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Archiv "Off-label Use: Mehr Sicherheit für Ärzte und Patienten" (07.04.2006)

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s ist ein „Eiertanz“ – auch aus Sicht der Experten. Die Rede ist vom Off- label Use, dem Einsatz eines zuge- lassenen Arzneimittels außerhalb der von den Zulassungsbehörden geneh- migten Anwendungsgebiete. Ein sol- cher Einsatz ist risikoreich sowohl für die Patienten als auch für die verord- nenden Ärzte. Zum einen stellt sich die Frage der Arzneimittelsicherheit, wenn Medikamente außerhalb der Indikation eingesetzt werden, für die sie auf Sicher- heit und Unbedenklichkeit geprüft wur- den. Zum anderen stellt sich die Frage der Kostenübernahme. Grundsätzlich dürfen Arzneimittel zulasten der gesetz- lichen Krankenkassen nur zur Behand- lung derjenigen Erkrankungen eingesetzt werden, für die eine arzneimittelrecht- liche Zulassung besteht. Im ungünstig- sten Fall bleibt der gesetzlich Versicherte auf den Kosten seiner Behandlung sitzen oder dem Arzt droht ein Regress.

Außerdem kann er haftbar gemacht werden, wenn ein Patient beim nicht bestimmungsgemäßen Einsatz eines Medikaments zu Schaden kommt. Der Arzneimittelhersteller haftet nur für Schäden, die beim bestimmungsge- mäßen Gebrauch entstehen.

Das Dilemma besteht darin, dass eine sinnvolle Therapie in Fachgebieten wie der Onkologie oder der Kinderheil- kunde ohne den Off-label Use oft nicht möglich ist.Vielfach hält der Zulassungs- status mit der Entwicklung der wissen- schaftlichen Erkenntnisse nicht Schritt.

Will man den meist schwer kranken Pa- tienten eine wirksame Therapie nicht vorenthalten, muss der Arzt off label verordnen. Im Fall seltener Erkrankun- gen oder – wie in der Kinderheilkunde – bei kleinen Patientenzahlen lohnt es sich dagegen oft aus rein wirtschaftlichen Gründen für einen pharmazeutischen Unternehmer nicht, eine (erweiterte) Zulassung zu beantragen, die immer auch teure klinische Studien erfordert.

Für die Zulassung von Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen oder Präparate mit geringen Marktchancen setzt das europäische Arzneimittelrecht inzwischen Anreize. Es ermöglicht be- schleunigte Verfahren,

auflagengebundene Zu- lassungen oder auch ei- ne Verlängerung des Pa- tentschutzes. Dennoch:

„Trotz neuer gesetzlicher Regelungen wird der Off-label Use eine un- endliche Geschichte blei- ben“, erklärte Dr. jur.

Rainer Hess am 29. März in Bonn. Der Vorsitzende

des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sprach bei einem Symposium zum Off-label Use, das der Lehrstuhl

„Drug Regulatory Affairs“ der Bonner Universität veranstaltet hat.

Positivliste für mehr Klarheit

Der G-BA spielt seit In-Kraft-Treten des GKV-Modernisierungsgesetzes am 1. Ja- nuar 2004 eine entscheidende Rolle beim Umgang mit dem zulassungsüberschrei- tenden Einsatz von Arzneimitteln. Er be- auftragt die Expertengruppen, die der Gesetzgeber mit § 35 b Absatz 3 einge- setzt hat, damit, Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über den Off-label Use bei bestimmten Indi- kationen zu erarbeiten. Derzeit bestehen drei Gruppen für die Fachbereiche On- kologie, Infektiologie mit Schwerpunkt HIV/Aids und Neurologie/Psychiatrie, die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angesiedelt sind.

Ihre Empfehlungen leiten die Experten an den Bundesausschuss weiter, der auf dieser Basis über eine Leistungspflicht der Kassen entscheidet. Der entspre- chende Beschluss findet Eingang in die Arzneimittel-Richtlinien, die für die Ver-

tragsärzte verbindlich sind. Anlage 9 A wird künftig die positiv bewerteten Präparate listen und für die Vertragsärzte eine „Segelanweisung“ zum zulässigen Umgang mit diesen Medikamenten ent- halten. Anlage 9 B wird die Arzneimittel listen, die künftig nicht mehr zulasten der Kassen ver- ordnet werden dürfen.

Eine erste Änderung der Arzneimittel-Richtlinien steht Mitte April an.

