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Archiv "Medizinische Rehabilitation: Die Reform greift noch nicht" (18.04.2008)

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A814 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1618. April 2008

P O L I T I K

D

ie Grundsätze „Reha vor Rente“ und „Reha vor Pfle- ge“ sind alles andere als neu. Aber zwei Faktoren machen sie so wichtig wie nie: Erwerbstätige müssen län- ger leistungsfähig bleiben, denn das Renteneintrittsalter wurde angeho- ben, und es gibt immer mehr alte, multimorbide Menschen. Die Haupt- kostenträger medizinischer Rehabili- tation, die Deutsche Rentenversiche- rung und die gesetzliche Kranken- versicherung (GKV), sehen sich vor großen Herausforderungen. Die Auf- gabe „Reha vor Pflege“ fällt in erster Linie der GKV zu, denn sie ist in der Regel der Kostenträger, wenn es um die Rehabilitation von Rentnern geht. Mit dem GKV-Wettbewerbs- stärkungsgesetz (GKV-WSG) er- folgte vor einem Jahr eine wichtige rechtliche Klarstellung: Alle Rehabi- litationsleistungen zulasten der GKV sind seitdem Pflichtleistungen und werden in den Risikostrukturaus- gleich (RSA) mit einbezogen. „Da- mit sind nicht mehr die Kranken- kassen benachteiligt, die aufgrund ihrer Versichertenstruktur viele Reha- leistungen bewilligen“, sagt Oliver Blatt, stellvertretender Leiter der Ab- teilung Prävention und Rehabilita- tion beim Verband der Angestellten- Krankenkassen und Arbeiter-Ersatz- kassen-Verband (VdAK/AEV).

Doch die Bilanz nach einem Jahr GKV-WSG ist für die Rehabilitation nicht ganz ungetrübt, denn die meis- ten Neuerungen greifen noch nicht.

„Von dem Ziel, die Rehabilitation zu stärken, ist in der Praxis bisher nichts angekommen“, sagt Angela Deven- ter, stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes der Rehabilitati-

onsärzte. In ihrem Berufsalltag kön- ne sie keine grundsätzlichen Verbes- serungen für die Patienten feststel- len, berichtet die niedergelassene Fachärztin für Physikalische und Re- habilitative Medizin aus Hamburg.

Krankenkassen lehnen immer noch viele Anträge ab

„Meine Rehabilitationsanträge wer- den genauso häufig abgelehnt wie früher“, kritisiert Deventer. An der Genehmigungspraxis des Medizini- schen Dienstes der Krankenkassen (MDK) habe sich nichts geändert.

Und in der Tat: Zwar steht im GKV- WSG, dass der MDK die Anträge nicht mehr regelhaft, sondern nur stichprobenartig prüfen soll, aber die Sache hat einen Haken. Umfang und Auswahl der Stichproben legt der neue Spitzenverband Bund der Kran- kenkassen fest, und der nimmt erst im Juli dieses Jahres seine Arbeit auf.

Genaue Zahlen über Anträge und Bewilligungen von Rehabilitations- behandlungen zulasten der GKV

gibt es nicht. Während eine solche Statistik bei der Deutschen Renten- versicherung seit Jahren selbstver- ständlich ist, fehlt diese Transparenz bei den Krankenkassen. Mit dem GKV-WSG hat der Gesetzgeber zwar korrekterweise eine entspre- chende Erhebung für Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen vorge- schrieben, und seit dem 1. Januar führen die Krankenkassen Buch über Anträge und Bewilligungen.

Doch mit amtlichen Zahlen ist nach Angaben des VdAK erst im August 2009 zu rechnen, weil die Doku- mentation als Jahresstatistik konzi- piert sei.

