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Archiv "Gewebegesetz: Mehr Aufwand – weniger Spender" (23.03.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 12⏐⏐23. März 2007 A753

P O L I T I K

D

r. med. Dierk A. Vagts weiß, wie schwer es ist, Eltern nach dem Tod ihres Kindes um die Erlaubnis zur Organspende zu bit- ten. Bei 30 toten Kindern und Ju- gendlichen wurden im vergangenen Jahr Organe und Gewebe explantiert, vier davon lagen im Universitätskli- nikum Rostock. Dort arbeitet Vagts.

„Wenn das Herz noch schlägt, die Lunge beatmet wird, der Körper warm ist, ist es schwer, den Tod ei- nes Kindes zu akzeptieren“, sagt er.

„Das ist keine Situation, die man sich als Laie unter ,Tod‘ vorstellt.“

Doch ganz egal, wie sehr Ärztin- nen und Ärzte mitfühlen können, das Gesetz nimmt sie in die Pflicht:

Zu ihren Aufgaben gehört es nach einer Hirntoddiagnose, Eltern nach der Zustimmung zu einer Organ- spende ihres Kindes zu fragen.

„Viele Kollegen bitten darum, diese Gespräche nicht führen zu müssen“, sagt Vagts. Wer jemals Stellungnah- men Betroffener im Internet gelesen habe, wisse, wie schnell und nach- haltig sich Angehörige überrumpelt fühlen könnten.

Gewebe als Handelsware

In Zukunft werden solche Einwilli- gungsgespräche wahrscheinlich noch schwerer für alle Beteiligten. Denn häufiger als früher könnte es um die Einwilligung in Gewebespenden gehen. Dann müssten Ärzte trauern- den Angehörigen vermitteln, dass sie einer unentgeltlichen und altru- istisch motivierten Spende zustim-

men sollen, die entnommenen Kör- perteile eines Verwandten dann aber verarbeitet und mit Gewinn ver- kauft werden können. Denn der Bundestag berät derzeit über ein Gesetz, das den Umgang mit menschlichen Zellen und Geweben detailliert regeln soll, und zwar weitgehend im Rahmen des Arznei- mittelgesetzes (DÄ, Heft 20 und 37/

2006). „Der Entwurf ist der Sicher- heit von Patienten verpflichtet, de- nen Gewebe oder Zellen übertragen werden“, betonten die Gesundheits- politiker Annette Widmann-Mauz und Hubert Hüppe (CDU) nach der Anhörung im Bundestag. Doch Kri- tiker befürchten, dass der Handel mit Gewebe gefördert werde, Organ- transplantationen uninteressanter würden und die Bereitschaft noch weiter sinke, Organe zu spenden.

„Es ist der Bevölkerung nicht zu vermitteln, dass einerseits die Or- gan- beziehungsweise Gewebe- spende altruistisch und unentgelt- lich ist, mit dem gespendeten Gewe- webe anschließend aber Handel be-

trieben werden darf“, glauben die Fachleute der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Dabei handelt es sich um die bundesweite Koordinierungsstelle für Organ- spenden in Deutschland. „Dieses Missverhältnis kann als Ausbeu- tungsverhältnis wahrgenommen wer- den“, findet Dr. Sigrid Graumann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berliner Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft.

Auch die Bundesärztekammer (BÄK) hat sich kritisch mit dem Gesetzesvorhaben befasst (Stellung- nahme unter: www.bundesaerzte kammer.de/Gesundheitspolitik/Ge webegesetz). „Es besteht die große Gefahr, dass einzelne vermittlungs- pflichtige Spenderorgane nicht transplantiert werden, weil Teile von ihnen als Gewebeprodukte wirtschaftlich interessanter verwert- bar erscheinen“, warnt die BÄK.

Dies könne „bis hin zur Unterlas- sung der Organspendemeldung füh- ren, weil der Vorgang der Meldung als Gewebespender gewinnbringen- der zu gestalten ist“.

Konflikte unter einem Dach

Die Bedenken der Kammer sind alles andere als theoretischer Natur.

Denn Spenderkrankenhäuser und Transplantationszentren betreiben eigene Gewebeeinrichtungen. Selbst die DSO als Koordinierungsstelle für Organspenden hat bereits 1997 die DSO-G Gemeinnützige Gesell- schaft für Gewebetransplantation gegründet. Die wiederum kooperiert mit einer kommerziellen Firma.

Interessenkonflikte scheinen des- halb programmiert. Umso mehr, als im mittlerweile bereits überarbeite- ten Gesetzentwurf zwar festgelegt wird, dass die Organspende Vorrang vor der Gewebespende haben soll.

Doch weitere Einzelheiten werden nicht geregelt. Der Entwurf schwei- ge sich „völlig zu der zentralen Fra- ge aus, wem die Verfügungsgewalt über postmortale Gewebespenden

GEWEBEGESETZ

Mehr Aufwand – weniger Spender

In Deutschland willigen nach wie vor nur wenige Menschen oder ihre Angehörigen in eine Organspende ein. Wenn das Gewebegesetz in Kraft tritt, könnten es noch weniger werden.

Zankapfel:Auch bei Entnahme und Handel mit Augenhornhäuten rechnen Fachleute mit Konflikten.

Foto:dpa

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A754 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 12⏐⏐23. März 2007

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oder sogar das Eigentumsrecht in einer Konkurrenzsituation von Ge- webeeinrichtungen zustehen soll“, kritisiert die Bundesärztekammer.

Wer kann also in Zukunft beispiels- weise garantieren, dass knappe Or- gane nicht fälschlicherweise als untauglich für eine Spende einge- stuft werden, nur weil sie der Kli- nik als Gewebespende mehr Geld einbringen?

