Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen
BEKANNTMACHUNGEN
Kassenärztliche Bundesvereinigung
Richtlinien des Bundesaus- schusses der Ärzte und Kran- kenkassen über sonstige Hilfen:
Ärztliche Maßnahmen zur Emp- fängnisregelung, zur Sterilisa- tion und zum Schwangerschafts- abbruch (Sonstige Hilfen—Richt- linien)
Die vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 368 p Abs.
6 der Reichsversicherungsordnung (RVO)') beschlossenen Richtlinien die- nen der Sicherung einer nach den Re- geln der ärztlichen Kunst zweckmäßi- gen, ausreichenden und wirtschaftli- chen ärztlichen Versorgung (§ 182 Abs.
2 RVO 2) bzw. § 13 Abs. 2 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte [KVLG] und § 368 e RVO 3 )) der Versicherten und ihrer Angehörigen mit Maßnahmen nach §§ 200 e4) und 200 f$) RVO, 31 a und 31 b KVLG zur Empfängnisregelung, zur Sterilisation und zum Schwangerschaftsabbruch.
Zum Zwecke der sinnvollen Verwen- dung der Gemeinschaftsmittel sollen die folgenden Richtlinien beachtet wer- den.
A. Allgemeines
1. Die nach diesen Richtlinien auszufüh- renden Maßnahmen umfassen
a) die Beratung über Fragen der Emp- fängnisregelung (§ 200 e RVO, § 31 a KVG L)
b) die in § 200 f RVO und § 31 b KVLG vorgesehenen Leistungen zur Durchfüh- rung einer nicht rechtswidrigen Sterili- sation
c) die in § 200 f RVO und § 31 b KVLG vorgesehenen Leistungen zur Durchfüh- rung eines nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruches durch den Arzt.
2. Die Maßnahmen nach diesen Richtli- nien dürfen nur diejenigen Ärzte aus- führen, welche die vorgesehenen Lei- stungen auf Grund ihrer Kenntnisse und Erfahrung erbringen können, nach der ärztlichen Berufsordnung dazu berechtigt sind und über die er- forderlichen Einrichtungen verfügen.
3. Die bei diesen Maßnahmen mitwir- kenden Ärzte haben darauf hinzuwir- ken, daß für sie tätig werdende Vertre-
ter diese Richtlinien kennen und be- achten.
4. Die Verträge, welche die Kassenärzt- lichen Vereinigungen mit ärztlich gelei- teten Einrichtungen abschließen, haben vorzusehen, daß die Träger dieser Ein- richtungen sich verpflichten, darauf hinzuwirken, daß die bei ihnen tätigen Ärzte diese Richtlinien beachten.
B. Empfängnisregelung
1. Maßnahmen zur Empfängnisregelung umfassen die ärztliche Beratung des Versicherten über die Empfängnisrege- 1) § 368 p Abs. 6 RVO (6) Der Bundes-
ausschuß der Ärzte und Krankenkassen beschließt die erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Maß- nahmen nach den §§ 200 e und 200 f.
Die Absätze 2 bis 4 gelten entspre- chend.
2) § 182 Abs. 2 RVO (2) Die Kranken- pflege muß ausreichend und zweckmä- ßig sein; sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
3) § 368 e RVO Der Versicherte hat An- spruch auf die ärztliche Versorgung, die zur Heilung oder Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweck- mäßig und ausreichend ist (§ 182 Abs.
2 und § 13 Abs. 2 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwir- te). Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, kann der Versi- cherte nicht beanspruchen, der Kas- senarzt und der beteiligte Arzt dürfen sie nicht bewirken oder verordnen; die Kasse darf sie nachträglich nicht be- willigen. Die Sätze 1 und 2 gelten bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und bei ärztlichen Maß- nahmen nach den §§ 200 e und 200 f entsprechend.
4) § 200 e RVO Versicherte haben An- spruch auf ärztliche Beratung über Fra- gen der Empfängnisregelung; zur ärzt- lichen Beratung gehören auch die er- forderliche Untersuchung und die Ver- ordnung von empfängnisregelnden
Mitteln.
5) § 200 f RVO Versicherte haben An- spruch auf Leistungen bei einer nicht rechtswidrigen Sterilisation und bei ei- nem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt. Es werden ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft, ärztliche Untersu- chung und Begutachtung zur Feststel- lung der Voraussetzungen für eine nicht rechtswidrige Sterilisation oder für einen nicht rechtswidrigen Schwan- gerschaftsabbruch, ärztliche Behand- lung, Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie Krankenhauspfle- ge gewährt. Anspruch auf Kranken- geld besteht, wenn Versicherte wegen einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder wegen eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt arbeitsunfähig werden, es sei denn, es besteht Anspruch nach
§ 182 Abs. 1 Nr. 2.
lung sowie über Hilfen, die geeignet sind, für ihn bzw. seinen Partner eine Schwangerschaft zu ermöglichen oder eine unerwünschte Schwangerschaft zu vermeiden. Eine allgemeine Sexualauf- klärung oder -beratung gehört hierzu nicht.
