Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 13|
1. April 2011 A 677E
s sind zwei Seiten einer Medaille. Auf der einen Seite: die Konferenz der Fachberufe bei der Bun- desärztekammer (BÄK), die sich seit Jahren um Kon- zepte für eine bessere Kooperation und Koordination bei der Patientenversorgung bemüht. „Die demogra - fische Entwicklung, die gestiegene Komplexität der Versorgung, aber auch die begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen machen eine engere Zusam- menarbeit aller im Gesundheitswesen tätigen Profes- sionen dringend notwendig“, betonte die BÄK-Vize- präsidentin, Dr. med. Cornelia Goesmann, anlässlich der dies jährigen Konferenz, zu der am 23. März Ver - treter von 40 Fachberufen zusammenkamen.Auf der anderen Seite: die nicht enden wollenden Verhandlungen beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) über die Richtlinie zur Übertragung von heil- kundlichen Tätigkeiten im Rahmen von Modellvorha- ben nach § 63 Absatz 3 c Sozialgesetzbuch V. Hier ringt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) noch um die Einbeziehung der Medizinischen Fachangestell- ten – obwohl im Gesetz eigentlich nicht vorgesehen – und wehrt sich dagegen, dass der Pflege eine Entschei- dungsverantwortung bei der Versorgung bestimmter Patientengruppen mit chronischen Erkrankungen über- tragen wird. Die KBV argwöhnt wohl nicht zu Unrecht, die Krankenkassen verfolgten damit das Ziel einer neu- en, billigeren medizinischen Versorgungsebene im am- bulanten Bereich.
Dass der Standpunkt der KBV in dieser Auseinan- dersetzung aber nicht allein uneigennützigen Motiven geschuldet ist, wird den Fachberufsvertretern vor ihrem Treffen bei der BÄK auch nicht verborgen geblieben sein. Und so gab es in der sonst doch eher auf Harmo- nie bedachten Runde gelegentlich Kritisches zu hören.
Die Ärzte seien nicht bereit, nur ein klein wenig ihrer Kompetenzen abzugeben. Von Harmonie sei in den Verhandlungen beim G-BA nichts zu spüren gewesen.
Berichtet wird von heftigem Widerstand aus der Ärzte- schaft, sobald ein Modellprojekt zwischen Physiothera- peuten und Krankenkassen vor dem Vertragsabschluss gestanden habe.
In dieser schwierigen Gemengelage versucht die Bundesärztekammer weiterhin, in der Rolle eines ehrli- chen Maklers zu überzeugen. Dies gelingt da am bes- ten, wo man sich jenseits aktueller sozialrechtlicher Grundsatzfragen um eine verbesserte Zusammenarbeit mit den medizinischen Fachberufen bemüht. So stellte die Fachberufekonferenz eine gemeinsam erarbeitete Broschüre vor, mit der am Beispiel eines multimor - biden pflegebedürftigen Patienten in der Langzeit - versorgung eine wünschenswerte Kooperation der Be- rufe im Gesundheitswesen beschrieben wird. Gezeigt wird, welche Berufsgruppe zu welchem Zeitpunkt an der Behandlung ihren besonderen Anteil haben soll. Aber: Weiterführende systemische Fragestellungen seien nicht Gegenstand dieses Papiers, heißt es dort explizit. Auch Studienergebnisse, wonach eine gute Kooperation der Gesundheitsberufe eine verbesserte Versorgungsqualität nach sich zieht, wurden auf der Konferenz präsentiert.
Vielleicht ist dies ja der beste Weg – angesichts der drohenden Versorgungsprobleme Kooperationen so weit voranzutreiben, wie es die Verhältnisse zulassen.
Aber letztendlich wird sich auch die Bundesärztekam- mer der Systemfrage stellen müssen: Ist man bereit, Verantwortung und Ressourcen im Gesundheitswesen zu teilen?
MEDIZINISCHE FACHBERUFE
Langer Weg zum Miteinander
Thomas Gerst
Thomas Gerst Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik