• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Arztbewertungsportale im Internet: Ärzte müssen sich nicht alles gefallen lassen" (24.07.2009)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Arztbewertungsportale im Internet: Ärzte müssen sich nicht alles gefallen lassen" (24.07.2009)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A1502 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 30⏐⏐24. Juli 2009

P O L I T I K

D

ie AOK plant die Einführung einer Online-Plattform, die ihren Versicherten die Gelegenheit geben soll, die Qualität ärztlicher Leistungen öffentlich zu bewerten.

Die Befürchtung vieler Ärztinnen und Ärzte, durch diese Plattform on- line an den Pranger gestellt zu wer- den, ist nachvollziehbar. Je nach Aufbau und Gestaltung der Platt- form bestehen aber Möglichkeiten, sich rechtlich gegen falsche Be- hauptungen zur Wehr zu setzen.

Über den Sinn und die qualitative Aussagekraft des von der AOK ge- planten „Arzt-Navigators“ lässt sich trefflich streiten. Das kürzlich vom Bundesgerichtshof verkündete Ur- teil über das Lehrerbewertungspor- tal „spickmich.de“ zeigt aber, dass onlinebasierte Bewertungsplattfor- men zulässig sind. Mit diesem Phä- nomen müssen auch Ärzte leben.

In den von der AOK zum Arzt- Navigator veröffentlichten „Fre- quently Asked Questions“ heißt es nun, dass die Versicherten „anhand von festgelegten und mit Experten abgestimmten Kriterien“ anonym

„ihre Eindrücke über den Service und die gefühlte Behandlungsqua- lität schildern“ sollen. Leider ist damit niemandem geholfen, der eine Ahnung von der Ausgestaltung des Arzt-Navigators erhalten will.

Somit kann auch ein Missbrauch der AOK-Bewertungsplattform nicht ausgeschlossen werden.

Keine Schmähkritik

Gleichwohl ist die offenbar auch un- ter Ärzten weitverbreitete Annah- me, keine rechtliche Handhabe ge- gen Online-Bewertungsplattformen zu haben, nicht richtig. Ob das wett- bewerbsrechtliche Haftungsregime eröffnet ist, weil die AOK in der er- kennbaren Absicht handeln könnte,

den Absatz ihrer eigenen Produkte zu fördern, sei einmal dahingestellt.

Generell steht dem Betroffenen aber das gesamte presse- beziehungswei- se äußerungsrechtliche Instrumenta- rium zur Verfügung. Denn die AOK haftet grundsätzlich für die auf dem Arzt-Navigator wiedergegebenen In- halte. Lässt die Krankenkasse es bei- spielsweise zu, dass die Versicher- ten eigene Beiträge auf der Bewer- tungsplattform einstellen, dann haf- tet sie als Verbreiter dieser Inhalte.

Niemand – kein Arzt, keine Pra- xis und kein Krankenhaus – muss es hinnehmen, dass unwahre Tatsachen- behauptungen, Schmähkritik oder Beleidigungen über ihn verbreitet werden. 1996 hatte der Bundesge- richtshof über die Zulässigkeit kriti- scher Aussagen über einen Chefarzt zu befinden. Dem Gynäkologen war nachgesagt worden, er habe über- durchschnittlich lang operiert, es sei häufig zu starken Blutungen ge- kommen, und die Patientinnen hät- ten hiervon nichts erfahren. Das Ge- richt wertete diese Aussagen als dem Beweis zugängliche Tatsachenbe- hauptungen, da der Leser ihnen ent- nehmen konnte, dass Abweichungen von einem normalen Operationsver- lauf geschildert würden. Stellt sich eine solche Aussage als unwahr her- aus, so verletzt sie die Persönlich- keitsrechte des Arztes. Für einen derartigen Beitrag eines AOK-Ver- sicherten hätten der Versicherte und die AOK als Betreiber der Bewer- tungsplattform geradezustehen. Dem betroffenen Arzt können in diesem Fall Unterlassungs-, Gegendarstel- lungs-, Berichtigungs- und Scha- densersatzansprüche zustehen.

