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Archiv "Wider den gesundheitspolitischen Syndikalismus" (06.06.1974)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Das 7. Internationale Krankenhaus- Symposium, für dessen Durchfüh- rung im Düsseldorfer Messegelän- de das Deutsche Krankenhausinsti- tut (DKI) verantwortlich zeichnete, begann mit einem Paukenschlag:

Professor Dr. 'med. Horst Baier, Or- dinarius für Soziologie und Philo- sophie an der Frankfurter Univer- sität, konfrontierte die rund 800 Hospitalfachleute in seinem mit Spannung erwarteten Festvortrag über „Krankheit und soziale Si- cherheit — aus der Sicht des Arz- tes und des Patienten" mit einer Reihe provozierender Thesen, in einer Weise, wie er sie erst kürz- lich anläßlich der Bundestagung 1974 des Berufsverbandes der Praktischen Ärzte und Ärzte für All- gemeinmedizin (BPA) in Konstanz in leicht variierter Form wiederholte.

Der Soziologe stellte fest: „Die Menschen der Industriegesell- schaft wollen nicht mehr Mündig- keit, sondern soziale Sicherungen.

Die Mündigkeits- und Mitbestim- mungsparolen haben die ideologi- sche Funktion, die Machtkämpfe zwischen den Interessengruppen in Sozialstaat und gesellschaftlichen Großverbänden und ihre An- spruchskämpfe um Versorgungs- klientelen in der existenzverunsi- cherten Bevölkerung zu verdek- ken." Baier begründete seine The- se so: „Mündigkeit, genauer: Mitbe- stimmung und Mittätigkeit in den politischen, wirtschaftlichen und auch kulturellen Großbereichen wirkt allein als Reizformel für Men- schen, die Mittel suchen, um sich die Selbstverfügung über ihren Le- bensraum zu bewahren oder sie wieder zu erreichen." Und aus der Sicht des Soziologen geißelte Bai- er den sich unbändig ausbreiten-

den Sozial- und Wohlfahrtsstaat westlicher Prägung samt seiner machtvollen Interessenverbände.

Die Rolle der Einzelperson sieht er darin so:

„Statt mehr konkreter Freiheiten erhalten wir nur Chancen, in den unerhört komplizierten Verrech- nungsverfahren der Abstimmungen irgendeinen Stellenwert hinter dem Komma um ein geringes nach un- ten oder oben zu verschieben; statt konkreter Sicherungen unserer Le- bensumstände geraten wir in die Abhängigkeit von denen, die unse- re Lebensläufe mit ihren erwartba- ren, weil durchschnittlichen Zu- stimmungs- oder Ablehnungspo- tentialen in ihrem Machtkalkül ver- rechnen ... Daseinsfürsorge und Daseinsvorsorge werden zu den Leistungen der staatlichen und ge- sellschaftlichen Mächte, wofür wir sie im täglichen Plebiszit ihrer still- schweigenden Hinnahme oder im periodischen Plebiszit der Abstim- mungen über ihre Angebotsalterna- tiven sozialer Sicherung bestätigen und legitimieren müssen."

Die ungezügelte Macht der Interessengroßverbände Die Diagnose des Soziologen und Mediziners zum Sonzialstaat und den darin agierenden gesellschaft- lichen Großverbänden: „Uns wird nicht nur vom Staat, sondern auch von den Interessengroßverbänden

— die sich wiederum jedem gegen- über je nach Machtlage konkurrie- rend, pressiv oder parasitär verhal- ten — als Wirtschafts- und Arbeits- bürger, als Bildungs- und Kulturbe- flissener, als Auto- oder Nahver- kehrsmittelbenützer emphatisch ei- ne Mündigkeit angedient, nach der hung: Die Kinder machen was sie

wollen, und es ist der Eltern gutes Recht, sich um nichts zu kümmern.

