschaften zu trennen (BECKER, 1993).

Die Integration rekombinanter DNA mit Hilfe gentechnischer Methoden in das Wirtsgenom findet i.d.R. nicht zielgerichtet statt. Auch die Anzahl der integrierten Gen-Kopien ist i.d.R. nicht vorherzusehen. Die Kopienzahl und der Ort der Integration kann aber sowohl das Expressionsniveau der neuen DNA als auch die bereits vorher vorhandenen DNA-Sequenzen beeinflussen (MATZKE, 1990; HOBBS, 1993) und ist somit für das Auftreten und die Bewertung möglicher negativer gesundheitlicher Auswirkungen des Organismus relevant.

Sowohl die Reduktion als auch die Verstärkung der Expression bestimmter Wirtsgene durch retrovirale Integration von Fremd-DNA konnte an Tieren gezeigt werden (SCHNIEKE, 1983; SCANGOS, 1987).

Ein weiterer Diskussionspunkt im Zusammenhang mit dem Auftreten unvorhergesehener, langfristig wirkender Toxine sind häufig zu beobachtende phänotypische Veränderungen transgener Pflanzen, die nicht mit der Expression des integrierten Gens an sich in Zusammenhang stehen (pleiotrope Effekte) - auch wenn kein zwangsläufiger Zusammenhang zwischen dem Verzehr der Pflanze und einer gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen muß. In Arabidopsis thaliana führte z.B. eine spezifische Blockade des für die Histidin-Synthese notwendigen Enzyms Imidazolglycerin-3-phosphat-Dehydratase zur Induktion der Expression von acht Genen, deren Genprodukte bei der Synthese der basischen Aminosäuren Histidin, Lysin und Arginin eine Rolle spielen (GUYER, 1995). Auch bei Kartoffeln konnten nach der gentechnischen Modifikation Veränderung der Morphologie der Knolle, langsameres Wachstum der Pflanzen und geringerer Ertrag beobachtet werden (CONNER, 1995).

Solche phänotypischen Veränderungen können jedoch auch auf die somaklonale Variation zurückgeführt werden, d.h. auf genetische Modifikationen während der Regenerationsphase der Pflanze in der Zellkultur, und nicht auf die gentechnische Veränderung selbst (CONNER, 1995, BELKNAP, 1994).

Über die Wahrscheinlichkeit, daß solche unerwarteten pleiotropen Effekte nicht nur auftreten, sondern auch einen Einfluß auf die Lebensmittelsicherheit haben, sind derzeit keine verläßlichen Aussagen möglich. Die bisher im Bereich der Lebensmittelsicherheit durchgeführten Untersuchungen bezogen sich i.d.R. auf die Konzentrationsbestimmung solcher Toxine, deren Vorkommen in der jeweiligen Art bekannt war. Darüber hinaus wird i.d.R. die Konzentration der wichtigsten Nahrungsmittelbestandteile (Kohlenhydrate, Fett, Protein, Faserstoffe etc.) bestimmt. Stimmen diese Parameter zwischen transgener Linie und untransformierter verwandter Varietät überein, wird eine substantielle Äquivalenz (s. Kap. B-4.4.2) angenommen und ein relevanter Sekundäreffekt ausgeschlossen (STIRN, 1998).

Zusätzliche Befürchtungen im Zusammenhang mit der Vorhersehbarkeit toxischer bzw. pathogener Eigenschaften neuartiger Proteine kamen aufgrund der Analyse der molekularen Ursache von Bovine

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