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Archiv "Drogenkongreß der Freien Demokraten: FDP für kontrollierte Abgabe von Heroin" (04.07.1997)

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D

ie derzeit praktizierte Dro- genpolitik verhindere nicht, daß es jährlich mehr als tau- send Drogentote zu beklagen gebe. Sie verhindere nicht, daß

„Menschen auf der Straße verelen- den und daß die Bevölkerung sich in bestimmten Stadtteilen wegen der Beschaffungskriminalität, wegen weggeworfener Spritzen und wegen des Straßenstrichs nicht mehr sicher fühlt“. Diese Ansicht vertritt die dro- genpolitische Sprecherin der FDP- Bundestagsfraktion, Sabine Leut- heusser-Schnarrenberger. Und damit steht sie in ihrer Partei nicht allein.

Auch der Parteivorsitzende, Dr.

Wolfgang Gerhardt, sprach sich auf einem Kongreß der Liberalen in Bonn für eine kontrollierte Abgabe von Heroin beziehungsweise Ersatz- drogen durch Ärzte zu Behand- lungs-, Überbrückungs- oder Ent- zugszwecken aus.

Leutheusser-Schnarrenberger forderte jedoch vordringlich ein diffe- renziertes Angebot an Suchtpräventi- on und an begleitenden und betreuen- den Maßnahmen, um das Leid der Drogensüchtigen zu lindern. Ein Leit- motiv der Liberalen sei „Therapie vor Strafe“. Das bedeute für die Politik, daß sie ein ausreichendes Angebot an Therapieplätzen zur Verfügung stel- len müsse. Niedrigschwellige Ange- bote seien dringend notwendig, um mit sozialtherapeutischen Mitteln Unterstützung zu leisten. Eine mögli- che Hilfe, die Einrichtung sogenann- ter Gesundheitsräume, in denen Süchtige zum Beispiel saubere Sprit- zen erhalten, sei nach dem geltenden

Betäubungsmittelgesetz rechtlich al- lerdings kaum zulässig.

Dabei sei es ein Gebot der Hu- manität und der ökonomischen Ver- nunft, Drogensüchtige nicht allein zu lassen. Ein wichtiger Hilfsansatz sei vor allem die Methadonsubstitution.

Rund 40 000 Drogenabhängige wür- den mit Ersatzstoffen wie Methadon oder Polamidon substituiert. Doch abgesehen davon, daß nicht jeder we- gen der damit verbundenen Bedin- gungen eine solche Substitution in Anspruch nehmen könne, sei auch nicht jeder dafür geeignet. Deshalb

gebe es den Vorschlag, unter be- stimmten Bedingungen Heroin an Schwerstabhängige abzugeben.

Ihre Einschätzung wurde grund- sätzlich von Dr. med. Ingo Flenker, Präsident der Ärztekammer West- falen-Lippe und Vorsitzender des Ausschusses „Sucht und Drogen“ der

Bundesärztekammer, geteilt. Flenker begrüßte es, daß die Anerkennung von Drogensucht als Krankheit sich immer mehr durchsetze und daß die Behandlungsmöglichkeiten durch Vielfalt gekennzeichnet seien. So werde die klassische Abstinenzthera- pei durch das „Aktzeptanzmodell“

ergänzt: „Akzeptanz heißt anerken- nen, daß im Einzelfall der Suchtkran- ke nicht oder noch nicht fähig und in der Lage ist, den Weg der Langzeit- therapie zu beschreiten, beziehungs- weise kurzfristig Abstinenz zu errei- chen.“

Oberstes Ziel sei zwar, so Flen- ker, die Drogenfreiheit. Es müßten aber außerdem Teilziele definiert werden. Solche Teilziele seien zum Beispiel Sicherung des Überlebens, physische und psychische Stabilisie- rung sowie die Entwicklung drogen- und auch methadonfreier Lebensper- spektiven. Eine kontrollierte Abgabe von Heroin unter ärztlicher Aufsicht hält der Kammerpräsident nur für sinnvoll bei „langjährig Drogenab- hängigen, die mehrfach in beiden Therapieformen (der Abstinenzthe- rapie und der Methadonsubstitution) gescheitert sind“.

