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B. EINLEITUNG

4. Regelungen zur Risikoabschätzung und zum Risiko-Management

4.4. Risikoabschätzungsmethoden und -modelle

4.4.5. Risikoabschätzung bei ganzen Lebensmitteln (Fallbeispiele)

4.4.5.1. Bestimmung des allergenen Potentials

Neben langfristigen Gesundheitsschäden, bedingt durch die Akkumulation nicht akut wirkender toxischer Substanzen, sind es vor allen Dingen mögliche allergische Reaktionen, die als potentielles Risiko in der öffentlichen Debatte über den Einsatz der Gentechnik im Lebensmittelbereich eine Rolle spielen (LEHRER, 1996).

Bei der Bestimmung des Risikos des Auftretens allergischer Reaktionen wird unterschieden zwischen der Expression von Proteinen aus Pflanzen und Tieren, die bekanntermaßen Allergene enthalten und solchen Organismen, mit denen keine umfangreichen Erfahrungen in bezug auf ihr allergenes Potential vorliegen. Im ersten Fall kann mit Hilfe einer Reihe von Methoden und den Seren sensibilisierter Patienten relativ leicht nachgewiesen werden, ob mit allergischen Reaktionen bei Atopikern zu rechnen ist. Hierzu werden in vitro--Tests wie der Radioimmunoassay (RIA), der Radio-Allergo-Sorbent-Test (RAST), der Enzyme-Linked Immunoabsorbent Assay (ELISA) oder das Immunoblotting i.V.m. SDS-PAGE verwendet (TAYLOR, 1996;

SAMPSON, 1984). Fallen die in vitro--Tests negativ aus, können die betreffenden Personen in vivo-Haut-Prick-Tests oder klinisch überwachten DBPCFC-vivo-Haut-Prick-Tests unterzogen werden (KOMMISSION, 1997e).

Daß mit diesem Instrumentarium Allergene aus Pflanzen nachweisbar sind, konnte durch Arbeiten von NORDLEE

et al. gezeigt werden (69). Die Samen der Paranuß (Bertholletia excelsa L.) sind reich an schwefelhaltigen Aminosäuren, insbesondere Methionin. Patienten, die gegenüber dem Verzehr von Paranuß allergische Reaktionen zeigen, sind in der Literatur bekannt (BARTOLOMÉ, 1997; MELO, 1994). Ein genomischer Klon, der für das 2S Seed Storage Albumin Protein kodiert wurde aus der Paranuß isoliert und in Soja (Glycine max.) mit Hilfe des Agrobacterium tumefaciens Ti-Plasmid integriert. Das Gen kodiert für ein 17 kDa Vorläufer-Polypeptid, das in 9 kDa und 3 kDa große Untereinheiten prozessiert wird, mit einem Anteil von 18% Methionin. Mit Hilfe von Immunoblotting und RAST-Tests konnte gezeigt werden, daß acht der neun untersuchten Seren von Patienten, die bekanntermaßen gegen Paranuß allergisch reagierten, das gereinigte 9 kDa-Protein der Paranuß erkannten.

Sieben der neun Seren reagierten mit dem 9 kDa Protein aus der transgenen Sojabohne, während keine Affinität gegenüber den verwendeten Markergenen npt II und GUS Protein bestand. Orale Test zur weiteren Bestätigung

69 Auch wenn Überschriften in der Tagespresse wie ”Schock durch Sojabohnen – Im Gentech-Labor kreierte Superbohne kann lebensbedrohliche Allergien auslösen” (KRINER, 1996b) oder ”Tödliches Risiko aus der Gen-Küche” (KRIENER, 1996a) der breiten Öffentlichkeit das Gegenteil projizieren.

wurden nicht durchgeführt (NORDLEE, 1996a; 1996b; 1996c). Das Produkt wurde aufgrund der Testergebnisse nicht weiterentwickelt (NESTLE, 1996). Das Beispiel der Expression des Paranuß Speicherproteins in Soja zeigt nach Ansicht von NESTLE „die steigende Notwendigkeit, Grundlagen- und klinische Forschungen über Allergien zu intensivieren, da im speziellen Fall des transgenen Soja bekannt war, daß die Donorpflanzen bei Patienten allergische Reaktionen hervorrufen konnten und die Seren entsprechender Patienten auch zur Verfügung standen. In einem anderen Fall können die Begleitumstände jedoch durchaus weniger positiv sein um aussagekräftige Test durchführen zu können.“ (NESTLE, 1996).

Enzyme werden bei der Lebensmittelverarbeitung in einer Konzentration von 0,4 - 300 mg/ kg Produkt verwendet. Hierbei handelt es sich jedoch bereits um formulierte Enzyme, d.h. solche, die an eine Trägersubstanz gebunden sind um ihre Verarbeitung zu erleichtern und insbesondere aus Arbeitsschutzgesichtspunkten das Potential als Inhallationsallergen zu reduzieren. α-Amylase etwa befindet sich nach dem Backen als Reinenzym in einer Konzentration von ca. 0,1 ng/ kg Brot (SORENSEN, 1996). Die Literatur gibt nur wenig Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten allergischer Symptome und dem Verzehr von Lebensmitteln, die Enzyme enthalten. Es konnten in Einzelfällen nachgewiesen werden, daß Bäcker, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit eine Allergie gegenüber α-Amylase entwickelt haben, auch allergische Reaktionen zeigten, wenn sie Brot zu sich nahmen, dem α-Amylase als Backmittel zugesetzt wurde (BAUR, 1995; KANNY,1995). Studien, die einen Zusammenhang zwischen der Sensibilisierung von Patienten und dem Konsum von Enzymen als Lebensmittelbestandteil nachweisen, liegen derzeit nicht vor. Auch wenn „der Mangel an veröffentlichen Daten i.d.R. wenig hilfreich bei der Identifizierung von Gefahren ist bzw. überhaupt keine Aussagen über das allergene Potential von Enzymen ermöglicht ” kann doch davon ausgegangen werden, daß ”der weitverbreitete Gebrauch von Enzymen und die daraus resultierende hohe Exposition gegenüber diesen Enzymen ohne daß Auftreten größerer Krankheitsfälle ein wichtiger Hinweis auf die sehr geringe Wahrscheinlichkeit ist, daß es zu einer Sensibilisierung von Verbrauchern kommt.“ (SORENSEN, 1996).

