A. Fischer und E. Bräunlich, Schawähid- Indices. Indices der
Reimwörter und der Dichter der in den arabischen Schawähid-
kommentaren und in verwandten Werken erläuterten Beleg¬
verse. Leipzig, Verlag Asia Major, 1934. Erste Lieferung.
Desgl. Leipzig, Otto Harrassowitz, 1938. Zweite Lieferung.
Die arabische Nationalgrammatik verdankte ihre Ent¬
stehung praktischen Bedürfnissen. Die Eroberungskriege der
arabischen Völkerwanderung hatten auch der arabischen
Sprache neuen Boden gewonnen. Und die starke Verderbnis,
der die Sprache des Korans im Munde von Neubekehrten
nichtarabischer Herkunft ausgesetzt war, gab spätestens zu
Beginn des 2. Jahrhunderts d. H. in Basra den ersten Anstoß
zur Aufstellung von grammatischen Regeln. Das Bestreben,
die Sprache rein zu erhalten, wie es sich bereits in einer der
ältesten erhaltenen Schriften, der aus der Zeit des Härün
ar-Rasid stammenden Abhandlung des Kisä'i über die Sprach¬
fehler des Volkes zeigt, ist der arabischen Nationalgrammatik
bis auf den heutigen Tag geblieben: sie ist normativ; ihr Ziel
ist, zu lehren, wie man sich korrekt und elegant ausdrückt.
Die Norm für die sprachliche Richtigkeit entnahmen die
Grammatiker der Sprache der nord- und zentralarabischen
Beduinenstämme. Immer wiedei beruft sich Sibawaih auf
Beduinen {01-' Arab) in Sachen des Sprachgebrauches; sie
erscheinen als oberste Richter in allen sprachlichen Dingen;
Grammatiker brachten Monate und Jahre in ihren Zelten zu,
um ihre Sprache zu erlernen, und der Fihrist (S. 43 ff. Flügel)
hat uns eine lange Liste von ,, wohlberedten, Wüstenarabern"
erhalten, die für Meister des Stils galten. Natürlich war es in
erster Linie der persönliche Umgang mit Beduinen, dem die
Grammatiker ihre Kenntnis verdankten; aber neben der ge-
sprochenen Rede war es die Beduinendichtung, die sie als
vollendeten Ausdruck des klassischen Arabisch ansahen und
der sie deshalb die Beispiele für ihre Regeln entnahmen.
Bereits Sibawaih führt in seinem Buche über 1000 Verse zur
Bekräftigung seiner Aufstellungen an; da er nicht in allen
Fällen die Dichternamen ermitteln konnte, gab er die Verse
grundsätzlich anonym; aber spätere Gelehrte haben die
Namen zum größten Teil nachgetragen*). Seine Belegverse
wurden auch bald in Einzelschriften gesondert behandelt
(Sarh Sawähid al-Kitäb, z. B. Fihrist 59, 22; 60, 18; 61, 11;
86,4). Ebenso finden sich überall in der grammatischen,
lexikalischen und koranexegetischen Literatur ungezählte
Belegverse zur Veranschaulichung sprachlicher Erscheinungen.
Später hat man dann die Belegverse einzelner Werke oder
bestimmter Gruppen ausgezogen und erklärt, und es hat sich
eine Sonderliteratur über sie herausgebildet. So bilden denn
die Sawähid mit ihren Erläuterungen (viele von ihnen stehen
im Brennpunkt des gelehrten Streits der Schulen) einen
wesentlichen Bestandteil der grammatischen Überlieferung,
dessen Bedeutung für die sprachliche Erforschung des klas¬
sischen Arabisch nicht immer voll gewürdigt wird.
Der Ausnutzung dieser reichen Schätze für Grammatik
und Wörterbuch standen bisher große Schwierigkeiten ent¬
gegen, die aus der Unübersichtlichkeit des weitschichtigen
Stoffes und dem Fehlen geeigneter Hilfsmittel zu seiner
Erschließung erwuchsen. Nunmehr erhalten wir in den
Schawähid- Indices von Fischer und Bräunlich (deren
zweite Lieferung bis zum Anfang des Buchstaben Sin reicht)
einen übersichtlich angeordneten, alphabetischen Reimindex,
der aus einigen 20 Werken (den wichtigsten Grammatiken
von Sibawaihi bis auf Howell, ihren Sawähidkommentaren
und ähnlichen Sammlungen, und schließlich aus Lane's
Lexicon) alle in ihnen behandelten Sawähid mit ihren Haupt¬
fundstellen verzeichnet. Jedem Reimwort ist das Metrum,
ferner so weit wie möglich der Name des Dichters beigesetzt.
Bei Dichtern, deren Diwan veröffentlicht ist oder deren
1) 'Abdalqädir, ffizänat al-Adab 1,178 f.
Gedichte in den gedruckten Anthologien stehen, ist ein
entsprechender Nachweis gegeben. Bei vielen, namentlich
unbekannteren Dichtern sind weitere Belege aus der all¬
gemeinen Literatur hinzugefügt, Nachweise, die den Wert
des Werkes wesentlich über den eines einfachen Index hinaus
erhöhen. Die Indices sind sehr sorgsam und gewissenhaft
ausgearbeitet. Einige kleine Versehen werden in den Nach¬
trägen ihre Berichtigung fmden. Mit dem Dank für die
gediegene Gabe verbinde ich den Wunsch, daß die noch aus¬
stehenden beiden Lieferungen und das Gesamtregister mög¬
lichst bald folgen mögen und daß die entsagungsreiche
Arbeit der verdienstvollen Verfasser bei allen denen, die auf
dem Gebiet der altarabischen Dichtung und der klassisch¬
arabischen Grammatik mitarbeiten, fleißige und dankbare
Benutzung finden möge. J. Fvck, Halle (Saale)
Rituale Melchitarum, a Christian Palestinian Eucho¬
logion, edited and translated by Matthew Black. Stutt¬
gart, Kohlhammer 1938 (Bonner Orientalistische Studien,
Heft 22). IX, 104 Seiten. 3 Tafeln. RM. 10.—.