Der Dekalog des Alten Testaments wie der hippokratische Eid müssen als Produkte ihrer Zeit und natür- lich der gesellschaftlichen Bedin- gungen ihres Entstehungsortes verstanden werden. So erklären uns die Progressiven in Sachen Abtreibung wie in Sachen Euthana- sie übereinstimmend die Relativität oder Bedeutungslosigkeit tradierter Normenkataloge in unserer heuti- gen Welt. Gegenüber dieser Inter- pretation einzelner Autoren, die hinsichtlich der Abtreibung nun- mehr vom Supreme Court der USA übernommen wurde, hat der Welt- ärztebund im „Genfer Gelöbnis"

von 1948 und in der „Deklaration von Oslo" zur Schwangerschafts- unterbrechung (1970) in der Spra- che unserer Zeit lediglich bestätigt, was der alte Hippokrates gesagt hatte. In der Ärzteschaft ist offen- bar noch immer herrschende Mei- nung, daß die „Ehrfurcht vor dem Leben", die man nicht so weit zu fassen braucht wie Albert Schweit- zer, als sozialethisches Prinzip der besonderen Pflege und Förderung

— auch und gerade durch den Staat — bedarf. Ein Rückzug des Staates im Strafrecht, bei der Ab- treibung oder bei der Euthanasie, belastet den Arzt mit mehr Verant- wortung, zwingt ihn zu immer häu- figeren und schwierigeren Gewis- sensentscheidungen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß so mancher kritische Arzt über einen derartigen Zuwachs an Entschei- dungsfreiheit gar nicht so begei- stert ist.

(Ergänzte Fassung eines Referates anläß- lich des 3. Weltkongresses für Medizini- sches Recht am 21. August 1973 in Gent. — Aus Arch. f. Krim. Bd. 152 H. 5 u. 6 (1973) mit freundl. Genehmigung von Redaktion und Verlag.)

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dr. phil.

Helmut E. Ehrhardt Institut für Gerichtliche und Sozial-Psychiatrie 355 Marburg (Lahn), Ortenbergstraße 8

Wider den

gesundheitspolitischen Syndikalismus

Perspektiven des Krankenhaus-Symposiums

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 23 vom 6. Juni 1974 1705

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Krankenhaus-Symposium

wir aus natürlichem Freiheitsdrang und erzeugtem Selbstsicherungs- zwang greifen, durch die wir aber nur in den Legitimierungskreisel für namenlose Verbandsfunktionä-

re geraten. Den Einfluß von Inter- essengruppen exemplifizierte Baier an der Macht der Gewerkschaften.

Zwar will er ihnen nicht das Recht bestreiten, sich um sozialpolitische Dinge, die Lohn- und Gehaltspolitik zu kümmern, doch erfordert es sei- ner Meinung nach massiven Wider- spruch gegen die Anmaßung der Gewerkschaften, auch in Lebensbe- reiche einzugreifen, die bisher Ge- staltungsaufgabe des Staates und Freiraum der Staatsbürger waren.

Gesundheitspolitischer Syndikalismus

Den Gewerkschaften warf Baier so- gar vor, sie betrieben einen ge- sundheitspolitischen Syndikalis- mus, in dessen Dienst sogenannte integrierte Systeme der medizini- schen Versorgung gestellt werden sollten (wie sie beispielsweise vom Wirtschafts- und Sozialwissen- schaftlichen Institut der Gewerk- schaften [WSI] und seinem Ar- beitskreis gefordert werden). Als Integrationshebel apostrophierte Baier die von den Gewerkschaften progagierten medizinisch-techni- schen Zentren, die er mit landwirt- schaftlichen Produktionsgenossen- schaften östlicher Prägung ver- glich. Diese hätten nach ihrem Technisierungsprozeß sehr schnell einen totalen Ideologisierungspro- zeß ausgelöst; der Innovationssef- fekt sei dort im übrigen gleich Null.

Verstärkt werde diese Syndikali- sierung des Gesundheitswesens durch „reformaggressive Kaderbil- dung", gezielte Ideologisierung der öffentlichen Debatte und Übernah- me von Pressionstaktiken aus den Arbeits- und Tarifkämpfen sowie den räteartigen Dauerpressionen in Schule und Hochschule.