In der Literatur wird mittlerweile anerkannt, daß mit den bekannten wissenschaftlichen Methoden eine Vorhersage darüber, ob ein neuartiges Protein ein hohes oder geringes allergenes Potential besitzt, nicht wirklich exakt möglich ist, sondern daß hier nur Näherungsmethoden verwendet können (DFG, 1995; FDA, 1992;

GENDIALOG, 1996). Um das potentielle Risiko beim Umgang bzw. beim Verzehr neuartiger Proteine zu minimieren, werden eine Reihe von Faktoren untersucht (METCALFE, 1996; FUCHS, 1996b; LEHRER, 1997;

MARYWOOD, 1996). Hierzu gehört zum einen, ob die Expression bekannter Allergenen durch den gentechnischen Eingriff unbeabsichtigt erhöht wurde. Zum anderen basieren Aussagen über die Allergenität eines neuartigen Proteins auf Vergleichen mit bekannten Allergenen (FUCHS, 1996a). Dabei werden die folgende Parameter berücksichtigt:

a. Größe des Proteins;

b. Abbaugeschwindigkeit des Proteins im Magen-Darm-Trakt (Säurestabilität, Stabilität gegen Trypsinabbau);

c. Sequenzhomologien mit bekannten Allergenen, bzw. Sequenzhomologien mit Proteinen ähnlicher Funktion im Empfängerorganismus;

d. Grad der Glykosilierung des Proteins;

e. Menge des Proteins im Lebensmittel;

f. Reaktion des Organismus nach intradermaler Verabreichung und einem Vergleich der Reaktion gegenüber Alkalase, einem Waschmittelenzym. Diese Methodik wird jedoch in der Literatur z.T. als ”ungeeignet”

angesehen (siehe z.B. ELIAS in: GENDIALOG, 1996).

TAYLOR et al. vertreten darüber hinaus die Auffassung, daß ein Zusammenhang zwischen dem ”Grad der Fremdartigkeit” (”degree of foreigness”) eines Proteins und der Wahrscheinlichkeit allergener Reaktionen herzustellen ist (TAYLOR, 1992).

Zu a: Größe des Proteins. Die meisten bekannten Allergene besitzen ein Molekulargewicht von 10-70 kDa (LEMKE, 1994). Es gibt jedoch auch Ausnahmen: Trotz seines Molekulargewichts von 152-162 kDa ist Immunglobulin ein wesentliches Allergen der Kuhmilch; wenngleich seine Allergenität auch geringer ist als z.B.

die von ß-Laktoglobulin, einem anderen Milcheiweiß (KREFT, 1995). Manche Allergene wie z.B. Ara h1 (63.5 kDa) und Ara h2 (17 kDa) liegen in nativer Form als große Protein-Polymere von 200- 300 kDa vor (BURKS, 1991;

1992). Es gibt darüber hinaus auch Beispiele dafür, daß sehr kleine Proteine allergene Wirkungen zeigen, wie etwa das 2.8 kDa große Melitin (Api m3) aus dem Gift der Honigbiene (Apis mellifera) (KING, 1990).

Zu b: Hydrolysesensitivität. Eine Reihe bekannter Allergene wie Ovalbumin und β-Laktoglobulin weisen einen hohen Grad an Hydrolyseresistenz auf (HONMA, 1994; ASTWOOD, 1996). Die Aussagefähigkeit der angewandten in vitro-Studien in bezug auf die Hydrolyseresistenz im Gastrointestinaltrakt wird jedoch ebenfalls kritisch diskutiert. So ist z.B. bekannt, daß insbesondere Frischfrüchte, die nur orale allergische Symptome (OAS) auslösen, proteolyseempfindliche Allergene enthalten (AMLOT, 1987; ORTOLANI, 1988). Eine Reihe von in vitro-Test (z.B. Simulated Gastric Fluid (SGF) (BOARD OF TRUSTEES, 1995)) basieren auf einer Exposition des Proteins bei pH 1.2 und einer vorgegebenen Pepsin-Konzentration (ASTWOOD, 1996). Kurz nach der Nahrungsaufnahme kann der pH-Wert jedoch zwischen 4 und 6 schwanken, so daß es nicht in jedem Fall zu einer vollständigen Proteolyse des Proteins kommt (DANIEL, 1998). Aktualisierte Modelle des Gastrointestinaltraktes können diese Faktoren jedoch mittlerweile simulieren (TEN BRINK, o.J.; HUIS IN´T VELD, 1994; VAN DER VOSSEN, 1998).

Zu c: Sequenzhomologien. Umstritten ist auch, wie aussagekräftig Sequenzvergleiche mit bekannten Allergenen sind, die in verschiedenen Datenbanken (EMBL (http://www.ebi.ac.uk/embl/index.html), Swiss-Prot (http://www.expasy.ch/sprot/), Entrez (http://www3.ncbi.nlm.nih.gov/Entrez/) PRF (http://www.genome.ad.

jp/htbin/www_bfind?prf), PIR protein (http://www.mips.biochem.mpg.de/mips/pir-int_cd.html)) vorliegen (METCALFE, 1996). Während einige Autoren davon ausgehen, daß „immunologisch signifikante Sequenzen i.d.R.

wenigsten acht identische Aminosäuren verlangen (METCALFE, 1996; STADLER & FUCHS in: BGVV, 1998, p. 316) vertreten andere die Auffassung, daß bereits vier Aminosäuren in Reihe eine Aussagefähigkeit besitzen (VIETHS, 1998). Untersuchungen mit synthetischen Peptiden haben gezeigt, daß z.B. bei Ara h1, dem Hauptallergen der Erdnuß, sechs aufeinanderfolgende Aminosäuren als minimale Epitopgröße erkannt werden (BURKS, 1991;

BURKS, 1997). Die Schwierigkeit bei einem Sequenzvergleich liegt u.a. auch darin begründet, daß Proteinstrukturen und nicht Proteinsequenzen als Bindestelle für IgE genutzt werden. So konnte gezeigt werden, daß menschliches Profilin zu einem Ausstoß von Histaminen bei Patienten geführt hat, die gegen Pollen allergisch sind. Profilin ist ein weit verbreitetes Protein, daß in regulatorischen Mechanismen einer Reihe eukaryotischer Zellen eine Rolle spielt und eines der wichtigen allergieauslösenden Proteine in Birkenpollen darstellt (VALENTA, 1991; VIETHS, 1996). Profiline verschiedener Pflanzen sind hochhomolog (VIETHS, 1996).