Die seit 1932 in erstaunlich rascher Folge erscheinenden
Hefte der Bonner Orientalistischen Studien berühren mit der
vorliegenden, von P. Kahle geleiteten Arbeit zum ersten
Male eine Liturgie des christlichen Orientes, und zwar an
einem Punkte, der des Interessanten genug bietet. Die der
Edition zugrunde liegende Hs. Or. 4951 des Brit. Mus. enthält
zwei Kirchweiheriten, eine doppelte Reihe von Ordinations-
riten und inmitten dieser beiden Reihen eine Nilweihe. Durch
dieses Niloffizium (das im übrigen schon G. Margoliouth 1896
edierte, und das deshalb in der vorliegenden Ausgabe fehlt)
ist die Hs. eindeutig nach Ägypten lokalisiert. Über den
Charakter der Gemeinde, der dieses Buch gedient hat, kann
gleichfalls kein Zweifel aufkommen: Es war eine christlich¬
palästinensische Kirche. Die Texte, die die zeitlich junge Hs.
bietet, haben aber weit mehr als nur lokales Interesse und
dürften z. T. hoch in das christliche Altertum hinaufführen.
Die erste Reihe der Ordinationsriten hat, wie die beiden
Kirchweiheformularien, wörthche Entsprechungen in der
byzantinische a Liturgie. Anders die zweite Reihe der Ordi¬
nationsriten. Wörthche Beziehungen zu armenischen und
georgischen Texten — einmal sogar ohne griechische Parallele
— denen wir hier begegnen, weisen uns in das vorbyzantinische
Jerusalem, das einerseits den gemeinsamen Nenner für die
armenisch-georgischen Beziehungen bildet und das anderer¬
seits die Hauptstadt jenes Landes ist, in dem der Dialekt der
Hs. beheimatet war. Sicher mit Recht vermutet Verf., der
hier von A. Baumstark beraten ist, daß ahe jene Texte, die
keine byzantinisch-griechische Parallele aufweisen, althiero-
solymitanisches Liturgiegut sind. Solche Texte uns geschenkt
zu haben, dürfte das Hauptverdienst dieser Arbeit sein.
Andererseits zeigen die byzantinischen Texte, daß sich das
Melchitentum, in keiner seiner sprachlichen Erscheinungen
dem Einstrom der byzantinischen Formen hat versperren
können.
Der Wert der Arbeit geht aber über die Bereicherung
unseres liturgiegeschichtlichen Wissens hinaus. Weniger
wegen der einigen — keinesfalls bedeutungslosen — bisher
nicht belegten syropalästinensischen Bibelzitate und der
Varianten zu anderen, bereits überbeferten Stellen. Der
zweite große Gewinn liegt vielmehr auf philologischem
Gebiete. Es ist interessant, daß eine christlich-palästinensische
Gemeinde in einem einzigen Euchologion einem älteren
Weiheordo (dem zweiten) im heimischen Liturgiedialekt bzw.
in Griechisch mit Karsünirubriken einen anderen, jüngeren,
in edessenischem Syrisch beigesellen kann. Dieser spätere Ordo
deutet doch ofTenbar auf eine Zeit hin, in der das Syropalästi-
nensische nicht mehr Angelegenheit des Volkes, sondern
höchstens noch gelehrter Liturgen und Abschreiber war, denen
zudem noch das klassische Syrisch näher lag, als der heimische
Bauerndialekt. Auf eine solche Zeit deutet ja auch der liturgie¬
geschichtliche Befund.
Unsere Kenntnis des syropalästinensischen Dialektes
beruht — soweit die christlichen Gemeinden sich seiner be-
1 0
dienten — auf einer recfit schmalen Basis von Übersetzungs¬
literatur. Daß deshalb unsere Texte naturgemäß auch rein
sprachlich eine Bereicherung unseres vor allem durch
F. Schulthess zum System erhobenen Wissens bedeuten
müssen, bestätigen die mannigfachen Korrekturen und Zu¬
sätze zu Grammatik und Lexikon, die Verf. uns bietet.
Ergänzungen zu der genannten Edition von Margoliouth
(zu seinen Bibelzitaten und zu seiner Übersetzung), der Ab¬
druck des griechischen Textes der Nilfeier nach dem Eucho¬
logion Dmitriewskys, ferner — und nicht zuletzt — die sorg¬
fältigen Vergleiche unserer Texte mit den originalgriechischen
bei Goar und endlich die Heranziehung des Vat. syr. XLI
Assemanis für die edessenisch-syrischen Stücke, all das rundet
das Ganze ab zu einem mit Fleiß und Erfolg gezeichneten
Bild einer wenig bekannten Epoche der Sprach- und Liturgie¬
entwicklung. 0. Heiming, Maria Laach
Paul Berger, Die mit B. -tie gebildeten Perfektstämme in den
Bantusprachen. Dissertation. Sonderabdruck aus der Zeit¬
schrift für Eingeborenensprachen. Berlin 1938. Dietrich
Reimer. Andrews & Steiner.
Wohl selten ist eine Dissertation durch so gründliche
Studien vorbereitet worden wie die vorliegende, die das Resul¬
tat jahrelanger Forschungsarbeit ist, die der Verfasser an Ort
und Stelle in Ost-, Südwest- und Zentralafrika geleistet hat.
Da die Schrift ein bisher noch nicht so im Zusammen¬
hang für das ganze Gebiet der Bantusprachen dargestelltes
Problem behandelt, dessen vollständige Lösung mancherlei
Schwierigkeiten bot, geht man mit einiger Erwartung an sie
heran. Ich gedachte dabei meiner einstigen Ratlosigkeit, mit
der ich in Usambara vor einer Perfektform wie -ene oder
in Ruanda vor solchen wie -fite gestanden hatte, da sie mir
unerklärlich waren, bis mich eine Reise mal nach Iringa
führte, wo ich im Hebe des Rätsels Lösung fand in der dort
üblichen, aber in Usambara wie Ruanda unbekannten Ein¬
fügung des i der Endung -ile in den Stamm und seiner damit
gegebenen Verschmelzung mit dem Stammvokal. Da ist es
jetzt Bkrger's Verdienst, diese Art der Perfektbildung syste¬
matisch erforscht und alle Bildungsmöglichkeiten und deren
Ursachen an 6 Sprachen eingehend dargelegt zu haben.