Unterstützung erhielten die Li- beralen auch vom Bonner Polizeiprä- sidenten Dierk H. Schnitz- ler. Er wies darauf hin, daß es allein „im kleinen und recht friedlichen Bonn“ im vergangenen Jahr 19 Drogentote gege- ben habe. Bis März dieses Jahres seien es schon wie- der sieben Personen ge- wesen. Die Probleme mit

„immer mehr Polizeibe- amten oder immer mehr Vorschriften eindämmen zu wollen“ hält er für eine

„blauäugige Illusion“.

Die Schwerstabhängigen bräuchten den Stoff und ordneten ihm ihr ganzes Leben unter. In den Lie- feranten sehen sie, so Schnitzler, ihren Wohltäter, im Staat und seinen Insti- tutionen ihren größten Feind. „Wenn der Staat dem nahezu unansprechbar Abhängigen sein Suchtmittel kontrol- liert verabreicht, wird die verhängnis- volle Ellipse unterbrochen.“ Erst jetzt könne der Betroffene anfangen, sein A-1856 (24) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 27, 4. Juli 1997

P O L I T I K AKTUELL

Drogenkongreß der Freien Demokraten

FDP für kontrollierte Abgabe von Heroin

Für neuen Diskussionsstoff in der Koalition sorgte ein Vorstoß der Freien Demokraten. Sie forderten auf einem Kongreß mit dem Titel „Liberale Drogenpolitik – Wege aus der Sucht“ unter bestimmten Bedingungen eine kontrollierte Abgabe von Heroin unter ärztli- cher Aufsicht an Schwerstabhängige. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Edu- ard Lintner, wies diesen Vorschlag scharf zurück. Eine Legalisierung weicher Drogen sowie der Verkauf von Haschisch und Marihuana in Apotheken wird auch von der FDP abgelehnt.

Prävention, Therapie und unter Umständen auch die Abgabe von Hero- in unter ärztlicher Kontrolle fordern die Freien Demokraten. Die Ein- richtung von „Gesundheitsräumen“ ist ebenfalls im Gespräch. Foto: amw

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Leben sinnvoll zu ordnen. Weitaus zurückhaltender waren die Äußerun- gen zur Legalisierung sogenannter weicher Drogen. So sprach sich Ger- hardt zwar für eine Entkrimininalisie- rung von Konsumenten weicher Dro- gen aus, eine generelle Legalisierung lehnte er jedoch ab. Der Parteivorsit- zende glaubt, daß dadurch die Akzep- tanz der Drogen eher größer würde.

Leutheusser-Schnarrenberger be- zeichnete den Vorstoß von Schleswig- Holstein, Marihuana und Haschisch in Apotheken zu verkaufen, als wenig hilfreich. Sie erinnerte jedoch an das Bundesverfassungsgerichtsurteil, wo- nach Besitz, Erwerb und Einfuhr von kleineren Mengen Haschisch für den gelegentlichen Eigenverbrauch grundsätzlich nicht mehr bestraft wür- den. Was eine kleine Menge sei, wer- de jedoch nach wie vor nicht einheit- lich bewertet. Ihrer Ansicht nach soll- te der Verkauf von Haschisch bis zu zehn Gramm zum Eigengebrauch straffrei bleiben.

Der Referent für Drogenpolitik im niederländischen Gesundheitsmi- nisterium, Hans Roerink, wies darauf hin, daß die liberale Drogenpolitik in den Niederlanden nicht zu signifikant höheren Konsumziffern als in ande- ren Ländern geführt hat. Im Nachbar- land ist der Verkauf kleiner Mengen weicher Drogen in den sogenannten Coffeeshops zwar strafbar, wird in der Praxis aber nur dann geahndet, wenn der Betreiber oder der Inhaber gegen bestimmte Grundsätze verstößt, er- läuterte Roerink. So dürfen höchstens fünf Gramm weicher Drogen an über 18jährige verkauft werden. Roerink räumte jedoch ein, daß es infolge der Coffeeshops zu Störungen der öffent- lichen Ordnung gekommen sei. Daher habe die niederländische Regierung beschlossen, die Kontrolle über die Coffeeshops zu verschärfen.