2. Die Beratung hat sich auf die wis- senschaftlich anerkannten Methoden der Empfängnisregelung zu erstrecken.
Sie soll individuell erfolgen und kann sich auf beide Partner beziehen. Der Arzt soll beachten, daß nicht jede Bera- tung über Maßnahmen zur Empfängnis- regelung besondere Untersuchungen erfordert.
3. Vor der erstmaligen Verordnung ei- nes empfängnisregelnden Mittels ist im Rahmen der Beratung neben der Erhe- bung der Anamnese die Durchführung einer gynäkologischen Untersuchung (Spekulumeinstellung der Portio und bi- manuelle Tastuntersuchung) angezeigt.
4. Die nach voraufgegangener Verord- nung empfängnisregelnder Mittel not- wendigen Kontrolluntersuchungen wäh- rend der Dauer der Anwendung richten sich hinsichtlich Art und Umfang unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlich- keit nach den einzelnen Methoden. Sie können sich je nach der angewandten Methode und den Erfordernissen des Einzelfalles insbesondere auf folgende Leistungen erstrecken:
Gynäkologische Untersuchung Abstrich nach Papanicolaou Blutdruckmessung
Laboratoriumsuntersuchungen, insbe- sondere bei Verdacht auf Leberschä- den.
5. Die in den Nummern 3 und 4 aufge- führten Untersuchungen entfallen, falls im Laufe der letzten sechs Monate aus anderem Anlaß derartige Untersuchun- gen (z. B. in der kurativen Medizin oder bei einer Krebsfrüherkennungsuntersu- chung) ausgeführt worden sind und das Ergebnis eine Wiederholung ent- behrlich macht.
6. In besonderen Risikofällen (Erbleiden in der Verwandtschaft, miteinander ver- wandte Partner, Kinderwunsch bei ei- ner Frau im Alter von mehr als 38 Jah- ren usw.) soll der Arzt die Hinzuzie- hung eines Humangenetikers in Erwä- gung ziehen. Die vom Humangenetiker durchgeführte Beratung ist Bestandteil der Beratung nach § 200 e RVO bzw. §
31 a KVLG. f>
2332 Heft 37 vom 9. September 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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Richtlinien: Empfängnisregelung, Sterilisation, Schwangerschaftsabbruch
7. Die Verordnung von Arzneimitteln als empfängnisregelnde Mittel soll jeweils für einen Zeitraum von drei Monaten erfolgen. Die Zeitspanne bis zur näch- sten erforderlichen Kontrolluntersu- chung soll durch Verwendung von Wie- derholungsrezepten überbrückt werden.
Die Kosten für verordnete empfängnis- regelnde Mittel und deren Applikation fallen nicht unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen dieser Richtlinien.
8. Soweit Maßnahmen zur Ermögli- chung einer Schwangerschaft als Be- standteil einer Krankenbehandlung aus- geführt werden oder soweit im Rahmen einer Krankenbehandlung die Verhü- tung einer Schwangerschaft medizi- nisch indiziert ist (z. B. bei dekompen- siertem Herzfehler, Diabetes, Karzinom, bestimmten Formen von Nierenerkran- kungen, akut behandlungsbedürftiger Tuberkulose), finden ausschließlich die Bestimmungen über die Gewährung von Krankenhilfe Anwendung.
C. Sterilisation
1. Da die Sterilisation die Fähigkeit zur Zeugung oder Empfängnis auf Dauer beseitigt, darf sie nur nach eingehen- der ärztlicher Aufklärung der Versicher- ten über die Folgen und die Bedeutung des Eingriffs ausgeführt werden; sie soll nur erfolgen, nachdem die Versi- cherten über andere Möglichkeiten der Empfängnisverhütung beraten worden sind.
2. Der Arzt darf eine Sterilisation erst dann ausführen, wenn die Vorausset- zungen für eine nicht rechtswidrige Sterilisation gegeben sind. Über die Ausführung der Sterilisation soll der Arzt unter Berücksichtigung der indivi- duellen Gegebenheiten des Einzelfalles und nach einer ärztlichen Untersu- chung zur Klärung der technischen Ausführbarkeit und Wahl der geeigne- ten Operationsmethode entscheiden.
3. Ob der Eingriff zur Sterilisation am- bulant oder stationär ausgeführt wird, richtet sich nach den individuellen Ge- gebenheiten. Bei der Frau wird er der- zeit in aller Regel stationär auszuführen sein.
4. Voraussetzung für den ambulanten Eingriff zur Sterilisation ist, daß die Einrichtung, in der die Sterilisation aus- geführt wird, über die notwendige per- sonelle und apparative Ausstattung so- wie über die Möglichkeiten zur Beherr- schung von Notsituationen verfügt.
