A2492 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 37⏐⏐14. September 2007
B R I E F E
ARZNEIMITTEL
Der hohe Preis des Präparats Lucentis zur Behandlung der feuchten altersab- hängigen Makula- degeneration birgt gesundheitspoliti- schen Sprengstoff (DÄ 28–29/2007:
„Luc(ifer)entis“ von Dr. med. Till Spiro).
Off label use – bei Licht betrachtet
Das US-Fachmagazin Science wür- digte das Medikament Lucentis mit dem Wirkstoff Ranibizumab als her- ausragende Innovation, und in oph- thalmologischen Fachkreisen wird die Bedeutung des Arzneimittels mit der von Penicillin in der Infektologie ver- glichen. Dennoch herrscht seit der Zulassung von Lucentis am 24. Janu- ar 2007 aufgrund des Off label use ein unzumutbarer Zustand für Ärzte und Patienten. Bei Avastin, dem im Off label use eingesetzten Präparat gegen Darmkrebs, fehlen klinische Studien zu Wirkungen und Nebenwir- kungen bei einem Einsatz am Auge.
Solange das System den Off label use favorisiert, tragen Arzt und Patient das Risiko. Patienten werden einem unnötigen Risiko ausgesetzt, und die Ärzte sind zivil- und strafrechtlich in der Haftung. Das Argument der Lu- centis-Gegner – systemwirtschaftlich begründete Sparmaßnahmen auf Kos- ten von Ärzten und Patienten – halte ich weder für volkswirtschaftlich noch ethisch überzeugend. Die Kon- fliktlinie: Versorgungsqualität, Thera- piefreiheit und die Sicherheit von Ärzten und Patienten werden von den Befürwortern eines Off label use aus Kostengründen (im Gegensatz zum aus medizinischen Gründen gebote-
nen Off label use) für meinen Ge- schmack zu leichtfertig in die Waag- schale geworfen. Machen wir uns nichts vor: Blindheit kommt das Sys- tem teuer zu stehen. Kurzfristig ge- dachte Kostendeckelungen stellen auf lange Sicht keine befriedigende Lö- sung dar. Ärzten und Patienten den Zugang zu einer nachweislich hoch- wertigen Innovation zu verwehren, ist in diesem Zusammenhang eine Ent- scheidung mit weitreichenden Kon- sequenzen. Ich bin überzeugt davon, dass die Zukunft der Gesundheit in Deutschland auch weiterhin auf einer vernünftigen Partnerschaft zwischen praktizierenden Medizinern und for- schenden Unternehmen beruhen wird.
Nur gemeinsam können wir Wege zu einem zukunftsfähigen, qualitätsori- entierten, bezahlbaren Gesundheits- system finden. Ich halte diesen ko- operativen Ansatz im Jahr 2007 für lohnender, als im Teufelskreis eines Schlagabtauschs zu verharren, bei dem wir Pharmaunternehmen unter dem Generalverdacht der Profitgier stehen und für alle Spielarten wirt- schaftsfeindlichen Diskurses herhal- ten müssen. Nehmen wir uns ein Bei- spiel an Ländern wie der Schweiz oder Frankreich, wo ein entspanntes Verhältnis das Miteinander prägt – zum Wohl aller Beteiligten. Ange- sichts der aktuellen Herausforderun- gen trägt Novartis gern dazu bei, Licht ins Dunkel perspektivischer Fragestellungen zum Gesundheitssys-
tem zu bringen und gemeinsame Per- spektiven zu entwickeln. Der Kom- mentar zu Lucentis leistet hier den falschen Beitrag. Wir möchten mit Lucentis helfen, das Augenlicht vieler Menschen zu erhalten – und mit neu- en Konzepten für mehr Klarheit und Weitsicht im Gesundheitssystem sor- gen. Novartis ist darüber hinaus in der Augenheilkunde aktiv. Wir forschen als eines der wenigen großen pharma- zeutischen Unternehmen in der Opht- halmologie. Damit für möglichst vie- le Patienten die bestmögliche Versor- gungsqualität langfristig gesichert bleibt, brauchen wir hierfür auch die richtigen Rahmenbedingungen.
Dr. Peter Maag,
Vorsitzender der Geschäftsführung der Novartis Pharma GmbH, Roonstraße 25, 90429 Nürnberg
EBM-REFORM
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Krankenkas- sen ringen um De- tails (DÄ 27/2007:
„Auf schwierigem Gelände“ von Sabine Rieser).
Dilemma
Der Artikel zeigt doch sehr deutlich die unterschiedlichen Sichtweisen auf und damit das Dilemma, das eher mit einem Schwergewichtsboxkampf
Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich
die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns zudem Kürzungen vorbehalten. Die Chance zur Veröffentlichung ist umso größer, je kürzer der Brief ist. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.
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ANONYM
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zu vergleichen ist als mit der Tour de France. Soweit ich informiert bin, gibt es in der Weiterbildungsord- nung zwar einen Facharzt, jedoch keinen Hausarzt; dieser trägt die Ge- bietsbezeichnung „Facharzt für All- gemeinmedizin“. Somit kann es in der Vergütungsstruktur keine Zwei- klassenvergütung geben. Festgestellt ist ein Mehrbedarf von ca. 18 Milli- arden Euro, und genau dieser Betrag steht auf der Forderungsliste für den neu zu reformierenden EBM. Die Kassen und die Politik haben diesen Betrag bereitzustellen oder aber: Die niedergelassene Ärzteschaft (sprich alle) kann nur Leistungen zu dem vereinbarten festen Punktwert von 5,11 Cent so lange abgeben, wie das Geld reicht . . . Es kann und darf und wird nicht sein, dass die eine Fach- gruppe sich über die andere finan- ziert. Tragen wir den Konflikt, sofern es einen gibt, doch mit den Kassen und der Politik aus und nicht inner- ärztlich.
Dr. med. Fritjof Bock,Am Ottersberg 42, 88287 Grünkraut
Gewinner und Verlierer
Das überwiegend positive Echo auf den angedachten Hausarzt-EBM ist mir unverständlich. Wahrscheinlich werden ab 2008/09 altersabhängige Pauschalen gezahlt, möglicherweise zuzüglich eines Morbiditätszuschlags für bestimmte chronische Erkrankun- gen. Abgesehen davon, dass die an- gedachte Höhe dieser Pauschalen mir sehr unrealistisch erscheint, kritisiere ich in erster Linie, dass mit dieser Honorarreform ein falsches Anreiz- system implementiert wird, das den demografischen und gesundheitspoli- tischen Herausforderungen zuwider- läuft. Aufgrund der nur nach Alter und nicht nach Betreuungsaufwand differenzierten Pauschalen wird der
„gesunde Kranke“ betriebswirt- schaftlich attraktiv, nicht aber der Multimorbide. Beispielsweise unter- scheidet sich die angedachte Pau- schale eines Demenzpatienten mit in- sulinpflichtigem Diabetes, pAVK, Hypertonus und COPD, bei dem re- gelmäßig Hausbesuche durchgeführt werden, nicht von der eines gleich- altrigen gut eingestellten Typ-II-Dia- betikers, der nur einmal pro Quartal