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Archiv "Organspende: Mehr Transplantationen – dazu sind Strukturveränderungen nötig" (20.03.2009)

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A550 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 12⏐⏐20. März 2009

T H E M E N D E R Z E I T

D

as Transplantationsgesetz (TPG) erklärt die postmorta- le Organspende zur gemeinsamen Aufgabe aller Krankenhäuser: Es verpflichtet sie zur engen und ver- trauensvollen Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle (Deutsche Stiftung Organtransplantation, DSO) und den Transplantationszentren.

Gemäß § 11 Abs. 4 TPG gehört die Organspende zum Versorgungsauf- trag der Krankenhäuser. Sie sind ver- pflichtet, jeden potenziellen Organ- spender an die Koordinierungsstelle zu melden.

In Deutschland ist dies die DSO.

Sie koordiniert bei den vermitt- lungspflichtigen Organen den ge- samten Spendeprozess. Die Zahlen der DSO aber weisen daraufhin,

dass die Forderung des Gesetzge- bers nur unzureichend umgesetzt wird: Schon vor Verabschiedung des Gesetzes hatten sich weniger als die Hälfte, und zwar nur circa 40 Prozent, der 1 400 Kliniken mit Intensivbetten an der postmortalen Organspende beteiligt. Elf Jahre später sieht die Bilanz nach Anga- ben der DSO kaum anders aus.

Furcht vor dem extremen Zeitaufwand

Zwar entwickelte sich die Zahl der jährlichen postmortalen Organ- spender langsam aufwärts, von 1 081 im Jahr 2004 auf 1 313 im Jahr 2007, im letzten Jahr aber gab es mit lediglich 1 198 Organspendern wie- der einen deutlichen Einbruch. „Für

die Kliniken gibt es in der Praxis zu wenig Verbindlichkeiten, jeder kann sich hinter dem Begriff ‚Gemein- schaftsaufgabe‘ verstecken“, erklärt Prof. Dr. med. Günter Kirste, Vor- standsmitglied der DSO.

Eine „wachsende Unlust, poten- zielle Spender zu melden“, sieht Hermann Deutschmann vom Klini- kum Hannover, als Neurologe auch mit der Hirntoddiagnostik befasst.

„In vielen kleineren Krankenhäu- sern lässt man den Gedanken an eine Organspende gar nicht erst aufkommen, weil man den extre- men Zeitaufwand fürchtet“, sagt Deutschmann.

DSO-Chef Kirste kennt zwar die Nöte der Kliniken, kann sich aber mit Verständnis allein nicht zufriedenge- ben. „Wenn eine Klinik die Behand- lung von Patienten verweigern würde mit der Begründung, sie habe keine Kapazitäten, würde dies in der Bevöl- kerung und in der Politik einen Auf- schrei auslösen. Wenn ein Kranken- haus sagt, Organspende schaffen wir nicht, dann macht es nichts – das ist ein Manko, das wir beseitigen müs- sen, und zwar dringend.“

Zum einen müsse die Gemein- schaftsaufgabe Organspende auf Ebenen unterhalb des Bundesgeset- zes klarer und verbindlicher gere- gelt werden, forderte Kirste im Gespräch mit dem Deutschen Ärz- teblatt. So fehlten Ausführungsge- setze zum TPG (bisher nur in acht Bundesländern verabschiedet). Die- se Landesgesetze sollten die Not- wendigkeit zur Bestellung von Trans- plantationsbeauftragten an allen Kliniken mit Intensivstationen so- wie eine frühe Einbeziehung der Koordinierungsstelle vorsehen. „Die Transplantationsbeauftragten sollen

ORGANSPENDE

Mehr Transplantationen – dazu sind Strukturveränderungen nötig

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation möchte Koordinatoren teilweise fest in die Krankenhausstrukturen integrieren, erläuterte ihr Vorstandsmitglied Prof. Dr. med. Günter Kirste im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt.

Eine Spenderniere in Konservierungslö-

sung kommt in eine Box. Im letzten Jahr gab es einen deutli- chen Rückgang an Organspendern.

