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Archiv "„Off-Label-Use“: Urteil schafft Klarheit" (19.04.2002)

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D

er erste Senat des Bundessozial- gerichtes hat am 19. März ent- schieden, dass Arzneimittel außer- halb der zugelassenen Indikationsge- biete grundsätzlich nicht zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden können. Im vorliegenden Fall ging es um die Ver- ordnung eines Immunglobulins bei primär chronisch progredienter multi- pler Sklerose. Nach Ansicht des Ge- richts fehlten hinreichend gesicherte Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Behandlung. Hinzu komme, dass die Therapie der sekundär progressiven multiplen Sklerose mit Immunglobuli- nen derzeit noch kontrovers diskutiert werde und seit 1999 eine Behandlung mit einem zugelassenen Arzneimittel zur Verfügung stehe (Avonex®, Beta- feron®).

Soweit der Tenor des Urteils in die- sem Fall. Aus den grundsätzlichen Ein- schätzungen des Gerichts ergeben sich jedoch Hinweise, unter welchen Vor- aussetzungen eine Verordnung zula- sten der GKV außerhalb der zugelasse- nen Anwendungsgebiete möglich sein kann. Damit rückt das Gericht von sei- nen früheren Urteilen aus den Jahren 1999 und 2000 ab. Damals hatte es die Zulässigkeit der Verordnung außer- halb zugelassener Indikationsgebiete am Beispiel von Jomol und der so ge- nannten aktiv-spezifischen Immunthe- rapie zulasten der GKV generell ver- neint.

Folgende Bedingungen müssen bei einer Verordnung außerhalb zugelasse- ner Indikationsgebiete erfüllt sein:

❃Es handelt sich um eine schwerwie- gende lebensbedrohliche oder die Le- bensqualität auf Dauer nachhaltig be- einträchtigende Erkrankung, bei der

❃keine andere Therapie verfügbar ist, und

❃aufgrund der Datenlage die be- gründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Be- handlungserfolg – kurativ oder palliativ – zu erzielen ist.

Die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg definiert das Bun- dessozialgericht wie folgt:

Es müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indi- kation zugelassen werden kann. Dies ist der Fall, wenn

❃eine Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist,

❃die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase 3 veröf- fentlicht sind,

❃eine klinisch relevante Wirksam- keit, respektive ein klinisch relevanter Nutzen, unter vertretbaren Risiken be- legt ist,

❃außerhalb eines Zulassungsverfah- rens gewonnene Erkenntnisse veröf- fentlicht sind, die über die Qualität und die Wirksamkeit des Arzneimittels in den neuen Anwendungsgebieten zuver- lässige und wissenschaftlich nachprüf- bare Aussagen zulassen, aufgrund de- rer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne be- steht.

Pharmazeutische Unternehmer wer- den sich künftig bei beworbenen Indi- kationsausweitungen ihrer Präparate nicht mehr auf ein großzügiges Verord- nungsverhalten von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten verlassen können, um ihre Präparate auf dem begehrten GKV-Markt absetzen zu können. Häu- fig war es im Interesse der Patienten medizinisch geboten, dass die Ärzte- schaft anstelle der Pharmahersteller beim „off-label-use“ von Arzneimitteln die Produkthaftung übernahm. Das traf P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 16½½½½19. April 2002 AA1069

währung beziehungsweise die Vorteils- annahme durch außenstehende Dritte nach Schweizer Recht nicht strafbar.

Die Richtlinien für baden-württem- bergische Hochschulen und medizini- sche Einrichtungen schreiben vor, dass Anträge oder Angebote zur Bereitstel- lung von Drittmitteln über das Rekto- rat zu leiten sind. Dieses kann aller- dings Ausnahmen zulassen, in welchen Fällen darauf verzichtet werden kann.

Der Genehmigungs- oder Zuwen- dungsbescheid des Drittmittelgebers muss dem Rektorat oder einer von ihm beauftragten Stelle zugeleitet werden.

