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Archiv "Bestellte Schützenhilfe für die Koalition" (20.01.1977)

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Der Vorsitzende der „Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel", Prof. Dr. Karl Martin Bolte, überreicht das Gutachten an Bundesminister Dr. Herbert Ehrenberg (links) Foto: ap

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Bestellte

Schützenhilfe für die

Koalition

Gutachten der „Kommission

für wirtschaftlichen und sozialen Wandel"

Im gesundheitspolitischen Teil des Gutachtens der „Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel", der soeben veröffentlicht wurde, finden sich alte Bekannte: So empfehlen die Gutachter Mo- dellversuche mit der vorstationären Diagnostik und nachstationären Behandlung durch Krankenhäuser, zentralen medizinisch-techni- schen Einrichtungen und zentralen Informations- und Dokumenta- tionssystemen. Die Gutachter plädieren für Transparenz auf dem Arzneimittelmarkt mittels therapeutisch-wirtschaftlicher Vergleiche, für zentrale Honorarverhandlungen und gespaltene Pflegesätze.

Das Bemerkenswerteste an diesen wahrlich nicht neuen Empfehlun- gen ist noch, daß sich sowohl die fünf Gewerkschafter wie die fünf Arbeitgebervertreter als auch sieben unabhängige Wissenschaftler auf Vorschläge wie MTZ und zentrale Honorarverhandlungen haben einigen können. Unterschiedliche Auffassungen gab es lediglich hinsichtlich der Form der Eingriffe auf dem Arzneimittelmarkt (hier gaben natürlich die Arbeitgeber ein Minderheitenvotum ab) und der beschränkten Selbstbeteiligung der Versicherten an den Krankheits- kosten (hier widersprachen — auch das ein Selbstgänger — die Gewerkschaftsvertreter).

Immerhin, manche Vorschläge aus dem Gewerkschaftslager und aus den Koalitionsparteien erhalten durch das Gutachten eine wissen- schaftlich anmutende Rechtfertigung. Doch so überraschend ist auch diese Unterstützung nicht, denn schließlich hatte Willy Brandt noch zu seiner Kanzlerzeit die Kommission 1971 berufen, weil er sich

— wie es die „Wirtschaftswoche" ausdrückte—von ihr „ein Anbinden der Sozialpartner an seine ,Politik der inneren Reformen' verspro- chen" hatte. Ob das die Ausgabe der 13 Millionen Mark rechtfertigt, die die Gutachter verbraucht haben? Was wird nun Brandts Nachfol- ger, der seinen Arbeitsminister das Gutachten entgegennehmen ließ, mit dem 1100-Seiten-Werk machen? (Nachstehend Auszüge aus dem Gutachten; Hervorhebungen und Überschriften durch die Re- daktion.)

Heft 3 vom 20. Januar 1977 127

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Die Information:

Bericht und Meinung

Gutachten über den „sozialen Wandel"

Integrierte Systeme

„Empfohlen wird die Einführung und Fortführung von Modellversu- chen zur Erprobung neuer Formen der Kooperation zwischen den ver- schiedenen Institutionen. Gegen- stand derartiger Modellversuche kann insbesondere die vorstationäre Diagnostik und die nachstationäre Behandlung durch Krankenhäuser sein. Erprobt werden sollten zentra- le medizin-technische Einrichtun- gen, die mit den modernsten Gerä- ten ausgestattet sind und ihre Lei- stungen den behandelnden Ärzten in allen Einrichtungen des Gesund- heitswesens zur Verfügung stellen."

„Ein zentrales Informations- und Dokumentationssystem könnte wertvolle Informationen für die ge- sundheitspolitische Planung, die Verwaltung, die medizinische Praxis liefern und zudem Grundlage ge- sundheitspolitischer Aufklärungsar- beit sein. Entsprechend dem Pro- gramm der Bundesregierung zur Förderung der Information und Do- kumentation (luD-Programm) ist als erster Schritt die Einrichtung eines zentralen Fachinformations- und Dokumentationssystems zur anony- men statistischen Auswertung für Gesundheitspolitik, Verwaltung und Forschung zu empfehlen. Die lau- fenden Modellversuche [etwa der bei der AOK Lindau? Die Red.] auf dem Gebiet der Anwendung der Da- tenverarbeitung im Gesundheitswe- sen sollten intensiviert und mög- lichst rasch ausgewertet werden.

Darüber hinaus könnte dieses Sy- stem für die medizinische Praxis nützlich sein, indem es den Abruf individueller Daten zur schnellen und vollständigen medizinischen In- formation ermöglicht "

Auf Arzneimittelfragen geht die Kommission wohl am ausführlich- sten ein. Eine Kostprobe:

„Grundsätzlich erfolgt die Arznei- mittelversorgung nach marktwirt- schaftlichen Prinzipien; jedoch weist dieser Markt besondere Merk- male auf, die ihn von anderen Märk- ten erheblich unterscheiden und für seine Funktionsweise wesentlich

sind. Die wichtigste Besonderheit liegt darin, daß auf der Nachfrage- seite eine sonst nicht übliche Rol- lenverteilung vorliegt: Verbraucher ist der Patient, die Verbrauchsent- scheidung liegt beim Arzt, den Preis bezahlt die Krankenkasse. Diese Rollenverteilung erschwert den Ab- lauf marktwirtschaftlicher Rege- lungsprozesse und schwächt die Nachfrageposition."