Foto:dpa

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dafür sorgen, die Atmosphäre im Krankenhaus zum Thema Organ- spende zu verbessern, und bei Be- darf auch Weiterbildungsmaßnah- men organisieren helfen“, erläuterte Kirste. Transplantationsbeauftragte wirken auch aktiv an der Spenderer- kennung mit und bahnen den Weg zum Spendeprozess. Es sind in der Regel Oberärzte, die dies, wie bei- spielsweise auch Datenschutzbeauf- tragte, zusätzlich zu ihren täglichen Aufgaben erledigen. Sie erhalten dafür keine Aufwandsentschädi- gungen und werden auch nicht freigestellt – nach Meinung von Deutschmann wenig motivierend für die Arbeit. Freizeitausgleich oder Bezahlung von Überstunden könnten die Motivation verbessern.

Ähnlich wie in Großbritannien gibt es auch in Deutschland Stimmen, die fordern, Transplantationsbeauf- tragte ausschließlich für diese Auf- gabe auszubilden und zu beschäfti- gen (DÄ, Heft 5/2009).

Allerdings gilt ein Ausführungs- gesetz noch nicht als Garantie dafür, dass die Zahl der Organspenden steigt. So gebe es Bundesländer ohne Ausführungsgesetze, aber mit her- vorragenden Transplantationsbeauf- tragten an den jeweiligen Kranken- häusern, räumte Kirste ein. In Re- gelungen auf Landesebene sollten Krankenhäuser auch verpflichtet werden, ihren Mitarbeitern klare Leitlinien zur Sicherstellung des

Versorgungsauftrags Organspende an die Hand zu geben, damit sie im Einklang mit dem Gesetzgeber, ihrem Arbeitgeber und ihren Dienst- vorgesetzten handeln können. In diesen Leitlinien sollte formuliert werden, dass eine Verpflichtung der Krankenhäuser zur Meldung poten- zieller Spender besteht und Mitar- beiter der DSO bei einer möglichen Organspende hinzuzuziehen sind.

Angemessene

Aufwandsentschädigungen

Kirste hält außerdem die Etablierung eines klinikinternen Dokumentati- onsverfahren über die Inzidenz von Todesfällen nach primärer oder se- kundärer Hirnschädigung auf In- tensivstationen (DSO-Erhebungsbo- gen) sowie die Indikation zur Or- ganspende für dringend erforderlich.

Die Länder kontrollierten derzeit nur unzureichend, ob sich die Kranken- häuser an der Organspende beteilig- ten, häufig mit dem Argument, dass die Krankenhäuser in kommunaler, kirchlicher oder privater Träger- schaft seien. Außerdem solle ein Be- reich „Organspende“ bei der Bun- desgeschäftsstelle Qualitätssicherung angesiedelt werden, um zu ermitteln, inwieweit die Krankenhäuser ihrem Versorgungsauftrag im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe Organspen- de nachgekommen sind. Die Auf- wandsentschädigung müsse ange- messen sein und einem Kostenver-

gleich mit anderen medizinischen Leistungen standhalten. „Kranken- häuser sollen an einer Organspende nicht verdienen, aber die Organ- spende muss beispielsweise im Ver- gleich mit einer Hüftoperation kon- kurrenzfähig bleiben“, meint Kirste.

Grundsätzlich seien in Deutsch- land noch nicht die strukturellen Voraussetzungen geschaffen, um die Organspende so erfolgreich zu ma- chen wie beispielsweise in Spanien.

Dort kommen auf eine Million Ein- wohner 34 Organspender, in Deutsch- land waren es im vergangenen Jahr 14,6 Spender pro Million Einwoh- ner. Der Erfolg des Systems liegt in einer übergeordneten Zuständig- keit der Nationalen Organisation für Transplantationen (ONT) für die Be- reiche Spendererkennung, Spender- behandlung, Gesprächsführung mit den Angehörigen und der Organisa- tion aller für die Organspende rele- vanten Abläufe. Die ONT ist fest in die Krankenhausstrukturen inte- griert. In Deutschland ist die DSO eher „externer Partner“. Wenn es um die Erkennung und Meldung von Spendern geht, werden die DSO- Koordinatoren aus den sieben regio- nalen Organisationszentralen der Deutschen Stiftung Organtransplan- tation von den Kliniken kontaktiert und um Unterstützung gebeten. Die DSO aber möchte nicht länger als Bittsteller dastehen, der darum wirbt, gebeten zu werden.