Trotzdem sieht das Bundesge- sundheitsministerium (BMG) eine deutliche Trendumkehr. 2006 gaben die Kassen für Vorsorge- und Reha- bilitationsmaßnahmen 2,4 Milliar- den Euro aus. Für das Jahr 2007 sei eine Steigerung um 4,1 Prozent zu verzeichnen, teilte das BMG auf Anfrage mit. Dies zeige, dass das GKV-WSG in diesem Bereich zu

MEDIZINISCHE REHABILITATION

Die Reform greift noch nicht

Mit der Gesundheitsreform vor einem Jahr wurde die Rolle der Rehabilitation gestärkt.

Die meisten Neuerungen haben aber in der Praxis bislang kaum Auswirkungen.

Foto:Barbara Krobath

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1618. April 2008 A815

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Verbesserungen für die Versicherten geführt habe. Doch dass die Zahl der Rehabiliationsleistungen gestie- gen ist, hat nicht zwingend etwas mit dem GKV-WSG zu tun. Eine Steige- rung ist auch für andere Kosten- träger, wie die Deutsche Renten- versicherung, zu verzeichnen, und sie ist sicherlich auf die bessere Kon- junkturlage zurückzuführen. Genaue Zahlen darüber, wie sich die Steige- rung zusammensetzt, liegen außer- dem noch nicht vor. Ein großer und wachsender Anteil der Rehaleis- tungen zulasten der GKV sind An- schlussrehabilitationen nach einem Krankenhausaufenthalt. Auf diese hat das GKV-WSG keinen entschei- denden Einfluss gehabt, denn sie waren bereits zuvor RSA-fähig.

Zumindest bei den Mutter/Vater- Kind-Leistungen ist die Entwick- lung eindeutig positiv. Hier sind die Ausgaben nach Angaben des VdAK 2007 im Vergleich zum Vorjahr um 16,7 Prozent gestiegen.

Reform als positives Signal

„Die Situation in den Rehabilita- tionseinrichtungen hat sich stabili- siert“, sagt Thomas Bublitz, Haupt- geschäftsführer des Bundesver- bandes Deutscher Privatkliniken (BDPK). Auch wenn er weiß, dass die bessere finanzielle Lage der So- zialkassen dabei eine Rolle spielt, fällt seine Bilanz ein Jahr nach dem GKV-WSG positiv aus. Dass die Rehabilitation zur eindeutigen Pflichtleistung wurde, sieht er als

„positives Signal“. Folgerichtig sei nun auch mit dem Pflege-Weiterent- wicklungsgesetz die Ausgaben- deckelung für stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen zu- lasten der GKV gestrichen worden (§ 23 Absatz 8 SGB V). Bislang orientierte sich aus Gründen der Beitragssatzstabilität die Ausgaben- entwicklung für Rehabilitation an der Grundlohnsummensteigerung.

Bublitz begrüßt ausdrücklich, dass mit dem GKV-WSG mehr Transparenz in die Bewilligungs- praxis der Kassen komme. „Die Kassen wissen, dass sie künftig da- mit auffallen, wenn sie besonders viele Anträge ablehnen.“ Nach wie vor gebe es aber eine Diskrepanz zwischen den Kosten der Rehabili-

tationseinrichtungen und der Ver- gütung, kritisiert Bublitz. Die An- forderungen an die Rehabilitations- kliniken steigen unterdessen. Das GKV-WSG sieht eine Zertifizie- rungspflicht für stationäre Reha- bilitationseinrichtungen vor. Diese Pflicht greift aber erst, wenn die Bundesarbeitsgemeinschaft für Re- habilitation Anforderungen an ein Zertifizierungverfahren erarbeitet hat. Mit diesen Anforderungen ist erst innerhalb der nächsten Monate zu rechnen. Dann haben die Klini- ken aber noch eine Übergangszeit von voraussichtlich zwei Jahren.