Und gerade hiervon wußte Baier als betroffener Hochschullehrer an der Universität Frankfurt ein Lied zu singen. Zeitungsmeldungen zu- folge trägt sich Professor Baier mit der Absicht, den erst seit geraumer

Zeit übernommenen Adorno-Lehr- stuhl wieder zu verlassen, weil er an der Frankfurter Universität die Lehr- und Forschungsfreiheit, auch in seinem engeren Institutsbereich, durch die Destruktion linksextre- mer Studenten gefährdet sieht. Bai- er führte aus: „In den Hochschu- len der Bundesrepublik, so in Hes- sen, sitzen bereits Fraktionen der Gewerkschaft ,Erziehung und Wis- senschaft' (GEW), da stramm orga- nisiert, dort noch im Ausbau, die in den Entscheidungsgremien solcher staatlicher Anstalten Forschungs- gelder verteilen, Professoren-Er- nennungen betreiben oder verhin- dern, Studienpläne und Berufs- ausbildung der Studenten kon- trollieren." In einer Art von Resi- gnation als Hochschullehrer mein- te Baier: „Wir werden als Lehrer und Hochschullehrer die Wahl ha- ben, uns entweder in die Klientel dieser Gewerkschaft zwecks Beför- derung eigener Gehalts- und Kar- riereinteressen einzufügen oder empfindliche Nachteile unserer be- ruflichen Sicherung hinzunehmen!"

Parallelen zur Hochschule

Zwischen Hochschulbereich und Gesundheitswesen sah Bauer ge- wisse Parallelen, die Analogie- schlüsse erlauben. Seine Bestands- aufnahme gesellschaftlicher Zu- sammenhänge lautet:

• „Gegenwärtig haben wir es mit einer gesellschaftlichen Dynamik zu tun, die Zug um Zug alle Le- bensbereiche erfaßt, gestern das System der sekundären Sozialisa- tion, Schule und Hochschule, heute das System der medizinischen Re- generation der schlecht angepaß- ten Industriebürger, morgen das System der bis jetzt naturwüchsi- gen Erzeugung der Arbeitskräfte und ihrer nicht weniger naturwüch- sigen Erziehung innerhalb der Fa- milie, also das System der Bevöl- kerungsreproduktion und der pri- mären Sozialisation."

Paradebeispiel für den Vermach- tungsprozeß durch einen Interes- sengroßverband sei der Anspruch und die Anmaßung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, für alle Pa-

tienten und für alle Bereiche des Gesundheitswesens legitimiert sein zu wollen. Dadurch werde eine ge- sellschaftspolitisch nicht zu unter- schätzende Konfliktsituation künst- lich heraufbeschworen, die aber weder der Sache noch dem Patien- ten nütze. Infolge mancher klas- senkämpferischer Initiativen und der Ideologisierung der öffentli- chen Debatte sieht Baier düstere Wolken am gesundheitspolitischen Horizont heraufziehen, nämlich die Ausdehnung des Syndikalismus auf Kontrolle und auf Regulation des Krankheits- und Gesundheitsver- haltens vor allem der arbeitspro- duktiven Bevölkerung. Und wieder aus der Sicht des Hochschulleh- rers meinte Baier warnend: „Durch die Erfahrungen an den gruppen- paritätischen Hochschulen kann man sehr wohl lernen, wie Frak- tions- und Kaderbildung statt kolle- gialer Diskussion, Erpressungen durch Boykotte aller Art statt sach- gerechter Verhandlungen, Mündig- keits- und Emanzipationsparolen statt Objektivierung der Lehr- und Forschungsleistungen eine Institu- tion ruinieren können." Als Bei- spiele gewerkschaftlich gesteu- erter Kaderbildung nannte Baier den Bund gewerkschaftlicher Ärzte in der ÖTV, die sich seiner Meinung nach „Leitungs- und Steuerungs- funktionen in der öffentlich inte- grierten Gesundheitssicherung mit der erwartbaren Ärztebürokratie versprechen."

Seine These von der Vergesell- schaftung des Gesundheits- und Krankheitsverhaltens:

„Die soziale Sicherungspolitik auf dem Gebiet der Gesundheitsver- sorgung, die Vermachtung der ar- beitenden und rentversorgten Be- völkerung mit ihrer Hilfe ist keine Erfindung des Staats- oder Ge- werkschaftssozialismus. Seit der Sozialgesetzgebung Bismarcks entwickelt, verstärkt und erweitert sich in Deutschland der Zusam- menhang von Sicherheitserwartung im Krankheitsfall und Sicherheits- angebot durch ein stetig fortge- schriebenes System von Soziallei- stungen."