Allerlei besondere Eigentümlichkeiten werden dann im 2. Teil
unter Heranziehung von 16 weiteren Sprachen untersucht und
begründet, so daß da vor allem infolge der Aufdeckung und
Betonung des weitgehenden Einflusses des allerdings hypo¬
thetischen Stammakzents manches bisherige Dunkel auf¬
gehellt wird. Nur die Entstehung der Perfektformen der ein¬
silbigen Stämme bleibt noch etwas verschleiert, weil die
entscheidende Einwirkung nicht aufgezeigt wird, welche auf
die Wahl ihrer Vokale in ihrer gegenwärtigen Gestaltung von
den ursprünglichen Stammvokalen ausgeübt worden ist, ehe
letztere unsilbisch wurden. Aber das ist eine Kleinigkeit
angesichts der Klarheit, die Berger über die Bildung dieser
nicht immer ganz einfachen Formen geschaffen hat.
K. Roehl, Königswinter
F. Thureau-Dangin, Textes mathematiques babyloniens, tran¬
scrits et traduits. — Leiden, E. J. BriU 1938 (Publications
de la societe Orientale Ex Oriente Lux: Tome I). XL, 243 S.
4». Gulden 25.—.
Es ist noch nicht sehr lange her, daß wir an dieser Stelle die
erste zusammenfassende Bearbeitung der mathematischen
Keilschrifttexte durch 0. Neugebauer anzeigen und bespre¬
chen konnten (vgl. Bd. 91, S. 185—203). Die dort ausge¬
sprochene Hoffnung, daß das monumentale Werk der „Mathe¬
matischen Keilschrift-Texte" (MKT) zu weiterem gründlichem
Studium dieser in vieler Hinsicht so hochbedeutsamen Text¬
gruppe anregen möge, hat sich zum Glück erfüllt, und zwar
ist es vor allem F. Thureau-Dangin gewesen, der seinen
zahlreichen grundlegenden Arbeiten aus früheren Jahren jetzt
weitere folgen ließ, die den leider recht vielen noch ungelöst
gebliebenen Fragen mit gewohnt liebevoller Sorgfalt nach¬
gingen. Erfreulicherweise hat er sich nunmehr entschlossen,
seine mannigfachen Untersuchungen zusammenzufassen und,
durch viele neue ergänzt, in einem eigenen Band übersichtlich
geordnet vorzulegen. Dieses neue Werk hat nicht die Aufgabe,
Neugebauer's M KT zu ersetzen ; werden doch weder die Licht¬
drucke und Autographien der Texte wiederholt noch auch
alle Texte neubearbeitet. Th.-D. 's Ziel war es vielmehr, unter
vollständiger Beiseitelassung der Rechentabellen (nur die
Einleitung geht kurz auf sie ein) diejenigen Aufgabentexte,
deren Erhaltungszustand ein wenigstens im großen und ganzen
befriedigendes Verständnis ermöglicht, in einer wohlfeileren
Ausgabe möglichst vielen Forschern zugänglich zu machen,
da der leider so hohe Preis der MKT ihrer weiteren Verbreitung
im Wege steht. Bisher unbekannte Texte werden nicht geboten,
da zwei altbabylonische Täfelchen aus Susa, die V. Scheil
soeben in Revue d'Assyriologie 35 (1938), 92—103 veröffent¬
licht hat, nicht mehr einbezogen werden konnten; das ist
schade, da die auf diesen verzeichneten Feldberechnungs¬
aufgaben gerade durch ihre Primitivität als Gegenbilder zu
den verwickelten algebraischen Rechnungen anderer Texte
für unsere Gesamtvorstellung wichtig sind. Wird also der
Fachforscher nach wie vor auf Neugebauer's MKT als das,
abgesehen von der eben erwähnten Ausnahme, immer noch
vollständige Quellenwerk nicht verzichten können, so kann
gerade er aber auch nicht an Th.-D. 's neuer Ausgabe vorbei¬
gehen, da niemand die große Zahl der berichtigten Lesungen
und die vielen, bei aller meisterhaften Knappheit ungeheuer
inhaltreichen lexikalischen, grammatischen und sachlichen
Anmerkungen auf einmal verarbeiten kann. Aus dem gleichen
Grunde wird auch das neue Wörterverzeichnis, obwohl es
keine absolute Vollständigkeit erstrebt, neben denen in
MKT II und III immer wieder eingesehen werden müssen,
da es überaus reich an neuen Aufschlüssen ist.
Den Textbearbeitungen vorausgeschickt ist eine ausführ¬
liche „Introduction", die zunächst kurz auf die von Th.-D.
schon früher ausführlich behandelten Zahlen- und Ma߬
systeme eingeht und sich dann näher mit den in den Texten
bezeugten algebraischen Lösungsmethoden befaßt. Zu den
damit verknüpften Fragen grundsätzlicher Natur, auf die
hier in Bd. 91, S. 187 ff. hingewiesen wurde, nimmt Th.-D.
nirgends Stellung, sondern bemüht sich lediglich, die in den
Texten beschriebenen Lösungsverfahren in uns geläufige
Formen umzusetzen, um so den mit der eigenartigen Aus¬
drucksweise der Quellen nicht Vertrauten das Mitdenken der
Rechnungen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Aus diesem
Grunde soll die Frage nach dem grundsätzlichen Charakter der
babylonischen Mathematik auch hier außer Betracht bleiben,
obwohl manche Formulierungen der Einführung zu Ein¬
wendungen Anlaß geben könnten; es mag genügen, vor einer
Unterschätzung der tiefen Wesensunterschiede zwischen den
babylonischen und unseren Verfahren noch einmal zu warnen,
da ohne ein Eindringen in die babylonische Denkweise auch
viele Einzelfragen nicht befriedigend geklärt werden können.
