Der Kläger leidet an multi- pler Sklerose. Seit 1997 wird er unter anderem mit Im- munglobulinen behandelt.Das entsprechende Arzneimittel Sandoglobulin ist durch das Paul-Ehrlich-Institut – Bun- desamt für Sera und Impfstof- fe – zugelassen. Die Zulas- sung bezieht sich aber auf andere Anwendungsgebiete.
Die Krankenkasse des Klä- gers hatte es daher stets abge- lehnt, die Behandlungskosten dafür zu tragen. Das Bun- dessozialgericht (BSG) gab ihr nun Recht.
Ansprüche sind beschränkt Der Anspruch eines Versi- cherten, die für seine Er- krankung benötigten Arznei- mittel bereitgestellt zu be- kommen, ist grundsätzlich eingeschränkt. Das Kranken- versicherungsrecht knüpft hier an das Arzneimittelrecht an, das für Fertigarzneimittel ei- ne staatliche Zulassung vor- schreibt und diese vom Nach- weis der Qualität, Wirksam- keit und Unbedenklichkeit des Medikaments abhängig macht.
Das sind dieselben Kriteri- en, an denen auch die Lei- stungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gemessen werden. Deshalb kann im Fall einer arzneimit- telrechtlichen Zulassung da- von ausgegangen werden, dass zugleich die Mindeststan- dards einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Arznei- mittelversorgung im Sinne des Krankenversicherungs- rechts erfüllt sind.
Durch diese Vorschriften wird Ärzten jedoch eine zu- lassungsüberschreitende Ver- ordnung nicht verboten. In der medizinischen Diskussion besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass man in be- stimmten Versorgungsberei- chen und bei einzelnen Krank- heitsbildern nicht auf Medi- kamente verzichten kann, de- ren Einsatz die Zulassungs- grenzen überschreitet. Pati-
enten würde sonst eine dem Stand der medizinischen Er- kenntnisse entsprechende Be- handlung vorenthalten.
Wegen des Vorrangs des Arzneimittelrechts muss die- ser so genannte Off-Label- Use zulasten der GKV aber auf Fälle beschränkt bleiben, in denen einerseits ein unab- weisbarer und andererseits nicht zu befriedigender Be- darf an Arzneitherapie be- steht und die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenk- lichkeit der Behandlung hin- reichend belegt ist. Die Ver- ordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungs- gebiet kommt dem BSG zu- folge nur dann in Betracht, wenn>es um die Behandlung ei- ner schwerwiegenden (lebens- bedrohlichen oder die Le- bensqualität auf Dauer nach- haltig beeinträchtigenden) Er- krankung geht,
>keine andere Therapie verfügbar ist und
>aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht be- steht, dass mit dem betreffen- den Präparat ein Behand- lungserfolg (kurativ oder pal- liativ) erzielt werden kann.
Nötig: Forschungsergebnisse Damit Letzteres angenom- men werden kann, müssen Forschungsergebnisse vorlie- gen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die be- treffende Indikation zugelas- sen werden kann. Beim Klä- ger waren diese Vorausset- zungen aber nicht erfüllt.
Zwar gehört multiple Sklero- se zu den schweren Krankhei- ten, es fehlen aber hinrei- chend gesicherte Erkenntnis- se über die Wirksamkeit einer Behandlung mit Sandoglobu- lin. Das Bundessozialgericht hat daher die Revision zu- rückgewiesen. (Bundessozial- gericht, Urteil vom 19. März 2002, Az.: B I KR 37/00 R, sie- he dazu auch Deutsches Ärz- teblatt, Heft 16/2002) Be V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 821. Februar 2003 AA501
Off-Label-Use bleibt Ausnahme
Multiple-Sklerose-Patient verlor Prozess.
Rechtsreport