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Archiv "Katholische Ärzteschaft: Tun und Lassen im Handeln des Arztes" (01.10.1987)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

TA UNOSBERICHT

Tun und Lassen

im Handeln des Arztes

Hannes Sauter-Servaes

S

oll der Arzt unserer Tage mit seinem Wirken in der Medi- zin, mit den hochmodernen Techniken dieser Wissen- schaft der Natur trotzen, also um je- den Preis etwas tun, oder darf er zu- weilen krankhafte Abläufe im Be- reich menschlicher Natur auch nur pfleglich begleiten, also dem „Las- sen" oder Unterlassen den Vorzug geben? Diese Frage beschäftigte un- ter anderem die 40. Jahrestagung der „Katholischen Ärztearbeit Deutschlands", wobei die Vertreter von Moraltheologie, Philosophie, Rechtswissenschaft und Medizin in Vorträgen und Arbeitskreisen ihre Antworten als Diskussionsgrundlage formulierten.

Zur Einstimmung in die Thema- tik diente der uralte, klassische To- pos „Natura sanat — medicus curat".

Wenn diese Begriffspaare in ihren Bedeutungsfeldern ausgeleuchtet werden, erscheinen die Natur in ih- rer Ambivalenz, das Arztbild im heute vor sich gehenden Struktur- wandel der öffentlichen Meinung, die kurative Medizin mit ihrem blei- benden Eingriff und ihren beharr- lichen Versuchen zu einer Wende in der Not, und das sanare, das Heilen, als wohl schwierigstes Schlüsselwort.

Der philosophische Einstieg in die Thematik „Tun und Lassen" sieht keine spezifischen Kategorien für das ärztliche Handeln. Er verweist auf die alten allgemeinen ethischen Kategorien von Kant, was die Be- hauptung stützt, daß die moderne Philosophie eher zögernde Fragen stellt als verbindliche Antworten gibt.

Mitten in die Problematik „Tun und Lassen" führen Überlegungen zur „Unverfügbarkeit menschlichen Lebens". Danach muß allen Bemü- hungen, in die dem Arzt gebotene Sterbehilfe das Recht oder gar die

Auf den ersten Blick erscheint das Thema, mit dem sich die Jahrestagung der Katholischen Ärztearbeit Deutschlands im Sommer beschäftigte, verhält- nismäßig abstrakt: Tun und Las- sen im Handeln des Arztes. Tat- sächlich aber erweist es sich als ungemein lebensnah und aktu- ell. Etwa bei der Sterbehilfe - Tun oder Lassen? Oder bei der Aufklärung des Patienten, zum Beispiel bei der des an AIDS erkrankten Menschen - was und wie tun, wann was lassen?

Pflicht zu einer Tötungshandlung einzubeziehen, entschieden entge- gengetreten werden. Sterbehilfe kann nur Hilfe im Sterben, aber nicht zum Sterben sein. Die wesent- lich erweiterten Möglichkeiten der heutigen Medizin bringen die Ge- fahr mit sich, einem therapeutischen Übereifer zur Verlängerung des Sterbeprozesses zu verfallen und dem Sterbenden damit das Recht zu nehmen, in Würde sterben zu kön- nen. Sterben lassen ist auch straf- rechtlich möglich, Töten nie, auch nicht auf Verlangen. Wer würde auch je dieses Verlangen nachwei- sen können?

Recht des Patienten - Pflicht des Arztes

Mit der Frage, wann steht ärzt- liches Lassen dem Tun gleich, wann entspricht Unterlassen einem Tun, wann ergibt sich aus Haftung die Pflicht zum Handeln, das den mo- dernsten Standard medizinischer Möglichkeiten ausschöpft, beschäf-

tigt sich das Strafrecht, das sich al- lerdings mit Naturrecht und Ethik immer wieder nur teilweise deckt.