1706 Heft 23 vom 6.Juni 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Krankenhaus-Symposium

Seine vierte These gipfelte darin, daß er einen neuen Typus des So- zialpatienten heraufziehen sieht, der „im gesellschaftlichen Normen- netz der Fremd- und Selbsterwar- tungen sein Gesundheits- und Krankheitsverhalten bemißt und re- guliert". Prof. Baier zeichnete eine

soziologisch-gesund heitspolitische Zukunftsvision: „Patienten und Ärzteschaft geraten aus dem Machtvakuum einer autonomen Medizinkultur in das politische Machtfeld der Gesamtgesellschaft mit ihrem um Versorgungskliente- len rivalisierenden Partei- und Ver- bandsgruppierungen. Die Verge- sellschaftung des Krankheitsver- haltens ist die horizontale, seine Vermachtung durch Sozialstaat und Interessenverbände die verti- kale Dimension einer Gesellschaft, die man als autoritären Wohlfahrts- sozialismus bestimmen könnte."

Daß ein solcher autoritärer Wohl- fahrtssozialismus die Gesundheits- sicherung und die Krankenversor- gung enorm steigern kann, ist für Baier keine Frage. Insofern seien die Versprechungen der parteipoli- tischen und gewerkschaftlichen Gesundheitsreformer, nun endlich den Humanismus für die Kranken und Gebrechlichen zu verwirkli- chen, keine leeren Phrasen. Es fra- ge sich nur, ob dieser Humanismus im Gesundheitswesen noch viel mit dem zu tun hat, den die bürgerli- che Aufklärung gewollt hatte.

Prof. von Manger-Koenig:

Statistisches Vakuum

Auf die Niederungen der aktuellen Gesundheitspolitik holte Professor Dr. med. Ludwig von Manger-König die Zuhörer in seinem Vortrag über

„Analyse des Gesundheitswesens unter Berücksichtigung bundes- deutscher Modellvorstellungen"

wieder zurück. Der ehemalige Staatssekretär des Bundesgesund- heitsministerium und jetziger WHO-Beauftragter bedauerte, daß die gesundheitspolitische Diskus- sion in der Bundesrepublik Deutschland deswegen an Beweis- kraft fehle, weil keine stichhaltigen Daten verfügbar seien. „Exakte

Analysen des Gesundheitswesens der Bundesrepublik sind wegen mangelnder statistischer Erfassung von Leistungsdaten kaum möglich.

Manches Argument der bisherigen Diskussion und Kritik basiert allen- falls auf Annahmen und Eindrük- ken." Damit erteilte der erfahrene Gesundheitspolitiker jenen eine Ab- sage, die Reformen aus blauem Dunst und auf unsicheren statisti- schen Fundamenten machen wollen.

Manger-Koenig kritisierte die star- re Trennung zwischen ambulanter und stationärer Krankenversor- gung. Er stellte fest: „Offenkundig ist allerdings eine Eigenart unseres Systems der gesundheitlichen Ver- sorgung, die uns von den meisten anderen Ländern deutlich unter- scheidet, die mangelnde Integra- tion zwischen ambulanter und sta- tionärer Krankenversorgung, in der Praxis draußen und im Kranken- haus. In fast der ganzen Welt wer- den die Aufgaben des Krankenhau- ses viel umfassender gesehen als bei uns kurative und präventive Aufgaben, stationäre, teilstationäre und ambulante Diagnostik und Therapie. In vielen Ländern haben die Gesundheitsberufe draußen wesentlich mehr Möglichkeiten, ihre Patienten stationär im Kran- kenhaus weiterbehandeln zu kön- nen. Eine rationellere Inanspruch- nahme des Krankenhauses wäre dadurch möglich."

