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Archiv "Ärzteschaft stellt sich den gesundheitspolitischen Herausforderungen" (09.04.1982)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 14 vom 9. April 1982

Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Ärzteschaft stellt sich

den gesundheitspolitischen Herausforderungen

Streiflichter von einer berufspolitischen Forumsveranstaltung während des XXX. Internationalen Fortbildungskongresses der Bundesärztekammer in Davos

Eine aktuelle berufspolitische Tour d'horizon gab Dr. med.

Karsten Vilmar (Bremen), der Präsident der Bundesärzte- kammer und des Deutschen Ärztetages, zum Auftakt der berufspolitischen Hauptver- anstaltung am Nachmittag des 10. März während des 14tägigen XXX. Internationa- len Fortbildungskongresses der Bundesärztekammer in Davos. Vilmar rief die poli- tisch Verantwortlichen auf, die sachverständigen Vor- schläge der Ärzteschaft ernst zu nehmen und bei der beab- sichtigten Strukturverbesse- rung im Gesundheitswesen aufzugreifen. Dies wäre dann ein Beweis für mehr Sachlich- keit und Kooperation in der Gesundheitspolitik.

Die gesamtwirtschaftlichen Rah- menbedingungen — die lang an- haltende Rezession, die relativ ho- he Zahl von Arbeitslosen, das Lei- stungsbilanzdefizit von mehr als 20 Milliarden DM im Jahr 1981, die Rohstoffverknappung und -ver- teuerung, der wachsende Import- druck und die DM-Schwäche — be- grenzen die staatlichen Aktivitä- ten und Expansionsmöglichkei- ten auch im Sozial- und Gesund- heitswesen der Bundesrepublik Deutschland. Wie alle Bereiche der Politik ist auch die Sozial- und Ge- sundheitspolitik essentiell in die allgemeine Politik eingebunden und muß sich auch (aber nicht aus- schließlich!) an der Entwicklung des Sozialproduktes orientieren.

Gegenüber der früheren „Eupho- rie" ist der vordringliche Reform- Problemhaushalt auf dem Gebiet der Sozial- und Gesundheitspolitik heute deutlich geschrumpft. Fol- gende Novellierungs-Projekte ste- hen an:

> Novellierung der Bundespfle- gesatzverordnung von 1974 mit der Absicht, diese inhaltlich und terminologisch dem zum 1. Januar 1982 in Kraft getretenen „Kran-

kenhaus-Kostendämpfu ngsge- setz" (KKG) anzupassen und zu- gleich die leistungsbezogene Pfle- gesatzberechnung übersichtlicher zu gestalten;

> Erlaß modernisierter ärztlicher sowie zahnärztlicher Gebühren- ordnungen;

> möglicherweise nur Korrektu- ren am (zweiten) Arzneimittelge- setz (AMG) von 1976;

> Erlaß eines sogenannten Ge- sundheits-Sicherstellungsgeset- zes für den Verteidigungs- und Spannungsfall sowie für den Kata- stropheneinsatz (möglicherweise nur als reines Rahmen- bezie- hungsweise Organisationsgesetz);

> Weiterentwicklung einzelner.

Bereiche der Krankenversiche- rung und Vorarbeiten für ein bis 1984 in Aussicht genommenes

„Strukturreformgesetz" ;

> Novellierung der Approba- tionsordnung für Ärzte auf der Grundlage der Empfehlungen der sogenannten „Kleinen Kommis- sion";

> Änderung der Zulassungsord- nung für Kassenärzte;

> Mustergesetzentwurf zur In- stallierung bundeseinheitlicher Krebsregister;

> Reform der Krankenversiche- rung der Rentner (KVdR);

> Verabschiedung des Entwurfs eines „Arbeitsschutzgesetzes"

u. a.

Diese Ausgangslage konstatierte Dr. med. Karsten Vilmar (Bremen), der Präsident der Bundesärzte- kammer und des Deutschen Ärzte- tages, zum Auftakt einer aktuellen berufspolitischen Tour d'horizon bei der berufspolitischen Haupt- veranstaltung während des vier- Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 14 vom 9. April 1982 67

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Davos-Kongreß: Aktuelle Berufspolitik

zehntägigen Internationalen Fort- bildungskongresses der Bundes- ärztekammer in Davos (am 10.

März 1982).