Profilin von Weizen zeigt z.B. eine Sequenzhomologie von 75 - 80% gegenüber Profilin aus Mais und Birkenpollen (VIETHS, 1996). Die Sequenzhomologie zwischen humanem Profilin und dem Profilin aus Birkenpollen beträgt trotz ähnlicher Tertiärstruktur und Funktion nur 30% (FEDOROV, 1997). Trotzdem kommt es zu den oben beschriebenen Kreuzreaktionen. Hieraus läßt sich jedoch nicht der Analogieschluß ziehen, daß

Proteine ähnlicher Funktion in jedem Fall ein gleich großes allergenes Potential besitzen. Tropomyosin aus Krabben und aus Hühnern z.B. besitzt eine Sequenzhomologie von 60%. Doch nur das Krabben-Tropomyosin ist eine starkes, hitzestabiles Allergen (LEUNG, 1994). Auch durch externe Faktoren induzierbare Epitope sind mit dem Ansatz der Sequenzhomologie nur eingeschränkt detektierbar. So ist z.B. die Bindung von IgE an das Birkenpollenallergen Bet v3 abhängig von einer Ca2+ bedingten Konformationsänderung (SEIBERLER, 1994).

Zu d: Glykosilierungsgrad. Die biologische Aktivität eines Enzyms hängt auch von dessen Glykolisierungsprofil ab (PAREKH, 1992). Die Art der Glykolisierung spielt bei manchen Allergenen eine wichtige Rolle (DANIEL, 1998;

DUDLER, 1995; SANCHEZ-MONGE, 1992). Auch die Resorption von größeren Proteinen im Darm ist z.T. abhängig vom Grad der Glykolisierung. Die Resorption solcher Proteine wurde sowohl bei Toxinen (z.B. dem Botulinustoxin von Clostridium botulinum) als auch bei anderen Proteinen wie Ricin oder Ovalbumin beobachtet, auch wenn der Resorptionsmechanismus noch nicht geklärt ist (DANIEL, 1998; GARDNER, 1988). Aus diesem Grunde sollten Proteine, mit denen z.B. Verdauungsstudien durchgeführt werden, aus Organismen synthetisiert werden, die eine vergleichbare posttranslationale Modifikation des Proteins ermöglichen (DANIEL, 1988; BARDOR, 1999).

Zu e: Expressionsniveau des Proteins. Bei den bestehenden Modellen zur Bestimmung des allergenen Potentials neuartiger Proteine wird auch die Menge des exprimierten Proteins als Indikator genutzt. Eine Vielzahl von Proteinen stellen eine der Hauptproteinkomponenten innerhalb der Pflanzen dar, wobei der Gehalt jedoch zwischen 1 und 80% variieren kann (METCALFE, 1996). Dies gilt etwa für Soja (SHIBASAKI, 1980), Erdnuß (SACHS, 1982; BARNETT, 1986) und Milch (TAYLOR, 1986). Auch diese Näherungsmethode ist jedoch nur eingeschränkt aussagefähig. Schweine- und Rindfleisch z.B. führt nur bei den wenigsten Menschen zu allergischen Reaktionen, obgleich dies eine wesentliche Quelle der gastrointestinalen Expositionsquellen ist. Das Muskelprotein Tropomyosin, welches sowohl in Schweine- und Rindfleisch als auch in Krabben vorkommt, stellt in Krabben das wichtigste Allergen dar, während der Verzehr von tierischen Eiweiß mit dem selben Protein nicht zu allergischen Reaktionen führt (SHANTI, 1993).

Eine Reihe von bekannten Allergenen kommt dagegen nur in geringen Konzentrationen vor (VIETHS, 1998).

Hierzu gehören Proteasen wie Bromelain, das Gly m Bd 30 Protein der Soja, β-Fructofuranosidase der Tomate, Profilin und Gad c1, das Hauptallergen des Kabeljau (BERNHISEL-BROADBENT, 1992).

Die Verläßlichkeit und Aussagefähigkeit der oben angerissenen Vorgehensweise wird in Literatur z.T. kontrovers diskutiert. So wurde z.B. die Meinung vertreten, daß diese Form der Evaluierung des allergenen Potentials von Proteinen nicht wirklich aussagekräftig ist, da "die Aminosäurezusammensetzung und Sequenz sowie die dreidimensionale Struktur der meisten Nahrungsmittelallergene unbekannt ist." (KREFT, 1995). Damit relativiert sich auch die Aussagefähigkeit von Methoden, die sich insbesondere auf den Vergleich mit bekannten Allergenen stützen. In die gleiche Richtung argumentierte auch RING, Präsident der DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR ALLERGIE UND IMMUNITÄTSFORSCHUNG (DGAI). Er wies darauf hin, daß ”wir noch zu wenig darüber wissen, wie Allergene strukturiert sind und wie sie auf den menschlichen Körper einwirken”. Deshalb sei es z.Zt. „selbst mit den Methoden der Gentechnik unmöglich, allergieauslösende Substanzen ganz aus Nahrungsmitteln zu entfernen” (ANONYMUS, 1996). Tatsächlich ist es so, daß die Integration einer anti-sense mRNA des 16kDa Hauptallergen in Reis zu einer Reduktion der Expression des Allergens von 310 µg/ Samenkorn auf 60 - 70 µg gekommen ist. Unklar ist, „ob ein solcher Hypo-allergener Reis für Reis-Allergiker wirklich tolerabel sein wird.”

(MATSUDA, 1996). Diese Einschätzung wird durch andere Literaturdaten gestützt (URISU, 1991; NAKAMURA, 1996;

TADA, 1996). Arbeiten von BUCHANAN weisen in eine andere Richtung. Durch die Expression von Thioredoxin sollen Disulfitbindungen von Allergenen reduziert werden, was zu Weizenprodukten mit einem geringeren allergenen Potential führen soll (BUCHANAN, 1997).

Es sollte erwartet werden, daß eine Hitzebehandlung des Proteins, die i.d.R. zu einer Denaturierung führt, das allergene Potential reduziert. Dies gilt auch für die meisten Allergene aus Früchten, jedoch häufig nicht für Allergene aus Nüssen und Ölsaaten (BURKS, 1992b; VIETHS, 1996), Kuhmilch (BALDO, 1984), Kabeljau (Gadus callarias) (ELSAYED, 1971), Krabben (LEHRER, 1990), Reis (SHIBASAKI, 1979), Soja (SHIBASAKI, 1980) und Eiern (Gu, 1986). Es konnte gezeigt werden, daß bei hitzebehandelten Pekannüssen sogar eine erhöhte allergene Reaktivität auftritt (MALININ, 1996). Eine erhöhte Allergenität konnte auch nach chemischen Interaktionen zwischen Sojaöl und Proteinen beobachtet werden (DOKE, 1985).

