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Archiv "Medizinische Rehabilitation: Arbeitswelt wird zum Kernthema" (15.11.2013)

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A 2196 Deutsches Ärzteblatt

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15. November 2013 TABELLE

Stufenmodell der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation

*100 % = alle DRV-Rehabilitanden; Quelle: DRV-Anforderungsprofil, 2012 Stufe

ABeruflich orientierte Basisangebote

BStufe A plus MBOR-Kern - angebote

CStufe B plus spezifische Angebote

Angebote

– berufsbezogenes Screening – berufsbezogene Diagnostikbausteine – sozialrechtliche Information/Motivierung – einzelne niederschwellige Leistungen

(z. B. ergonomische Schulung) – vertiefte berufsbezogene Diagnostik – erwerbsorientierte Sozialberatung – berufsbezogene Gruppen – Arbeitsplatztraining

– Belastungserprobung intern, extern

Anteil* 100 %

bis zu 30 %

(Rehamittelwert Somatik mit indi- kationsspzezifi- scher Streuung/

Anteil in der Or- thopädie)

in Einzel- fällen

MEDIZINISCHE REHABILITATION

Arbeitswelt wird zum Kernthema

Die Deutsche Rentenversicherung will das Angebot der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation flächendeckend etablieren. Eine Studie in

ausgewählten orthopädischen Kliniken hat dazu wesentliche Eckdaten geliefert.

D

ie Pläne nehmen konkrete Formen an: Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) wird ih- re medizinischen Rehabilitations- leistungen künftig verstärkt auf die berufliche Teilhabe ausrichten. Da- bei sollen sich beruflich orientierte Basisangebote an alle erwerbsfähi- gen Rehabilitanden richten. Ein er- heblicher Anteil von ihnen benötigt nach den Erkenntnissen der DRV jedoch weitergehende Maßnahmen.

Daher wurde ein Stufenmodell für die Medizinisch-beruflich orientier- te Rehabilitation (MBOR) entwi- ckelt (Tabelle).

Die Behandlung bei „besonderen beruflichen Problemlagen“ (BBPL) soll flächendeckend über MBOR- Schwerpunkteinrichtungen gesteu- ert werden. In der Orthopädie, die in der DRV-Planung und Umset- zung den Anfang macht, hat frühe- ren Studien zufolge etwa jeder drit- te Rehabilitand mit BBPL zu kämp- fen. Es handelt sich um Personen,

„die spezifischer Angebote bedür- fen, um den bisherigen oder einen angestrebten Arbeitsplatz einneh- men zu können“, heißt es in einem

Anforderungsprofil, in dem die DRV das Gesamtkonzept mit vier

„Kernangeboten“ für die MBOR- Stufe B vorstellt (Kasten).

Auf die Rehaberufsgruppen kommen mit der MBOR erweiterte fachliche und kommunikative Auf- gaben zu. Im DRV-Konzept werden die BBPL vor allem mit drei Indika- toren abgebildet: dass die Patienten erst nach langer oder wiederholter Arbeitsunfähigkeit oder arbeitslos in die Rehabilitation kommen, dass sie Zweifel an ihrer künftigen Leis- tungsfähigkeit bis hin zum Renten- wunsch äußern oder auch vor sozi- almedizinisch angezeigten Verän- derungen im Arbeitsleben stehen.

Die Probleme träten dabei in der Regel kumulativ auf.

Rehaforscher haben dies in einer Studie zum „MBOR-Management“

bestätigt. Dabei untersuchten Wis- senschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover und der Juli- us-Maximilians-Universität Würz- burg an sieben ausgewählten Reha- kliniken mit MBOR-Programm, inwieweit diese die DRV-Vorgaben bereits umsetzten und welche Maß-

gaben sich für einen flächendecken- den Ausbau eignen. Die Forscher führten qualitative Interviews und Fokusgruppen mit Rehateams durch, werteten Arztberichte sowie Betriebsdaten aus und befragten 614 Patienten mit Bandscheiben- schäden und Schmerzsyndromen (ICD M 50–54). Von ihnen erhiel- ten 375 ein berufsorientiertes Set- ting, die übrigen eine reguläre or- thopädische Rehabilitation.