Obwohl die Wahlergebnisse vom Oktober 1980 augenscheinlich keine Änderung in der politischen Landschaft ergeben hätten, seien auf das Gesundheitswesen bereits im Frühsommer 1981 geradezu hektische Gesetzgebungsaktivitä- ten hereingeprasselt, wie sie auch von den größten Pessimisten nicht abzuschätzen gewesen waren. Vil- mar interpretierte: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sind Aktivitäten zur Weiterent- wicklung der gesetzlichen Kran- kenversicherung und zur Verände- rung des Kassenarztrechtes sowie zur Kostendämpfung im Kranken- hauswesen auch in einen direkten Zusammenhang mit der Sanie- rung der Bundesfinanzen gestellt worden. Ohne die wahren Ursa- chen der Fehlsteuerungen und der Kostenausuferungen aufzudek- ken, sei die „ganze Misere im Ge- sundheitswesen" ausschließlich den „Leistungsanbietern" und dem „ungezügelten Wettbewerb"

angelastet worden.

Auch dem „kleinen Mann auf der Straße" hätten die publizistischen Statthalter der Bonner Kosten- dämpfungsstrategen und taten- durstigen Reformpolitiker weiszu- machen versucht, daß nicht der Gesundheitsleistungen nachfra- gende Patient, nicht die die An- spruchsmentalität schürenden Krankenkassen und schon gar nicht die soziale Segnungen aus- teilenden Politiker für die finan- ziellen Engpässe in allen Sozial- etats verantwortlich zu machen sind, sondern allein die Ärzte, Zahnärzte, die Apotheker und die

„profitgierige" pharmazeutische Industrie.

Überfrachtung mit versicherungs- fremden Leistungen

Wenn auch der für sozial- und ge- sund heitspolitische Problemkrei- se zuständige Bundesarbeitsmini- ster Dr. Herbert Ehrenberg unver-

drossen Optimismus in allen Zwei- gen der Sozialversicherung ver- sprühte, dennoch aber die Proble- me nicht aus der Welt schaffen konnte, so mußte er sich auf dem Davoser Kolloquium die „lautere Wahrheit" vorhalten lassen: Jah- relang hat er untätig zugesehen, wie den Versicherungsträgern im- mer mehr versicherungsfremde Aufgaben aufgebürdet wurden, ohne daß die öffentliche Hand da- bei ihren finanziellen Verpflichtun- gen nachgekommen ist. Und als die Belastbarkeit der Beitragszah- ler ihre Grenzen fand, wurden Mil- liardenbeträge von einem Versi- cherungszweig zum anderen ver- schoben. Zunächst wurde die gesetzliche Krankenversicherung dazu mißbraucht, die Rentenfinan- zen zu sanieren. Jetzt seien die Bonner „Beglückungspolitiker"

auf den Gedanken verfallen, die Krankenversicherung auch für die defizitäre Arbeitslosenversiche- rung einzuspannen. Es sei unauf- richtig und höchst unsozial, wenn sich der Staat in zunehmendem Maße seinen finanziellen Ein- stands- und Zuschußpflichten ent- ziehe.

Dr. Vilmar deckte die Ursachen der vielzitierten „Kostenexplo- sion" schonungslos auf. Dies sei kein spezifisch bundesdeutscher Vorgang und könne nicht dem weltweit anerkannten System der Gesundheitssicherung und der gegliederten gesetzlichen Kran- kenversicherung angelastet wer- den, am wenigsten einzelnen Gruppen, wie etwa den Ärzten, Apothekern oder der Pharmaindu- strie. Auch die Ärzteschaft sei durchaus daran interessiert, daß die gesetzliche und private Kran- kenversicherung auf Dauer finan- zierbar und leistungsfähig blei- ben. Daß die Kosten der Gesund- heitssicherung überproportional wachsen und in dem personalin- tensiven wie innovationsfreudigen Sektor jeweils über der Entwick- lung des Bruttosozialproduktes.

des Volkseinkommens und der Staatsausgaben liegen, ist für die Insider des Gesundheitswesens — Ärzte wie Gesundheitsökonomen

— nicht überraschend, weisen doch die Gesundheitsdienste in den unterschiedlichsten Gesell- schaftssystemen die gleichen ex- ponentiell wachsenden Raten auf.

Wer der „Kostenexplosion" nicht entsprechend eine „Nutzenexplo- sion" gegenüberstelle, verbreite ökonomischen Nonsens, sagte Professor Dr. Clemens August An- dreae, Ordinarius für Finanzwis- senschaft an der Universität Inns- bruck, bei dem Davoser Kongreß tags zuvor, ein Axiom, das Präsi- dent Vilmar erweiterte, indem er postulierte: „Die Gesundheitspoli- tik darf sich nicht, wie in der Ver- gangenheit, in einer kurzatmigen, konzeptionslosen und nur einzel- ne Bereiche des Gesundheitswe- sens umfassenden Kostendämp- fungspolitik erschöpfen."