Tierversuche zur Vorhersehbarkeit des allergenen Potentials eines Proteins sind nur beschränkt aussagefähig (FAO, 1996). So kamen etwa MALO et al. nach entsprechenden Untersuchungen zu dem Schluß, daß das 2S-Albumin der Paranuß (Bertholletia excelsa L.) kein Allergen sei (MALO, 1994). Die Arbeiten von NORDLEE et al.

nach dem Transfer des entsprechenden Gens auf Soja konnten jedoch genau das Gegenteil zeigen. Mit Hilfe von Seren von Patienten, die gegen Paranuß allergisch reagierten, konnte gezeigt werden, daß 2S Albumin das hauptsächliche, IgE bindende Protein darstellt (NORDLEE, 1996a). Die Autoren kommen dabei zu dem Schluß, daß „die derzeit zur Verfügung stehenden Tiermodelle nicht geeignet sind, eine Vorhersehbarkeit des allergenen Potentials von Proteinen bei Menschen zu ermöglichen. Techniken wie der Radioallergosorbent Test und SDS-PAGE mit Immunoblotting sowie Haut-Prick-Tests sind nicht geeignet für die Detektion von Allergenen, die bisher unbekannt waren.” Diese Aussage wird von anderen Autoren unterstützt (METCALFE, 1996). VIETHS vertritt dahingegen die Auffassung, daß positive Erfahrungen z.B. mit Brown-Norway Ratten (ATKINSON, 1994; 1998) die Entwicklung von Tiermodellen als durchaus umsetzbar erscheinen läßt (VIETHS, 1998). Ähnlich äußert sich auch KNIPPELS (KNIPPELS, o.J.). Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Entwicklung entsprechend validierter Modelle ist die Variabilität bezüglich der Sensibilisierung und der Intensität der folgenden allergischer Reaktion von Individuen (NOTEBORN, 1995b).

Wie wichtig eine möglichst exakte Vorab-Bestimmung des allergenen Potentials neuartiger Proteine ist, zeigt sich u.a. daran, daß eine Reihe von Pflanzenproteinen, die zur Verteidigung gegen Schadinsekten dienen, und damit auch aus ökonomischen Gründen interessant sind, bereits als Allergen bekannt sind (FRANCK -OBERASPACH, 1997). Dies gilt z.B. für insektenspezifische Trypsin-Inhibitoren in Soja (Glycine max.) (HILDER, 1993), α-Amylase-Inhibitoren in Gerste (Hordeum vulgare) und Lectine (70) in Erdnuß (Arachis hypogaea) bzw.

in Weizen (Triticum aestivum) (FRANCK-OBERASPACH, 1997).

4.4.5.2 Bestrahlte Lebensmittel

Die Bestrahlung von Lebensmitteln wurde in den 50er Jahren in den USA entwickelt und war dort bereits zu einem frühen Zeitpunkt Gegenstand sowohl intensiver toxikologischer Untersuchungen als auch

70 Gruppe von Glykoproteinen, die eine wichtige Rolle in bezug auf Pilz- und Insektenresistenz spielen, aber auch bei höheren Säugetieren toxisch sein können (MURDOCK, 1990; PEUMANS, 1995).

gesetzgeberischer Maßnahmen (US-CONGRESS, 1968; DIEHL, 1990; PAULI, 1986; LEHMAN, 1954b). Die Bestrahlung mit γ-Strahlen aus einer Co60- bzw. einer Cs137-Quelle führt zum Absterben nicht-sporulierender Pathogene wie Salmonella spp., Yersina spp., Campylobacter spp., Staphylococcus aureus, Listeria monocytogenes und Clostridium perfrigens. Die Bestrahlung wird auch zur Verhinderung der Keimung von Kartoffeln und damit deren längerer Lagerfähigkeit und zur Abtötung von Insekten bei Früchten eingesetzt (DIEHL, 1990). Die Konsequenzen der Bestrahlung auf die Selektion bestimmter Pathogene ist vergleichbar mit der Anwendung anderer Sterilisierungstechniken (FARKAS, 1989).

Die Behandlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen wird in der Europäischen Union durch die Richtlinien 99/2/EWG (EG, 1999a) und 99/3/EWG (EG, 1999b) geregelt. Bisher dürfen nach dem Anhang der Richtlinie 99/3/EWG nur getrocknete aromatische Kräuter und Gewürze bestrahlt werden. Das SCIENTIFIC

COMMITTEE ON FOOD hat sich in einer Stellungnahme jedoch bereits positiv zur Bestrahlung von acht verschiedenen Stoffen geäußert. Hierzu gehörten neben Blutprodukten und Gummi arabicum, das in der Herstellung von Arzneimitteln Verwendung findet, auch Lebensmittel wie Froschbeine,Krabben und Eiweiß(SCF, 1998a).

Im Zusammenhang mit der Genehmigung der Bestrahlung von Lebensmittel wurden erstmals auch Untersuchungen über die Gesundheitsverträglichkeit komplexer Stoffgemische, wie sie Lebensmittel darstellen, durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen geben wichtige Hinweise für die Entwicklung eines Systems zur Evaluierung potentieller Langzeitschäden durch den Einsatz gentechnischer Methoden im Lebensmittelbereich. Bereits bei der Evaluierung der Sicherheit bestrahlter Lebensmittel wurde deutlich, daß die Festlegung eines ADI-Wertes nicht möglich ist, weil es technisch gesehen unmöglich ist, der Tierdiät 100% eines bestrahlten Lebensmittel zuzuführen, ohne das es gleichzeitig zu negativen Begleiterscheinung aufgrund der damit verbundenen Mangelernährung kommt (ELIAS, 1994; DIEHL, 1990).

Die ersten Untersuchungen über den Einfluß von Strahlen auf Lebensmittel haben GRÖDEL und SCHNEIDER

bereits 1926 durchgeführt (GRÖDEL, 1926). In den 50er, 60er und 70er Jahren wurden eine Reihe von Untersuchungen über die gesundheitliche Verträglichkeit von bestrahlten Lebensmitteln durchgeführt (ELIAS, 1983; JECFI, 1981; SWALLOW, 1991; HMSO, 1964; KRAYBILL, 1967) nachdem zuvor in den 50er Jahren bereits umfangreiche Untersuchungen von Seiten des US Verteidigungsministeriums finanziert wurden (ELIAS, 1984).