Das Online-Lehrerbewertungs- portal „spickmich.de“ zum Beispiel lässt zwar keine eigenen Textbeiträ- ge des Bewertenden zu, es können

aber angebliche Zitate des bewerte- ten Lehrers eingestellt werden. Die- se Möglichkeit kann die Rechte ei- nes Betroffenen verletzen, wenn ihm Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er gar nicht getan hat.

Die AOK haftet für die Inhalte

Wesentlich schwieriger wird es, wenn der „AOK-Arzt-Navigator“

ein Bewertungssystem vorsieht, dass dem Schulnotensystem ähnlich Bei- träge einzelner Versicherter in Aus- sagen wie „befriedigend“ oder „un- genügend“ zusammenfasst, ohne die Beiträge der Versicherten zu veröf- fentlichen. Noten sind nämlich Äu- ßerungen, die nicht dem Beweis zu- gänglich, also nicht auf ihren Wahr- heitsgehalt hin überprüfbar sind. Sie sind geprägt durch das wertende Ele- ment und damit Meinungsäußerun- gen, die, auch wenn sie kritisch sind, grundsätzlich nicht angreifbar sind (eine Ausnahme wäre die Schmäh- kritik, die allein die Herabwürdigung einer anderen Person bezweckt).

Sollte die Bewertung aber bei den Nutzern des Arzt-Navigators Vor- stellungen von bestimmten Vorgän- gen wecken, die in die Bewertung eingeflossen sind, so kann ein angreif- barer Tatsachenkern gegeben sein.

Zurzeit ist es reine Spekulation, wie der „AOK-Arzt-Navigator“

aussehen wird. Der AOK muss aber bei der Konzeption der Plattform von vornherein der Spagat zwischen den Persönlichkeitsrechten der Ärz- te einerseits und dem Recht auf frei- en Meinungsaustausch andererseits gelingen. Denn im Einzelfall wird es wie bei dem Lehrerbewertungs- portal „spickmich.de“ auf die Ab- wägung zwischen diesen Rechten ankommen. Rechtlich wehrlos sind die Ärzte jedenfalls nicht. I RA Philipp von Mettenheim, Hamburg

ARZTBEWERTUNGSPORTALE IM INTERNET

Ärzte müssen sich nicht alles gefallen lassen

Die weitverbreitete Annahme, keine rechtliche Handhabe gegen

Online-Bewertungsplattformen zu haben, ist nicht richtig.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Weil heute immer mehr Menschen im Internet einkaufen, wird man solche Orte in Zukunft weniger oder vielleicht auch gar nicht mehr benö- tigen?. Das hat gravierende Folgen für

In der hier präsentierten Fassung des deutschen außenpolitischen Gemein- wohls sind zwei der sechs Elemente (1 und 4) ausschließlich inhaltlicher Natur, zwei weitere

Umweltfaktoren mögen neben historischen, ethnischen oder politischen Faktoren eine gewisse Rolle beim Ausbruch kriegeri- scher Auseinandersetzungen spielen – den Klimawandel aber

INFORMATION & BERATUNG AUS DEM THIOCYN FORSCHUNGSLABOR Die neue wissenschaftlich fundierte Spezialpflege bei erblich bedingtem Haarausfall sowie schütterem, dünner werdendem

Dysfunktionale Perfektionisten haben einerseits überzogen hohe, oft leider vollkommen unrealistische Ansprüche und Erwartungen an sich selbst, fürchten sich andererseits aber

Sie bilden sich in wässri- gen Systemen, überall da, wo sich Mikroorganismen an Grenz- flächen ansiedeln können – be- vorzugt an der Grenze zwischen fester und flüssiger Phase, wie

Re- präsentativ bedeutet dabei, dass die Umfrageergebnisse nicht nur die Meinung der beispielsweise 1000 Be- fragten wiedergeben, sondern die Meinung der gesamten Zielgruppe, für

Die in diesem Faltblatt enthaltenen Infor mationen gelten sowohl für schwerbehin derte Menschen mit einem Grad der Behin derung (GdB) ab 50, als auch für Menschen, mit