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Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 5, 31. Januar 1997 (1) ie „Unabhängige Exper-
tenkommission“, die sich mit der Beitragssituation älterer Versicherter in der privaten Krankenversicherung (PKV) be- schäftigt, scheint zu glauben, der PKV müßten rechtliche Rahmen- bedingungen zur Verfügung ge- stellt werden, die ihr eine angemes- sene Kostenentwicklung ermögli- chen. Jedenfalls äußerte sich un- längst Kommissionsvorsitzender Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem (DÄ, Heft 4/1997) in diesem Sinne.
So einleuchtend andere Vorschlä- ge der Kommission sind – insbe- sondere zu den Alterungsrückstel- lungen –, dieser Ansatz ist verfehlt.
Die PKV hat die volle Hoheit über ihre Leistungstarife, die sie der privat versicherten Bevölke- rung anbietet. Sie kann darin -– an- ders als die gesetzliche Kranken- versicherung – durch Einschrän- kungen der zu erstattenden Lei- stungen oder der zu erstattenden Kosten ihrerseits die Bedingungen des privaten Krankenversiche- rungsschutzes einseitig festlegen.
Die PKV hat deswegen die Mög- lichkeit, von sich aus die Erstat- tungssätze gegenüber ihren Versi-
cherten flexibel zu gestalten und mehr oder weniger hohe Selbstbe- teiligungen einzuführen. Das wirkt sich indirekt auch auf die rechtli- chen Rahmenbedingungen der Leistungserbringung und ihre Ab- rechnung aus, da private Versi- cherte, die nur noch einen be- grenzten Steigerungssatz der GOÄ von ihrer Krankenversiche- rung erstattet erhalten, selbstver- ständlich Ärzte aufsuchen werden, die bereit sind, zu entsprechenden Bedingungen tätig zu sein.
Die PKV scheut sich jedoch of- fensichtlich, diesen Konflikt über eingeschränkte Versicherungsbe- dingungen mit ihren Versicherten auszutragen, und benutzt deswegen das Gutachten einer „Unabhängi- gen Expertenkommission“ dazu, Druck auf den Gesetzgeber zu ma- chen, durch gesetzliche Maßnah- men den Gebührenrahmen einzu- schränken und damit sich selbst von der Last der Verantwortung für Leistungseinschränkungen zu be- freien. Es ist offenbar sehr ange- nehm, mit der Spitzenqualität einer
Behandlung durch den Chefarzt des Vertrauens zu werben, wenn dieser durch den Gesetzgeber zunächst in seinem Liquidationsan- spruch reduziert worden ist . . .
Ebenso vordergründig ist die von dieser Expertenkommission unterstützte Forderung nach ge- setzlicher Absicherung des so- genannten Standardtarifs durch Höchstbegrenzung beim 1,7fachen GOÄ-Satz. Bisher liegen keine Beschwerden von „Standardtarif- Versicherten“ vor, daß ihnen trotz Darlegung der entsprechenden Einschränkungen eine höhere Arztliquidation ausgestellt wor- den sei. Die Ärzteschaft hält sich daher offensichtlich an die Emp- fehlung der Bundesärztekammer, diesen Standardtarif wegen des so- zial schutzbedürftigen Personen- kreises zu berücksichtigen.
Es ist bedauerlich, daß eine unabhängige Expertenkommissi- on sich in dieser Weise instrumen- talisieren läßt, um von den eigent- lichen Problemen der PKV abzu- lenken. Renate Hess, BÄK
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Privatversicherung
Verfehlte Schützenhilfe
uf kranke Beamte, Ange- stellte und Arbeiter des Bundes kommen womög- lich schwere Zeiten zu. Bundesin- nenminister Manfred Kanther will den Krankenstand der öffentlich Bediensteten deutlich senken. Da nun aber selbst ein gestandener Minister die Menschen an sich kaum gesünder machen kann, sieht Kanther wohl eher andere Ursa- chen hinter den krankheitsbeding- ten Fehltagen seiner Mitstreiter.
Ohne Anrechnung der Kuren bleiben einem Bericht des Ministe- riums zufolge die Mitarbeiter der Bundesverwaltung durchschnitt- lich 16,77 Tage im Jahr der Arbeit wegen Krankheit fern. In der Wirt-
schaft sind es nach GKV-Zahlen 13,33 Tage. Kanthers Statistiker stellten fest, daß Arbeiter (23,07 Tage) weit häufiger fehlen als An- gestellte (16,38 Tage) und Beamte (12,45 Tage). Ferner: Je höher die Position, desto niedriger der Kran- kenstand. Insgesamt beläuft sich die Entgeltfortzahlung auf knapp zwei Milliarden DM pro Jahr.
Mit einem Acht-Punkte-Pro- gramm, das vom Bundeskabinett beschlossen worden ist, will Kan- ther künftig Krankheiten vermei- den und rasche Genesungen ein- leiten. So sollen die Vorgesetzten
„Personalgespräche“ bei häufigen Kurzerkrankungen führen. Schon vom ersten Krankheitstag an soll ein ärztliches Attest vorgelegt wer- den. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen soll häufiger ein- geschaltet werden. Bei Auffällig- keiten stehen Krankenbesuche an.
Die Deutsche Angestellten- Gewerkschaft kritisiert derartige Absichten als „würdelose Schnüf- felei“ – und aus dem SPD-geführ- ten Innenministerium Niedersach- sens kommt der Kommentar: „Wir schauen niemandem unter die
Bettdecke.“ Josef Maus