Die Evaluierungsarbeiten wurden 1970 im Rahmen des International Project in the Field of Food Irradiation koordiniert und die Forschungsergebnisse veröffentlicht (ELIAS, 1977; 1983). Keine der Arbeiten hat einen Hinweise auf ein toxisches oder karzinogenes Potential bestrahlter Lebensmittel ergeben (DIEHL, 1990). Arbeiten von TEPLY bzw. RENNER konnten darüber hinaus zeigen, daß bestrahlte Lebensmittel die Karzinogenität bzw.

Mutagenität bekannter Karzinogene bzw. Mutagene nicht erhöhen (TEPLY, 1956 bzw. RENNER, 1975). Auch die allergenen Eigenschaften von Milch wurden durch eine Bestrahlung nicht erhöht, sondern im Gegenteil sogar erniedrigt (KRAYBILL, 1959).

Eine Review-Arbeit des FDA hat mehr als 400 toxikologische Studien ausgewertet, von denen 26 die subtoxische Toxizität bestrahlter Lebensmittel untersucht haben, 32 die chronische Toxizität, 11 den Einfluß auf die Reproduktivität und teratogene Eigenschaften. Etwa 20 Studien beinhalteten als Fragestellung die möglichen mutagenen Eigenschaften bestrahlter Lebensmittel (FDA, 1986; WHO, 1994). Einzelne Fütterungsstudien mit Mäusen wurden dabei über drei bzw. neun Generationen hinweg durchgeführt, ohne daß negative

gesundheitliche Beeinträchtigungen beobachtet wurden (TINSLEY, 1965 bzw. RENNER, 1974). In der amerikanischen RALTECH-Studie wurden mehrere Generationen von Mäusen und Hunden mit hochbestrahltem Hühnerfleisch (46-68 kGy) gefüttert. Bei der Studie wurden insgesamt 134 to an Hühnerfleisch verfüttert, womit diese Arbeit als eine der umfangreichsten gilt, die je zur Beurteilung eines lebensmittelverarbeitenden Verfahrens durchgeführt wurde. Dabei konnten keine schädlichen Wirkungen festgestellt werden, die auf die Bestrahlung zurückzuführen waren (THAYER, 1987; zitiert nach HAPKE, 1996). Auch in einer Tierfütterungsstudie mit Milchpulver, das aufgrund der Bestrahlung eine hohe Konzentration an Radikalen aufwies, konnten über einen Zeitraum von 9 Generationen keine toxischen Effekte beobachtet werden (DIEL, 1995). Das JOINT EXPERT

COMMITTEE ON FOOD IRRADIATION (JECFI) kam deshalb zu dem Schluß, daß „die Bestrahlung von jeglichem Lebensmittelbestandteilen mit einer durchschnittlichen Dosis von 10 KGray keine toxikologische Gefährdung darstellt und aus diesem Grunde toxikologische Test nicht erforderlich sind.” (GIDDINGS, 1992). Einige Autoren gehen bei der Beurteilung der Ergebnisse, nach denen nachgewiesen werden konnte, daß durch die Bestrahlung keine aromatischen und heterocyclischen Verbindungen gebildet wurden, sogar soweit, daß „die Erfahrungen in Bezug auf die Vorhersehbarkeit radiolytischer Veränderungen in bestrahlten Lebensmitteln gezeigt haben, wie absurd die Forderung nach einer Fortführung von Fütterungsstudien mit Tieren sind.” (DIEHL, 1990).

Post-Marketing Monitoring Studien im Zusammenhang mit bestrahlten Lebensmitteln wurden nach Kenntnis des Autors nicht durchgeführt (71). In China wurden jedoch Verzehrstudien mit Menschen durchgeführt. Dabei wurden 35 verschiedene Arten an bestrahlten Lebensmitteln über einen Zeitraum von 90 Tagen konsumiert. An der Untersuchung haben sich 70 Personen beteiligt, wobei die anschließende medizinische Untersuchung keine negativen Symptome zu Tage brachte (ANON, 1987; SHAO, 1988; zitiert nach: WHO, 1994; AKER, 1984; ICGFI, 1996).

4.4.5.3 Fallbeispiel Myco-Protein

Myco-Protein wurde erstmalig im Januar 1985 in Großbritannien unter dem Markennamen Quorn vermarktet.

Es handelt sich dabei um ein aus dem Bodenpilz Fusarium graminearum (Schwabe) gewonnenes Lebensmittel, bestehend aus ca. 50% Protein, ca. 27% an diätetischen Fasern und 13% an meist ungesättigten Fettsäuren (EDWARDS, 1993).

Da die reine Durchführung von Tierfütterungsexperimenten für die Risikoabschätzung als nicht ausreichend empfunden wurde und aufgrund der negativen Erfahrungen, die mit der Produktion von Eiweiß aus Erdölprodukten mit Candida-Hefen (sog. Single Cell Protein (SCP)) vorlagen (SPELSBERG, 1993; RUTLOFF, 1991;

PYKE, 1970; CERTIK, 1999), wurden eine Reihe von Test in bezug auf die Toxizität und Verträglichkeit von Quorn durchgeführt (OECD, 1993a; RODGERS, 1996). Bei klinischen Untersuchungen mit 100 Freiwilligen (50 weibliche und 50 männliche Probanden), die 20 g Myco-Protein/ Tag über einen Zeitraum von 67 Tagen zu sich genommen haben, wurden keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen beobachtet. Als einziges physiologisch signifikantes Merkmal konnte eine – positiv zu bewertende - Reduktion des Cholesterinwertes in Blut detektiert werden (UDALL, 1984). In einer weiteren klinischen Untersuchung mit 300 Probanden, die Myco-Protein über vier

Wochen konsumierten, wies nur eine Person Beschwerden im Bereich des Gastrointestinaltraktes auf. Die hypocholesterolämischen Eigenschaften, die in den Untersuchungen von UDALL beobachtet werden konnten, haben zu weiteren Studien geführt, bei denen Patienten mit leicht erhöhten Plasma-Cholesterinwerten (5.2 - 6.2 mmol/l) eine Myco-Protein Diät erhalten haben (TURNBALL, 1990). Dabei konnten die folgenden Abweichungen beobachtet werden:

Myco-Protein Diät Hühnerfleisch Diät

Plasma Cholesterin Reduktion um 13%

---LDL Cholesterin Reduktion um 9% Anstieg um 12%

HDL Cholesterin Anstieg um 12 % Reduktion um 11%

Tab. 15 Vergleich der Cholesterinkonzentrationen im Blut von mit Myco-Protein bzw. mit Huhn ernährten Probanden (nach Edwards, 1993).