Ebenfalls müssen die Voraussetzungen für eine ausreichende ärztliche Über- wachung der Patienten nach dem Ein- griff gegeben sein.
5. Die Kassenärztliche Vereinigung hat nach § 368n Abs. 6 RVO (§ 5 Ziff. 3 Arzt/Ersatzkassenvertrag) mit ärztlich geleiteten Einrichtungen, insbesondere Krankenhäusern, auf deren Verlangen Verträge über die ambulante Ausfüh- rung von Sterilisationen zu schließen.
Der Antragsteller hat der Kassenärztli- chen Vereinigung nachzuweisen, daß seine Einrichtung über die notwendige apparative Ausstattung verfügt sowie das notwendige ärztliche Personal und ärztliche Hilfspersonal zur Verfügung steht. Die Kassenärztlichen Vereinigun- gen teilen den Landesverbänden der Krankenkassen und den landwirtschaft- lichen Krankenkassen diejenigen ärzt- lich geleiteten Einrichtungen mit, mit denen sie nach § 368n Abs. 6 RVO (§ 5 Ziff. 3 Arzt/Ersatzkassenvertrag) Verträ- ge über die ambulante Ausführung ei- ner Sterilisation abgeschlossen haben.
D. Schwangerschaftsabbruch
1. Der Schwangerschaftsabbruch ist keine Methode, die der Geburtenrege- lung dienen soll. Der Arzt soll daher, soweit nicht medizinische Gründe ent- gegenstehen, im Rahmen der von ihm durchzuführenden ärztlichen Beratung der Schwangeren darauf hinwirken, daß die Schwangerschaft ausgetragen und ein Schwangerschaftsabbruch ver- mieden wird; dabei soll er auf die Mög- lichkeit öffentlicher und privater sozia- ler Hilfen aufmerksam machen. Die ärztliche Beratung der Schwangeren hat sich auch auf die Aufklärung über die Risiken eines Schwangerschaftsab- bruches sowie ggf. über die Notwendig- keit der Vornahme eines Schwanger- schaftsabbruches zu erstrecken.
2. Der Arzt darf einen Schwanger- schaftsabbruch erst dann ausführen, wenn die Voraussetzungen für einen nicht rechtswidrigen Schwanger- schaftsabbruch gegeben sind.
3. Ob der Eingriff zum Abbruch der Schwangerschaft ambulant oder statio- när ausgeführt wird, richtet sich nach den individuellen Gegebenheiten. Ein ambulanter Schwangerschaftsabbruch ist in aller Regel nur bis zur 8. Schwan- gerschaftswoche, gerechnet vom Zeit- punkt der Empfängnis, vertretbar.
4. Voraussetzung für den ambulanten Schwangerschaftsabbruch ist, daß die
Einrichtung, in der dieser Eingriff aus- geführt wird, über die notwendige per- sonelle und apparative Ausstattung so- wie über die Möglichkeiten zur Beherr- schung von Notsituationen verfügt.
Ebenfalls müssen die Voraussetzungen für eine ausreichende ärztliche Über- wachung der Patientin nach dem Ein- griff sowie für eine Nachuntersuchung gegeben sein.
Diese Voraussetzungen sind im Falle einer Ausführung des Schwanger- schaftsabbruches im Rahmen der kas- senärztlichen Versorgung der Kassen- ärztlichen Vereinigung nachzuweisen.
5. Die Kassenärztliche Vereinigung hat nach § 368 n Abs. 6 RVO (§ 5 Ziff. 3 Arzt/Ersatzkassenvertrag) mit ärztlich geleiteten Einrichtungen, insbesondere Krankenhäusern, auf deren Verlangen Verträge über die ambulante Ausfüh- rung eines Schwangerschaftsabbruches zu schließen. Der Antragsteller hat der Kassenärztlichen Vereinigung nachzu- weisen, daß seine Einrichtung über die notwendige apparative Ausstattung ver- fügt sowie das notwendige ärztliche Personal und ärztliche Hilfspersonal zur Verfügung steht. Die Kassenärztli- chen Vereinigungen teilen den Landes- verbänden der Krankenkassen und den landwirtschaftlichen Krankenkassen diejenigen ärztlich geleiteten Einrich- tungen mit, mit denen sie nach § 368 n Abs. 6 RVO (§ 5 Ziff. 3 Arzt/Er- satzkassenvertrag) Verträge über die ambulante Ausführung eines Schwan- gerschaftsabbruches abgeschlossen haben.
E. Inkrafttreten
Diese Richtlinien treten am Tage nach der Bekanntmachung im Bundesanzei- ger in Kraft.*)
Köln, den 17. Dezember 1975 Bundesausschuß der Ärzte
und Krankenkassen Der Vorsitzende Dr. Donnerhack
• Erläuterungen zu diesen Richt- linien findet der Leser auf den Sei- ten 2321 bis 2328.
*) Die Bekanntmachung erfolgte im Bun- desanzeiger vom 18. August 1976