Der jetzigen Regelung vorausgegangen war ein Urteil des Bundessozial- gerichts (BSG) vom 19.

März 2002 (Az.: B 1 KR 37/00 R). Darin erkannte das Gericht die Notwendigkeit des Off-label Use unter engen Voraus- setzungen an. Ein solcher Gebrauch komme nur in Betracht, wenn es „um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebens- qualität auf Dauer nachhaltig beeinträch- tigenden) Erkrankung geht, wenn keine andere Therapie verfügbar ist und wenn aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffen- den Präparat ein Behandlungserfolg (ku- rativ oder palliativ) erzielt werden kann“.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte am 6. Dezember vergangenen Jahres diese Linie der Rechtsprechung.

Der Gesetzgeber reagierte vergleichs- weise rasch auf das BSG-Urteil. Bereits im September 2002 berief das Bundes- gesundheitsministerium eine Experten- gruppe, die Stellungnahmen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über den Off-label Use in der Onkologie ab- geben sollte. Das Gremium nahm am 3. Juli 2003 die Arbeit auf. Bis Ende Au- gust 2005, dem Ablauf des Mandats der Gruppe, entstand ein Methodenpapier, das als Grundlage für die Erarbeitung der wissenschaftlichen Feststellungen diente. Fünf Bewertungen von Wirkstof- P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 14⏐⏐7. April 2006 AA901

Off-label Use

Mehr Sicherheit für Ärzte und Patienten

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat erste Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit von Wirkstoffen getroffen, die außerhalb ihrer zugelassenen Indikation eingesetzt werden.

„Es gibt gute Gründe für Off-label Use.

Doch die Arbeit der Expertengruppen darf nicht zu einer

,Zulassung light’

führen.“

Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig

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fen wurden an den Bundesausschuss zur Entscheidung weitergeleitet.

Kommunikationsmängel, formale Schwierigkeiten und fehlende (finan- zielle) Unterstützung haben dem Vor- sitzenden der Expertengruppe, Prof.

Dr. med.Wolf-Dieter Ludwig, zumindest am Anfang die Arbeit verleidet. Doch seiner Ansicht nach hat die erste Grup- pe ihren drei Nachfolgerinnen wichtige Arbeitsgrundlagen hinterlassen. „Es gibt gute Gründe für Off-label Use“, be- tonte der Berliner Onkologe. „Doch die Arbeit der Expertengruppen darf nicht zu einer ,Zulassung light‘ führen.“

Konflikte zeichnen sich ab

Zwar sind sich Ludwig und der G-BA- Vorsitzende Hess in diesem Punkt einig.

Doch erste Konflikte zeichnen sich ab.

„Wir haben den Einsatz von Irinotecan beim kleinzelligen Bronchialkarzinom positv bewertet, wenn der Patient das Standardpräparat nicht verträgt“, sagte Ludwig. „Es ist mir unverständlich, war- um der Bundesausschuss jetzt zu einer anderen Bewertung kommt.“ Hess ver- teidigte den G-BA-Beschluss, der mit der Änderung der Arzneimittel-Richtlinien wirksam wird. Der Bundesausschuss könne wegen Unverträglichkeiten im Einzelfall kein Präparat in seine „Positiv- liste“ aufnehmen, das Experten als allen- falls gleichwertig mit der Standardbe- handlung bewertet hätten. „Das nimmt dem Hersteller zu viel von seiner Ver- pflichtung, eine Zulassungserweiterung zu betreiben“, sagte Hess. Außerdem ha- be der G-BA kein Entscheidungsmono- pol. Was er nicht explizit geregelt habe, bleibe in der Verantwortung des Arztes.

Mit Begründung könne der Arzt auch von den Arzneimittel-Richtlinien abwei- chen. In diesen Fälle sollte aber im Vor- feld die Kostenübernahme mit den Kran- kenkassen und die Haftungsfrage mit dem Hersteller geklärt werden.

