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Nachträgliches zum Arabischen Piüt.
Von
A. Socin und H. Stamme.
In Band 48 dieser Zeitschrift, S. 707 und 708, kommt
Dr. Hartwig Hirschfeld bei Gelegenheit einer Besprechung der
jHebr. Verskunst" von Martin Hartmann auch auf unsern Artikel
,Ein arabischer Piüt" S. 22—38 ds. Bandes ds. Ztschr. zu reden.
Wir sind genöthigt mehrfache Angriffe gegen die von uns ver¬
tretenen Ansichten auf metrischem oder sprachlichem Gebiete hier¬
mit in Kürze zurückzuweisen.
S. 707, Z. 12. Eine Kleinigkeit: unser Gewährsmann heisst
nicht Bülhassem (vgl. unten), sondem |.LgJL. yi\ Büselham „der
mit dem Burnus" (wie auch in unserm Artikel S. 27, Z. 2 zu
lesen ist).
Z. 14. Worin das „scheinbar bessere Recht" M. Hart¬
mann's besteht, mit dem allein er in seiner Hebr. Verskunst S. 91
(Nachtrag zu S. 9, Anm. 1) die politischen Verse der Byzantiner
zur Vergleichung mit den Versen jenes hebr. Piüts und des von
Pleischer in dieser Ztschr. (18, 329 ff.) mitgetheilten Gedichtes heran¬
ziehen soll , ist ims unverständlich. Nach unsrer Ansicht darf
M. Hartmann diesen Vergleich mit ganz gutem Rechte aufstellen.
Denn wenn er auf die politischen Verse der Byzantiner verweist,
so meint er dies doch ganz augenscheinlich nur in Bezug auf die
üebereinstimmung des allgemeinen metrischen Princips (nämlich
des rhythmiscben, nieht quantitirenden) in beiden Vergleichsfaktoren.
Herr Hirschfeld meint jedenfalls, Hartmann wolle den azij^og
nokiTixog im engeren Sinne, d. h. den fünfzehnsilbigen Jambus
(siehe über diesen Punkt überhaupt: Karl Krumbaeher, Geschichte
der Byzantischen Litteratur S. 302), sowohl dem vorliegenden Piüt,
als dem Pleischer'schen Gedichte als Metnim zusehreiben.
Z. 16 ff. Wir haben nicht „für die Mehrzahl der Strophen
durch Veränderung, Hinzufügung und Auslassung von Wörtern ein
jambisches , für vier Strophen jedoeh ein trochäisches Metnim ge¬
funden ", sondern wir haben am unveränderten Texte das
Metrum entdeckt und darauf die wenigen Wortemendationen vor¬
genommen, welehe die Durchführung des Metrums erheischte ; diesen
üntei-schied müssen wir auf das Stärkste betonen. Naeh der von
Socin u. Stumme, Nachträgliche» zum ArMechen Piüt. 295
Hirschfeld nns zugeschriebenen Methode hätten wir anstandslos
Hexameter, Alexandriner oder ein behebiges anderes Metrum fabri¬
ciren können.
S. 708, Z. 16. „Hätte d.Dichter ein Metrum beabsichtigt, so würde
er doch wohl ein einheitliches gewählt haben". — Weiss Hirsch¬
feld so genau, ob es in der Synagoge der spanischen und marok¬
kanischen Juden nicht musikalische Institutionen wie Doppelchöre
und Responsorien nach arab. Vorbildem gegeben hat? Vgl. etwa
Stumme, Beduinenlieder Nr. XXH u. XXIII; sind nicht auch gerade
die beliebtesten Gedichte des äussersten Westens des Araberthums, die MuwasSah's, Responsorien?
Z. 21—29. Wir verstehen den Gedankengang dieser Zeilen
nicht recht, werden aber belehrt, „dass, als das Elias-Lied gedichtet
wurde, die metrische Dichtung bei den Juden des Westens über¬
haupt stark im Niedergange war". Da ist es doch um so weniger
wunderbar, wenn ein Dichter, statt sich an eine niedergehende
Schule anzuschliessen, als Nachahmer der christlichen Spanier und
ihrer aus Frankreich übemommenen wohlklingenden Metra auftritt ?
Man möge sich doch überhaupt die Thatsache vergegenwärtigen,
dass Metra überaus leicht von Volk zu Volk wandem und inter¬
national werden. Eine grosse Einwirkung der synagogalen Gesänge
auf die Dichtkunst der Nationen, unter welchen die Juden lebten,
können wir uns aus inneren Gründen kaum vorstellen, wohl aber,
dass die reiche Entwicklung der nationalen Poesie dieser Völker,
die jedenfalls in diesem Punkte den Juden weit überlegen waren,
bis in die mehr oder weniger abgeschlossenen jüdischen Ki-eise drang.
S. 707, Z. 24 £F. Hirschfeld sagt: „wer mit diesen Sachen vertraut
ißt, weiss, dass die metrischen Lieder dieser Art überhaupt Aus¬
nahmen sind". Eine solche Ausnahme läge dann also hier vor.
Wir geben geme zu, dass wir in den liturgischen Compositionen
jüdischer Dichter nicht specialistenmässig bewandert sind; wenn
Jehuda Hallewi's „berühmte" Gedichte wirklich keine Spur von
einem Metrum aufweisen, so scheinen sie uns von vomherein auf
einer ziemlich tiefen Stufe der Composition zu stehen.
Z. 35 und folg. S. Hirschfeld behauptet: „mit Hilfe „muthiger
Textverändemngen' kann man, zumal bei der zusammengezogenen
Vulgärausspracbe, auch bei einem gewöhnlichen Sag'-Texte ein Metrum herau.slesen". Allerdings! nämlich nach der Methode Hirschfeld's.