Die befragten Kliniker beschrie- ben die MBOR-Patienten als ver- gleichsweise „schwieriger“ und

„stärker beeinträchtigt auf den un- terschiedlichsten Ebenen“. Es han- dele sich um eine „extrem inhomo- gene Patientengruppe“, die in Sub- gruppen zu unterscheiden sei. Die Problematik liege teilweise mehr

„im psychosozialen Bereich“, kön- ne aber auch „rein körperlich sein“.

Quantitative Erhebungen in der Studie stützen dies, insofern „insbe- sondere körperliche Arbeitsschwere und berufliche Gratifikationskrisen mit MBOR-Bedarf verbundene Ri- sikofaktoren“ darstellten, wie es im Abschlussbericht heißt.

Um die vielschichtige Problema- tik aufzuschlüsseln, steht ein breites Spektrum standardisierter Instru- mente einer berufsbezogenen Dia - gnostik zur Verfügung. Dazu zählen etwa die Evaluation der funktionel- len Leistungsfähigkeit nach Isern- hagen und Fragebögen, die die see- lische Beanspruchung, das Gleich- gewicht zwischen Arbeitseinsatz und Belohnung und die subjektive Erwerbsprognose erfassen – zum Beispiel der Fragebogen zum ar- beitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster. Das berufliche Anforderungs- und Leistungspro- fil werden sodann verglichen. Da- bei sollen Ärzte, Psychologen, Er- go- und Sport- oder Physiothera-

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15. November 2013 peuten und Sozialarbeiter zusam-

menwirken.

Von den Kliniken der MBOR- Studie führten allerdings erst zwei der sieben Häuser eine ausgiebige multidisziplinäre Diagnostik durch.

Die oft „minimale“ Diagnostik wurde mit dem Zeitaufwand und Mangel an Personal begründet. Tat- sächlich haben die Wissenschaftler gut dreieinhalb Stunden als Min- destbedarf für eine adäquate Dia - gnostik errechnet. Um die berufli- che Situation eines Rehabilitanden zu erfassen, fehle es den Kliniken jedoch auch an „objektiven Arbeits- platzbeschreibungen, für deren Be- schaffung sie Hilfestellung benöti- gen“, gibt das Forscherteam zu be- denken. Im Anforderungsprofil der DRV wird der direkte Kontakt zum Arbeitgeber oder dem Betriebs- oder Werksarzt empfohlen.

Für die grundlegende Identifizie- rung von Patienten mit BBPL för- derte die Studie dagegen eine Er- folgsmeldung zutage. So bestätigte sich die Zielgenauigkeit von Kurz- fragebögen zu den BBPL-Kriterien.

Unabhängig davon, ob sie im An- tragsverfahren oder erst zu Reha- beginn eingesetzt wurden, hatten betroffene Patienten so „eine höhe- re Chance auf Zuweisung in die MBOR als in screeningunabhängi- ge Verfahren“, berichtete Dr. phil.

Silke Neuderth aus der Projektlei- tung der MBOR-Studie auf dem

Rehawissenschaftlichen Kolloqui - um in Mainz.

Den Umfang von Sozialberatung und berufsbezogenen, vielfach psy- choedukativen Gruppen leisteten die Projektkliniken wie vorgesehen, womit allerdings noch keine Aussa- ge über die bedarfsgerechte inhaltli- che Zuweisung getroffen werden kann. Das „Praxishandbuch Ar- beits- und berufsbezogene Orientie- rung in der medizinischen Rehabili- tation“ führt allein zwölf mögliche Themengebiete – und zahlreiche Praxisbeispiele mit Ansprechpart- nern in den Kliniken – auf, die von Stressbewältigung und Arbeitsmo- tivation über soziale Konflikte und Traumatisierung bis zu Fragen der beruflichen Identität reichen.

Klaren Nachholbedarf stellt die Studie beim Arbeitsplatztraining fest. Wo intensive Trainings an nachgestellten Arbeitsplätzen statt- fanden, beschrieben die Therapeu- ten die Simulationen als sehr moti- vierend für die Patienten. Für Büro- und PC-Arbeitsplätze fehle es je- doch oft an attraktiven Übungen.

