Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 41|
9. Oktober 2009 A 1997 MEDIZINISCHE REHABILITATIONVon Krise bislang keine Spur
Der Aufwärtstrend bei den Rehabehandlungen zulasten der gesetzlichen
Rentenversicherung hat sich 2008 fortgesetzt. Und auch im ersten Halbjahr 2009 blieb die Zahl der Anträge und Bewilligungen stabil – trotz der Wirtschaftskrise.
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ehabilitation ist in erster Linie vom medizinischen Bedarf abhängig. Doch bei der Inanspruch- nahme spielt ebenfalls die Konjunk- tur eine Rolle. Denn wer in einem sicheren Beschäftigungsverhältnis steht, stellt vermutlich eher einen Rehaantrag als ein gesundheitlich eingeschränkter Arbeitnehmer, der Angst um seinen Job hat. Dass die medizinische Rehabilitation seit 2006 einen Zuwachs erlebt hat, ist daher auch im Zusammenhang mit der gu- ten wirtschaftliche Lage in den ver- gangenen Jahren zu sehen.Dieser Aufwärtstrend hat sich 2008 erneut fortgesetzt: Die Zahl der Rehabehandlungen zulasten der ge- setzlichen Rentenversicherung ist weiter gestiegen. Rund 1,59 Millio- nen Anträge wurden gestellt, etwa 1,06 Millionen bewilligt (Grafik 1).
Die Rentenversicherungsträger ga- ben im vergangenen Jahr 3,98 Mil- liarden Euro für medizinische Reha - bilitation aus (2007: 3,77 Milliar- den). Und auch im ersten Halbjahr 2009 blieb die Zahl der Rehabilita - tionsleistungen stabil – trotz der Wirtschaftskrise. Hier standen circa 869 000 Anträge rund 568 000 Be- willigungen gegenüber. Das ent- spricht einem leichten Zuwachs um
0,8 beziehungsweise 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Eigentlich hatte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) für das erste Halbjahr dieses Jahres auf- grund der nachlassenden Wirt- schaftskraft mit einem Rückgang ge- rechnet. „Die stabile Inanspruchnah- me kam für uns eher unerwartet“, er- klärte Dr. med. Christiane Korsuké- witz, Leiterin des Geschäftsbereichs Sozialmedizin und Rehabilitation der DRV Bund, dem Deutschen Ärzteblatt. Die Interpretation der bisher vorliegenden Zahlen aus dem
Jahr 2009 ist aus ihrer Sicht schwie- rig. Möglicherweise sei durch die Regelungen zur Kurzarbeit die Ar- beitsplatzunsicherheit noch nicht so groß gewesen wie erwartet.
Grundsätzlich ist die steigende beziehungsweise stabile Zahl der Anträge nach Einschätzung von Korsukéwitz ein Beleg für die wachsende Akzeptanz medizini- scher Rehabilitation. Dass sich die DRV seit Jahren für eine evidenzba- sierte, qualitätsgesicherte und wirt- schaftliche Rehabilitation einsetze, wirke sich positiv aus. Zugleich steige aber auch der Rehabedarf.
Dafür nennt Korsukéwitz drei we- sentliche Gründe: die Erfolge in der
Akutmedizin, die längere Lebensar- beitszeit und aktuell auch die ge- burtenstarken Jahrgänge. Viele Re- haanträge stammten aus den Jahr- gängen der Baby-Boomer, also von Versicherten, die im Zeitraum von 1955 bis 1965 geboren wurden.
Nicht nur der zunehmende Reha- bilitationsbedarf war ein Trend der vergangenen Jahre. Immer mehr Leistungen wurden als Anschluss- rehabilitation (AHB) erbracht, die ambulante Reha legte kontinuier- lich zu. Der AHB-Anteil blieb 2008 nun aber stabil bei 29,3 Prozent
(2007: 29,7 Prozent, Grafik 2). 10,6 Prozent der Rehabilitationsleistun- gen zulasten der gesetzlichen Ren- tenversicherung wurden im vergan- genen Jahr ambulant erbracht (2007: 10,2 Prozent). Die Zuwachs- raten sind bei der ambulanten Reha also nicht mehr so deutlich wie in den vergangenen Jahren. Allerdings spielen in diesem Bereich die Indi- kation und regionale Unterschiede eine große Rolle. Für die Orthopä- die liegt der DRVzufolge der Anteil in Ballungsräumen bereits heute bei bis zu 30 Prozent. „Wir gehen hier von einer gewissen Sättigung aus“,
sagte Korsukéwitz. ■
Dr. med. Birgit Hibbeler