Der Hauptteil des Buches bringt Umschrift und Über¬
setzung der Texte mit knappen Anmerkungen und sorgfältiger
Verzeichnung des wesentlichen Schrifttums; anders als in
MKT werden dabei in den Umschriften die sumerischen
Wörter und Formen, die in manchen Texten ja sehr zahlreich
sind, als Ideogramme akkadischer Wörter aufgefaßt und
entsprechend umschrieben. Die Anordnung wird ähnlich wie
in MKT durch den heutigen Aufbewahrungsort der Tafeln
bestimmt; innerhalb der dadurch gegebenen fünf großen
Gruppen (London, Paris, Straßburg, Berlin, New Haven)
wird eine zeitliche bzw. sachliche Anordnung erstrebt. Die
in die Bearbeitung aufgenommenen Aufgaben werden durch
den ganzen Band durchgezählt und entsprechend auch im
Wörterverzeichnis und sonst zitiert; da diese Zitierweise von
der in MKT und den sonstigen Originalausgaben angewandten
durchaus verschieden ist, macht die Vergleichung der Auto¬
graphien oder Lichtdrucke bei den großen mehrkolumnigen
Tafeln manchmal erhebliche Mühe, so daß man sich hier
Hinweise auf die sonst üblichen Zeilenzählungen gewünscht
hätte. Die gar nicht oder nur zu kleinen Teilen bearbeiteten
Tafeln aller Museen sind in den Anhang verwiesen, der sich
bei manchen von ihnen mit der Nachweisung des Schrifttums
Zeitschrift d. DMO Bd. 93 (Nene Folge Bd. 18) 10
1 0 *
begnügt. An ihn schließt sich als letztes das Wörterverzeichnis
an, das in drei Teilen die akkadischen Fachausdrücke, die
syllabischen Schreibungen von Zahlen und die als Ideogramme
dienenden sumerischen Wörter — diese nach den Zeichen¬
formen geordnet — mit den meisten Belegen verzeichnet
und damit die Bearbeitungen dem Studium erst recht er¬
schließt; gerade in ihm finden sich zahlreiche Hinweise, die
nicht nur für das Verständnis der mathematischen Texte,
sondern auch sonst für die Wortforschung von größter Be¬
deutung sind und somit sorgfältigste Beachtung verdienen.
Hier aus der Fülle einzelne Beispiele herauszuheben, hieße,
den übrigen nicht gerecht zu werden; wir verweisen daher
hierfür ebenso wie für die große Zahl der neuen Lesungen,
Ergänzungen und Deutungen in den Texten auf das Buch
selbst. Wie wir glauben, liegt es auch im Sinne des Verfassers,
der seine unermüdliche Arbeit an den Problemen der baby¬
lonischen Mathematik schon gleich nach Erscheinen des
Buches wieder weitergeführt hat (vgl. Rev. d'Ass. 35, 71 ff.,
104 ff.), wenn wir hier statt unfruchtbarer Wiederholungen lie¬
berversuchen, einiges zum Verständnis noch unklar gebliebener
Stücke in den von ihm behandelten Texten beizutragen.
Zunächst ein lexikahsches Problem. In den geometrischen
Aufgaben begegnet häufig (Belege S. 242) eine Bezeichnung
für „Basis", die ohne Rücksicht auf den Kasus ZA-ZUM
geschrieben wird; Th.-D. wie auch schon Neugbbaukr führen
dieses Wort daher unter den Ideogrammen mit noch unbe¬
kannter Lesung auf. Aus dem Sumerischen ist ZA-ZUM aber
nicht gut zu erklären; zudem macht die Endung -um durchaus
den Eindruck, als läge ein akkadisches Wort vor, bei dem
dann, wie es auch sonst manchmal vorkommt (z. B. bei
mu-^u, dem Gegenbegriff zu ZA-ZUM in den Aufgabentexten),
die Nominativform in pseudo-ideographischer Weise für alle
Kasus geschrieben wäre. Tatsächlich gibt es ein Wort sassum,
das als Bezeichnung des Sitzes des Wagenlenkers dient (vgl.
dazu Unokad OLZ 1918, 224*. Leider wissen wir noch nicht,
wie wir uns diesen ,,Sitz" genau vorzustellen haben; daß er
als „Basis" bezeichnet wurde oder auch umgekehrt die
„Basis" als „Sitz", erscheint aber durchaus denkbar, so daß
gegen eine Lesung sä-süm in den mathematischen Texten
wohl keine Bedenken bestehen.
Anschließend einige Bemerkungen zu den Aufgaben selbst in
der durch Th.-D. 's Anordnungder Texte gegebenen Reihenfolge.
Nr. 30 Z. 3 ist nach der Photographie vielleicht wie folgt
zu lesen: ... 3]6(?) a-na 5 A-RÄ-H[I(?)] i-<ifi>. A-RÄ-HI
ist nach der Worthste Poebel, Hist. Gramm. Texts Nr. 148, 21
akkadisch arähüm (sumerisches Lehnwort) zu lesen und muß
nach dem Zusammenhang hier und in der genannten Liste ein
Fachausdruck der Rechentechnik sein, der etwas ähnliches
wie „Koeffizient" bedeuten mag*). Der Sache nach ist die
damit gekennzeichnete 5 hier das Reziproke von 12, dem bei
jeder Berechnung größerer Volumina auftretenden festen
Faktor, der dadurch bedingt ist, daß das Volum-Musar
12x12x1 Ellen mißt, also nicht kubisch geformt ist.
