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Archiv "Empfängnisregelung, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch: Bemerkungen zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über „Sonstige Hilfen“ nach den §§ 200 e und f RVO" (09.09.1976)

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Aktie "Archiv "Empfängnisregelung, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch: Bemerkungen zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über „Sonstige Hilfen“ nach den §§ 200 e und f RVO" (09.09.1976)"

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

derung zu erwarten ist, z. B. nach größeren operati- ven Eingriffen, immunsuppressiver Behandlung usw., stellen ebenfalls Kontraindikationen dar. Kinder mit angeborenem Hirnschaden oder zentralnervösem Anfallsleiden sollten nicht geimpft werden. Wegen der Möglichkeit latenter Hirnschäden ist bei Kindern nach Risikogeburten oder Risikoschwjangerschaften Vorsicht geboten.

5. Durchführung der Impfung

Der Keuchhusten-Impfstoff enthält abgetötete Keuch- hustenerreger. Er wird oft mit anderen Impfstoffen, vor allem gegen Diphtherie und Tetanus (DPT-Impf- stoff), kombiniert. Eine Grundimmunisierung um- faßt drei intramuskuläre Injektionen im Abstand von jeweils 4-6 Wochen. Hinsichtlich der Injektionsmen- ge sind die Angaben der Hersteller zu beachten.

Eine Grundimmunisierung soll nicht vor dem 3. Le- bensmonat und nicht nach dem 12. Lebensmonat be- gonnen werden. Eine Auffrischimpfung mit einer Do- sis erfolgt ein Jahr nach der Grundimmunisierung.

Kinder jenseits des zweiten Lebensjahres sollen nicht mehr gegen Keuchhusten geimpft werden.

6. Impfreaktionen

Lokalreaktionen kommen vor; die Verträglichkeit der Impfung kann durch einwandfrei intramuskuläre In- jektion verbessert werden. An Allgemeinreaktionen werden gelegentlich bald nach der Impfung auftre- tende Temperaturerhöhungen bis zu einem höch- stens zwei Tage dauernden Fieber beobachtet, ver- einzelt kann ein wenige Tage anhaltender leichter pertussiformer Husten auftreten.

7. Impfschäden

Unmittelbar nach der Injektion kann es zu Kollapszu- ständen kommen, vereinzelt treten innerhalb weniger Stunden nach der Injektion lebensbedrohliche Schockzustände auf. Medikamente zur Schockbe-

kämpfung müssen deshalb bereitliegen. Schwere Komplikationen sind Impfenzephalopathien (ähnlich der Keuchhustenenzephalopathie), die mit hirnorga- nischen Anfällen einhergehen und progredient ver- laufen können. Die Enzephalopathie nach Keuchhu- stenschutzimpfung tritt meist innerhalb 24 Stunden, spätestens 72 Stunden nach der Impfung auf. Apa- thie, Unruhe, Appetitlosigkeit und ein schrilles Schreien begründen den Verdacht auf eine Enzepha- lopathie, die unverzüglich stationäre Behandlung er- fordert. Angaben über die Häufigkeit der Enzephalo- pathie schwanken zwischen 1 : 20 000 und 1 : 30 000 Impfungen. Nach Auftreten solcher Komplikationen sind weitere Keuchhusten-Schutzimpfungen zu un- terlassen.

8. Versorgungsanspruch bei Impfschaden

Ist die Keuchhustenschutzimpfung gemäß § 51 des Bundes-Seuchengesetzes durch die zuständige Be- hörde eines Bundeslandes für eine bestimmte Perso- nengruppe und Altersklasse öffentlich empfohlen worden (s. Abschnitte 3 und 5), so haben unter die- sen Voraussetzungen Geimpfte im Schadensfall An- spruch auf Versorgung. Beim Auftreten einer über Jas übliche Maß hinausgehenden Gesundheitsstörung nach der Impfung empfiehlt sich die Benachrichti- gung des zuständigen Gesundheitsamtes. Der Ver- sorgungsantrag muß bei der Versorgungsbehörde gestellt werden.

Nachdruck — auch auszugsweise —, photomechanische Wiedergabe und Übersetzung nur mit Genehmigung der Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, 5000 Köln 40 (Lövenich), Postfach 40 04 40

Vorstehendes Merkblatt ist erhältlich beim Deutschen Ärzte-Verlag GmbH, 5000 Köln 40 (Lövenich), Postfach 40 04 40 Preis: 1 Stück 0,50 DM; 10 Stück 3,75 DM; 50 Stück 13,50 DM; 100 Stück 22,50 DM; 1000 Stück 150,— DM.

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Empfängnisregelung, Sterilisation

und Schwangerschaftsabbruch

Bemerkungen zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über „Sonstige Hilfen" nach den §§ 200 e und f RVO

Heinz Matzke und Dieter Schirmer

Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hat am 17. De- zember 1975 und am 26. April 1976 die Richtlinien über die „Sonsti- gen Hilfen" in der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 200 e und 200 f RVO beschlossen. Sie sind nach Prüfung durch den Bun- desminister für Arbeit und Sozialordnung im Bundesanzeiger Nr. 154 vom 18. August 1976 verötfentlicht worden und am folgenden Tage in Kraft getreten. Damit hat die gemeinsame Selbstverwaltung von Kassenärzten und Krankenkassen den ihr durch das Strafrechtsre- form-Ergänzungsgesetz (StREG) vom 28. August 1975 übertragenen Auftrag, die erforderlichen Richtlinien für ausreichende, zweckmä- ßige und wirtschaftliche Maßnahmen im Rahmen der „Sonstigen Hilfen" zu beschließen, erfüllt (§ 368 p Abs. 6 RVO). Die Richtlinien beschreiben entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsgebot Inhalt und Leistungsmodalitäten der „Sonstigen Hilfen" im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung. Zum besseren Verständnis der Richtli- nien bedarf es daher auch einer kurzen Verdeutlichung des Zusam- menhangs mit dem Leistungsrecht sowohl in seiner gesetzgeberi- schen Entwicklung als auch in seiner näheren Ausgestaltung.

