Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 49⏐⏐8. Dezember 2006 A3309
P O L I T I K
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nter dem Motto „Kliniken in Not“ protestieren die Kran- kenhäuser zurzeit gegen den geplan- ten „Sanierungsbeitrag“ in Höhe von 500 Millionen Euro. Von dieser Zwangsabgabe sind die Rehabilitati- onskliniken zwar nicht betroffen, dennoch befürchten sie, die für 2007 erwarteten Kostensteigerungen nicht schultern zu können. Dazu zählen die Mehrwertsteuererhöhung und stei- gende Personalausgaben durch das Arbeitszeitgesetz.Viele Rehabilitationseinrichtun- gen sehen sich an der Grenze der Be- lastbarkeit. Die Branche ist ange- schlagen. Die Zahl der Leistungen zulasten der Deutschen Rentenversi- cherung (DRV) – des größten Kos- tenträgers im Rehabilitationsbereich – sind seit Jahren rückläufig. Zudem haben sich Rahmenbedingungen ver- ändert: Die Einführung der diagnose- bezogenen Fallpauschalen hat dazu geführt, dass Leistungen aus dem Akutsektor in den Reha-Bereich ver- lagert worden sind. Die Vergütung ist
aus Sicht der Reha-Anbieter aber nicht den neuen Anforderungen ange- passt worden.
„Wir verzeichnen seit Jahren eine zunehmende Diskrepanz zwischen Kostensteigerungen und einer ver- gleichsweise marginalen Vergütungs- satzanpassung“, kritisiert Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Privat- kliniken (BDPK). Seit Mitte der Neunzigerjahre habe es keine ange- messene Preisanpassung mehr gege- ben – eine Entwicklung, die er bei den Krankenkassen noch stärker be- obachte als bei der DRV.
„Das Ganze gipfelt jetzt in der Si- tuation, dass noch weitere Faktoren wie die Mehrwertsteuererhöhung, steigende Energiekosten, Umset- zung des Arbeitszeitgesetzes und Ta- rifabschlüsse hinzukommen, die wir nicht beeinflussen können“, moniert er. Was Sparmaßnahmen angehe, so haben Bublitz zufolge die Einrich- tungen bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Er befürchtet, es kön-
ne in den Kliniken zu einem Perso- nalabbau kommen – als letzte Opti- on, Kosten zu reduzieren.
Die Spitzenverbände der Leis- tungserbringer in der medizinischen Rehabilitation – der BDPK, die Deut- sche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation, der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe und der Fachverband Sucht – haben daher eine Studie in Auftrag gegeben, um die Kostensteigerungen, die auf die Einrichtungen zukommen, konkret zu benennen. Erstellt hat dieses Gutachten die Gesellschaft für be- triebswirtschaftliche Beratung mbh (GEBERA) aus Düsseldorf.
„Es geht uns darum zu objektivie- ren, worauf sich unsere Forderun- gen stützen“, erklärt Bublitz. Die GEBERA-Prognose besagt, dass die Rehabilitationseinrichtungen künftig in allen wichtigen Bereichen mit höheren Ausgaben rechnen müssen.
Für das Jahr 2007 empfehlen die Au- toren eine Vergütungssatzsteigerung von durchschnittlich 4,1 Prozent. Die Gutachter kommen zu dem Schluss, es solle das Ziel der Rehabilitations- träger sein, die „in Teilen erforderli- che Marktbereinigung mithilfe eines fairen Wettbewerbs unter den Ein- richtungen zu erreichen“.
Die DRV Bund prüft zurzeit das Gutachten und will zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellungnahme ab- geben. Bublitz zufolge sollen noch vor Weihnachten Gespräche aufge- nommen werden. Die Spitzenver- bände der Krankenkassen haben das Gutachten ebenfalls erhalten. Nach Angaben des Verbandes der Ange- stellten-Krankenkassen können die Kliniken die Studienergebnisse in den jeweiligen Verhandlungen zu den Vergütungssätzen vortragen. I Dr. med. Birgit Hibbeler Reha-Branche in
der Krise:Zum ersten Einbruch kam es 1997 durch die Spargesetze un- ter dem damaligen Bundesgesund- heitsminister Horst Seehofer (CSU).
MEDIZINISCHE REHABILITATION
Reha-Kliniken in der Kostenfalle
Mehrwertsteuererhöhung, Arbeitszeitgesetz, steigende Energiekosten: Die Reha-Kliniken können die Mehrbelastungen nicht schultern, meinen Rehabilitationsverbände.
Das GEBERA-Gutachten im Internet:
www.aerzteblatt.de/plus4906
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GRAFIK
Kennzahlen der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen
115 110 105 100 95 90 85 80 75 70
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Betten Fallzahl Pflegetage Einrichtungen
Quelle: Statistisches Bundesamt