Das Angebot, Drittmittel zu zahlen, muss abgelehnt werden, wenn die An- nahme gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Dies kann der Fall sein, wenn andere Aufgaben der Universität be- einträchtigt werden, Rechte und Pflich- ten anderer Mitglieder der Universität oder Folgelasten nicht angemessen berücksichtigt werden. Die Einwer- bung von Drittmitteln müssen dem Rektorat oder der Drittmittelverwal- tung des Hochschulklinikums frühzeitig angezeigt werden (frühzeitige Verhand- lungen mit Drittmittelgebern). Vertrag- lich müssen der Name und die An- schrift des Drittmittelgebers fixiert wer- den. Bei Fördervereinen ist weitere Auskunft über die Wahrnehmung von Funktionen des Universitätsmitglieds im Förderverein und die Herkunft der Gelder zu offenbaren.

Insbesondere sind die Höhe, die Dauer und die Zweckbestimmung der eingeworbenen Mittel zu deklarieren, auch die Höhe der Folgekosten. Der Drittmittelgeber muss darüber infor- mieren, ob und inwieweit die Mittel di- rekt oder indirekt der öffentlichen Hand entstammen. Es dürfen keine weiteren Nebenabreden getroffen wer- den. Das Rektorat der Universität und die Drittmittelverwaltung können zu- sätzliche Erklärungen und Rechtsaus- künfte verlangen. Forschung mit Mit- teln Dritter, die im Privatkontenverfah- ren verwaltet werden, ist Dienstaufga- be. Gemeinnützige Fördervereine kön- nen Drittmittelgeber sein. Soweit diese Drittmittel oder sonstige Zuwendun- gen bereitstellen, gelten die Verwal- tungsvorschriften für die strikte Dritt- mittelbindung und Verwaltung unein- geschränkt. Dr. rer. pol. Harald Clade

„Off-Label-Use“

Urteil schafft Klarheit

Die Kassen dürfen Arzneimittel nur in zugelassenen Indikatio- nen erstatten, entschied das Bundessozialgericht. Ausnahme:

Es gibt bei lebensbedrohenden Erkrankungen keine Alternative.

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vor allem bei Kindern zu, bei denen der Prozentsatz von notwendigen Verord- nungen außerhalb zugelassener Indika- tionen hoch ist. Die Haftungsumkehr war im Falle des Auftretens von Arz- neimittelschäden von Bedeutung. So weigerte sich zum Beispiel ein Generi- ka-Hersteller eines pentoxifyllinhalti- gen Präparates, für sein Produkt zu haf- ten, da es in einer nicht zugelassenen In- dikation in einer Klinik angewendet wurde. Es handelte es sich dabei um die Therapie eines Hörsturzes mit In- fusionen von HES und Pentoxifyllin.

Nach gastrointestinalen Störungen und Thrombopenie trat beim Patienten ein Multiorganversagen mit letalem Aus- gang auf. Die Infusionslösungen Tren- tal®und Ralofekt®haben eine offizielle

Zulassung für diese Indikation, mehre- re Generika nicht.

Auch mit Blick auf drohende Arz- neimittelregresse scheint dieses Urteil künftig relevant zu sein. Wenn die ge- setzlichen Krankenkassen darauf ver- weisen, können sie bei Verordnungen von Präparaten außerhalb der zugelas- senen Indikationen finanzielle Forde- rungen an den Arzt stellen, insbesonde- re dann, wenn der Nutzen nicht nachge- wiesen ist und es Ausweichpräparate gibt. In diesen Fällen sollte der Arzt gute Argumente vorlegen, um derartige Verordnungen zu rechtfertigen.

Um künftig zeitlichen Aufwand und finanzielle Sanktionen zu vermeiden, sollten sich die Ärzte über die zugelas- senen Indikationen informieren. Der

offizielle Zulassungstext findet sich in den Fachinformationen zu einem Fertig- arzneimittel, die entweder kostenfrei beim jeweiligen Hersteller oder über den Fachinfo-Service beim Bundesver- band der Pharmazeutischen Industrie (Telefon: 0 75 25/94 01 36) erhältlich sind. Alternativ kann man kostenpflich- tig eine Fachinfo-CD bestellen, von der – bis auf wenige Ausnahmen – alle gül- tigen Fachinformationen leicht abruf- bar sind. Diese enthalten zusätzliche, für Ärzte wichtige Aussagen zu dem je- weiligen Präparat.

