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Archiv "Medizinische Rehabilitation: Auf dem Weg zu Reha-DRG" (01.10.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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1. Oktober 2010 A 1851

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ereits seit mehr als 20 Jah- ren sind sie international etabliert. In Deutschland haben sie vor rund zehn Jahren ihren Einzug in die Krankenhausversorgung be- gonnen: Die Rede ist von Diagno- sis Re lated Groups (DRGs). Aus- gangspunkt für die Einführung in den deutschen Akutkrankenhäusern war eine politische Entscheidung.

Man importierte die australischen DRGs, die in der Folge an die Verhältnisse hierzulande ange- passt wurden. So entstanden die German Diagnosis Related Groups (G-DRGs).

Anders in der medizinischen Rehabilitation: Hier gibt es nach wie vor keine einheitliche politi- sche Willensbildung zur Einfüh- rung einer fallpauschalierten Be- zahlung. Vergütet wird im Reha- sektor nach wie vor nach tages- gleichen Pflegesätzen pro Behand- lungstag. Den Tagessatz handeln

Kostenträger und Rehaeinrichtun- gen individuell aus. Allerdings wird in Deutschland seit Jahren darüber diskutiert, ob eine Vergü- tung nach Fallpauschalen auch für die Rehabilitation sinnvoll wäre und wenn ja, wie diese aussehen könnten.

Erbrachte Leistungen angemessen abbilden

Dabei war man sich relativ schnell einig, dass es in der Rehabilitation nicht sinnvoll ist, ein System aus einem anderen Versorgungskontext zu importieren. Denn das deutsche Rehaversorgungssystem weist viele Besonderheiten auf. Außerdem sind die meisten im Ausland entwickel- ten Klassifikationsansätze für den Rehasektor nicht ausgereift. US- amerikanische Verfahren weisen ei- ne nur geringere Differenzierung der Behandlungsorganisation und -qualität auf. Damit entsprechen sie

nicht den Anforderungen der WHO- Klassifikation der „Funktionsfähig- keit, Behinderung und Gesundheit“.

Das betrifft vor allem den bio - psychosozialen oder ganzheitlichen Ansatz, der die Rehabilitation in Deutschland auszeichnet. Um den Versorgungsauftrag der Rehabilita- tion in Deutschland angemessen ab- zubilden, musste also ein eigenstän- diges System entwickelt werden.

Vor diesem Hintergrund haben in der medizinischen Rehabilitation seit Mitte der 90er Jahre For- schungs- und Entwicklungsarbeiten für Fallgruppierungssysteme begon- nen. Bei den bisher entwickelten Modellen handelt es sich im Wesent- lichen um zwei unterschiedliche An- sätze: zum einen um das Modell der Rehabilitations-Behandlungs- Gruppen (RBG; Institut für Gesund- heitsökonomik München) und zum anderen um die Rehabilitanden- Management-Kategorien (RMK;

MEDIZINISCHE REHABILITATION

Auf dem Weg zu Reha-DRG

Wie könnte eine leistungsgerechte Vergütung im Rehabilitationssektor aussehen? Die Rehabilitanden-Management-Kategorien

sind ein vielversprechender Ansatz bei der Suche nach Lösungen.

Foto: iStockphoto

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1. Oktober 2010 Charité – Universitätsmedizin Ber-

lin). Anders als bei den G-DRGs sind die Impulse hierzu nicht vom Gesetzgeber ausgegangen, sondern von den Leistungserbringern – also Rehabilitationseinrichtungen – und Kostenträgern. So entstanden die RMK vor allem mit Unterstützung der Deutschen Rentenversicherung Bund, Westfalen und Bayern Süd.

Fallgruppierung nach dem Rehabedarf

Während die Gruppierung nach dem RGB-Ansatz – vergleichbar mit dem DRG-Prinzip – vorrangig nach dem Kriterium der Kostenhomogenität er- folgt, ist das Gruppierungspostulat bei den RMK die Homogenität von Behandlungsbedarf und Leistung.

Weiterhin unterscheiden sich die Mo- delle auch durch die Reichweite der Anwendungsmöglichkeiten: RBG sind auf der Basis regionaler Klinik- daten im Kontext von Krankenversi- cherung und Anschlussrehabilitation entstanden. Die RMK basieren auf einem bundesweiten und trägerunab- hängigen Datenmodell, allerdings derzeit mit primären Bezügen der Ergebnisse zu den Rehabilitations- leistungen der Rentenversicherung.

Was sind RMK? Das Modell wurde am Lehrstuhl „Versorgungs- systemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der Reha- bilitation“ an der Charité entwi- ckelt. Wesentliches Charakteristi- kum der RMK ist die Fallgruppie- rung nach dem Behandlungsbedarf.