So besteht das Recht allgemein nur äußerlich auf normgerechtem Ver- halten. Die Tendenz in der Recht- sprechung, einen Freiraum für Risi- ken zu lassen und die bürokratische Strangulierung der ärztlichen Tätig- keit zu vermeiden, ist nicht zu über- sehen. Gegenstand von Recht und Moraltheologie ist die Aufklärungs- pflicht. Die Menschenwürde und das Recht auf volle Entfaltung der Per- sönlichkeit garantieren, daß jeder Mensch über seinen Körper und das, was mit ihm geschieht, frei bestim- men kann Jedes ärztliche Handeln bedarf daher der Einwilligung des Patienten, was von den Ärzten nicht bestritten wird. Umstritten ist je- doch, in welchem Umfang der Pa- tient über seinen Gesundheitszu- stand und über den Behandlungs- prozeß aufzuklären ist. Von der an- tiken hippokratischen Empfehlung

„das meiste zu verschweigen" über Bismarcks Erinnerungen an die Ab- sicht der Ärzte zu einer heimlichen Operation — die Kehlkopfoperation des Kronprinzen wegen malignen Tumors — ist es ein weiter Weg zu den heutigen ethischen und rechts- philosophischen Aspekten der Auf- klärungspflicht. Noch bei Goethes

„Westöstlichem Divan" ist Leiden und Wissen getrennt. Die Mitteilung der Wahrheit über den Zustand der Krankheit zum Tode hängt immer ab von der Kapazität des Patienten und des Arztes für die Wahrheit.

Grundsätzlich soll der Patient in ei- ner einfühlenden Aufklärung umfas- send informiert werden. Dabei gelte die Klugheitsregel, daß die Aufklä- rung nicht bedrohlicher sein soll als die Krankheit. Denn „Wahrheit oh- ne Liebe ist brutal, und Liebe ohne Wahrheit ist sentimental".

Die ärztliche Aufklärungspflicht

— Tun oder Lassen — gerät neuer- dings in besondere Bedrängnis ange- sichts des epidemiologischen Status von AIDS und des augenblicklichen Stands der Forschung über diese be- drohliche neue venerische Seuche.

Nur eine klare Sicht in die Zusam- menhänge zwischen biologischer und kultureller Evolution des Men- schen und seiner Sexualität und de-

Katholische Ärzteschaft

A-2598 (28) Dt. Ärztebl. 84, Heft 40, 1. Oktober 1987

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ren Fehlentwicklungen kann der Aufklärung über den Ausbreitungs- modus dieser Infektionskrankheit die erwünschte Wirkung geben. Die derzeitige Situation kennt noch kei- ne Therapie oder Impfprophylaxe.

Deshalb liegt das ganze Schwerge- wicht ärztlichen Tuns in der Prophy- laxe der AIDS-Infektion. In einem Sofort- und Langzeitprogramm geht es um eine allgemeine Aufklärung der Bevölkerung, um spezielle Auf- klärungshilfen für den Schulunter- richt sowie ärztliche Weisungen für die familiäre Erziehung. Diese Auf- klärung kann nicht auf die üblichen sanitären Maßnahmen (Kondom- prophylaxe etc.) beschränkt bleiben.

Es muß klar aufgezeigt werden, daß die Seuche nicht zuletzt das Ergeb- nis eines pathologischen Sexualver- haltens vieler Menschen unserer Zeit ist, wozu die so moderne Pro- miskuität gehört. Es muß deutlich dargestellt werden, daß die Voraus- setzung einer wirksamen Vorbeu- gung eine radikale Änderung der Lebensweise, eine einschneidende Korrektur der höchst empfindlichen Störung im Ich-Du-Verhältnis wie auch im Wir-Verhalten sein muß.

II

Die Kirche sollte in der augen- blicklichen Situation einen unmittel- baren und mittelbaren Beitrag zur AIDS-Bekämpfung leisten. Der un- mittelbare Beitrag ist die Hilfe für die Aidskranken, der mittelbare ein besseres Verständnis für das Sexual- verhalten junger Menschen. Die derzeitige Kontroverse zwischen Staat und Kirche sollte in der Weise gelöst werden, daß die Kirche kei- nen Einwand gegen präventive Maß- nahmen des Staates erhebt, sofern der Staat nicht nur einseitig aufklärt, sondern auch die Bedeutung eines menschenwürdigen Sexualverhal- tens und den hohen Wert partner- schaftlicher Treue betont. Eine Re- solution an die Bundesregierung und an die Katholische Bischofskonfe- renz Deutschlands verdeutlicht die Auffassung der „Katholischen Ärz- tearbeit Deutschlands" zur AIDS- Prob le matik.