LDL: Low Density Lipoprotein mit einem Proteingehalt von 20-25% und einem Lipidanteil von 4-8%.

Der Cholesterinanteil beträgt ca. 45-50% Cholesterinester und 6-8% freies Cholesterin. LDL transportieren ca. 70% des Cholesterins innerhalb des Blutes und werden in der Leber von LDL-Rezeptoren erkannt (BROWN, 1985).

HDL: High Densitiy Lipoprotein mit einem Proteingehalt von 40-55% und einem Lipidanteil von 2-7%.

Der Cholesterinanteil beträgt ca. 15-20% Cholesterinester und 3-5% freies Cholesterin (BROWN, 1985).

Diese Ergebnisse konnten in einer zweiten Studie, bei der Myco-Protein über 8 Wochen von 21 Probanden konsumiert wurde, bestätigt werden (TURNBULL, 1992). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, daß diejenigen Probanden, die mittags Myco-Protein zu sich genommen haben, bei den Abendmahlzeiten und auch am nächsten Tag wg. eines weiterhin bestehenden Sättigungsgefühles i.d.R. weniger Nahrung konsumierten (TURNBULL, 1993; BURLEY, 1993). Ein Vergleich zwischen der Anzahl der Beschwerdefälle von Verbrauchern, die nach der Vermarktung registriert wurden und den Umsatzzahlen ergab das Verhältnis von 1 Beschwerdefall auf 500.000 konsumierte Portionen Myco-Protein. Immunologische Reaktionen konnten nur bei einem von 4.500 untersuchten Probanden festgestellt werden. Hierbei bestand eine Kreuzallergie zu anderen Pilzen (Aspergillus fumigates and Cladosporium herbarum ) (HATTAN, 1996; TEE, 1993).

4.4.5.4 Fallbeispiel Olestra

Fette und Öle machen ca. 38% der Gesamtkalorienzahl einer typischen Mahlzeit im europäisch-amerikanischen Kulturraum aus. Fette und Öle stellen darüber hinaus im Vergleich zu anderen Lebensmittelbestandteilen die energiereichste Quelle dar (9 kcal/ g bei Fett im Vergleich zu 4 kcal/g bei Proteinen und Kohlenhydraten) (GARN, 1997). Die deutliche Reduktion von Fett in Snacks kann nach Schätzungen von LEWIN zu ca. 23.000 weniger Fällen an Krebs bis zum Jahr 2015 führen (DAVIDSON, 1996; LEWIN, 1994). Als Reaktion auf Anforderungen sowohl aus der Ernährungswissenschaft als auch aus der Verbraucherschaft nach Produkten mit weniger Fett und weniger Kalorien haben Unternehmen verschiedene Fettersatzstoffe entwickelt (MENDEN, 1991; 1993;

71 Weder Recherchen in der Datenbank ”MEDLINE” noch Interviews mit Dr. DEHNE vom BGVV sowie Dr. DELINCEÉ von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung, beides ausgewiesene Fachleute zum Thema bestrahlter Lebensmittel, ergaben Anhaltspunkte dafür, daß ein solches post-marketing surveillance im Falle bestrahlter Lebensmittel durchgeführt worden ist.

GLUECK, 1994; GROSSKLAUS, 1996), auch wenn von Seiten der Hersteller selbst darauf verwiesen wird, daß Fettersatzstoffe ”keine Wunder darstellen und die Notwendigkeit einer ausgewogenen Ernährung nicht in Frage stellen.” (KOTAL, 1998). Diese Substitute weisen häufig ähnliche organoleptische Eigenschaften wie Fette auf.

Ein Beispiel ist das Saccharose-Polyester Olestra (Olean) (AKOH, 1995; LAWSON, 1997).

Olestra ist eine Mischung von Hexa-, Hepta und Octa-Estern von Saccharose mit langkettigen Fettsäuren (C12 – C20; 75% davon gesättigte Fettsäuren). Seine physikalischen Eigenschaften sind vergleichbar mit denen von Triglyceriden. Olestra wird im Gastrointestinaltrakt (GI) weder absorbiert noch durch lipolytische Enzyme abgebaut, sondern direkt und nicht-metabolisiert wieder ausgeschieden (NUCK, 1994). Mitte 1987 beantragte die Firma PROCTER & GAMBLE die Zulassung als Fettersatzstoff in Lebensmitteln in den USA (52 FR 23606, 23.6.1987).

Abb. 8 Strukturformel von Olestra (BERGHOLZ, 1992).

Für die Fragestellung dieser Arbeit ist Olestra aus zwei Gründen interessant. Zum einen handelt es sich um ein neuartiges Lebensmittel, bei dem bestehende toxikologische Untersuchungen und insbesondere Fütterungsexperimente mit Tieren an natürliche Grenzen in bezug auf ihre Aussagefähigkeit stoßen. Ein NOEL oder LD50 konnte nicht bestimmt werden, da es unmöglich war, Olestra an Versuchstiere in einer Konzentration zu verfüttern, die der 100fachen Menge der gewöhnlich zu erwartenden, täglich konsumierten Menge entspricht.

So wurde bei entsprechender Vermarktung des Produktes erwartet, daß zwischen 6 und 20 g Olestra/ Tag konsumiert werden (FDA, 1996; WEBB, 1997). Würden die herkömmlichen Sicherheitsmargen, d.h. den Faktor 100 angewandt, müßten Ratten 600-2000 g Olestra/ Tag konsumieren. Zum Vergleich: Ratten nehmen etwa 150-200 g an Nahrung pro Woche zu sich (BERGHOLZ, 1992). Zum anderen gehört Olestra zur Klasse der wenigen neuartigen Lebensmittel, an denen post-Marketing Untersuchungen sowohl von Seiten der Hersteller, als auch von Seiten unabhängiger, stark verbraucherpolitisch engagierter Forschungsinstitute vorgenommen worden sind.

Zur Bestimmung des möglichen Risikopotentials, das mit dem Verzehr von Olestra verbunden sein könnte, wurden eine Vielzahl von Untersuchungen durchgeführt (Review in: PROCTER & GAMBLE, O.J.; FRESTON, 1997;

AKOH, 1995; BERGHOLZ, 1992). Die Untersuchungen haben sich an verschiedenen Leitfragen orientiert, die sich von denen im Bereich der Toxikologie zum Teil unterscheiden, was wie oben bereits erwähnt, damit zusammenhängt, daß sonst gültige Sicherheitsmargen, wie sie bei toxikologischen Untersuchungen angelegt werden, für einen Fettersatzstoff, der einen wesentlichen quantitativen Anteil der Nahrung ausmacht, nicht

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genutzt werden können (FDA, 1996; MILLER, 1993). Bei der Evaluierung standen die folgenden Leitfragen im Vordergrund:

- Welche Effekte können unter begründbaren Umständen eintreten?