Ganz besonders aber ist die Ansicht zu rügen, wonach die mittelst
des Metrums hergestellten Wortformen mehr oder weniger will¬
kürliche sein müssten ; ist es ja doch gerade die Aufgabe des
Metrikers, mittelst des Metrums wirklich vorhandene Sprachformen
nachzuweisen oder zu erschliessen. Dass es darauf in erster Linie
ankommt, ist in unserem Aufsatz stark genug betont; Hirscbfeld
übergeht dies mit Stillschweigen. Die Art , wie er von der zu¬
sammengezogenen Vulgäraussprache redet , • legt die Vermuthung
nahe , dass er noch der Ansicht ist , eigentlich liege die klassische
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296 Socin u. Stumme, Nachträgliches zum Arahischen IHüt.
Sprache zu Grunde und aus dieser könne durch Verschleifungen
alles gemacht werden.
S. 708, Z. 13 ff. Hirschfeld sagt : , da das Piüt einStrophen-
gedicht von vier .... Zeilen ist, kann von achtfüssigen Jamben
überhaupt keine Rede sein". Wir vermögen nicht einzusehen, was
Hirschfeld damit meint.
Auch unsere sprachlichen Bemerkungen bemängelt Hirschfeld
S. 707, bes. in der Anm., freüich ohne anzuerkennen, dass wir mit
denselben in einer ganzen grossen Reihe von Fällen Recht behalten.
Es bleibt eben dabei, dass ohne genaue Kenntniss der maghrebi¬
nischen Dialekte ein solcher Text nicht herausgegeben und ver¬
standen werden kann. Recht hat Hirschfeld vielleicht damit, dass
1, 4 die Lesart inNDNSD zu halten ist. Dann wäre das Wort mit
„Erlöser" zu übersetzen. Herr Hirschfeld scheint es also früher nicht verstanden zu haben, da er es mit .redemption" übersetzt.
Dagegen bleibt es 8, 1 für vnb doch wohl bei der „Gans", da
für das Wort kein Beleg vorliegt, dass es in Nordafrika je
gebraucht wurde und letzteres Wort unmöglich mit geschrieben
worden wäre, während im marokkanischen Dialekte, wie vrir
bestimmt wissen, wizz (mit i) lautet (wenn auch Lerchundi s. v.
ganso udze bietet).
Aus welchem Grunde zu 10, 3 und 21, 1 die Uebersetzung
verglichen werden soll (ZDMG. 707 1. Z. d. Anm.) ist ims räthselhaft.
Darüber, dass N und rr in jüd.-arabischen Texten gewöhnlich
vertauscht werden, braucht uns Herr Hirschfeld nicht zu belehren.
Die Sache liegt anders: „Zahl" lautet im Marokkanischen gewöhn¬
lich 'adad, auch, aber seltener, 'add vrie z. B. in dem bekannten
Ausdruck bil'ad „sehr"; vgl. Socin, Zum arabischen Dialekt von
Marokko S. 26, Anm. 30. Das ! am Ende von 23, 3 wird dem¬
nach Reim-ä sein.
Hirschfeld's frühere Vorstellung (Journal of the R. As. Soc.
23, 310), das i:''TN-| in Strophe 16, 3 und 18, 2 sei , probably-
prolonged form of •'3N1" beruht wohl auf unklarer Reminiscenz an
Fälle wie rCü-räzl; tm-täzi; bestärkt werden wir darin durcb die
Verballhomung des Namens Bü-Selhäm zu Bülhassem , unter Ein¬
wirkung des bekannten Namens Abü-lkäsim, in französischer Schreib¬
weise Belkassem.
Uebrigens erklären wir hiermit von unsrer Seite die Discussion
für geschlossen , da die Streitfrage für uns im Grunde nur von
sprachlicher Seite ein Interesse hatte, während uns das litterarisch- historische Ergebniss unbedeutend erscheint.
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Zu Aus b. Hagar.
Von Siegmnnd Fraenkel.
Als kleine Nachlese zu den Bemerkungen Fischers erlaube
ich mir noch die folgenden Notizen zu geben.
VII, 2 b ist aus den verschiedenen Recensionen wohl
^^J>J c ji-_iL_*_iLjL_s herzustellen. Ä-sL-Lj kommt
mehrfach als Ortsname vor; vgl. Jäküt IV, 180; Zam. Lex.
geogr. 130. 131. Dass dieser seltene Name aus dem gewöhnlichen
JJUä entstanden sei , lässt sich schwer annehmen , während das
Umgekehrte natürlich sehr begreiflich ist. Auch ist hier
ziemlich matt und nichtssagend. Für die LA. aber spricht
der Gegensatz zu vi>^L« U in V. 1. (Sulaima hat meinen Aufent¬
halt nicht überdrüssig bekommen) „sondern pflegte meinen Schaden
mit ihren Händen, während meine Besucher Sarg und Kanäfid
(bald) überdrüssig bekamen". — Dass Aus die Zeit seiner Krank¬
heit an verschiedenen Orten zubrachte, ist auch durch jjs^! tUÜ^
V. 3 angedeutet.
XII, 37b übersetze ich: „und nicht ist ein Geheimniss, das
J,0 m , )
man ihnen erzählt (1. iuoiXjsnj), im Stamme verbreitet". F. hat
an Geyer's Uebersetzung anscheinend keinen Anstoss genommen.
' O'
Beide wird die Regel, dass Ü {— ^jmS) in solchen Fällen sein im
Accusativ zu sich nimmt, von der Verbindung mit ^ ».iOvc zurück¬
gehalten haben. Indessen — von Ausnahmen abgesehen — gehört
Aus zum Stamme Tamim und von diesem wii-d ausdrücklich