Nr. 60 Z. 6 steht das von Th.-D. in der Übersetzung
richtig eingesetzte sehrum ,, klein" nach der Photographie doch
wohl auch auf dem Original. In Z. 7 wird nach den Raum¬
verhältnissen am Ende kippatum q[e-er]-bi-(tumy „innerer
Umfang" zu lesen sein.
Nr. 179 Z. 5 und 7 dürfte nach der Photographie das bisher
nicht gelesene Wort bit!-qä!-am lauten; für bitqum ,, Durch¬
stich, Kanal" vgl. z. B. noch die neubabylonische „Weltkarte"
(Cuneiform Texts XXII 48). In den Zusammenhang ordnet
sich dieses Wort, das hier offenbar mit pirkum ,, Trennlinie"
wechselt, vorzüglich ein.
Nr. 190 Z. 2. Die Nachprüfung des Originals, das mir hier
wie bei den anderen Berliner Texten einige Lesungen er¬
möglichte, die den in MKT schlecht wiedergegebenen Photo¬
graphien allein oft nicht zu entnehmen waren, ergab die
1) Bei PoBBBL a. a. O. finden sich nacheinander die sumerischen Lehnwörter arAm „Faktor" (Z. 19), arakarüm (Z. 20), arähüm (Z. 21) und aragul[lum} (Z. 22), sicher alles mathematische Fachausdrücke, von denen ich den zweiten und vierten außerhalb dieser Liste gar nicht nachweisen kann.
10*
Richtigkeit von Neugebauers Lesung 1. 12-Su ü! si-na; sie
aus dem Zusammenhang befriedigend zu deuten, ist mir leider
auch noch nicht gelungen. — Am Anfang von Z. 24 steht nach
Kollation hamuSti reUm! ih-ha-as-bu „(weil . . .) ein Fünftel
des Endes abgeschnitten war". In Z. 25 ist nach dem Original
offenbar zu lesen: 1 Su-ut-bi 4 [h]u{?)-si!-ir!-tum ,,1 zieh ab,
dann bleibt 4, das gekappte (sc. Meßrohr)". Das Wort husirtu
(zu hsr „abkappen", von Hörnern, Zähnen u. a. gesagt*))
kann ich sonst nicht nachweisen ; da es aber durchaus korrekt
gebildet ist — ähnliche Bildungen von transitiven Verben
sind z. B. quliptu „Schuppe""), butiqtu ,, Dammbruch" —
dürfen wir es im Sinne von „nach dem Abkappen verbliebener
Rest eines Gegenstandes" auf Grund unserer Stelle unbe¬
denklich ansetzen.
Nr. 206 Z. 1, 5 und 20 ist nach Kollation nicht na-ra-tum,
sondern [t]a!-wi!-ra-tum ,, Feldstücke, Teilflächen" zu lesen;
für das gleiche Wort in ideographischer Schreibung s. Nr. 207
bis 212 passim.
Nr. 223 Z. 1 lautet nach Kollation : 1 awilum Sa närini
se-ke-ri-im „Ein Mann zum Abdämmen des Kanals (steht zur
Verfügung)". Ebd. Z. 4 steht ebenso wie in Nr. 225 Z. 2,
Nr. 226 Z. 1 und Nr. 227 Z. 3 auf dem Original deutlich
iS-pi-il ,,ging in die Tiefe"; den Sinn dieses Wortes hatte
Th.-D. nach S. 124' bereits richtig erschlossen.
Nr. 227 Z. 4 und 21 liest Th.-D. ebenso wie in Nr. 228
Z. 1, 3 und 6 das Ideogramm US awile — er nennt es selbst
,, lecture provisoire" —, obwohl meines Erachtens die normale
Lesung Siddu ,, Seitenlänge" hier ausgezeichnet paßt; die
Aufgabe verlangt die Berechnung der Länge des Kanalstücks,
das ein Mann (s. Nr. 223 Z. 1) an einem Tag unter gegebenen
Voraussetzungen bewältigen kann.
Nr. 230 Z. 2 ist nach Kollation zu lesen: . . . <1> NINDA
1) Vgl. für dieses Wort außer den Wörterbüchern Dbimbl, Sum.
Lex., Nr. 12, 30; Hüngbr, Becherwahrsagung, S. 40, 16; Klaubbb,
Polit.-Rel. Texte, Nr. 138,14; 139 Rs. 5; Zimmern, Beiträge z. bab.
ReL, Nr. 43, 9 u. ö.
2) Belege dafür bei Jensen, Keilinschr. Bibl. VI 2, S. 3*.
za-q[ä!-a]r! <^Siddiy igarim ... „1 Doppelrute ragt sie (die
Wand) in die Höhe. Die Länge der Wand . . .". Das Adjektiv
zaqru „hochragend" ist also, was meines Wissens bisher noch
nicht bekannt war, ebenso wie die auch Dimensionen bezeich¬
nenden Adjektive rapSu „breit" und kabru ,,dick" nach der
Nominalform qatal gebildet. [Korr.-Zus. Die jüngere Sprache
bildet hingegen den Stativ zaqir; Belege bei Kraus, Texte zur
bab. Physiognomatik S. 35.]
Nr. 595 ff. Von der sehr schlecht erhaltenen und daher in
MKT noch nicht übersetzten Tafel AO 10822 gibt Th.-D.