A. Vorbemerkungen

I. Umfang der „Sonstigen Hilfen"

nach dem StREG

a) Die „Sonstigen Hilfen" sind in das Leistungsrecht der gesetzli- chen Krankenversicherung durch das am 1. Dezember 1975 in Kraft getretene StREG eingeordnet wor- den. Als „Sonstige Hilfen" werden gewährt:

THEMEN DER ZEIT:

Empfängnisregelung, Sterilisation und

Schwangerschaftsabbruch

FORUM:

Unordnung statt Neuordnung

BRIEF

AN DIE REDAKTION

BEKANNTMACHUNGEN:

Richtlinien des Bundes- ausschusses der Ärzte und Krankenkassen: Ärztliche Maßnahmen zur

Empfängnisregelung, zur Sterilisation und zum

Schwangerschaftsabbruch

— Richtlinien über die Arbeitsweise von Laborgemeinschaften — Arbeitsmedizinische Einführungslehrgänge — Kassenarztsitze

PREISE

FEUILLETON:

Der bittere Geschmack der Hilflosigkeit Arzt — und Poet dazu

> Ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung;

> Sach- und Geldleistungen bei nicht rechtswidriger Sterilisation und nicht rechtswidrigem Schwan- gerschaftsabbruch.

Das StREG ist der gesetzgeberi- schen Intention nach im wesentli- chen eine „flankierende Maßnah- me" zur Reform des § 218 Strafge- setzbuch (Schwangerschaftsab- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 9. September 1976 2321

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Empfängnisregelung, Sterilisation, Schwangerschaftsabbruch

bruch). Die von der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfü- gung gestellten Leistungen, insbe- sondere die ärztlichen Maßnah- men, sollen einmal dazu beitragen, Möglichkeiten der Familienplanung besser zu nutzen, um Konfliktsitua- tionen im Interesse des werdenden Lebens vermeiden zu helfen. In den rechtlich zulässigen Fällen des Schwangerschaftsabbruchs soll aber andererseits auch im Interes- se der Gesundheit der betroffenen Frauen die Inanspruchnahme der notwendigen medizinischen Lei- stungen durch die gesetzliche Krankenversicherung ermöglicht werden.

b) Die Reform des §218 Strafge- setzbuch (StGB) ist mit dem Fünf- ten Gesetz zur Reform des Straf- rechts vom 18. Juni 1974 eingelei- tet worden. Allerdings ist die als Kernstück dieser Reform gedachte sogenannte Fristenregelung, d. h.

die Zurücknahme der Strafandro- hung für den während der ersten 12 Wochen der Schwangerschaft nach Beratung von einem Arzt vor- genommenen Schwangerschaftsab- bruch, durch das Bundesverfas- sungsgericht mit Urteil vom 25. Fe- bruar 1975 für verfassungswidrig erklärt worden. Die wegen dieses Urteils gebotene Neuordnung der Rechtslage sieht nunmehr das 15.

Strafrechtsänderungsgesetz vom 18. Mai 1976 vor, das am 21. Juni 1976 in Kraft getreten ist. (Vgl.

dazu näher nachstehend Teil B IV Nr. 2.)

Die Aufgabe des Bundesausschus- ses bestand, wie bereits gesagt, darin, die neuen Leistungen des StREG dem Wirtschaftlichkeitsge- bot entsprechend hinsichtlich ihres Inhalts näher zu beschreiben. Nicht jedoch war es etwa seine Aufgabe, die strafrechtlichen Bedingungen darzustellen, denen die Zulässig- keit eines Schwangerschaftsab- bruchs oder einer Sterilisation un- terliegt. Dies war weder vom

StREG her erforderlich, noch ist dies gesetzlich gebotener Inhalt der Richtlinien des Bundesaus- schusses. Der strafrechtliche Rah- men war dem Bundesausschuß vorgegeben, wobei darauf hinzu- weisen ist, daß die während der Beratungen und bei der Beschluß- fassung bestehende Unklarheit über die endgültige strafrechtliche Situation die Arbeit des Bundes- ausschusses erschwert hat. Es ist Aufgabe des Arztes, sich der straf- rechtlichen Erfordernisse zu verge- wissern, wobei ihn Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen zu unterstützen haben werden.

III. Die Verbindlichkeit der Richtlinien

1. Die Richtlinien sind für Kassen- ärzte und Krankenkassen gleicher- maßen verbindlich.

2. Für den Fall, daß andere Ärzte als Kassenärzte sowie ärztlich ge- leitete Einrichtungen, z. B. ärztlich geleitete Beratungsstellen oder Krankenanstalten, zur Teilnahme an der ambulanten Erbringung der in §§ 200 e und 200 f RVO genann- ten ärztlichen Maßnahmen durch die Kassenärztlichen Vereinigun- gen ermächtigt werden, ist die Be- achtung der Richtlinien zum Inhalt der Ermächtigungsverträge zu ma- chen. Darauf weisen die Richtlinien in Abschnitt A Nr. 4 ausdrücklich hin.