Gleiche Mängel sah von Man- ger-Koenig noch in der ärztlichen Zusammenarbeit außerhalb des Krankenhauses: „Partnerschaftli- che Zusammenarbeit in der ambu- lanten Versorgung — durch Zu- sammenschlüsse in Gruppenpra- xen, Schaffung gemeinschaftlicher

Einrichtungen sowie durch Koope- ration zwischen Arztpraxis und den Institutionen der Gemeinde; Haus- und Sozialpflege hat sich ebenfalls weniger als in anderen Ländern durchgesetzt. Lange Jahre stand ihr das ärztliche Berufsrecht entge- gen." Von Manger-Koenig beklag- te: „Die Ärzte draußen haben zu wenig Möglichkeiten zur Wei- terbehandlung ihrer Patienten im Krankenhaus, und das Kranken-

haus seinerseits ist auf rein statio- näre Behandlungsaufgaben be- schränkt... Die mangelnde Integra- tion in unserem System bedeutet eine Belastung des Patienten, durch vermeidbare Wiederholung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen; sie bedeutet ferner unrationellen personellen, materiel- len und finanziellen Mehraufwand."

Die heute seiner Meinung nach noch unzureichende Öffnung der Krankenhäuser für halbstationäre oder auch ambulante Funktionen führe dazu, daß das personelle und apparative Potential für den sozial- versicherten Patienten „draußen"

nur ungenügend nutzbar gemacht werde. Dies gelte ganz besonders für medizinische Großgeräte und für den derzeitigen Einsatz der Au- tomaten im Krankenhaus. Daraus resultiert nach von Manger-Koenig:

übersetzte Krankenhausbettenka- pazität, zu lange Verweildauer und Einweisung von Fällen, in denen eine stationäre Versorgung auf Grund der Art der Erkrankung nicht indiziert ist. Schließlich be- klagte der SPD-Gesundheitspoliti- ker auch die Tatsache, daß es heu- te noch weitgehend an wirkungs- vollen Planungsinstrumenten im Krankenhauswesen fehle.

Integralions-Modelle

In einer bemerkenswert wertneu- tralen Form skizzierte von Man- ger-Koenig die von den verschie- denen Seiten vorgeschlagenen Mo- delle zur Verbesserung einer wirk- samen Kooperation und Integra- tion von ambulanter und stationä- rer Krankenversorgung. Die Lö- sungsvorschläge lassen sich nach von Manger-Koenig in drei Haupt-

gruppen zusammenfassen:

• Modelle, die sich primär an der ärztlichen Praxis orientieren und der Entwicklung neuer Formen der Kooperation in und unter den Pra- xen bei Nutzung moderner medizi- nischer Technik dienen, wobei auch die Praxis-Klinik (für bettläge- rige Patienten) und der Ausbau der belegärztlichen Tätigkeit er- wähnt wurden.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 23 vom 6.Juni 1974 1707

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen THEMEN DER ZEIT

..,. Am Krankenhaus orientierte Vorschläge, die auf die Öffnung der Krankenhäuser zum ambulan- ten Bereich hinzielen, so eigene Polikliniken für die Erstversorgung, diagnostisch-technische Zentren für die Vorsorgemedizin, vorstatio- näre Diagnose und nachstationäre Behandlung, verstärkte Zulassung und Beteiligung von Krankenhaus- ärzten im Rahmen der kassenärztli- chen Versorgung.

..,. Neue Institutionen neben und außerhalb des bisher praktiziert~m

gegliederten Gesundheitssiche- rungssystems mit eigener "inte- grierender Funktion" zwischen Krankenhaus, ambulanter Praxis und Gesundheitsamt wie beispiels- weise die vom Deutschen Gewerk- schaftsbund vorgeschlagenen so- genannten medizinisch-technischen Zentren oder eine regional geglie- derte integrierte Krankenversor- gung nach dem sogenannten Köl- ner Modell (publiziert vom Medizi- nischen Zentrum, Köln).

An der Podiumsdiskussion, an der sich namhafte Repräsentanten der Ärzteschaft, des Krankenhauswe- sens und der Wissenschaft betei- ligten, wurde das Pro und Kontra der verschiedenen Modellvorschlä- ge eingehend erörtert, wobei auch auf bereits realisierte Integrations- modelle wie beispielsweise das Medizinische Team-System (MTS}

eingegangen wurde ebenso wie auf ausländische Beispiele einer durch- gehenden Krankenversorgung (zum Beispiel Niederlande).