hier erstmalig 6 Aufgaben in Übersetzung. Ich selbst hatte
wegen dieser Aufgaben vor einiger Zeit Herrn Kollegen
G. DossiN um einige Kollationen am Original gebeten, die
dieser in gewohnter Liebenswürdigkeit ausführte, wofür ihm
auch hier noch einmal herzlich gedankt sei. Ich freue mich,
daß der auf diesem Wege gewonnene Text mit dem Th.-D. 's
durchweg übereinstimmt; nur wenige Ergänzungen ergeben
sich. In Nr. 596 Z. 2 steht am Anfang sicher i-na lib-bi-Su,
während in Nr. 597 Z. 2 das 2. Zeichen doch gewiß mit Neu¬
gebauer SAR ist. Die Form lu-ru-ub in Nr. 596 möchte ich
unbedenklich von V6 „eintreten" ableiten, das ja auch sonst
vereinzelt mit dem Akkusativ statt des üblichen Dativ ver¬
bunden wird (vgl. schon Delitzsch HWB); zu übersetzen
ist dann: ,,In die Länge (des Ziegelhaufens) muß ich um wie¬
viel hineingehen (d.h. sie um wieviel vermindern)?". Die
drei Aufgaben, die auf AO 10822 vor Nr. 595 stehen, lassen
sich gleichfalls ganz herstellen; sie lauten: a) Z. 1 7 tar-ki-bu
sa libittim 5 tar-ki-bu Sa arhim 6 [tar-ki-] bu (Z. 2) Sa agurrim
1 SAR libittam arham ü agurram ha-aS-ha-ku (Z. 3) li[bittam
ar]ham ü agurram le-qe-a-am „7 Schichten Lehmziegel,
5 Schichten Halbziegel, 6 [Schich]ten Backsteine. 1 Musar
Lehmziegel, Halbziegel und Backsteine benötige ich: nimm
für mich die Lehm[ziegel, Halb]ziegel und Backsteine in
Empfang!". Wie man sieht, ist die Aufgabe so nicht lösbar,
da ofTenbar wesentliche Angaben fehlen; sie dürften in den
vorhergehenden Aufgaben, die fast ganz zerstört sind, ge¬
standen haben.
b) [igar]um 5 NINDA Siddum 5, 40 ku-bu-ur-ri igarim
12 melüm libittum minüm „Eine Wand. Die Länge ist 5 Doppel¬
ruten, die Dicke der Wand 0; 5, 40 (Doppelruten), die Höhe
12 (Ellen). Wieviel Ziegel (sind notwendig)?" c) Z. 1 igarum
5 NINDA Siddum a-na | NINDA meltm 12\ SA[R libittum]
(Z. 2) ku-bu-ur-re-e igarim minüm „Eine [Wa]nd. 5 Doppel¬
ruten ist die Länge; auf | Doppelrute Höhe (kommen)
12^ (Flächen-) Mus[ar Ziegel]. Die Dicke der Wand ist wie
groß?". Die beiden Aufgaben gehören zusammen; um sie zu
verstehen, muß man freihch noch eine weitere Größe kennen,
die vielleicht vorher genannt war und dann wieder in den
Aufgaben Nr. 596 f. namhaft gemacht wird: es ist die Zahl
3, 45, die die Anzahl der für 1 Elle Höhe notwendigen Lehm¬
ziegelschichten anzeigt*). Die Ausrechnung führt somit bei
der Aufgabe c auf 0;6, 40 Doppelruten als Wanddicke;
daraus ergibt sich mit großer Wahrscheinlichkeit, daß auch
in Aufgabe b die Zahl 6, 40 und nicht 5, 40 beabsichtigt war«).
Die Lösung der Aufgabe b würde dann „25 (Flächen-) Musar
Lehmziegel" lauten, da hier 12 Ellen*) als Höhe der Wand
angenommen sind, also doppelt so viel wie in Aufgabe c*).
1) Bei Backsteinen rechnete man auf die Elle 2,15 Rollschichten
bzw. 7,12 Flachschichten (vgl. ZDMG 91,199). Die hier gegebene Zahl
3, 45 ist für in Flachschichten verlegte Lehmziegel etwas überdurch¬
schnittlicher Dicke berechnet; statt der von O. Reuther, Die Innen¬
stadt von Babylon, S. 43 in den altbabylonischen Schichten beobach¬
teten durchschnittlichen Ziegeldicke von 11 cm würde man hier bei
Berücksichtigung der Mörtelfugen auf etwa 13 cm kommen. A. a. O.
habe ich auch gezeigt, daß man die Ziegelmengen nach Oberflächen¬
maßen und nicht nach ihrem Volumen berechnete.
2) Das Original bietet nach freundlicher Mitteilung von G. Dossin deutlich 5, 40; diese Zahl kann aber auch abgesehen von den Angaben der Aufgabe c) nicht richtig sein, weil sich bei ihr nicht, wie allgemein üblich,, eine ganzzahlige Lösung ergäbe.
3) Für die Höhenmaße sind, wenn besondere Angaben fehlen,
bekanntlich immer Ellen als Maßeinheit anzusetzen, auch wenn die
übrigen Maße in Doppelruten gegeben werden.
4) Die Wand bedeckt eine Fläche von 0;33,20 Musar; bei 45 Ziegel¬
schichten in Aufgabe b) bzw. 22| in Aufgabe c) ergeben also die Flächen
aller Schichten zusammengerechnet 25 bzw. 12^ Musar.
Unter Nr. 602 hat Th.-D. eine Aufgabe aus der schlecht
erhaltenen Tafel VAT 6597 bearbeitet und überzeugend
gedeutet; die Kollation des Originals hat es nun ermöglicht,
auch die von ihm beiseitegelassene vorhergehende Aufgabe,
soweit erhalten, zu lesen und zu deuten. Die zusammen¬
hängend zu lesenden bzw. zu ergänzenden ersten 4 Zeilen
dieser Aufgabe lauten*): Z. 1 2.'") ahän 1 manüm kaspum
sebiat zitti ahim rabtm (Z. 2) eli ! 11{ !) zitti ahim sehrim 6 i-te-er!
(Z. 3) [minäm i]l-qü-ä atta aS-Sum sebiat [zitti] (Z. 4) [ahim
rabtm^) eli iSt]iSSeriat zitti ahim sehrim 6 [i-te-ru] ... „2 Brü¬
der, 1 Mine Silber. Ein Siebentel des Anteils des großen
Bruders übertrifft ein Elftel *) des Anteils des kleinen Bruders
um 6. [Wieviel be]kamen sie (jeder)? Du: Weil ein Siebentel
[des Anteils des großen Bruders ein] Elftel des Anteils des
kleinen Bruders um 6 [übertrifft,] . . .". Die Verteilungsauf¬
gabe, die hier gegeben ist, ist sehr einfach und würde in imserer
Schreibweise lauten (a) x-f-y =60; (b) yX — ^y = 6; die
Rechnung ergibt dann 49 Sekel als Anteil des großen Bruders
und 11 Sekel für den kleinen.