Die Richtlinien folgen der vom Ge- setz vorgegebenen Systematik der

„Sonstigen Hilfen" und behandeln je gesondert die drei Leistungsbe- reiche: Ärztliche Maßnahmen zur Empfängnisregelung, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch, so- weit es sich dabei um ärztliche Lei- stungen im Rahmen der kassen- ärztlichen Versorgung handelt.

Ärztliche Leistungen im Zusam-

menhang mit Schwangerschaftsab- bruch und Sterilisation außerhalb dieses kassenärztlichen Bereichs sind nicht Gegenstand der Richtli- nien. Damit ist nicht ausgeschlos- sen, daß ggf. in Verträgen diese Richtlinien zum Vertragsinhalt ge- macht werden können.

II. Die Richtlinien zur Beratung über Fragen der Empfängnisrege- lung (Abschnitt B der Richtlinien) 1. Die leistungsrechtliche Grundla- ge ergibt sich aus § 200 e RVO.

Dort ist bestimmt:

„Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen.der Empfängnisregelung; zur ärztlichen Beratung gehören auch die erfor- derliche Untersuchung und die Verordnung von empfängnisregeln- den Mitteln".

2. Die Leistung ist gekennzeichnet durch eine „Beratung". Entspre- chend den gesetzgeberischen Mo- tiven, die sie „als Hilfe, die einer unerwünschten Schwangerschaft entgegenwirken oder eine Schwan- gerschaft ermöglichen soll", aus- weisen (vgl. Gesetzentwurf, Bun- destagsdrucksache 7/376), bezie- hen sich auch die Richtlinien (Ab- schnitt B Nr. 1 Satz 1) auf diese Zielsetzung. Der Inhalt der Bera- tung, nämlich Fragen der Empfäng- nisregelung, schließt eine allgemei- ne Sexualaufklärung oder -bera- tung aus (Abschnitt B Nr. 1 Satz 2).

Vielmehr ist die Beratung eine In- formation über Methoden der Emp- fängnisregelung, ggf. verbunden mit einem ärztlichen Rat für eine bestimmte Methode, der durch eine Untersuchung abgesichert sein kann. Dies verdeutlicht auch Abschnitt B Nr. 2 Satz 1 der Richtli- nien, wenn dort der Beratungsge- genstand mit den „wissenschaftlich anerkannten Methoden der Emp- fängnisregelung" umschrieben wird. Die Individualität der Bera- tung (Abschnitt B Nr. 2 Satz 2) ist eine selbstverständliche Folge des- sen, daß der Ratsuchende dem Arzt gegenüber mit einem individu- II. Der Richtlinienauftrag B. Die Richtlinien im einzelnen

des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen

I. Allgemeines

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ellen Informationsbedarf und Wunsch nach Hilfe auftritt.

3. Dem Ratsuchenden soll nicht nur eine Information gegeben wer- den können, sondern, wenn er es wünscht, auch ein Rat, das heißt Hilfe für eine bestimmte Methode der Empfängnisregelung, sowie das nach den Umständen des Ein- zelfalles dafür erforderliche und geeignete Mittel verschrieben wer- den.

Dazu bedarf es möglicherweise ei- ner vorherigen ärztlichen Untersu- chung. Nach § 200 e RVO gehört eine solche Untersuchung zum Be- standteil der Beratung, wenn sie

„erforderlich" ist. Wann eine Un- tersuchung in diesem Sinne erfor- derlich ist, hängt vom konkreten Fall ab. Dies dürfte z. B. anzuneh- men sein, wenn der Arzt dem Rat- suchenden zu einer bestimmten Me- thode der Empfängnisregelung ra- ten möchte, deren Anwendbarkeit nach den Regeln der ärztlichen Kunst erst nach vorausgegangener Untersuchung verantwortbar ist, oder wenn der Ratsuchende von sich aus sich zu einer bestimm- ten untersuchungsabhängigen Me- thode entschließen und hierzu die ärztliche Unbedenklichkeit einho-

len möchte.

Die Richtlinien weisen jedoch auch darauf hin, daß nicht jede Beratung über Maßnahmen zur Empfängnis- regelung besondere Untersuchun- gen erfordert (Abschnitt B Nr. 2 Satz 2). Hierbei kann es sich z. B.

um den Fall handeln, daß ein Rat- suchender sich auf eine Information über eine Empfängnisregelungsme- thode beschränken möchte, oder daß der Arzt eine Methode empfeh- len will, für die es nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft ei- ner vorherigen Untersuchung nicht bedarf.

4. Diese Erforderlichkeit einer Un- tersuchung ist auch für den Um- fang der Untersuchungsmaßnah- men maßgeblich. Die Richtlinien konkretisieren hier unter Prädomi- nanz des ärztlichen Ermessens ei- nen Rahmen für den Fall, daß die

Beratung auf die Anwendung eines bestimmten Mittels der Empfäng- nisregelung zielt, das hierfür ver- ordnet werden soll. In der Regel wird es sich um ein orales Kontra- zeptivum handeln. Die Richtlinien unterscheiden die Erstuntersu- chung (vor der Verordnung) sowie die nach einer Verordnung notwen- digen Kontrolluntersuchungen. Ins- besondere bei letzteren ist von Be- deutung, daß der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit hervorgeho- ben wird.