Die Einordnung folgt dabei einem hierarchischen Schema, das auch eine definierte Schnittstelle zu etablierten Klassifikationssystemen wie der International Classification of Diseases beziehungsweise den G-DRGs beinhaltet. Ausgehend von den in der Reha üblichen Hauptindikationsgruppen unterschei - det man klinisch relevante Diagno- segruppen. Diese Gruppen werden dann weiter nach dem Behand- lungsbedarf differenziert. Hier liegt die eigentliche Neuerung: Eine Einteilung nach dem rehabilitati- onsspezifischen Schweregrad gab es bisher nicht. Für die Bedarfs- messung wurden spezielle indikati- onsspezifische Instrumente entwi- ckelt: die RMK-Assessments.

Bisher liegen RMK-Assessments für die orthopädische und die Sucht - rehabilitation vor. Die Assessments wurden unter Rückgriff auf etab- lierte Instrumente entwickelt, ge - testet und in Studienkliniken im - plementiert . Sie sind als Patienten- fragebogen konzipiert. Mit den RMK-Assessments stehen erstmals bundesweit einsetzbare und kon- sentierte Instrumente zur Verfügung, die eine differenzielle Bedarfsmes- sung in den drei reharelevanten Dimensionen – der somatischen, psychischen und sozialen Beein- trächtigung – ermöglichen.

Zur Identifizierung der Fallgrup- pen wurden dabei neben den RMK- Assessmentdaten auch Daten aus der Routinedokumenta tion in den Rehakliniken be ziehungsweise beim Rehaträger ausgewertet. Dazu ge- hören un ter anderem Diagnosen und nach der „Klassifikation the - rapeutischer Leistungen“ der Deut- schen Rentenversicherung verschlüs - selte Leistungen. Weiter wurden die RMK theoretisch begründet, zum Beispiel durch evidenzbasierte Er- kenntnisse und Leitlinien. Die je- weiligen Ergebnisse wurden schließ - lich durch Experten klinisch vali- diert und konsentiert.

Auf diesem Wege konnten bei- spielsweise für die Hauptindikations- gruppe „Muskuloskelettale Krank- heiten“ (MSK) vier Bedarfsgrup- pen für „Rückenpatienten“ und jeweils zwei Gruppen für „Knie - patienten“ beziehungsweise „Hüft- patienten“ definiert werden. Die Gruppen unterscheiden sich statis- tisch signifikant. Sie zeigen hin- sichtlich der somatischen, psy- chischen und sozialen Beeinträchti- gung abgestufte Schweregrade. Für die Anwendung steht eine RMK- Software zur Verfügung. Imple- mentationstests haben gezeigt, dass die Instrumente im klinischen Ein- satz praktikabel sind.

Assessment als Grundlage für eine optimale Behandlung

Auf Basis der indikationsspezifi- schen RMK-Assessments, die für den Einsatz in Rehaeinrichtungen konzipiert sind, wurden auch Kurz- instrumente für das RMK-Scree- ning im Rehaantragsverfahren ent- wickelt – hier für die orthopädische und die Suchtrehabilitation. Die Screenings sollen perspektivisch eine Vorabschätzung der Bedarfs- gruppenzuordnung durch den Kos- tenträger ermöglichen und die Zu- weisungssteuerung unterstützen.

Die RMK-Screening-Assessments werden zurzeit getestet.

Noch nicht praktisch getestet ist bislang ein weiterer Bestandteil der RMK, nämlich die Orientierungs- werte für die therapeutischen Leis- tungen. Sie wurden, bei der Ortho- pädie, und werden, bei der Sucht - rehabilitation, zurzeit in einem mehrstufigen expertenbasierten Kon- sentierungsverfahren festgelegt, wo- bei sowohl empirische Ergebnisse zu den derzeit applizierten Thera- piezeiten als auch evidenzbasierte Erkenntnisse berücksichtigt werden.

Welche Erwartungen können an den Nutzen der RMK gestellt wer- den? RMK schließen mit der Ein- führung des RMK-Assessments zu- nächst eine jahrzehntealte Lücke:

Sie führen zu größerer und bes ser reproduzierbarer diagnostischer Trans parenz, wenn der Bedarf von Rehabilitanden ermittelt wird. Da- mit eröffnen sich auch Möglichkei- ten der Leistungs- und Prozessopti- Die Rehabilitanden-Management-Kategorien (RMK) diffe-

renzieren nach dem Behandlungsbedarf:

RMK-Bedarfsgruppierung

Hauptindikationsgruppen (Major Categories, zum Bei- spiel „Muskuloskelettale Krankheiten“, MSK)

Indikationsgruppen (Basis Categories, zum Beispiel

„Chronischer Rückenschmerz“, CR)

Reharelevanter Schweregrad der Beeinträchtigung (somatische, psychische und soziale Dimension):

Erhebung mit RMK-Assessment, bisher entwickelt für orthopädische Rehabilitation und Suchtreha Behandlungsanforderungen

Therapeutische Leistungen

(Art, Menge, RMK-Therapieorientierungswerte)

Diagnostik

Medikation

Ärztliche Leistungen

Pflege

RMK-Bedarfsgruppierung + Behandlungsanforderung = RMK-Code (zum Beispiel MSK-CR1)

DEFINITION DER RMK

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1. Oktober 2010 mierung – sowohl in den Rehaein-

richtungen selbst als auch in der Zuweisungssteuerung.