Am 1. April 2007 trat nicht nur das GKV-WSG in Kraft. Seitdem gilt auch: Niedergelassene Ärzte dürfen nur noch dann Rehabilitation verordnen, wenn sie eine bestimmte Qualifikation vorweisen können (siehe Kasten). Das sieht die Reha- bilitations-Richtlinie des Gemeinsa- men Bundesausschusses vor. Aus- genommen von der Regelung sind unter anderem Anschlussrehabilita- tionen und Rehabilitation zulasten anderer Kostenträger, wie etwa der Rentenversicherung.

Sind also mit der Reha-Richtlinie an anderer Stelle neue Hindernisse aufgebaut worden? Nein – meinen zumindest die Krankenkassen. „Ziel der Reha-Richtlinie ist es nicht, Hürden für die Verordnung zu schaffen. Übrigens ist sie auch keine Erfindung der Krankenkassen“, sagt Blatt vom VdAK/AEV. Das An- tragsverfahren fordere qualifizierte Angaben ein, die für eine sachge- rechte Entscheidung der Kassen notwendig seien.

Vor einem Jahr war etwa jeder fünfte Vertragsarzt berechtigt, Reha zulasten der GKV zu verordnen.

Dabei zeigten sich deutliche regio- nale Unterschiede. Offenbar ist die Zahl aber in den vergangenen Mo- naten gestiegen. Aktuelle Angaben für ganz Deutschland liegen aller- dings zurzeit nicht vor. Die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung plant, die Zahlen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) abzufragen.

Viele KVen haben die verordnungs- berechtigten Ärzte auf ihren Inter- netseiten aufgelistet. Eine Übersicht findet man unter www.kbv.de, Rubrik „Arztsuche“.

Kritik an der Reha-Richtlinie

Die Reha-Richtlinie hat nach wie vor viele Kritiker. „Man kann einem Hausarzt, der eine Krankenhausein- weisung für eine Lebertransplantati- on vornehmen kann, nicht die Fähig- keit absprechen, eine Rehabilitation zu verordnen“, kritisiert Bublitz vom BDPK. Die Grundidee der Richtlinie, die Rehabilitation quali- tativ aufzuwerten, sei gut gewesen, aber die Umsetzung sei schlecht.

Deventer vom Berufsverband der Rehabilitationsärzte bezeichnet un- terdessen die Vergütung als unzurei- chend: Das Ausfüllen des Musters 61 wird nach der EBM-Ziffer 01611 mit 810 Punkten vergütet. Bei ei- nem Punktwert von 5,11 Cent ent- spräche dies rund 40 Euro. Dieser Betrag werde aber bei den real nied- rigeren Punktwerten nicht erreicht, kritisiert Deventer. In einigen KVen gebe es noch nicht einmal einen festen Punktwert für die Leistung.

Die Reha-Richtlinie sieht ein zweistufiges Antragsverfahren vor, das viele Ärzte als bürokratisch emp- finden. Mit dem Muster 60 zeigt der Arzt die Notwendigkeit einer Maß- nahme an. Die Krankenkasse über- prüft dann, wer Kostenträger ist, und gibt das Antragsformular Muster 61 aus, wenn sie selbst zuständig ist.

An diesem Verfahren stört sich De- venter nicht. Viel wichtiger fände sie ein einheitliches Antragsformular für alle Kostenträger – basierend auf der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF).

Dr. med. Birgit Hibbeler

WER DARF VERORDNEN?

Nach der Rehabilitations-Richtlinie sind niedergelassene Ärzte mit einer der folgenden Qualifikationen berechtigt, Rehabilitation zulasten der Krankenkassen zu verordnen:

Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin Zusatzbezeichnung Sozialmedizin oder Rehabilitations-

wesen, fakultative Weiterbildung Klinische Geriatrie einjährige Tätigkeit in einer ambulanten oder sta-

tionären Rehabilitationseinrichtung

20 Rehabilitationsgutachten (Rehaanträge) im vergangenen Jahr – auch für andere Kostenträger Nachweis einer anerkannten Fortbildung (acht Stunden

Präsenz und acht Stunden Selbststudium)

Referenzen

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