Beispielhaft werden als mögliche Untersuchungsmaßnahmen, deren Anwendungsnotwendigkeit vom Arzt unter dem Gesichtspunkt der angewandten Empfängnisrege- lungsmethode und dem individuel- len Fall zu prüfen ist, angeführt:

gynäkologische Untersuchung, Ab- strich nach Papanicolaou, Blut- druckmessung, Laboratoriumsun- tersuchungen.

Die Richtlinien enthalten auch ei- nen das Wirtschaftlichkeitsgebot berücksichtigenden besonderen Hinweis für den Fall, daß eine an sich angezeigte ärztliche Untersu- chungsmaßnahme etwa bereits bei vorausgegangenen anderweitigen Untersuchungen, z. B. bei ärztli- chen Untersuchungen im Rahmen der kurativen Behandlung oder bei Maßnahmen im Rahmen der Krank- heitsfrüherkennung, ausgeführt worden ist. Dann• sollen nämlich Maßnahmen im Rahmen der Bera- tung über Empfängnisregelung un- terbleiben, wenn jene anderweiti- gen Untersuchungen innerhalb der letzten sechs Monate vorgenom- men worden sind und ihr Ergebnis eine Wiederholung entbehrlich macht (Abschnitt B Nr. 5). Hiernach würde sich auch die Frage beant- worten, ob dieser Hinweis nicht nur bei Untersuchungsmaßnahmen des die Beratung über Fragen der Empfängnisregelung vornehmen- den Arztes, sondern auch bei Vor- untersuchungen eines anderen Arz- tes zu beachten ist. Auch letztere dürften nach der dieser Regelung zugrunde liegenden Intention, näm- lich nicht notwendige Doppelunter- suchungen zu vermeiden, gemeint

sein, soweit dem aktuell untersu- chenden Arzt derartige Untersu- chungen bekannt und ihre Ergeb- nisse erreichbar und verwertbar sind.

Der Arzt wird daher in jedem Falle Versicherte nach vorausgegange- nen Untersuchungen fragen müs- sen.

5. Wie Abschnitt B Nr. 1 der Richt- linien verdeutlicht, kann die Bera- tung sich auch auf Hilfen erstrek- ken, die eine Schwangerschaft er- möglichen sollen; daher kann sich in besonderen Fällen auch die Fra- ge nach einer humangenetischen Untersuchung stellen. Die Richtlini- en stellen klar, daß eine solche Un- tersuchung notwendig und damit von der Leistungspflicht der ge- setzlichen Krankenversicherung im Rahmen des § 200 e RVO umfaßt sein kann, wenn es sich um beson- dere Risikofälle handelt.

6. Die ärztliche Beratung nach

§ 200 e RVO schließt, wie im Ge- setz ausdrücklich bestimmt ist, die Verordnung eines empfängnisre- gelnden Mittels ein. Die ärztliche Maßnahme der Entscheidung für ein bestimmtes Mittel und seine Auswahl ist damit Gegenstand der kassenärztlichen Versorgung und wird von den Krankenkassen ver- gütet, nicht aber werden die Ko- sten des Mittels selbst von der Krankenkasse übernommen. Das Mittel selbst ist daher, soweit es verschreibungspflichtig ist, auf Pri- vatrezept zu verordnen. Dies wie- derholt Abschnitt B Nr. 7 Satz 3 der Richtlinien, damit der Arzt den Versicherten ggf. über diese Sach- lage aufklären kann.

Der Bundesausschuß hat in diesem Zusammenhang auch die Auffas- sung vertreten, daß die Applikation eines empfängnisregelnden Mittels (z. B. Einbringen eines Pessars und dgl.), das Versicherte sich nach ärztlicher Verordnung auf eigene Kosten beschafft haben, nicht zu den ärztlichen Maßnahmen im Rah- men der kassenärztlichen Versor- gung gehört, sondern Behandlung außerhalb der kassenärztlichen DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 9. September 1976 2323

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Empfängnisregelung, Sterilisation, Schwangerschaftsabbruch

Versorgung darstellt, deren Kosten die Versicherten selbst zu tragen haben.

Für die Verordnungsweise des Kassenarztes bei Arzneimitteln als empfängnisregelnde Mittel (z. B.

oralen Kontrazeptiva) ist beacht- lich, daß der Bundesausschuß durch die Möglichkeit von Wieder- holungsrezepten das Aufsuchen des Arztes zu einer Rezepterneue- rung außerhalb des medizinisch gebotenen Untersuchungsrhythmus vermeiden lassen will. In diesem Zusammenhang ist auf Nr. 18 e der Arzneimittelrichtlinien*) hinzuwei- sen. Danach dürfen Mittel, die aus- schließlich der Empfängnisverhü- tung dienen, im Rahmen der kas- senärztlichen Versorgung nicht verordnet werden.

Diese Arzneimittelrichtlinie steht der gesetzlichen Regelung nach

§ 200 e RVO nicht entgegen, weil Nr. 18 e nur Verordnungen auf Kas- senrezept betrifft.