- Können diese Effekte in Tierversuchen simuliert und detektiert werden?

- Besitzen diese Effekte eine physiologische Relevanz ? - Wie wird die Substanz im Körper metabolisiert?

- Welchen Verarbeitungsprozessen ist die Substanz unterworfen?

- Haben diese Verarbeitungsprozesse Einfluß auf das toxische Potential der Substanz?

- Besitzt die Substanz chemische oder physikalische Eigenschaften, die Einfluß auf den Nährwert von Lebensmitteln haben können?

- Kollidiert die Aufnahme des Lebensmittels/ der Lebensmittelzutat mit bekannten physiologischen Prozessen?

Vor der Durchführung klinischer Studien wurden Fütterungsversuche mit Schweinen (COOPER, 1997a), Meerschweinchen (DAHER, 1997d), Hunden (MILLER, 1991), Mäusen und Ratten durchgeführt. Die bei der Risikoabschätzung untersuchten Fragestellungen sind in der Tabelle 16 zusammengefaßt.

Eine Übersicht über die Gesamtheit der bei der Risikobewertung von Olestra durch das FDA untersuchten Parameter sowie die Bewertung des Antragstellers und der FDA gibt Tab. 16 und Tab. 17. Bei der Bewertung der Fütterungsexperimente mit Tieren bzw. den klinischen Studien wurde auch berücksichtigt, daß ggf. beobachtete Variation z.B. in der Menge an Vitaminen im menschlichen Körper auch unter anderen Bedingungen auftreten können. So ist z.B. zu erklären, daß anders als bei den fettlöslichen Vitamine A, D und K, β-Carotin Olestra nicht künstlich zugesetzt werden muß, obgleich bereits bei einem Konsum von 8g Olestra/ Tag eine Reduktion des Carotin-Spiegels im Blutserum um 60 % zu beobachten war (72). Die Absorption von β-Carotin kann jedoch auch bei einer Mahlzeit mit hohem Faseranteil um ca. 50% reduziert sein (ROCK, 1992) und bei Mahlzeiten mit geringem Fettanteil um über 70% (DIMITROV, 1988). Insofern stellt der Verzehr von Olestra keine qualitativ neue Situation dar (KLEINMAN, 1996). Auch ist bisher kein epidemiologischer Nachweis gelungen, daß der Verzehr von β-Carotin tatsächlich zu einer Reduktion von Krebserkrankungen führt. Trotzdem war die Reduktion des β -Carotin Gehaltes einer der Hauptkritikpunkte für Verbraucherschutzorganisationen (CSPI, 1996) – obgleich die sog. ATBC- und die CARET-Studien sogar eher in eine gegenteilige Richtung weisen, wonach eine zu hohe Menge an β-Carotin mit einer steigenden Zahl an Krebserkrankungen (insbesondere der Lunge des Magens und der Prostata) korreliert, Olestra insofern also eher eine ”gesundheitsfördernde” Eigenschaft besitzt, so daß man sich für den Einsatz von Olestra einsetzen sollte (STAMPFER, 1996; s.a. Kap. B-4.1.3).

Die Debatte über die Auswirkungen des Lebensmittels auf den Vitaminstatus ist durchaus vergleichbar mit der Diskussion, wie sie bei der Einführung der Margarine als Ersatzstoff für Butter geführt wurde. Diese Diskussion war auch der Auslöser für den gesetzlich verpflichtenden Zusatz von Vitamin A und D in einigen Ländern (KORVER, 1994).

72 ”In the presence of unsaturated fatty acids as vegetable oils, for example, carotenoid are very rapidly destroyed.

Similarly, carotenoid bioavailability can vary from almost zero to 50 %, depending on the vegetable concerned, cooking practice, and the presence and type of oils in the GI tract.” (FDA, 1996, p. 3148).

Sachverhalt Bemerkungen Referenz Morphologische

Veränderungen des GI

Keine entsprechenden Eigenschaften. ADAMS, 1981; MILLER, 1991; WOOD, 1991a;

SCHLAGHECK, 1995 Modifik. der Sekretion von

Enzymen des Pankreas

Keine entsprechenden Eigenschaften. HAGER, 1986

Beeinflussung der Zusam-mensetzung der Gallen-blasenflüssigkeit

Klinische Studien mit Zugabe von 30-50g Olestra/ Tag. Keine entsprechenden Eigenschaften.

GLUECK, 1980;

JANDACEK, 1982; Maas, 1997

Modifikation der Resorption von Kohlenhydraten

Keine entsprechenden Eigenschaften. GRUNDY, 1986

Beeinflussung der Resorption von Triglyceriden

Olestra zeigt nur einen geringen, aber dennoch signifikanten Dosis-Wirkungs-abhängigen Effekt. Die Höchstmenge an Olestra (20g) führte zu einer Reduktion der Absorption von Triglyceriden in Höhe von 1,2%.

DAHER, 1997b

Beeinflussung der Resorption von Vitaminen und Cholesterin

Durch Verwendung von C14-markierten Olestra konnte gezeigt werden, daß der Verzehr von 14g Olestra/ Tag die Absorption von Cholesterin um 9% reduziert.

Ein DBPCFC-Test über 4 Monate mit 18 g Olestra/ Tag zeigte eine Reduktion der Vitamine A, E, K und D Gehaltes im Blutserum.

MATTSON, 1976, 1979;

GLUECK, 1979, 1994;

MELLIES, 1983; GRUNDY, 1986; SUTTIE, 1989;

JANDACEK, 1990;

KOONSVITSKY, 1991;

JONES, 1991; 1991b;

DAHER, 1996; 1997a;

1997c; COOPER, 1997;

SCHLAGHECK, 1997a;

1997b Einfluß auf die Absorption

von Phytochemikalien

Die Fettlöslichkeit der Phytochemikalien wie Karotenoide, Phytosterole, Terpenoide, Flavonoide, Polyphenole and Indole, die evtl. einen positiven Einfluß auf die Gesundheit haben wurden verglichen mit der Fettlöslichkeit von Molekülen, bei denen bereits gezeigt werden konnte, daß Olestra deren Bioverfügbarkeit nicht beeinflußt (BIESALSKI, 1995).