Die Kommissionsmehrheit kommt zu folgendem Vorschlag:

„Zur Verbesserung der Transparenz auf dem Arzneimittelmarktsollte ein Gremium von Vertretern der Indu- strie, der Ärzte, der Apotheker und der Krankenversicherungen mit der Sammlung und Aufbereitung von In- formationen betraut werden. Dieses Gremium könnte durch Informatio- nen über therapeutisch-wirtschaft- liche Vergleiche bei der Auswahl der jeweils preisgünstigsten Arzneimit- tel Entscheidungshilfen geben.

Dazu müßten vergleichbare Preise, zum Beispiel je Tablette oder je durchschnittliche Tagesdosis ange- geben (und zum Beispiel in das von den Ärzten benutzte Arzneimittelver- zeichnis aufgenommen) werden. Da eine Verbesserung der Markttrans- parenz allein nicht ausreichend er- scheint, um die Mängel auf dem Sektor der Arzneimittelversorgung zu beseitigen, sollte sich die Mono- polkommission in einem besonde- ren Gutachten mit dem Arzneimittel- markt beschäftigen."

Bundeseinheitliche Honorarverhandlungen

Wie schon die Äußerungen über die

„Integration" erinnern auch manche Formulierungen über das ärztliche Gebührenrecht, vor allem aber über den Modus der Honorarverhandlun- gen an Positionen, wie sie von Ge- werkschaftsseite, von den Sozialde- mokraten und teils auch der FDP vertreten werden.

Die ärztliche Gebührenordnung muß als gesundheitspolitisches Steuerungsinstrument gestaltet werden. Ihre Struktur sollte bundes-

einheitlich festgelegt werden und von einem die Bundesregierung be- ratenden Beirat (bestehend aus Ver- tretern der Krankenversicherung, der Ärzte und der Wissenschaft) kontrolliert und periodisch dem Stand von Medizin, Wissenschaft und Technik angepaßt werden. Hier- bei ist laufend zu überprüfen, ob und in welchem Maße von bestimm- ten Vergütungsregelungen, wie zum Beispiel von einer Höherbewertung technischer gegenüber den eigentli- chen ärztlichen Leistungen, Fehlan- reize ausgehen. Geprüft werden soll, ob eine Kombination von Pauschal- und Einzelleistungsvergütung bei der Honorargestaltung geeignet ist, die heutigen Fehlwirkungen zu ver- meiden.

"Die vertikale und horizontale Orga- nisationsform der Vertragsparteien der gesetzlichen Krankenversiche- rung ist auf ihre Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu unter- suchen."

„Die Punktwerte der Leistungen nach der Gebührenordnung sind in zentralen Honorarverhandlungen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenversicherung und der Ärzte- schaft nach bundeseinheitlichen Kriterien festzulegen. Regionale Dif- ferenzierungen zu Steuerungszwek- ken sollten jedoch damit nicht aus- geschlossen werden. Durch zentrale Honorarverhandlungen sollte zu- gleich die Verhandlungsposition der gesetzlichen Krankenversicherung gestärkt werden."

"Die Benutzerkosten der Kranken- häuser sind als Steuerungsmecha- nismus zur Regulierung der Verweil- dauer einzusetzen. Sie sollten in Diagnose-, Therapie- und Hotelko- sten unterteilt werden. Der Kosten- entwicklung entsprechend sollten sie nach der Verweildauer gestaffelt werden. Die mit wachsender Ver- weildauer sinkenden Sätze können zu einer Verkürzung der Verweildau- er beitragen."

„Die Pflegesätze der Krankenhäuser haben sich an den Kosten wirt- schaftlich geführter Krankenhäuser zu orientieren.

128 Heft 3 vom 20. Januar 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Neuer Manteltarifvertrag für Arzthelferinnen in Kraft

Vermögenswirksame Leistungen bereits nach einjähriger Praxiszugehörigkeit

Laufzeit bis zum 31. Dezember 1978 vereinbart

Mit Wirkung vom 1. Januar 1977 ist ein neuer Manteltarifvertrag für Arzthelferinnen in Kraft getreten. In einigen Punkten war das alte Tarifwerk revisionsbedürftig geworden und bedurfte einer Neuformu- lierung. Während der Wortlaut des neuen Tarifvertrages den Seiten 175 ff. dieses Heftes zu entnehmen ist, soll im folgenden erläuternd auf die wesentlichen Bestimmungen hingewiesen werden, die den am 8. Dezember 1976 abgeschlossenen Manteltarifvertrag betreffen. Mit dem Inkrafttreten dieses Manteltarifwerkes verliert der Manteltarifver- trag vom 24. November 1973 seine Gültigkeit.