Unbändige Leistungsexpansion Die eigentlichen Ursachen der Ko- stenentwicklung liegen in der Lei- stungsexpansion, und zwar in der Auffächerung des Leistungsange- botes und in den durch den enor- men medizinischen Fortschritt be- dingten erweiterten Behandlungs- möglichkeiten. Diese Fortschritte hätten das System auch teurer ge- macht. Gleichzeitig ist aber die Zahl der Dauerkranken und derje- nigen Patienten, denen zwar Lin- derung, aber keine vollkommene Heilung garantiert werden könne, stark gestiegen. Es wäre geradezu grotesk, diesen medizinischen Fortschritt den Heilberufen anzu- lasten und beklagen zu wollen, daß keine vollkommene Heilung möglich sei. Gesundheit kann eben nicht grundgesetzlich garan- tiert und von niemandem einge- klagt werden, betonte Vilmar.

Aber auch demographische Ver- schiebungen, eine Flut von eher politisch motivierten Leistungs- verbesserungen, eine Überfrach- tung der gesetzlichen Krankenver- sicherung mit sach- und system- fremden Leistungsverpflichtun- gen, die Erweiterung des Krank- heitsbegriffes durch den Gesetz- geber und die Rechtsprechung haben allesamt kostentreibend 68 Heft 14 vom 9. April 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A/B

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Davos-Kongreß: Aktuelle Berufspolitik

und ausgabensteigernd gewirkt.

Wenn jetzt lautstark darüber ge- klagt und nach einer Kostenfixie- rung sowie einschneidenden Strukturveränderungen gerufen wird, so müssen sich die Politiker fragen lassen, ob sie künftig eine staatlich verordnete Zuteilung der Gesundheitsleistungen, eine Be- schneidung der Patientenrechte und einen medizinisch wie ge- sundheitspolitisch kaum vertret- baren Leistungsabbau wünschen und dies auch politisch verantwor- ten können, betonte Dr. Vilmar un- ter Zustimmung des Auditoriums.

Ein wesentliches Merkmal der konzeptionslosen Gesundheits- und Sozialpolitik der Vergangen- heit sei auch gewesen, daß man in Zeiten des Wohlstandes einen Wechsel auf die Zukunft gezogen habe, ohne einzukalkulieren, daß wirtschaftliche Rezessionen die Ertragskraft der Volkswirtschaft schlagartig mindern könnten. Die Politiker müßten sich sagen las- sen, daß, falls sie mit ihren „Re- formmaßnahmen" nur in der Zeit- distanz einer Legislaturperiode dächten, solche Maßnahmen in- terventionistische Eingriffe in das System gleichsam wie ein „Perpe- tuum mobile" nach sich ziehen müßten. In vielen Bereichen würde nivelliert, von einer gegliederten Krankenversicherung werde zwar noch geredet, aber de facto werde die Trasse zur Einheitsversiche- rung immer breiter.

Die vielbeschworene Leistungsge- sellschaft werde durch versor- gungs- und wohlfahrtsstaatliche Tendenzen immer mehr perver- tiert. Täglich würde immer neuer Bedarf geweckt, Mängellisten kur- sierten, Mißstände würden ange- prangert, und immer wieder werde das Anspruchsverhalten „hochge- kitzelt", lautete ein sarkastisches Apergu Dr. Vilmars. Nicht nur bei Unbefangenen müßte sich der Ein- druck verstärken, als ob ständig neue Randgruppen ausgemacht würden, für die das soziale Netz immer enger geknüpft werden müsse. Bei der weitverbreiteten Alimentations- und Anspruchs- mentalität frage es sich allmäh-

lich, wer sich noch um die Rand- gruppe der Leistungs- und Ar- beitswilligen kümmern wolle, klagte Vilmar. Bereits jetzt be- schleiche einen das Gefühl, daß das Vorziehen des Rentenalters nur dem vordergründigen Ziel die- ne, „die noch bestehende Lücke zwischen BAFÖG-Leistungen und Pensionszahlung zu schließen".

Hinter dieser saloppen Formulie- rung steckt zweifellos ein wahrer, bedrückender Kern.

Diametrale Gegensätze

Noch sind die Konturen einer No- velle zur Strukturreform der Kran- kenversicherung nicht abzusehen.