7. Inhalt der Beratung nach § 200 e ist auch ein anderer Aspekt von Fragen der Empfängnisregelung, nämlich die Ermöglichung von Schwangerschaften. In diesem Zu- sammenhang kann der Fall auftre- ten, daß von Ratsuchenden Ge- sundheitsbeschwerden vorge- bracht werden, die möglicherweise krankhaften Störungen der Sexual- funktionen zugeordnet werden müssen. Abschnitt B Nr. 8 der Richtlinien macht deutlich, daß in solchen Fällen die erforderlichen Maßnahmen Teil der Krankenbe- handlung sind, d. h. für diese Lei- stungen sind dann die Bestimmun- gen der Reichsversicherungsord- nung über die Krankenhilfe maßge- bend. Gleiches gilt, wenn die Ver- hütung einer Schwangerschaft me- dizinisch indiziert ist. In solchen Fällen wäre dann auch die Verord- nung eines empfängnisregelnden Mittels auf Kassenrezept möglich

") Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Ver- ordnung von Arzneimitteln in der kas- senärztlichen Versorgung i. d. F. vom 16. 12. 1974 (BAnz 1975 Nr. 59, Beilage Nr. 12/75, s. auch DEUTSCHES ÄRZTE-

BLATT 15/1975, Seite 1071 ff.).

und zulässig. Auch insoweit würde Nr. 18 e der Arzneimittelrichtlinien nicht entgegenstehen, da in diesen Fällen das empfängnisregelnde Mittel nicht „ausschließlich" der Empfängnisregelung dient.

III. Die Richtlinien zur Sterilisation (Abschnitt C)

1. Bei nicht rechtswidriger Sterili- sation werden nach § 200 f RVO von den Krankenversicherungsträ- gern folgende Leistungen gewährt:

I> ärztliche Untersuchung und Be- gutachtung zur Feststellung der Voraussetzungen einer nicht rechtswidrigen Sterilisation,

I> ärztliche Behandlung, Versor- gung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie Krankenhauspfle- ge,

> Krankengeld.

2. Die Leistungen, also auch die ärztlichen Maßnahmen, werden nur im Falle einer nicht rechtswidrigen Sterilisation gewährt. Die Richtlini- en wiederholen dies ausdrücklich in Abschnitt C Nr. 2 Satz 1.

a) Insoweit ist auf folgendes hinzu- weisen: Eine eindeutige strafrecht- liche Regelung über die Bedingun- gen, unter denen zulässigerweise freiwillige Sterilisationen vom Arzt vorgenommen werden können, fehlt gegenwärtig noch. Die in die- ser Legislaturperiode eingebrach- ten Entwürfe zur Reform des § 218 StGB haben zwar auch solche Vor- schläge vorgesehen, sind aber in- soweit nicht weiterberaten worden.

Eine für die Rechtspraxis maßgeb- liche Interpretation der gegenwärti- gen Rechtslage enthält aber das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 1964 (BGHSt 20, 81).

Danach gibt es keine deutsche Strafvorschrift, die freiwillige Ste- rilisationen mit Strafe bedroht;

das Gericht weist darauf hin, daß diese Gesetzeslücke nur vom Gesetzgeber geschlossen werden könne. Dieser Rechtsauf-

fassung wird in der Strafrechtswis- senschaft zum Teil widersprochen.

Eine maßgebliche Literaturmei- nung geht vielmehr davon aus, daß die Zulässigkeit freiwilliger Sterili- sationen als Körpereingriff am Maßstab des § 226 a Strafgesetz- buch („Gute Sitten") gemessen werden müsse. Auch wenn inso- weit manche Autoren auf dieser Grundlage die Straflosigkeit der Sterilisation annehmen, dürfte den- noch offen bleiben, ob nicht auch bei weiter Auslegung die mit der wertenden Betrachtung der „guten Sitten" verbundene differenzieren- de Beurteilung als Voraussetzung des Eingriffs nicht zumindest be- stimmte Indikationen und Alters- grenzen, die über die für eine gülti- ge Einwilligung notwendigen Al- tersgrenzen der Einsichtsfähigkeit hinausgehen, erfordern würde.

Geht man indessen von der für die Rechtspraxis bedeutsamen Inter- pretation des Bundesgerichtshofes aus, so reduziert sich die Frage der Nicht-Rechtswidrigkeit einer freiwilligen Sterilisation auf die Frage der Zulässigkeit und Gültig- keit der Einwilligung in die Sterili- sation. Nach den üblichen Anforde- rungen an diesen Rechtsakt kann sie von Minderjährigen und Nicht-Einsichtsfähigen nicht erteilt werden. Auch setzt die Rechtsgül- tigkeit der Einwilligung die Aufklä- rung über den medizinischen Sachverhalt und seine Folgen vor- aus.

Die Auffassung, daß freiwillige Ste- rilisationen allgemein zulässig sind, würde die Frage, inwieweit der Kassenarzt verpflichtet ist, an solchen Maßnahmen im Einzelfall mitzuwirken, nicht präjudizieren.

Vielmehr dürften angesichts der allgemeinen rechtspolitischen Ein- schätzung der Rechtslage zumin- dest so lange, bis eine eindeutige gesetzliche Neuregelung getroffen ist, trotz der Zuordnung zur kas- senärztlichen Leistungspflicht kei- ne rechtlichen Bedenken bestehen können, wenn der Kassenarzt sich nach der Berufsordnung richtet (vgl. §4 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärzte: „Sterilisa-

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tionen sind zulässig, wenn sie aus medizinischen, genetischen oder schwerwiegenden sozialen Grün- den indiziert sind") oder nach sei- ner gewissenhaften ärztlichen Ein- schätzung verfährt und sich bei- spielsweise auf Fälle beschränkt, in denen eine Sterilisation medizi- nisch oder eugenisch indiziert ist, oder wenn der Kassenarzt Sterili- sationen vom Erreichen eines be- stimmten Alters abhängig macht.

b) Über die Rechtslage und vor al- lem über besondere landesrechtli- che Bestimmungen würde sich der Arzt bei seiner Ärztekammer oder der Kassenärztlichen Vereinigung zu erkundigen haben.