Obgleich sich berufstypische Leis- tungsanforderungen vielfach auch mit Trainingsgeräten üben lassen, geht der Trend in Richtung nachge- stellter Arbeitsplätze. Hier werden Investitionen getätigt, etwa von den DRV-Regionalträgern Braun- schweig-Hannover und Westfalen, die ihre Ressourcen mit einem privaten Anbieter bündeln und für drei Kliniken einen gemeinsamem

„Workpark“ einrichten. „In der Ko- operation verbinden sich orthopä- disch-traumatologisches, rheumato- logisches, psychosomatisches und internistisches Know-how“, sagt

Prof. Dr. med. Bernhard Greite- mann, Ärztlicher Direktor der am Projekt beteiligten Klinik Münster- land, Bad Rothenfelde. Auch wol- len die Kliniken mit Berufsförde- rungswerken und dem Gesund- heitsmanagement von Betrieben zusammenarbeiten.

Eine besondere Herausforderung ist die Zusammenarbeit in den mul- timodalen Programmen. „Die Ab- läufe in einer Rehaklinik müssen sich in Richtung einer berufsgrup- penübergreifenden Kommunikation verändern“, sagt Jürgen Rodewald, DRV Braunschweig-Hannover. Idea - lerweise sollen die MBOR-Kon- zepte „in gleichberechtigter Aus- führung“ der Berufsgruppen umge- setzt werden. Neben hierarchischen und fachlichen Hürden gibt es auch zeitliche Anforderungen. Für Team- besprechungen werden beispiels- weise in der MBOR-Studie pro Re- habilitation 42 Minuten veran- schlagt. Dabei ist der Zeitaufwand von sieben Behandlern (zwei Ärzte, ein Psychologe, drei Physiothera- peuten und ein Sozialarbeiter) ein- gerechnet. Die Forscher haben fer- ner für eine MBOR je nach organi- satorischer Ausgestaltung, Fallzah- len, Gruppengrößen und Ausmaß der Individualisierung einen zusätz- lichen Zeitaufwand von acht Stun- den und mehr pro Patient in einer Rehabilitation errechnet. Das wür- de einen höheren Personalbedarf verursachen.

Organisatorische Varianten be- einflussen die Arbeit: Die Kernan- gebote werden teilweise wie im Klassenverband mit festem Team oder eher kursähnlich mit individu- ell kombinierbaren Modulen ange- boten. Überwiegend durchzieht die MBOR die Reha von Anfang an, kann aber auch komprimiert erfol- gen. Inwieweit MBOR auch in die Anschluss-Rehabilitation routine- mäßig Eingang finden soll, wird von DRV Bund und den einzelnen Regionalträgern unterschiedlich ge- sehen und gehandhabt. Im Tauzie- hen um die Vergütung werden Zu- schläge auf die Tagessätze oder eine verlängerte Rehadauer diskutiert.

Fazit: Ohne zusätzliche Ressourcen ist MBOR nicht machbar.

Leonie von Manteuffel Die Medizinisch-berufliche orientierte Rehabilitation

(MBOR) sieht vier Kernangebote vor (Stufe B). Diese haben einen variablen Zeitrahmen pro Rehabilitation. Die Renten- versicherung geht davon aus, dass nicht alle Rehabilitan- den mit „besonderen beruflichen Problemlagen“ die Ange- bote in gleicher Weise benötigen. Die Prozentzahl in Klam- mern gibt den angenommenen Anteil der Patienten an.

Berufsbezogene Diagnostik (100 Prozent): ein bis zwei Termine von mindestens 90 Minuten

Erwerbsorientierte Sozialberatung (100 Prozent): zwei bis fünf Termine von 15 bis 60 Minuten

Berufsbezogene Gruppen (je nach Indikation 25 bis 75 Prozent): vier bis zehn Termine von mindestens 45 Minuten

Arbeitsplatztraining (je nach Indikation und Berufsgrup- pe 50 bis 80 Prozent): sechs bis zehn Termine von mindes- tens 60 Minuten. Quelle: DRV Anforderungsprofil, 2012

MBOR-KERNANGEBOTE

Das Arbeitsplatz- training unter phy- siotherapeutischer Anleitung kann den Rehabilitanden hel- fen, ins Erwerbsleben zurückzukehren.

Foto: Dengg Kliniken, Bad Rothenfelde

T H E M E N D E R Z E I T

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