Die Information:

Bericht und Meinung

NACHRICHTEN

Selbstbeteiligung?

„Die Steuerung des Gesundheitswe- sens wird dadurch erschwert, daß der Zusammenhang zwischen Ko- sten und Leistungen für die Betrof- fenen praktisch nicht mehr erkenn- bar und fühlbar ist. Für den betroffe- nen Patienten besteht weder die Möglichkeit, noch ein Anreiz, zur Vermeidung unwirtschaftlicher Be- handlungsmethoden beizutragen.

Um den Betroffenen den Zusam- menhang zwischen Kosten und Lei- stungen erkennbar zu machen. soll- ten sie in jedem Fall über den Be- handlungsumfang und die damit verbundenen Kosten informiert wer- den. Die Kommission empfiehlt daß Kostenbeiträge des Leistungsemp- fängers eingeführt werden, die in ei- nem sozial tragbaren Rahmen blei- ben und geeignet sind. zur Vermei- dung von Unwirtschaftlichkeit bei- zutragen."

Zu dieser Empfehlung hat sich die Kommissionsmehrheit verstehen können. Die Gewerkschaftsvertreter sowie einer der Wissenschaftler (Fleischmann, Frankfurt) wandten sich gegen jegliche Form der Selbst- beteiligung — eingeschlossen die von der FDP favorisierten „Wahltari- fe". Nach ihrer Auffassung ist eine Selbstbeteiligung „den Intentionen von Vorsorge- und Früherken- nungsmaßnahmen diametral entge- gengesetzt", schädigt die unteren Einkommensgruppen („deren Krankheitsrisiko in der Regel höher ist") und erschüttert „eine der we- sentlichen Grundlagen der Erfolge der sozialen Krankenversicherung — das Solidarprinzip."

Weniger empfindlich zeigt sich die Gesamtheit der Kommissionsmit- glieder hinsichtlich marktwirtschaft- licher Prinzipien, schließt doch die Kommission ihre gesundheitspoliti- schen Empfehlungen mit der Be- merkung: „Soweit die Durchsetzung gesundheitspolitischer Ziele mit den Instrumenten der Bedarfsplanung und der indirekten Lenkung, zum Beispiel durch die Gebührenord- nung usw., nicht gelingt, sollte auch der Einsatz direkter Lenkungsme- thoden nicht ausgeschlossen wer- den." NJ

Der vorliegende Manteltarifvertrag ist das vierte Rahmenvertragswerk, das seit Gründung der „Arbeitsge- meinschaft zur Regelung der Ar- beitsbedingungen der Arzthelferin- nen (AAA)" im Jahre 1968 geschaf- fen worden ist. Die Arbeitgeberge- meinschaft war begründet worden, um einem dringenden Bedürfnis — Arbeitsbedingungen für Arzthelfe- rinnen zu fixieren — Rechnung zu tragen. Die Arbeitsgemeinschaft setzt sich aus einer Reihe von frei- praktizierenden Ärzten zusammen, die in ihren Praxen selber auch Arzt- helferinnen beschäftigen. Zweck der Tarifgemeinschaft ist es in erster Li- nie also, die Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen durch den Ab- schluß von Tarifverträgen zu regeln, andererseits aber auch die gemein- samen Bemühungen der ärztlichen Organisationen hervorzuheben, tragbare Arbeitsbedingungen für das Personal in den Arztpraxen zu gewährleisten.

Ihrer satzungsgemäßen Aufgaben- stellung entsprechend ist die Ar- beitsgemeinschaft mit den Tarifpart- nern — dem Berufsverband der Arzt- helferinnen, der Deutschen Ange- stelltengewerkschaft und dem Ver- band der weiblichen Angestellten — übereingekommen, neue tarifliche

Regelungen, die den sogenannten Manteltarifvertrag betreffen, zu ver- einbaren. Der Manteltarifvertrag hat im wesentlichen für die Ausgestal- tung der grundlegenden Arbeitsbe- dingungen Sorge zu tragen und da- bei inhaltlich über das hinauszuge- hen, was in dem jährlich auszuhan- delnden Gehaltstarifvertrag verein- bart worden ist.

Geltungsbereich

Die Normen des Tarifvertrages gel- ten unmittelbar zwingend nur für die Mitglieder der vertragsschließenden Organisationen. Somit müßten so- wohl Arzthelferinnen in einem tarif- fähigen Berufsverband oder einer Gewerkschaft als auch der arbeitge- bende Arzt Mitglied der ärztlichen Arbeitgebervereinigung sein — der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthel- ferinnen (AAA).

Durch die Rechtsprechung der Ar- beitsgerichte, die bei Entscheidun- gen zu arbeitsrechtlichen Streitig- keiten vielfach die bestehenden Ta- rifverträge zugrunde legen, wird der Anwendungsbereich aber über den vom Tarifvertragsgesetz gesetzten Rahmen de facto ausgedehnt.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 3 vom 20. Januar 1977

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