Was einigen schon zu weit geht, geht Hess nicht weit genug. Die Schwäche des jetzigen Systems sieht er darin, dass die Arzneimittel-Richtlinien nur für die Ver- tragsärzte verbindlich sind. „Das Kran- kenhaus ist ausgenommen“, kritisierte der G-BA-Vorsitzende. „Obwohl dort Off-label Use wahrscheinlich viel häufi- ger vorkommt.“ Heike Korzilius

P O L I T I K

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A902 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 14⏐⏐7. April 2006

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etzt hat das Schiff Fahrt aufgenom- men“, sagte ein Teilnehmer der er- sten Vollversammlung des Nationa- len Aktionsforums Diabetes mellitus (NAFDM) am 15. März in Berlin. In der Tat sorgen bei dem im Oktober 2004 gegründeten Forum mittlerweile eine Steuerungs- und eine Koordinierungs- einheit sowie Arbeitsgruppen für die Bereiche Prävention, Versorgung und Forschung für eine klare Organisations- struktur. Ziel der neuen Plattform ist es, die Kräfte in der Diabetologie zu bün- deln und die Situation der Diabetiker in Deutschland sowie die von gefähr- deten Bevölkerungsgruppen möglichst flächendeckend durch ein nationales Programm zu verbessern.

„Die Diabetologie ist auf dem Weg, mit einer Stimme zu sprechen und ein abgestimmtes Mehrjahresprogramm umzusetzen“, betonte Prof. Dr. med.

Eberhard Standl, Präsident der Deut- schen Diabetes-Union e.V. (DDU). Da- bei richtet das NAFDM den Fokus auf das Jahr 2010. „Wenn bis dahin nichts geschieht, müssen wir bundesweit mit einer Zahl von zehn Millionen Diabeti- kern und jährlichen Kosten von 40 Mil- liarden Euro für die Krankenversi- cherungen rechnen“, betonte Standl.

Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, Diabetes mellitus und seine Komplika- tionen zu vermindern, sei deshalb eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Finanziell unterstützt wird die mittler- weile wichtigste Gemeinschaftsinitia- tive im Bereich des Diabetes mellitus vom Bundesgesundheitsministerium (BMG), das seine Förderung mit der Perspektive auf 2010 erneut bestätigte.

„Die vielfältigen Initiativen, Program- me und Konzepte staatlicher und nicht- staatlicher Stellen müssen gebündelt werden, um ein gemeinsames, koor- diniertes und zielorientiertes Handeln

aller Akteure zu erreichen“, bekräftigte Marion Caspers-Merk, Parlamentari- sche Staatssekretärin im BMG, auf der ersten Vollversammlung. Neben dem BMG gehören der politischen Steue- rungseinheit des Aktionsforums Ver- treter weiterer Ministerien, die Bun- desärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Spitzenverbän- de der Krankenkassen sowie der Ge- meinsame Bundesausschuss an. Fach- lich koordiniert wird NAFDM von der DDU, der Deutschen Diabetes-Gesell- schaft (DDG), dem Deutschen Diabeti- ker Bund, dem Bund diabetischer Kin- der und Jugendlicher, dem Verband der Diabetesberatungs- und Schulungsbe- rufe in Deutschland sowie der Weltge- sundheitsorganisation.

Als nächste Ziele der Diabetes-Platt- form nannte Prof. Dr. med. Rüdiger Landgraf, NAFDM-Projektgruppenko- ordinator, die Erstellung,Aktualisierung und Implementierung evidenzbasierter Diabetes-Leitlinien auf der Basis der Leitlinien der DDG sowie die Etablie- rung eines zentralen Managements.

>Prävention: Ziel der Arbeitsgrup- pe Prävention ist es, noch in diesem Jahr (voraussichtlich bis Mai 2006) einen Präventionsleitfaden für Ärzte, Dia- betesberater und Ernährungsfachkräf- te zu erstellen sowie eine Datenbank über laufende Präventionsprojekte ein- zurichten.

>Versorgung: Im Mittelpunkt ste- hen hier die Erarbeitung der evidenz- basierten Diabetes-Leitlinien sowie Modellprojekte zur Verbesserung der pädiatrischen Versorgungsqualität und der Versorgung von Patienten mit ko- ronarer Herzkrankheit und bislang unentdeckter Glucosestoffwechselstö- rung sowie Lifestyle-Management-Pro- gramme.

>Forschung:Auf den Weg gebracht ist bereits die erste Nationale Diabetes- Studie zur Therapie des Diabetes melli- tus Typ 2. Experten fordern ferner eine bessere Vernetzung der experimen- tellen und klinischen Forschung, ein vermehrtes Engagement der Medizi- nischen Fakultäten, des Bundesfor- schungsministeriums und der Pharma- industrie im Bereich der Diabetesfor- schung sowie einen Ausbau der Versor- gungsforschung, die derzeit unterent- wickelt ist. Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

Diabetes mellitus

„Mit einer

Stimme sprechen“

Nationales Aktionsforum

ist handlungsfähig.

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