Soweit jedoch die Sprecher des sozialliberalen Regierungsbünd- nisses bereits Essentials umrissen haben, so gibt es hier offenbar nur wenige strategische und gesell- schaftspolitische Gemeinsamkei- ten. Während die FDP einen kas- senartenübergreifenden Finanz- ausgleich und Vereinheitlichungs- tendenzen in der Krankenversi- cherung ablehnt, hingegen mehr marktwirtschaftliche Elemente durchsetzen will, blockt die SPD solche Bestrebungen ab.

Vilmar zitierte den sozialpoliti- schen Experten der SPD-Bundes- tagsfraktion, Eugen Glombig, MdB, der sich in Davos gegen jede Form der Selbstbeteiligung der Versicherten an den Krankheitsko- sten aussprach. Für ihn bedeutet dies eine Entsolidarisierung der Sozialversicherung; er behauptete sogar, Direktbeteiligungsformen seien geeignet, den „Korridor für weitere Honorarerhöhungen" zu erweitern. Auch den von der FDP favorisierten Plan, das Kostener- stattungsverfahren alternativ zum geltenden Sachleistungssystem oder Wahltarife zu erproben, ver- wirft der Koalitionspartner mit dem Argument, die soziale Kran- kenversicherung könne nicht mit einer Haftpflichtversicherung oder den Tarifen der Kfz-Versicherung verglichen werden.

Der SPD ist offenbar daran gele- gen, die Beitragsdrift in der ge-

setzlichen Krankenversicherung zu verringern und den Versicher- ten aller Krankenkassen und Kas- senarten die gleichen Leistungs- voraussetzungen einzuräumen.

Vilmar zitierte Aussagen des Ar- beitskreises 4 der SPD-Bundes- tagsfraktion, der der „überwie- gend berufsständischen Gliede- rung" der GKV unerwünschte, wenn nicht sogar schädliche Aus- wirkungen nachsagt. Das böse Wort von der „zergliederten Kran- kenversicherung" soll als Hebel benutzt werden, um die strukturel- len Dinge künftig besser in den Griff zu bekommen.

Sachverständige Aufklärung Vilmar sagte, es sei die Aufgabe der ärztlichen Mandatsträger, Fehlinterpretationen und bewuß- ten Unterstellungen durch sach- verständige Aufklärung entgegen- zuwirken. Die Ärzteschaft hätte viele detaillierte und sachliche Vorschläge entwickelt, die einer individuellen, guten bürgernahen ärztlichen Versorgung dienten.

Nur dürfe deren Betätigungsfeld nicht durch administrative Vor- schriften erschwert oder einge- schränkt werden.

Fatal wäre es, sich in der publizi- stischen Diskussion in Vertei- lungskämpfe hineinmanövrieren zu lassen. Auch wäre es verfehlt, wenn die Ärzteschaft es bei einem öffentlichen Wehklagen und Ge- schrei bewenden ließe und da- durch sich von dem angestrebten Ziel abbringen ließe.

Vilmar unterstrich, daß die Ärzte- schaft mehr Eigeninitiative und Ei- genverantwortung sämtlicher am Gesundheitswesen Beteiligten, der Leistungserbringer wie der Nachfrager, fordere. Die Ärzte- schaft als die am Gesundheits- und Sozialwesen wesentlich Be- teiligten müßte durch ihre sach- verständigen Ratschläge die Ge- sunden wie Kranken, die Politiker wie Verwaltungsfachleute, davon überzeugen, daß ein allumfassen- der Versorgungsstaat nicht dazu beitragen könne, das individuelle Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 14 vom 9. April 1982 69

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Ist im medizinischen Bereich von Vorurteilen die Rede, so sind zu- meist jene gemeint, die psychischen Erkrankungen, den daran Leiden- den, aber beispielsweise auch Epi- leptikern, gelten. Demgegenüber soll dieser Beitrag nicht eigentlich dieser inzwischen vielfach bearbei- teten, gleichwohl ungelösten Pro- blematik gelten, vielmehr nur jenen Vorurteilen, die von Professionals, Experten und Insidern aller Art, am Ende von den Psychiatern selbst noch mehr oder weniger bewußt ge- äußert und —wie noch zu zeigen ist—

durch allerlei Verhaltensweisen ver- festigt werden. Diese Zielsetzung re- lativiert zwangsläufig einen landläu- figen Begriff von Vorurteil, der da- von ausgeht, allein der Experte sei

auf Grund seiner Erfahrung und sei- nes systematisierten Vor-Wissens weitgehend frei von Vorurteilen ge- genüber seinem Handlungsobjekt.