Als Nr. 607 ist die letzte Aufgabe der Tafel VAT 8522
bearbeitet; die vorhergehenden sind übergangen. Bei der
Überprüfung des Originals stellte sich mm heraus, daß die
Photographie die Tafel in nur unvollkommen gereinigtem
Zustand zeigt und daß vor allem aus diesem Grunde die
1) Für den Rest vgl. Nedgbbaubb, MKT S. 274 Nr. 4. Wie die
Rechnung vorging, ist den wenigen erhaltenen Wörtern nicht zu ent¬
nehmen,
2) Nbdobbaubb las 3, weil er den senkrechten Keil, der das obere
Ende eines Trennungsstriches zwischen dem Text der Aufgabe und der
Zahlentabelle links daneben darstellt, irrig als Teil der Zahl angesehen hatte.
3) Da diese Zeile gewiß auch den Raum mit umfaßt, der in den drei
ersten Zeilen durch die schon erwähnte Zahlentabelle in Anspruch ge¬
nommen ist, reicht der Platz für diese sachlich notwendige Ergänzung gut aus.
4) Der Text bietet statt IGI-ii(-GÄL) nur die 11; der Zusammen¬
hang erlaubt aber keinen Zweifel daran, daß das ein Fehler ist. Fehler¬
hafte Auslassungen sind in den mathematischen Texten ja leider keine Seltenheit.
ersten Aufgaben bisher z. T. unverständlich blieben. Nach
der in Aussicht gestellten vollständigen Reinigung hoffe ich,
eine Neubearbeitung des wichtigen Textes geben zu können.
Wir konnten, z. T. mit Hilfe von KoUationen, die Th.-D.
nicht durchführen konnte, ein paar von den leider nicht ganz
wenigen noch verbliebenen Unklarheiten in den mathemati¬
schen Aufgabensammlungen beiseite räumen ; wir dürfen gewiß
sein, daß an der Aufhellung der übrigen keiner eifriger weiter¬
arbeiten wird als der durch seine unübertroffen saubere Arbeit
für uns alle vorbildliche Verfasser selbst. Daher sei mit dem
herzlichen Dank für das Werk, das unter den so zahlreichen
Gaben, die die Wissenschaft in mehr als vier Jahrzehnten von
Fr. Thurbau-Dangin empfangen durfte, eine der reich¬
haltigsten ist, der Wunsch verbunden, daß ihm noch lange
Jahre fruchtbaren Forschens geschenkt werden mögen!
W. von Sodbn, Göttingen
NeueWörterbücher iranischer Sprachen. Als letzte
Frucht der regen Bemühungen reichsiranischer Gelehrter zur
Erschließung ihrer Muttersprache für Europäer erhalten wir
soeben ein ,, Deutsch-Persisches Taschenwörterbuch" von
Gh. A. Tarbiat (Farhangi gebiji Tarbijat: älmäni-färsl), ent¬
haltend ca. 16000 Wörter und Redensarten, Teheran 1317
(1938). Das Büchlein bildet eine wertvolle Ergänzung zu dem
Iranisch-Deutschen Wörterbuch des gleichen Verfassers, dem
es in der erstaunlich kurzen Zeit von einem Jahr gefolgt ist.
Gegenüber jenem Vorgänger hat es den unzweifelhaften
Vorzug, zu jedem neupersischen Wort die lateinisch geschrie¬
bene Aussprache zu bringen. Damit ist zunächst einmal dem
unhaltbaren und zugleich unwürdigen Zustand ein Ende
gemacht, daß man Landsleute, die auf neuiranischem Sprach¬
gebiet draußen praktisch tätig sind und sich in Sprache und
Kultur des Landes vertiefen wollen, ohne ein mit der
Erlernung der Schrift notwendig verbundenes ernsteres
Studium bewerkstelligen zu können, bisher, soweit sie nicht
des Enghschen oder Französischen mächtig waren, auf zirku-
lierende sozusagen illegale handschriftliche Behelfsglossare
von ebenso unbegründeter wie hartnäckiger Fehlerhaftigkeit
verweisen mußte. Erfreulich ist ferner für uns die Aussicht,
daß Iranier bei der Aneignung deutschen Geistesgutes nun¬
mehr weniger auf europäische Zwischensprachen angewiesen
sein werden. Für die Wissenschaft ist angesichts der raschen
Veränderung der modernen Sprache diese Übersicht über das
Gebräuchlichste eine willkommene Grundlage für Wort- und
Dialektforschung im einzelnen.
Ähnliches gilt für ein weiteres lexikalisches Werk, auf das
heute hingewiesen werden soll. Es handelt sich um das
„Erste Paschto-Wörterbuch (, Ozean') in Skizzenform" {Di
musauwade pi d^ul Imarai Paxto sind, ja'ni Awwalin qämüsi
Afgänl bi tarlqi musauwada), Kabul 1316 (1937/38), das der
Feder des afghanischen Innenministers Muhammad Gul Muh-
mand entstammt. Dieses Buch hat ganz andere Aufgaben zu
erfüllen. Es soll im Lande selbst eine sichere Grundlage für
die -Umstellung der offiziellen Sprache von Persisch auf
Paschto schaffen. So werden in zwei Foliobänden von zu¬
sammen fast 800 Seiten in musterhafter Schönschrift und
klarer Lithographie die Paschtowörter alphabetisch auf¬
geführt, nach Art der Farhangs nachträglich hinsichtlich der
Aussprache bestimmt und in ihren Bedeutungen mit Hilfe
zahlreicher, vielfach elementarer Beispiele persisch erläutert.