„Wir könnten eine Situation erle- ben, in der sich Kliniken und Institu- tionen, die mit den Transplantaten Geld verdienen wollen, um die Ge- webe streiten“, prophezeite Prof.

Dr. med. Roland Hetzer vom Deut- schen Herzzentrum Berlin kürzlich im Deutschen Ärzteblatt. Damit würde sich ein Konflikt verschärf- ten, der bereits schwelt. Seit es die DSO-G gebe, die auf Gewebe spe- zialisiert ist, wanderten weniger Klappen in die an seinem Zentrum angesiedelte Herzbank, sagte Het- zer kürzlich der „Zeit“.

Spender werden abgestoßen

Doch selbst die DSO-G findet das geplante Gewebegesetz erheblich verbesserungswürdig. „Die Ent- scheidung darüber, welcher Patient welches Transplantat erhält, wird demnächst nicht, wie es sinnvoll wäre, nach bundeseinheitlichen Kriterien getroffen, sondern durch die einzelne Institution mit Zulas- sungsberechtigung“, heißt es in ih- rer Stellungnahme. Wenigstens bei Geweben, die knapp sind, sollte ei- ne Zuteilung aber nach medizini- schen Kriterien erfolgen, so wie bei der Organtransplantation, schlägt die DSO-G vor.

Auf die Bereitschaft der Bundes- bürger, Organe und Gewebe zu spenden, werden sich die Konflikte, die im Gewebegesetz angelegt sind, wohl negativ auswirken. „Nach den heutigen Erfahrungen ist davon aus- zugehen, dass sich die Unsicherheit der Bevölkerung noch verstärken wird, wenn Gewebe an kommerziel- le Gewebebanken abgegeben wer- den dürfen“, so die DSO-G. „Es wird dann, unabhängig davon, wel- che Einrichtung die Gewebespen- de organisiert, kaum noch Zustim- mung zur Gewebespende geben.“I Sabine Rieser

W

ir wollen die Gesundheits- karte zum Leben erwecken, indem wir sie möglichst rasch in die Anwendung bringen“, erklärte Claus Moldenhauer, stellvertreten- der Vorstandsvorsitzender der DAK, am ersten Tag der CeBIT in Hanno- ver. Erstmals präsentierte die Kran- kenkasse auf der Computermesse Telematiklösungen für die elek- tronische Gesundheitskarte (eGK), darunter die Online-Aktualisierung der Versichertenstammdaten. Rund 950 000 Krankenversichertenkarten muss die Kasse bislang jährlich auf- grund von Änderungen bei den Da- ten, etwa bei einem Umzug des Ver- sicherten, neu produzieren. Ab April 2007 soll sich das ändern: Zumin- dest in den DAK-Geschäftsstellen der Testregionen (Flensburg und Lö- bau-Zittau) können Versicherte dann bereits an Online-Terminals ihre eGK aktualisieren. „Je mehr Versi- cherte und Leistungserbringer die Karte nutzen, desto mehr Kosten las- sen sich einsparen“, ist Moldenhauer überzeugt. Bei der raschen Umset- zung der Pflichtanwendungen soll es deshalb nicht bleiben. Denn gerade in den freiwilligen Anwendungen, wie der elektronischen Patientenakte und der Arzneimitteldokumentation, liegen nach Ansicht von Experten die Potenziale der neuen Technolo- gie. Bereits im Sommer will die DAK daher die „patientenmode- rierte“ elektronische Gesundheits- akte testen mit dem Ziel, diese mög- lichst rasch ihren Versicherten als zusätzlichen Service anzubieten.

Die Gesundheitsakte wurde von der DAK gemeinsam mit dem Kli- nikbetreiber Asklepios und IBM ent- wickelt. Die eGK fungiert dabei als Zugangsschlüssel zu den Daten. Der

Versicherte kann in der Akte medi- zinische Daten, etwa Schmerzproto- kolle oder Informationen zu einge- nommenen Medikamenten, selbst eintragen. Darüber hinaus kann die Akte auch mit Dokumenten und Da- ten aus anderen Quellen, wie etwa Krankenhausakten und Arztberich- ten, verknüpft werden. Einträge, die der Patient selbst vornimmt, werden auf speziellen Servern bereitge- stellt. Sie können nur von ihm selbst – durch Eingabe einer PIN – für den behandelnden Arzt freigeschaltet werden. „Auch die DAK kann die Daten, die Versicherte mit unserem System verwalten, nicht einsehen“, betonte Moldenhauer. Das Verhält- nis von Arzt und Patient bleibe ver- traulich, der Patient entscheide, wer auf welche Daten zugreifen könne.

Die Kasse betreibe lediglich die In- frastruktur für den Datenaustausch, den Versichertenstammdatendienst und das Karten- und Applikations- managementsystem.

Geprüfte Sicherheit

Die Versichertenstammdaten, die für die eGK genutzt werden, spei- chert die DAK nach strengen ge- setzlichen Vorgaben. Sie erfüllt die sicherheitsrelevanten Vorgaben der gematik, der für die Einführung der eGK verantwortlichen Betriebsge- sellschaft der Selbstverwaltung, und hat sich zusätzlich vom TÜV- Rheinland Secure IT nach interna- tionalem Sicherheitsstandard (ISO- Norm 27001) zertifizieren lassen.

Dabei wurden nicht nur technische, sondern auch organisatorische Rah- menbedingungen innerhalb der Krankenkasse für den Umgang mit sensiblen Daten geprüft. I Heike E. Krüger-Brand

TELEMATIK

Versicherte sollen rasch profitieren

Die DAK setzt verstärkt auf die freiwilligen Anwendungen

der Gesundheitskarte und will bereits im Sommer 2007

eine elektronische Gesundheitsakte testen.

Referenzen

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