Das spanische Modell lasse sich zwar nicht eins zu eins in Deutsch- land umsetzen, aber es könne inso- fern Vorbild sein, als die Organ- spendeorganisation selbstverständ- lich in die Klinikstrukturen aufge- nommen werde. „Es ist an der Zeit, dass die DSO langfristig die gesetz- lich verankerte Kompetenz erhält, von sich aus und nicht erst auf An- forderung in den Krankenhäusern tätig zu werden und diese bei der Er- füllung ihrer Aufgaben in Bezug auf die postmortale Spende zu unter- stützen“, sagt Kirste. Die Koordi- nierungsstelle fordert

> einen festen Platz in den Klini- ken bei der Weiter- und Fortbildung von Mitarbeitern, um das nötige Fachwissen zu vermitteln und Un- terstützungsmaßnahmen der DSO zu verdeutlichen

*ohne Lebendspende, ohne Dominospende, Bundesdurchschnitt 14,6 (2007: 16,0) GRAFIK

Zahl der Organspender* pro eine Millionen Einwohner 2008

Baden-Württemberg Bayern Mitte Nord Nord-Ost Nordrhein-Westfalen Ost

12,6 14,5 10,8

14,7

18,4 14,4

18,8

Quelle: DSO

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> die Förderung der Umsetzung des „Curriculums Organspende für Transplantationsbeauftragte“, das in Zusammenarbeit mit der Bundes- ärztekammer beziehungsweise der Ärztekammer Westfalen-Lippe er- stellt worden ist

> die Schaffung einer flächen- deckenden und bundeseinheitlichen

„In-House“-Koordination in Univer- sitätskliniken und Krankenhäusern mit neurochirurgischen Intensivsta- tionen über das Budget der DSO in Anlehnung an das spanische Modell.

Durch einen solchen für die Organ- spende zuständigen Mitarbeiter (Ko- ordinator) soll eine enge Zusammen- arbeit der großen Kliniken mit der DSO gestärkt beziehungsweise bes- ser verzahnt werden – es entstünden dadurch fließende Übergänge zwi- schen den Tätigkeiten der Kliniken und der DSO. Kirste hält es für fatal, dass in Deutschland häufig „ein Keil getrieben“ werde zwischen DSO- Koordinatoren und Ärzten, die po- tenzielle Organspender behandeln.

„Organspende heißt ja nicht, dass es nicht vorrangig zu den ärztlichen Aufgabe gehört, Leben zu erhalten.

Aber wenn das Leben zu Ende ist, muss auch die Organspende verwirk- licht werden können.“

Koordinator soll Hilfe bei den praktischen Abläufen leisten

Der Koordinator soll den Kranken- hausärzten auf den Intensivstatio- nen bei den praktischen Abläufen helfen, zum Beispiel bei den Ge- sprächen mit Angehörigen, beim Er- kennen und Bewerten medizini- scher Probleme in der Vorgeschich- te des Patienten sowie von aktuellen auffälligen Befunden, um einschät- zen zu können, welche Organe sich zur Transplantation eignen. Weil diese Aufgaben medizinische Kennt- nisse erfordern, wird es in den Kran- kenhäusern teilweise als problema- tisch angesehen, dass die Stellen der DSO-Koordinatoren gegenwärtig häufig nicht mit ärztlichem, sondern etwa zur Hälfte mit pflegerischem Personal besetzt sind. Als mögliche Gründe für die Schwierigkeit, Ärzte als Koordinatoren zu finden, gelten die auf längere Sicht fehlenden be- ruflichen Entwicklungsmöglichkei- ten, die Einengung der ärztlichen

Tätigkeit auf einen vergleichsweise begrenzten Bereich.