COOPER, 1997

Einfluß auf den Transport innerhalb des GI

Substitution durch 30 g Olestra in einem 45-g Fett enthaltenem Essen an 30 Probanden zeigte keine Veränderung.

AGGARWAL, 1993 Einfluß auf das

Sättigungsgefühl

Die Menge an Fett und damit an kcal wurde durch die Zugabe von Olestra von 32 auf 20% reduziert. Das dabei beobachtete Hungergefühl war im Falle von Olestra größer und wurde zu 7.5%

durch eine größere Nahrungsaufnahme ( c. 1200 kJ) am zweiten Tag der Untersuchung zu 75% kompensiert. Arbeiten von ROLLS, mit einem ähnlichen Versuchsaufbau über zwei Tage, zeigten keinen Unterschied im Eßverhalten.

ROLLS, 1992;

DEGRAAF, 1996;

COTTON, 1996

Einfluß auf die Bildung von Gasen und die Darmflora

In gesunden Probanden (n= 97) zeigte sich bei einem Verzehr von 24 g/d Olestra über 36 Tage keine Beeinflussung der Darmfermentation.

EASTWOOD, 1994 Chronische Toxizität Zunahme des Körpergewichtes, Blut und Urintest sowie histologische

Untersuchungen in fünf versch. Tierarten zeigten keine Auffälligkeiten.

So wurde z.B. 10% der Nahrung von Mäusen über 2 a durch Olestra substituiert ohne daß Auffälligkeiten auftraten.

ADAMS, 1981; MILLER, 1991; WOOD, 1991a;

LAFRANCONI, 1994

Mutagenität Keine entsprechenden Eigenschaften. SKARE, 1990

Karzinogenität Keine entsprechenden Eigenschaften bei der Substitution von 10% der Nahrung bei Mäusen über 2 a durch Olestra.

WOOD, 1991a;

LAFRANCONI, 1994 Reproduktionstoxizität Keine entsprechenden Eigenschaften. NOLEN, 1987; DENIN,

1993 Potential zur

Beeinflus-sung der Resorption von Pharmazeutika im GI

Keine entsprechenden Eigenschaften. ROBERTS, 1989; MILLER, 1990b; GOLDMANN, 1997 Verhalten von Olestra

nach kontinuierlichem Erhitzen (wie beim frittieren)

Olestra wurde hierfür auf 177-185 C° für 25-32 h über einen Zeitraum von 5-7 Tagen erhitzt.

MILLER, 1990a;

ALLGOOD, 1995;

WILLIAMS, 1996 Metabolisierung im Falle

der Resorption im G.

Langzeit-Untersuchung (2 a) bzgl. Akkumulation in der Leber

Nach IV-Injektion wurden 70% der Substanz von der Leber

aufgenommen und unmetabolisiert über Galle und dann den Stuhlgang abgegeben.

WOOD, 1991b; MATTSON, 1991; JANDACEK, 1991

Tab. 16 Zusammenstellung der untersuchten Fragestellungen vor dem Inverkehrbringen von Olestra (EIGENRECHERCHEN; BERGHOLZ, 1992; PROCTER & GAMBLE, O.J.).

Ziel Methode Beschreibung Bewertung/ Konsequenz Toxizitäts

Daten

Genotoxizität:

- AMES Salmonella Test - L 5178Y TK +/ Mouse

Lymphoma Cell Mutagenicity Test

- CHO in vitro-Zytogenetizitäts-Test

Kein signifikanter Einfluß. FDA kam zu der Überzeugung, das Olestra nicht genotoxisch ist.

Teratogenität 3.2%, 6.4% bzw. 12% der Diät wurden durch Olestra ersetzt.

Kein signifikanter Einfluß. FDA kam zu der Überzeugung, daß Olestra nicht teratogen ist.

Sub-chronische und chronische Fütterungsstudien (LAFRAMCONI, 1994)

4%, 8% und 15% der Diät wurden mit erhitztem (7d, 190°) und nicht erhitztem Olestra für 28 and 91 Tage substituiert. Jede Gruppe umfaßte 40 Ratten.

Post-mortem Bestimmungen des Gehirns, der Nebenniere, der Ovarien, der Nieren und er Leber. Die Organe wurden entnommen, gewogen, das Verhältnis Organ- zu Körpergewicht sowie das Verhältnis Organ- zu Hirngewicht bestimmt und

histopathologische Untersuchungen durchgeführt. Die Futterverwertung und div.

Blutwerte wurden bestimmt.

Zwei-Jahres Test zur Best. der Karzinogenität (LAFRAMCONI, 1994)

140 Ratten, die mit 0%, 1%, 5% und 9% Olestra in ihrer Diät über 2 a gefüttert wurden (mit Obduktionen nach 12 und 18 Monaten). Diät-Supplementierung mit Vitamin A, D, E und K.

FDA kam zu der Auffassung, da keine Olestra bedingten toxischen oder karzinogen Eigenschaften beobachtet werden konnten.

Tierversuche (Schweine) (COOPER, 1997b, 1997c; 1997d)

Versuche am Menschen (3) 0 (1) 0,25 0,5 1,1 3,3 5,5 0 (2) 8 20 32

Folat (beschränkte Aussagekraft) (kein relev. Effekt)

- Nährstoff- Verfügbar-keit (PETERS, 1997a;

1997b)

Vitamin B12 (beschränkte Aussagekraft)) (kein relev. Effekt)

-Calcium (beschränkte Aussagekraft) (kein relev. Effekt)

-Zink (beschränkte Aussagekraft) (kein relev. Effekt)

-Effekt auf wasserlösliche Nährstoffe

Eisen (beschränkte Aussagekraft) (kein relev. Effekt)

-Vitamin A (DAHER, 1997c)

0 - 45 - 57 - 65 - 88 - 88 0 0 0 - 19 Zusatz von 170 IU Vitamin A/ g Olestra.

Vitamin E 0 - 24 - 31 - 53 -71 - 75 0 - 6 - 17 - 20 Zusatz von 2 mg Vitamin E/ g Olestra.

Vitamin D 0 0 0 - 10 - 35 - 0 - 23 - 13 - 27 Zusatz von 0,2 µg Vitamin D/ g Olestra.

Vitamin K 0 0 0 0 0 0 0 - 36 - 40 - 47 Zusatz von 0,8 µg Vitamin K/ g Olestra.

Effekt auf fettlösliche Nährstoffe (5) (DAHER, 1997a;

KOONSVITSKY, 1997; SCHLAG

-HECK, 1997)

Karotenoide - - - 0 - 60 - 60 - Keine Kompensation notwendig.