Die Modifikationen des arabischen Alphabets weichen z. T.
ein wenig von den bisher gebrauchten ab. Wenn gelegentlich
die Aussprache einer Gegend als irrig bekämpft wird, so ent¬
spricht das dem normativen Zweck des Buches und ist als
Meinung eines der ersten Kenner der Sprache ebenso Material¬
gewinn wie die gewaltige Menge des Stoffs an sich, die hier
zusammengetragen wurde.
Mit welchem Ernst auch sonst in Afghanistan ebenso wie
in Iran sprachliche und literarische Fragen behandelt werden,
zeigt die steigende Zahl wertvoller Veröffentlichungen der
Afghanischen Akademie {Paxto tolana), die aus einer Ver¬
schmelzung der Kabuler Literarischen Gesellschaft mit der
Kandeharer Paschto-Gesellschaft hervorgegangen ist und —
seit seinem Amtsantritt im April 1937 — von dem neuen
energischen Kultusminister Muhammad Na'lm ffän geleitet
wird. Erfreulicherweise werden wir durch den afghanisch¬
deutschen Buchtausch damit in Deutschland weiter gut be¬
liefert. In unserm Zusammenhang interessiert, daß im 1. Heft
des nunmehr bereits 9. Jahrgangs der Monatsschrift Kabul,
die von der genannten Institution herausgegeben wird (d. i.
Nr. 97 der ganzen Reihe, S. 94) bereits von der Arbeit an
einem neuen Taschenwörterbuch des Paschto berichtet wird,
während wir von der Akademie in ihrem letzten ,, Jahrbuch"
(1316 H. = 1937/38, S. 564 f.) über den Stand ihrer Samm¬
lungen an einem umfassenden Wörterbuch der Sprache
hörten, einem Unternehmen, bei dem wir für jedes Wort
Angaben über Herkunft und Verbreitungsgebiet mit vielen
genau bezeichneten Belegstellen erhoffen.
Endlich möge hier noch ein Hinweis unsres soeben viel
zu früh dahingegangenen G. G. Baiew Platz finden, der sich
auf das Ossetische bezieht. Danach meldete die Warschauer
Zeitschrift Simalt Kafkasya (Severnyj Kavkaz), die jetzt
auch in Berlin in Herrn Adilbek Kulatti einen rührigen Korre¬
spondenten hat, in Nr. 37 (Mai 1937, 3. Umschlagseite) „Indo-
iraniskij kabinet Instituta jazyka i myälenija pri Akademii
Nauk SSSR" habe die Arbeit an einem neuen ossetisch¬
russischen Wörterbuch beschlossen, die auf 6—7 Jahre ver¬
anschlagt werde. Da dieser Plan mit der Begründung auf¬
gestellt wurde, das MiLLER-FREJMANNSche Wörterbuch (3 Bde.,
Leningrad: Akademija Nauk 1927—34) sei nicht mehr zeit¬
gemäß, ist damit wohl der Druck des vom Herausgeber an¬
gekündigten 4. Bandes hinfällig geworden.
Wolfgang Lentz, Berlin
Eingegangene Bücher
Angezeigt von Wilhelm Printz, Halle
Atti del XIX Congresso Internazionale 'degli Orientalisti.
Roma, 23—29 Settembre 1935 — XIII. — Roma: [Scuola Orientale
della R. Universiti] 1938 — XVI. 721 S., Gr.-8°. Lire 60.
Die letzten Tagungsberichte waren schmächtige Bände, die nur
die Titel der Vorträge, bestenfalls ganz knappe Referate, brachten.
Diesmal hat man jedem Vortragenden durchschnittlich 1 —4 Seiten
für einen Auszug gewährt, in einzelnen Fällen sogar bis zu 12 Seiten.
155 Vorträge sind gehalten worden, davon 25 in der indischen, 33 in
der islamischen Sektion. Am Schluß ist ein Verzeichnis der Teil¬
nehmer und eine alphabetische Liste der Vortragenden (mit Thema)
beigefügt, ein Inhaltsverzeichnis nach Sektionen fehlt leider. In den
Überschriften zu den Vorträgen hat man ohne Not die Vornamen
abgekürzt; das ist eine Nachlässigkeit, die leider neuerdings manchen¬
orts zu beobachten ist und die Anlaß zu falschen Zitaten und mancher¬
lei Ärger gibt.
Reynolds, Henry James: The world's oldest writings. A story of
the ujjs and downs of civilization as told by man's earliest known literary relics. Being an authoritative digest of the whole subject of
ancient writings. — Chicago (224 S. Michigan Blvd): The Anti¬
quities Corporation (1938). XVIII, 328 S., 1 B., 76 A., Gri-8».
S 4.95.
Dies Buch soll einem Leser ohne Vorkenntnis einen Überblick
geben über die aus den alten Kulturländern vorchristlicher Zeit noch
im Original erhaltenen ältesten Schriftdenkmäler. Etwa 160 Seiten
sind Ägypten gewidmet, 67 Seiten dem Alten Orient. Es folgen kurze
Abschnitte über , .Palestine and vicinity", China, Indien, Griechen¬
land, Rom und anhangsweise über Bibel-Handschriften. Es erscheint
wohl möglich, daß dies Buch junge Menschen fesselt und zu ein¬
gehender Beschäftigung mit irgendeinem der geschilderten Gebiete
verlockt. Insofern mag man dies Alters-Parergon eines angesehenen
Dermatologen in Chicago, der dafür jahrzehntelang gelesen, Bilder
gesammelt und Museen besucht hat. verdienstlich nennen. Aber frei¬
lich kann nicht verschwiegen werden, daß sein Buch große Lücken
und mancherlei Fehler enthält. Die S. 297 f. gegebene Bücherliste
enthält nur englische Titel und auch da nicht immer das Neueste
und das Beste. So hat sich der Verf. (obwohl er doch im Oriental
Institute der Universität Chicago leicht Berater und Helfer hätte
finden können) nicht wenige wichtige neuere Entdeckungen entgehen