Schützenhilfe fürdie
Billigstpolitik
Am 17. März tagt die "Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen"
wieder, um dann erstmals, wenn möglich, eine Empfehlung über die Steigerung der kassenärztli- chen Gesamtvergütungen für das Jahr 1978 und erstmals, wenn möglich, auch eine Empfehlung über einen Arzneimittel-Höchstbe- trag auszusprechen, welchen das Ehrenbergsehe "Kostendämp- fungsgesetz" in repressiver Ab- sicht in die soziale Krankenversi- cherung eingeführt hat. Bis dahin ist gewiß publizistisches Trommel- feuer zu erwarten, Schützenhilfe für Ehrenberg und die ihn stützen- den restriktiven Kräfte in den Orts- krankenkassen, im DGB und in der SPD.
Ein Beispiel dafür gab in ihrer Fe- bruar-Ausgabe die Illustrierte
"test", ein von der Stiftung Waren- test herausgegebenes und verleg- tes Blatt, in einem anonymen Arti- kel, der an sich das Testprädikat
"nicht lesenswert" verdient, des- sen Inhalt aber, verkürzt und ver- schärft in die allgemeine Presse lanciert, zu Vorwürfen an die Adresse der Ärzteschaft führte, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen.
"Über drei Milliarden Mark hätten 1976 bei den Ausgaben für Arznei- mittel durch wirtschaftlicheres Re- zeptieren eingespart werden kön- nen", so formulierte "test" im Vor- spann seines Artikels über die du- biösen Ergebnisse einer von nicht genannter Seite vorgenommenen
"Untersuchung" von "73 477 Re- zepten, die während des ersten Halbjahres 1976 in Niedersachsen von niedergelassenen Kassenärz- ten ausgestellt wurden".
ln der Schlagzeile wird daraus be- reits, in unverkennbarer Anspie- lung auf Fernseh-Gangsterbei-
spiele, "das Drei-Milliarden-Ding der Ärzte", oder auf der Titelseite:
"Arzneikosten: Drei Milliarden Mark zuviel".
Kein Wunder mehr, daß daraus selbst in einer früher durchaus bürgerlichen Zeitung wie der "Köl- nischen Rundschau" sich die Ten- denz noch zuspitzt: "Stiftung Wa- rentest wirft Ärzten Verschwen- dung vor".
Die Kassenärzte werden sich durch solche politisch-publizisti- schen Tricks gewiß nicht ins Bockshorn jagen lassen, wenn sie durchschauen, daß die Illustrierte
"test" hier eine "Rechnung" auf- gemacht hat, die jedes Milchmäd- chen erröten ließe.
ln gröbster Simplifizierung setzte der "test"-Anonymus rationale Arzneitherapie absolut gleich mit der Verordnung von Monopräpa- raten beziehungsweise von Gene- ries, und nur im Kleingedruckten wird beiläufig zugegeben, daß die Rechnungen fiktiv sind, weil "das jeweilige Generic zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch nicht auf dem Markt gewesen sein muß". Da bedarf es schon kaum mehr unseres Hinweises, daß in der gan- zen Falschrechnung, um nicht zu sagen: gefälschten Rechnung, die jedem Arzt geläufigen Unterschie-
de in der galenischen Zubereitung
überhaupt nicht berücksichtigt wurden: Billiger ist "das Generic"
jedenfalls als ein "Markenpräpa- rat" - und damit basta.
An den sattsam bekannten Angrif- fen gegen den Preis von Colfarit®
und Eugynon® lassen sich die Ideologie und die Ideologen er- kennen, die seit Jahren ihren Ge- nerics-Feldzug nach dem Motto führen: "Hie Kapitalismus - hie Generics". Und man feiert im vor- aus die "von der Transparenzkom- mission in absehbarer Zeit aufzu- stellende Preisliste für Arzneimit- tel" und verrät im selben Satz, daß dies alles in erster Linie .. zum Nut- zen der Kassen" ist, und meint- fälschlicherweise "und damit der Patienten".
Die Information:
Bericht und Meinung DER KOMMENTAR
~ Das müßte den Patienten aber klarzumachen sein, daß im Gegen- satz zu der Billigsttendenz der ei- nen oder anderen Kasse es für den Arzt wie für den Kranken in erster Linie auf den Therapie-Erfolg und damit auf die Wirksamkeit des ver- ordneten Arzneimittels ankommt!
~ Die für die kassenärztliche Ver- sorgung maßgeblichen Arzneimit- tel-Richtlinien des Bundesaus- schusses der Ärzte und Kranken- kassen stellen daher nach wie vor eindeutig fest, daß die Berücksich- tigung der Wirtschaftlichkeit bei der Verordnung von Arzneimitteln keineswegs besagt, daß nur einfa- che und billige Mittel verordnet werden dürften.
~ Auch die Verordnung von teu- ren Arzneimitteln kann im Hinblick auf die Art der Erkrankung und die Umstände des Krankheitsfalles wirtschaftlich sein!
Der Arzt hat also zunächst das für seinen Patienten optimale Arznei- mittel festzulegen. Erst danach prüft er, ob es hinsichtlich des not- wendigen Wirkstoffes und der Do- sierung identische, jedoch auch preisgünstigere Präparate gibt.
Aus diesem Grut:~d können Preis- vergleichslisten dem Arzt nicht die Entscheidung abnehmen, wel- chem unter Arzneimitteln mit ver- schiedenen Wirkungsmechanis- men er den Vorzug gibt. Dies alles ist ja keineswegs neu, wie "test"
leider nur in wenigen Zeilen ver- schämt aus einer detaillierten Stel- lungnahme der "Pressestelle der deutschen Ärzteschaft" zitierte.
Die Kassenärzte sollten sich also durch die neuerliche publizisti- sche Kampagne nicht weiter unter Druck setzen lassen und im Rah- men der unverändert maßgebli- chen Richtlinien des Bundesaus- schusses der Ärzte und Kranken- kassen weiterhin ihrem wissen- schaftlichen und wirtschaftlichen Gewissen entsprechend verord- nen, was für ihre Patienten not- wendig und zweckmäßig und aus-
reichend ist. DÄ
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 6 vom 9. Februar 1978 279