„Die enge Zusammenarbeit von Koordinatoren und Intensivmedizi- nern wird als ein wesentlicher Schlüssel des spanischen Erfolgs- modells angesehen. Diese Art der Zusammenarbeit ist bereits ein Standard in der Organspendeorgani- sation vieler anderer Länder wie Österreich, Belgien, Frankreich oder Italien. Im internationalen Ver- gleich wird immer wieder auf diese Länder verwiesen. Wenn man nun aber schon weiß, dass wir in Deutschland weniger Spender ha- ben, dann muss dies auch Änderun- gen zur Folge haben, und zwar strukturelle. Der von der Europä- ischen Union verabschiedete Akti- onsplan im Bereich Organspende und -transplantation sieht genau dies vor und nimmt an zahlreichen Stellen auf das spanische Modell Bezug“, erklärte Kirste. Würde an Universitätskliniken und Kranken- häusern mit neurochirurgischen Ab- teilungen von der DSO als externem Partner auf „In-house“-Koordinati- on umgestellt, könnte diese Aufga- ben ein Assistenzarzt erfüllen. „Ar- beitgeber würde voraussichtlich das Klinikum bleiben, der Arzt könnte aber vertragliche Beziehungen zur Deutschen Stiftung Organtransplan- tation haben, wobei auch die mit dem Vertrag abgegoltene Tätigkeit klar beschrieben werden müsste“, erläutert Kirste. Die arbeitsrechtli-

chen Voraussetzungen für eine sol- che Konstruktion müssten nun ge- klärt werden.

Damit könnte in Deutschland al- lerdings ein struktureller „Flicken- teppich“ entstehen. Auf der einen Seite wird es Krankenhäuser geben, die eine „In-house“-Koordination mit einem unmittelbareren Einfluss der DSO auf den gesamten Spende- prozess haben. Auf der anderen Seite gibt es Kliniken ohne „In- house“-Koordinator. Diese würden wie bisher von sich aus die Initiative ergreifen und eine Geschäftsstelle der DSO kontaktieren, wenn sie Bedarf sehen.

So hat zum Beispiel eine Umfrage in der DSO-Region Mitte (Hessen, Saarland, Rheinland-Pfalz) ergeben, dass Mitarbeiter der DSO nur an der Hälfte der Gespräche mit den An- gehörigen potenzieller Spender teil- nehmen (DÄ, Heft 5/2009) „Ein Teil der Chef- und der Oberärzte – sie sind es, die meistens die Gespräche mit den Angehörigen führen – möch- te die Regie über den Verlauf solcher Gespräche behalten“, ist die Erfah- rung von Deutschmann. „Auch wird es nicht immer gern gesehen, wenn Koordinatoren nicht nur beraten und organisieren, sondern gelegentlich aktiv in die Behandlung von Spen- dern oder potenziellen Spendern ein- greifen, indem sie zum Beispiel die Einstellung von Beatmungsgeräten korrigieren“, sagt Deutschmann.

Einzelne Kliniken signalisieren Interesse

Die Ständige Kommission Organ- tranplantation bei der Bundesärzte- kammer habe die Vorschläge der DSO „extrem positiv“ bewertet, so Kirste. Auch einige Kliniken hätten bereits Interesse signalisiert. Jetzt werde in Abstimmung mit möglichen Kooperationspartnern ein Muster- vertrag erarbeitet, der als Grundlage für eine Regelung der Zusammenar- beit mit anderen Kliniken dienen könne. Wichtig sei es auch, die Öf- fentlichkeitsarbeit nicht allein bei den Krankenkassen und der Bundes- zentrale für gesundheitliche Aufklä- rung zu verankern, sondern auch die DSO entsprechend auszustatten. I Gisela Klinkhammer Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze Der Flugtransport

eines Organs:

In Deutschland koor- diniert die Deutsche Stiftung Organtrans- plantation den ge- samten Spendepro- zess.

Foto:Superbild

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