Kritik an einer solchen liberalen Drogenpolitik und an den Vorstößen der Freien Demokraten übten der Drogenbeauftragte der Bundesregie- rung, Eduard Lintner (CSU), und der CSU-Generalsekretär, Gerd Protz- ner. Protzner meinte, Staat und Ge- sellschaft dürften sich nicht als Dealer betätigen: „Heroin auf Kranken- schein – das hat der Bundesrepublik gerade noch gefehlt.“

Gisela Klinkhammer

A-1857

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 27, 4. Juli 1997 (25)

Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“

Gemeinsame Strategie

Die Bundesministerien für Gesundheit sowie Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit er- arbeiten ein Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“. Damit setzen sie einen im Jahr 1994 in Helsinski gefaßten Beschluß der „Zweiten Europäischen Konferenz Umwelt und Ge- sundheit“ um. Horst Seehofer und Angela Merkel stellten ihr Konzept Ende Mai in Bonn vor.

U

mweltbedingte Gesundheits- risiken beschäftigen immer wieder Öffentlichkeit, Politik und Medien. Die Folge: Be- gründete, aber auch unbegründete Ängste und Befürchtungen verunsi- chern die Bevölkerung. Die Ursache dafür liege in der noch unzureichen- den Quantifizierbarkeit von Umwelt- einflüssen, heißt es im Aktionspro- gramm „Umwelt und Gesundheit“, mit dem Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer und Bundesumwelt- ministerin Angela Merkel Defizite und Probleme an der Schnittstelle von Umwelt- und Gesundheitsschutz angehen wollen.

Selbst einleuchtende Vermutun- gen über Zusammenhänge zwischen Umweltbelastungen und der Entste- hung von Krankheiten könnten sich als falsch erweisen – beispielsweise die Annahme, daß die Zunahme all- ergischer Erkrankungen in Deutsch- land in erster Linie durch Umweltver- schmutzung bedingt sei. Denn Unter- suchungen hätten gezeigt, daß allergi- sche Erkrankungen in den neuen Bundesländern trotz stärkerer Au- ßenluftverschmutzung weniger häufig auftreten.

Umweltmedizin weiterentwickeln Das Aktionsprogramm sieht vor, die Umweltmedizin wissenschaftlich weiterzuentwickeln. Diagnose- und Therapieverfahren müßten auf der Basis gesicherter Erkenntnisse einge- setzt werden. In dem noch jungen me- dizinischen Fach würden bereits zahl- reiche Verfahren angeboten, „die auf unbewiesenen oder zweifelhaften Theorien beruhen, gleichwohl aber erhebliche Kosten verursachen“.

Aufeinander abgestimmte Dokumen- tations- und Informationssysteme sol- len etabliert werden – als Vorausset- zung für die praktische Arbeit des umweltmedizinisch tätigen Arztes.

Angestrebt wird zudem eine en- gere Kooperation zwischen Politik und den zuständigen wissenschaftli- chen Bundesbehörden. An einer be- reits gebildeten Projektgruppe sind neben den beiden Ministerien das Umweltbundesamt, das Bundesinsti- tut für gesundheitlichen Verbraucher- schutz und Veterinärmedizin sowie das Robert-Koch-Institut beteiligt.

Sie arbeiten das Aktionsprogramm aus. Als Grundlage für ihre Arbeit er- stellen sie eine Dokumentation „Um- welt und Gesundheit“ zu den The- men: Umwelteinflüsse und Gesund- heit, Umweltmedizin, Risikobewer- tung und Risikokommunikation.

Geplant ist darüber hinaus, einen interdisziplinären Expertenkreis zu berufen, der die Schwerpunkte des Aktionsprogramms evaluieren soll.

Einbezogen werden Vertreter aus den Bereichen Umweltmedizin, Toxikolo- gie, Epidemiologie, Öffentlicher Ge- sundheitsdienst, Psychologie, Rechts- wissenschaft und Medien. Ferner soll eine bundesweite Gesundheits- und Umwelterhebung initiiert werden.

Auf einem internationalen Tref- fen will man zusammen mit der Welt- gesundheitsorganisation (WHO) über den Aufbau elektronischer In- formationssysteme für Umwelt und Gesundheit sowie Möglichkeiten ih- rer internationalen Vernetzung bera- ten. Im Robert-Koch-Institut soll ein WHO-Kooperationszentrum zur In- formation über umweltbezogene Ge- sundheitsfragen errichtet werden.

Die Bonner Ministerien planen, das Aktionsprogramm bis zum Frühjahr 1998 vorzulegen. Dr. Sabine Glöser

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