3. Als Voraussetzung einer Sterili- sation hat der Bundesausschuß in jedem Falle die eingehende ärztli- che Aufklärung des Versicherten über Folgen und Bedeutung des Eingriffs angeführt. Dazu wird der Arzt ggf. auch den Partner des Be- troffenen einbeziehen können. Ent- sprechend einer heute üblichen medizinischen Auffassung macht Abschnitt C Nr. 1 auch deutlich, daß eine Sterilisation gegenüber anderen Empfängnisregelungsme- thoden subsidär sein sollte.

4. Abschnitt C Nr. 3 und Nr. 4 ent- halten Hinweise an den Arzt dar- über, ob die Sterilisation ambulant oder stationär durchgeführt werden sollte und welche Voraussetzungen bei ambulanter Durchführung an die Praxiseinrichtung des Arztes zu stellen sind.

IV. Die Richtlinien zum Schwan- gerschaftsabbruch (Abschnitt D) 1. Im Falle des Schwangerschafts- abbruchs werden nach § 200 f RVO von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung folgende Lei- stungen gewährt:

> Ärztliche Beratung über die Er- haltung und den Abbruch der Schwangerschaft,

> ärztliche Untersuchung und Be- gutachtung zur Feststellung der

Voraussetzungen für einen nicht rechtswidrigen Schwangerschafts- abbruch,

> ärztliche Behandlung,

> Versorgung mit Arznei, Ver- band- und Heilmitteln sowie Kran- kenhauspflege,

> im Falle der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld.

2. Die Leistungen werden nur ge- währt, wenn der Schwanger- schaftsabbruch „nicht rechtswi- drig" ist. Da diese Frage auch den Inhalt der Leistungen bestimmt, ist es zunächst notwendig, auf die ent- sprechende Rechtslage kurz hinzu- weisen. Grundlage für die Beurtei- lung ist das 15. Strafrechtsände- rungsgesetz vom 18. Mai 1976*).

Danach ergibt sich folgende recht- liche Situation:

a) Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des be- fruchteten Eies in die Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwan- gerschaftsabbruch (§ 219 StGB).

b) Hinsichtlich der Zulässigkeit des Abbruchs geht die grundlegende Vorschrift (§ 218 a StGB) von einer

„umfassenden medizinisch-sozialen Indikation" als Rechtfertigungs- grund aus, die das Gesetz nicht nur in den Fällen der im strengen Sinne medizinischen Indikation (Gefahr für Leib oder Leben), sondern auch der Kindesfruchtschädigung, der aufgezwungenen Schwangerschaft und der schweren Notlage der Schwangeren kraft ausdrücklicher Bestimmung als gegeben ansieht.

Im einzelnen ist die Indikationsre- gelung wie folgt zu erläutern:

Der Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt ist nicht nach

§ 218 StGB strafbar, wenn

> die Schwangere einwilligt und

> der Abbruch unter Berücksichti- gung der gegenwärtigen und zu- künftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Er- kenntnis angezeigt ist, um eine Ge-

fahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beein- trächtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine ande- re für die Schwangere zumutbare Weise abgewendet werden kann.

Diese Voraussetzungen gelten auch als erfüllt bei nach ärztlicher Erkenntnis zu erwartender schwe- rer nicht behebbarer gesundheitli- cher Schädigung des Kindes, bei einer durch rechtswidrige Tat nach

§§ 176 bis 179 StGB aufgezwunge- nen Schwangerschaft sowie bei ei- ner schwerwiegenden, nicht auf andere zumutbare Weise abwend- baren Notlage der Schwangeren;

in diesen Fällen ist der Eingriff je- doch nur innerhalb bestimmter Fri- sten zulässig.

c) Die vorstehend aufgeführten In- dikationen (medizinische, eugeni- sche und ethische) werden straf- rechtlich als -Rechtfertigungsgrün- de einzuordnen sein, so daß ein Schwangerschaftsabbruch, die Ein- willigung der Schwangeren und die übrigen Erfordernisse vorausge- setzt, nicht rechtswidrig ist. Hin- sichtlich dieser Voraussetzungen ist noch auf folgendes aufmerksam zu machen:

Die Rechtmäßigkeit des Schwan- gerschaftsabbruchs bedarf einer gültigen Einwilligung der Schwan- geren. Als strafrechtlicher Rechts- begriff unterscheidet sich der Be- griff vom zivilrechtlichen der Ge- schäftsfähigkeit und setzt natürli- che Fähigkeit zur Einwilligung vor- aus.

d) Weitere Voraussetzung für die Nicht-Rechtswidrigkeit des Schwan- gerschaftsabbruchs ist eine min- destens 3 Tage vor dem Abbruch vorgenommene Beratung der Schwangeren, die auf den Schutz des ungeborenen Lebens ausge- richtet ist. Im einzelnen ist es not- wendig, daß die Schwangere >

*) Bundesgesetzblatt 1 S. 1213 ff. (s. auch DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 25/

1976, Seite 1651 ff. und Heft 34/1976, Seite 2147 ff.).

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 37 vom 9. September 1976 2325

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Empfängnisregelung, Sterilisation, Schwangerschaftsabbruch

D sich mindestens 3 Tage vor dem Eingriff wegen der Frage des Abbruchs ihrer Schwangerschaft an einen Berater gewandt hat und dort über die zur Verfügung ste- henden öffentlichen und privaten Hilfen für Schwangere, Mütter und Kinder, beraten worden ist, insbe- sondere über solche Hilfen, die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage von Mutter und Kind erleichtern, und

D von einem Arzt über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte bera- ten worden ist.