Demgegenüber soll hier von inflexi- blen, ja ideologisierten Einstellun- gen die Rede sein, die darauf beru- hen, daß längst bekannte Informa- tionen und Erklärungen über die be- urteilten Phänomene geradezu aus- geblendet werden. Es versteht sich, daß unter bestimmten Bedingungen auch der Experte einer solchen Ent- wicklung unterliegen kann, deren Ursachen hier nachgegangen wer- den soll.

Stellt man die berechtigte Frage nach Umfang und Sicherheit unse- res Wissens und unserer Erfahrung Davos: Aktuelle Berufspolitik

Glück und die Zufriedenheit der Bürger zu stärken. Zu einem frei- heitlichen Gesellschaftssystem gehöre notwendigerweise auch ein freies Gesundheitssystem.

Die Ärzteschaft dürfe nicht weiter hinnehmen, daß unter dem Deck- mantel der Behauptung, die Selbstverwaltung würde durch ge- setzliche Maßnahmen gestärkt, genau das Gegenteil bewirkt wer- de. Die einnahmenorientierte Aus- gabenpolitik der Krankenkassen, die Orientierung am Bruttosozial- produkt, an der Grundlohnsum- me, Plafondierungen und Kosten- begrenzungen seien nicht geeig- net, die viel beschworene „Krise"

zu beenden.

Angebot

zur Kooperation

Auch noch so ausgetüftelte ge- setzliche Maßnahmen könnten nicht befehlen, daß sich die Aus- gabenentwicklung im Gesund- heitswesen unbedingt nach der Leitschiene der Einnahmen rich- tet. Der Gesundheitsbetrieb folgt einer Vielzahl anderer Parameter.

Es könnte der Tag blühen, an dem die „Humanitätsökonomie" aller- orts beschworen und staatlich ver- ordnet werde. Bereits in den Vor- gesprächen der Frühjahrsrunde der „Konzertierten Aktion im Ge- sundheitswesen" hatte die Ärzte- schaft darauf aufmerksam ge- macht, daß auch medizinische Da- ten und andere aussagefähige Pa- rameter bei der politischen Ent- scheidungsfindung angemessen berücksichtigt werden sollten.

Sowohl was die Krankenhaus- strukturreform als auch die Ver- zahnung von Klinik und Praxis be- trifft, haben die ärztlichen Körper- schaften und Organisationen zahl- reiche detaillierte Vorschläge un- terbreitet. Diese setzen allesamt auf die Prädominanz der von der Selbstverwaltung getragenen Strukturverbesserungen und mehr marktwirtschaftliche, die Eigenin- itiative und die Selbstverwaltungs- autonomie stärkende Maßnah- men. Harald Clade

FORUM

Psychiatrie

und professionelles Vorurteil

Überlegungen zu einem Stück Kulturkritik

Dieter H. Frießem

Grundlagen und Reichweite der Aussagen, welche die Nervenheil- kunde zu machen hat, schienen ehedem sicher zu sein. Mit der zunehmenden Divergenz zwischen Neurologie und Psychiatrie sowie Anerkennung der einzelnen Neuroselehren und ihrer psychotherapeu- tischen Anwendungen hat sich jedoch der Horizont erweitert. Einzel- wissenschaften, die sich vormals nur sehr peripher mit der Psychiatrie berührten, äußern sich inzwischen zu deren einstmals ureigenen Gegenständen. Diese Situation drängt nach Kooperation, Interdiszipli- narität und Neuinterpretation, deren Mühen jedoch oftmals gescheut werden. Statt dessen gewinnen vielfach Blickverengung und Verabso- lutierung einzelner Aussagen die Oberhand und erzeugen dann selbst unter jenen; die mit dem psychisch Kranken befaßt sind, Vorurteile von einer Art, wie man sie gemeinhin nur in Laienpublikationen erwartet. Derart vorurteilsbehaftete Einstellungen stehen nicht nur für Orientierungsschwierigkeiten jüngerer Kollegen, sondern prägen in unterschiedlichem Ausmaß auch das Bemühen nichtmedizinischer Psychiatrieberufe nach Rollenfindung, Zur Verhütung einer solchen, auch für den Patienten ungünstigen Entwicklung wird eine mit Fort- bzw. Weiterbildung kombinierte Gruppenarbeit vorgeschlagen, zugleich aber auch vor der Gefahr eines Abgleitens in eine Ideologie puren Helfenwollens gewarnt, die indes vermieden werden kann, sofern die Ziele psychiatrischer Therapie und Rehabilitation nicht aus den Augen verloren werden.

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