Aus Sicht der Kostenträger unter- stützen die RMK eine stärker be- darfsbezogene und aufwandsange- passte Verteilung von Patienten (und Geldern) auf Kliniken. Der „richtige Patient in der richtigen Klinik“ ver- spricht letztlich auch eine höhere Bedarfsgerechtigkeit und damit eine höhere Patientenzufriedenheit. RMK führen damit „indirekt“ zu mehr Leistungsgerechtigkeit bereits zu ei- nem Zeitpunkt, zu dem die Kosten- bewertung eigentlich noch offen ist.

Anders als bei den DRGs folgt sie bei den RMK erst im letzten Schritt der primären Gruppierung von Reha- bilitanden nach dem Behandlungs - bedarf. Erste Modellergebnisse zur ökonomischen Bewertung der RMK zeigen allerdings auch, dass die be- darfsbezogene Differenzierung von Rehabilitanden auch Unterscheidun- gen in der Finanzierung ermöglicht.

Mit den RMK liegt damit nach nunmehr zehn Jahren Entwick- lungszeit ein Modell vor, das in der Lage ist, die Spezifik des deutschen Rehasystems angemessen abzubil- den und perspektivisch wichtige Entwicklungsfunktionen – wie Fall- und Zuweisungssteuerung, Leis- tungstransparenz und Qualitätssi- cherung – zu unterstützen. Diese umfassenden Anforderungen wer- den bisher weder im G-DRG-Sys- tem noch in alternativen rehanahen Konstrukten abgebildet.

Sind wir also auf dem Weg zu

„Reha-DRG“? Diese Frage lässt sich nicht mit einem einfachen Ja beantworten. Doch aus rehabilitati- onswissenschaftlicher Sicht sollte die Zukunft eindeutig bei einer fall- gruppenbezogenen Steuerung von Leistungs- und Finanzierungspro- zessen liegen. Entscheidend für den Erfolg sind dabei die Prinzipien der Fallgruppierung: Sie sollten auf den Bedarf der Patienten ausgerichtet sein, Leistung und Qualität in den Mittelpunkt stellen. Die RMK er- füllen diese Anforderungen. ■ Dr. phil. Karla Spyra Charité – Universitätsmedizin Berlin

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Weitere Informationen unter www.

reha-vqs.charite.de

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pätestens seit den Arzneimit- telskandalen um Lipobay im Jahr 2001 oder dem Stopp von Vioxx 2004 ist der Öffentlichkeit die Bedeutung von Prüfungen der Arz- neimitteltherapiesicherheit bewusst.

Blickt man in die wissenschaftliche Literatur, so findet man seit 1995 – ausgelöst vor allem durch die Ar- beitsgruppe um David Bates am Brigham and Women’s Hospital in Boston (USA) – Arbeiten, die Ur - sachen und Zusammenhänge von Medikationsfehlern im Krankenhaus auswerten. Erste Ergebnisse zeigten seinerzeit, dass circa fünf Prozent der Krankenhauseinweisungen durch unerwünschte Arzneimittelwirkun- gen bedingt sind.

In Deutschland misst man diesem Problem seit Ausrufen des Aktions- plans für Patientensicherheit durch das Bundesministerium für Gesund- heit im Jahr 2007 großes Gewicht bei. Eine Vielzahl an Aktivi täten,

49 Hauptmaßnahmen, wurden ver- einbart (www.akdae.de/AMTS/Akti onsplan/index.html), die durch die Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft koordiniert wer- den. Dennoch sind die meisten Akti- vitäten im Krankenhausumfeld zu finden. Die Deutsche Krankenhaus- gesellschaft (DKG) hat zusätzlich eine Studie initiiert, um Stand und Umsetzungsperspektiven im Kran- kenhaus auszuloten.* Dieser Beitrag fasst einige Aspekte der Studie zu- sammen.

Im deutschsprachigen Raum hat sich der Begriff Arzneimittelthera- piesicherheit, kurz AMTS, durch- gesetzt. Die Prüfung der medika- mentösen Therapie ist eine Aufga- ARZNEIMITTELTHERAPIESICHERHEIT

Krankenhaus als Vorreiter

Die Relevanz von elektronischen Prüfungen zur Arzneimitteltherapiesicherheit hat zugenommen. Vor allem im Rahmen einer sektorenübergreifenden Versorgung ergeben sich neue Herausforderungen.

*Hellmann G: Arzneimitteltherapiesicherheitsprü- fung – Stand und Umsetzungsperspektiven im Krankenhaus. Hrsg.: DKG. Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH, Berlin 2010. Die Studie wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Fraun- hofer-Institut für Software- und Systemtechnik (ISST), Dortmund, erstellt.

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