Berater im Sinne der erstgenann- ten Beratungsform kann, wie das Gesetz ausdrücklich bestimmt, nur sein:

D eine von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannte Beratungsstelle oder

D ein Arzt, der nicht selbst den Schwangerschaftsabbruch vor- nimmt und

a) als Mitglied einer anerkannten Beratungsstelle mit der Beratung im Sinne der oben beschriebenen betraut ist,

b) von einer Behörde oder Körper- schaft, Anstalt oder Stiftung des öf- fentlichen Rechts als Berater aner- kannt ist oder

c) sich durch Beratung mit einem Mitglied einer anerkannten Bera- tungsstelle, das mit der Beratung betraut ist, oder mit einer Sozialbe- hörde oder auf andere geeignete Weise über die im Einzelfall zur Verfügung stehenden Hilfen unter-

richtet hat.

Eine derartige Beratung darf ent- fallen, wenn der Schwanger- schaftsabbruch angezeigt ist, um von der Schwangeren eine durch körperliche Krankheit oder Körper- schaden begründete Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit abzu- wenden.

e) Ferner ist für die Nicht-Rechts- widrigkeit erforderlich, daß dem Arzt, der den Eingriff vornimmt, die schriftliche Feststellung eines Arz- tes, der nicht selbst den Schwan- gerschaftsabbruch vornimmt, dar- über vorgelegen hat, ob die Vor- aussetzungen einer Indikation ge- geben sind.

f) Für einen Schwangerschaftsab- bruch, der ohne die Beratungen oder ohne die Feststellung vorge- nommen wird, ist Strafe ange- droht, jedoch nicht für die Schwan- gere selbst.

3. Wie bereits oben unter A 111 dar- gestellt wurde, ist es nicht Aufgabe des Bundesausschusses, über die strafrechtlichen Erfordernisse in den Richtlinien Aussagen zu ma- chen. Daher wird es Aufgabe der Landesärztekammern und der Kas- senärztlichen Vereinigungen sein, die Ärzte über die strafrechtlichen Erfordernisse bei einem Schwan- gerschaftsabbruch in geeigneter Weise zu unterrichten.

4. Der Bundesausschuß hat aber in Abschnitt D Nr. 1 der Richtlinien auf die vor dem Schwangerschafts- abbruch erforderliche „soziale Be- ratung" hingewiesen. Hierbei ist zunächst hervorzuheben, daß im Rahmen der von der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfü- gung gestellten Leistungen, für die diese Richtlinien maßgebend sind,

„ärztliche Beratung über die Erhal- tung und den Abbruch der Schwangerschaft" gewährt wird (§ 200 f RVO). Diese Leistung be- schreiben die Richtlinien in Ab- schnitt D Nr. 1 ihrer Grundtendenz nach als eine auf die Erhaltung der Schwangerschaft gerichtete Bera- tung. Diese Auslegung entspricht den Anforderungen, die das Bun- desverfassungsgericht an eine ei- nem beabsichtigten Schwanger- schaftsabbruch vorausgehende Be- ratung gestellt hat. Es hat nämlich aus der Verfassung die Forderung abgeleitet, daß die Beratung auf den Schutz des ungeborenen Le- bens ausgerichtet sein und in die- sem Sinne effektiv ausgestaltet

werden müsse. Wie der Arzt hier- bei im einzelnen verfährt, ergibt sich aus der individuellen Situation des von der Schwangeren unter- breiteten Konflikts. Hinzuweisen ist, daß, um strafrechtlich den Vor- aussetzungen für einen zulässigen Schwangerschaftsabbruch zu ent- sprechen, die Beratung unter zwei verschiedenen Aspekten erfolgen muß, nämlich als Beratung über die zur Verfügung stehenden öf- fentlichen und privaten Hilfen so- wie als ärztliche Beratung „über die ärztlich bedeutsamen Gesichts- punkte". Zu der Frage, ob die nach

§ 218 b Abs. 1 Nr. 1 StGB geforder- te Beratung über öffentliche und private Hilfen durch einen Arzt oder eine Beratungsstelle von der Leistung „ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft" nach § 200 f RVO abgedeckt ist und dann zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden müßte, hat der Bundesaus- schuß sich einer Stellungnahme enthalten und sich seinem gesetzli- chen Auftrag entsprechend in Ab- schnitt D Nr. 1 der Richtlinien auf die Aussage beschränkt, daß der Arzt auf die „Möglichkeit öffentli- cher und privater sozialer Hilfen aufmerksam machen" soll. Denn selbstverständlich muß der Arzt, wenn er seiner Beraterfunktion ge- recht werden will, die Schwangere auf dieses Erfordernis hinweisen, damit sie die strafrechtlich gefor- derte Beratung durch die dafür vorgesehenen Stellen oder Perso- nen wahrnehmen kann. Selbstver- ständlich wird auch — ohne daß dies in den Richtlinien ausdrück- lich gesagt sein müßte — der Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch durchführt, sich zu vergewissern haben, daß die Beratung über öf- fentliche und private Hilfen durch- geführt worden ist.