So weit auch die einzelnen Meinun- gen auseinanderlagen, so machte das 7. Internationale Krankenhaus- symposium in Düsseldorf eines deutlich: Es gibt viele Wege zur Verbesserung und "Integration"

der ambulanten und stationären Versorgung, Beispiele einer echten Verbesserung, Vorschläge, wirk- lichkeitsnahe Strukturen zu schaf- fen, ohne daß man nun gleichzeitig das ganze bestehende System aus den Angeln heben müßte, nur weil es das "PriQzip" befiehlt und weil angeblich im Neuen auch das Bes- sere liege. Harald Clade

Aufgaben der heutigen Neurologie in der

Krankenversorgung

Friedrich Erbslöh

Fortsetzung und Schluß

Die Krankenhauskommission so- wie der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sind nun damit befaßt, die Richtlinien für Größe, Ausstattung und Perso- nalbedarf dieser neurologischen Abteilungen in Krankenhäusern der Maximalversorgung (über 650 Bet- ten), der Zentralversorgung (500 bis 650 Betten) und schwerpunkts- mäßig auch der Regelversorgung (350 bis 500 Betten) zu erarbeiten, mit der Deutschen Krankenhausge- sellschaft zu erörtern, sie zu be- schließen und zu veröffentlichen.

Geht man von den bisherigen Be- schlüssen der Deutschen Gesell- schaft für Neurologie aus, nach de- nen Abteilungsgrößen von 40 bis 60 bzw. 60 bis 100, maximal120 Betten empfohlen wurden, so läßt sich die Aufgabe, die hier bewältigt werden muß, schon heute absehen: ln der Bundesrepublik müssen in einem gegliederten Krankenhaussystem statt zur Zeit 80 insgesamt rund 200 neurologische Abteilungen bzw.

Kliniken geplant, erstellt, fachge- mäß ausgestattet und personell be- setzt werden. Alle weiteren, rund 30 z. Z. vorhandene neurologische Zwergabteilungen oder unzurei- chend ausgestattete neurologisch- psychiatrische Krankenhausabtei- lungen und Belegstationen und ei- nige wenige selbständige neurolo- gische Abteilungen an psychiatri- schen Landeskrankenhäusern, müs- sen ausgebaut werden zu einer voll funktionierenden selbständigen, mit mindestens folgenden Funk- tionsdiensten ausgestatteten Kran- kenhausabteilung: Liquorlabor,

Echoenzephalographie, klinische Neurophysiologie (EEG, EMG, Neu- rographie), Neuroradiologie, Betei- ligung an der lntensiv-Pflegestation und Aufnahmestation.

Neben neurologischen Bettensta- tionen der Regelversorgung (ein Arzt auf 13 Patienten, eine Schwe- ster bzw. Pfleger auf 2,2 bis 2,8 Pa- tienten mit Zuschlag für 2. Schicht und Nachtwachen) sind neurologi- sche Pflegegruppen für Schwer- kranke vorzusehen (ein Arzt auf 8 Patienten, eine Schwester bzw.

Pfleger auf 2,2 Patienten in 3 Schichten).

Die Planung neurologischer Abtei- lungen sollte sorgfältig mit dem zu erweiternden Netz selbständi- ger neurochirurgischer Abteilungen und psychiatrischer Krankenhäuser bzw. Krankenhausabteilungen ab- gestimmt werden. An Krankenhäu- sern der Maximalversorgung müs- sen alle drei Fachrichtungen voll und selbständig vertreten sein. Das gestattet dann eine besonders wirt- schaftliche Nutzung sehr kostspie- liger, über die Routinediagnostik hinausgehender Einrichtungen für die Neuroradiologie und Nuklear- medizin sowie die klinische Neuro- physiologie und hierfür die Schaf- fung eigener neurologisch-funk- tionsdiagnostischer Abteilungen.

Insbesondere durch die benach- barte Einrichtung von neurologi- schen und neurochirurgischen Ab- teilungen wird auch die Einrichtung von Nachsorgekliniken für neurolo- gisch Kranke sehr erleichtert. Der-

1708 Heft 23 vom 6. Juni 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATI'

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