Plant der Arzt, von den offiziellen Zulassungsgebieten abzuweichen, soll- te er klären, aufgrund welcher Empfeh- lungen das Präparat eingesetzt werden soll. Wissenschaftlich fundierte Studi- energebnisse und Empfehlungen in Leitlinien wissenschaftlicher Fachge- sellschaften haben dabei einen höheren Stellenwert als ein so genannter Bin- nenkonsens von Vertretern alternativer Heilmethoden, vertrauliche Aussagen von Repräsentanten pharmazeutischer Unternehmen oder Werbeaussagen von so genannten Meinungsbildnern.

Bei leichten Erkrankungen und Be- findlichkeitsstörungen, die die Gesund- heit nur begrenzt beeinträchtigen, soll- ten die zugelassenen Indikationen eines Präparates genau beachtet werden.

Rechtlich ungeklärt bleibt, ob auch Zulassungsbeschränkungen in einem Indikationsgebiet erfasst sind. Da das Urteil in diesen Fällen sinngemäß ange- wendet werden kann, ist vor allem bei Innovationen Zurückhaltung bei einer freizügigen Verordnung geboten (Ta- belle).

Das Bundessozialgericht hat festge- stellt, dass ein Arzt auf eigene Verant- wortung ein auf dem Markt verfügbares Arzneimittel für eine Therapie einset- zen kann, für die es nicht zugelassen ist.

Die ärztliche Therapiefreiheit bleibt damit grundsätzlich erhalten, jedoch auch die erhöhte eigene Verantwortung für die Risiken und – bei Kassenpatien- ten – für die Kosten. Eine Verordnung außerhalb zugelassener Indikationsge- biete wird nur bei „schwerwiegenden Erkrankungen“ von den Kassen erstat- tet, ärztliche Therapieversuche zula- sten der GKV außerhalb dieser Defini- tion sind nicht mehr möglich.

Dr. med. Günter Hopf P O L I T I K

A

A1070 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 16½½½½19. April 2002

´TabelleCC´

a) Beispiele für Beschränkungen in einem Indikationsgebiet

Arzneistoff Handelspräparat Arzneistoffgruppe Zugelassene Indikation(en)

Acarbose Glucobay a-Glukosidasehemmer Zusatztherapie bei Diabetes mellitus in Verbindung mit Diät (und nicht wie z. B.

Miglitol, Diastabol®, auch mit Sulfonylharn- stoffen)

Beclaplermin Regranex Rekombinanter Tiefe, neuropathische, chronische, Wachstumsfaktor zur diabetische Ulzera ohne Wundinfektion Wundbehandlung bis max. 5 cm2Oberfläche

Entacapon Comtess Antiparkinsonmittel Nur in Kombination mit Levodopa/Carbidopa/

Benserazid

Etanercept Enbrel Tumornekrosefaktor- Rheumatoide Arthritis bei unzureichendem a-Inhibitor Ansprechen von MTX

Exemestan Aromasin Zytostatikum Progredientes Mammakarzinom unter Antiestrogenbehandlung

Levetiracetam Keppra Antiepileptikum Zusatzbehandlung partieller Anfälle (und nicht Monotherapie)

Rosiglitazon/ Avandia/Actos Glitazone, NIDDM Typ 2 mit ungenügender Blutzucker- Pioglitazon orale Antidiabetika kontrolle durch max. Dosen Metformin oder

Sulfonylharnstoffe

Topiramat Topamax Antiepileptikum Nur bei unzureichender Wirkung einer Standardtherapie mit einem oder mehreren Antiepileptika

b) Beispiele für Einschränkungen von Indikationsgebieten

Acebutolol Prent, Acebu- Betablocker Hypertonie, KHK, tachykarde Herzrhythmus- tolol Heumannn störungen (und nicht: Migräneprophylaxe) Botulinustoxin Botox, Dysport Toxin von Cl. Blepharospasmus, Torticollis, Spitzfuß bei botulinum Typ A Spastizität (und nicht: bei Hyperhidrosis,

zur Faltenglättung)

Etidronsäure Etidronat 200 Bisphosphonat Morbus Paget (und nicht: post-menopausale

Jenapharm Osteoporose)

Imidapril Tanatril ACE-Hemmer Hypertonie (und nicht: linksventrikuläre Dysfunktion)

Lecarnidipin Carmen, Corifeo Kalziumantagonist Leichte bis mittelschwere Hypertonie (und nicht: stabile Angina pectoris)

Referenzen

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