5. Die Nummern 3 und 4 in Ab- schnitt D der Richtlinien geben Hinweise, in welchen Fällen der Schwangerschaftsabbruch ambu- lant oder stationär durchgeführt werden kann. Sie gehen von der nach geltendem Strafrecht getrof- fenen Regelung aus, wonach der

(8)

1. Unzulängliche Zulassungsverfahren

Nachdem „finanzielle, sozialpoliti- sche, philosophische und ideologi- sche Positionen" im Gesetzge- bungsverfahren „mit Verbissen- heit" verteidigt worden seien, sieht die Zukunft für die deutschen Arz- neimittel nach Professor Aschen- brenner jetzt dunkel aus, obwohl die Zielsetzung des ursprünglichen Gesetzentwurfes doch zu einer

„optimalen" Arzneimittelsicherheit habe führen sollen, damit fürderhin alle Arzneimittel die erforderliche

„Qualität, Wirksamkeit und Unbe- denklichkeit" hätten aufweisen können.

In einem Artikel „Hintergründe zur Arzneimittelrechtsreform" in „Der Deutsche Arzt" (1) werden die ur- sprünglichen Beweggründe dieses Arzneimittelgesetzentwurfes, der eindeutig „die Handschrift von Ge- sundheitsstaatssekretär Wolters, vom Präsidenten des Bundesge- sundheitsamtes Füllgraff und des- sen Rechtsberater Lewandowski getragen habe", sehr viel wirklich- keitsnäher dargestellt: „Wolters und Füllgraff ... (wollten) mit Hilfe des Gesetzes die Naturheilmittel aus der Medizin hebeln ..."

Just dagegen hatten sich eine an- fangs vielleicht kleinere aber dafür geistig durchaus wache und schließlich auch aus der ärztlichen Kollegenschaft breitere Unterstüt- zung findende Gruppe von Ärzten mit allen ihnen zu Gebote stehen- den Mitteln zur Wehr gesetzt. Die- sen Ärzten ging es um sehr viel mehr als um „finanzielle, sozialpo-

litische, philosophische und ideolo- gische" Positionen. Ihnen ging es schlicht um einen für sie wesentli- chen Teil ihrer Berufsausübung, nämlich den: aus ihrer wissen- schaftlichen und beruflichen Erfah- rung in eigener Verantwortung ihre Therapie für ihre Patienten frei von Staatsgängelung auch weiterhin bestimmen zu können.

Diese Gruppe von Ärzten hat ne- ben ihren eigenen Argumentatio- nen (2) zur Diskussion um das Arz- neimittelgesetz außerdem drei, wie sie meint, bedeutende Rechtsgut- achten (3, 4, 5), initiiert, von denen man eigentlich annehmen möchte, Herr Professor Aschenbrenner soll- te die kennen. Von daher ist es schlechterdings unverständlich wie Herr Professor Aschenbrenner zu der Formulierung kommen kann ...

„daß in den anerkennenswert sachlichen Gesetzentwurf später so viele dilettantische Emotionen und gezielte Pressionen des Wahl- Jahres eingeflossen sind".

Auch der § 24 (früher 25) „Ent- scheidung über die Zulassung" ist keineswegs, wie Professor Aschen- brenner schreibt, „spät und ohne Befragen der Ärzteschaft" völlig verändert worden, sondern höchst erfreulicherweise sind sehr wohl Ärzte, die sich aus eigener Verant- wortung sehr nachhaltig zu Wort meldeten, von den Parlamentariern ausgiebig befragt und gehört wor- den.

Was nun die Bemerkung von Herrn Professor Aschenbrenner betrifft:

„daß höchst persönliche Wertun- gen" nicht in ein Gesetz gehören Abbruch der Schwangerschaft nur

in einem Krankenhaus oder in ei- ner hierfür zugelassenen Einrich- tung vorgenommen werden darf.

Nr. 5 in Abschnitt D betrifft die Ver- träge, die zwischen Kassenärztli- chen Vereinigungen und ärztlich geleiteten Einrichtungen, insbeson- dere Krankenhäusern abzuschlie- ßen sind, wenn diese Einrichtun- gen die Teilnahme an ambulant zu erbringenden Schwangerschaftsab- brüchen gewünscht haben (§ 368 n Abs. 6 RVO). Die Richtlinien stellen klar, daß diese Einrichtungen den Kassenärztlichen Vereinigungen das für diese Maßnahmen notwen- dige ärztliche Personal und ärztli- che Hilfspersonal sowie die für die- se Maßnahmen notwendigen appa- rativen Ausstattungen nachzuwei- sen haben, und daß die Kassen- ärztlichen Vereinigungen den Lan- desverbänden der Krankenkassen die Einrichtungen mitzuteilen ha- ben, mit denen Verträge über am- bulante Ausführung von Schwan- gerschaftsabbrüchen abgeschlos- sen sind.

C. Schlußbemerkung

Mit dem Inkrafttreten der Richtlini- en des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sind sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung der Rechtsvorschriften über die „Sonstigen Hilfen" ge- schaffen. Der Bundesausschuß wird aufgrund der Erfahrungen bei An- wendung dieser Richtlinien zu prü- fen haben, ob sich die Richtlinien bewährt haben oder ob sie geän- dert oder ergänzt werden müssen.

Anschrift der Verfasser:

Dr. jur. Heinz Matzke, Leitender Ministerialrat Dieter Schirmer, Oberregierungsrat Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Rochusstraße 1

5300 Bonn-Duisdorf

• Beachten Sie auch den Wortlaut der Richtlinien auf den Seiten 2332 und 2334 dieser Ausgabe.

Unordnung statt Neuordnung

Zu dem Kommentar von Professor Dr. med. Reinhard Aschenbrenner in Heft 25/1976, Seite 1655 f.

2328 Heft 37 vom 9. September 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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