Im Rahmen von Tun und Las- sen im Handeln des Arztes stellt sich auch eine neue, vor allem diagno- stisch-prognostische Disziplin der Kritik. Die Genetische Beratung hat sich nach dreijährigen Modellversu- chen in Marburg und Frankfurt be- währt. Bei dieser Beratung mit ge- netischer Familienanalyse geht es vorrangig nicht um die gewissenhaf- te Feststellung einer Indikation zum Schwangerschaftsabbruch. Alle an- gewandten Methoden pränataler Diagnostik — Ultraschall, Amnio- zentese, Chorionzottenbiopsie und Pädoskopie — sollen zur Aufklärung und Ermutigung von Ehepaaren, be- sonders in höherem Fortpflanzungs- alter dienen, eine Schwangerschaft zu wagen oder eine bestehende aus- zutragen. Dabei sollte allerdings im- mer das Risiko invasiver Methodik gegen die Notwendigkeit einer ge- wünschten Auskunft abgewogen werden.

Der Kongreß endete am Vigil- tag zum Fest von Thomas Morus, dem Heiligen des Gewissens. Dieser Kanzler des englischen Königs, der aber „Gottes Diener zuerst" sein wollte, der das Gewissen über den Papst stellte, könnte auch Schirm- herr und Vorbild ärztlicher Gewis- sensbildung sein, damit ärztliches Tun und Lassen unbedenklich der Instanz dieses Gewissens anvertraut werden kann.

Referenten der Tagung

Prof. Dr. Dr. Heinrich Schipperges, Hei- delberg, Prof. Dr. phil. Wilhelm Vossenkuhl, Bayreuth-Stuttgart, Prof. Dr. med. Paul Frit- sche, Homburg/Saar, Staatssekretär Prof. Dr.

jur. Hans Ludwig Schreiber, Hannover Prof.

Dr. med. August Wilhelm von Eiff, Bonn, Prof.

Dr. theol. Johannes Reiter, Mainz Arbeitskreise zu den Themen

Genetische Beratung und pränatale Dia- gnostik: Dr. med. Ulrike Hillig, Marburg, Ärzt- licher Alltag: Dr. Georg Gussone, Grevenbro- ich, und Sterbebegleitung: Dr. med. Wolfgang Cyran, Wiesbaden.

Leitung der Tagung

Dr. med. Ursula Brandenburg, Präsiden- tin der „Katholischen Ärztearbeit Deutsch- lands", und Dr. med. Theo Schwonzen, Aachen. Msgr. Dr. theol. Helmut Patt, Bonn, Dr. jur. Hans-Heinrich Kurth, Bonn. Sekreta- riat: Edeltraud Schwarz, Bonn

Anschrift des Verfassers:

Dr. med Hannes Sauter-Servaes Am Rebberg 8, Bohlingen 7700 Singen (Hohentwiel) 14

20 Jahre

Aufklärung

Die Bundeszentrale für gesund- heitliche Aufklärung (BZgA), Köln- Merheim, feierte in diesen Tagen das zwanzigjährige Bestehen. Die Bundeszentrale, die unmittelbar dem Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit un- terstellt ist, wird aus Bundesmitteln finanziert.

Sie ist als Nachfolge-Einrich- tung des Deutschen Gesundheits- museums, Zentralinstitut für Ge- sundheitserziehung e. V., Köln, als nichtrechtsfähige Bundesanstalt er- richtet worden.

Die Einsatz- und Förderungs- schwerpunkte:

O Erarbeitung von Grundsät- zen und Richtlinien für Inhalte und Methoden der praktischen Gesund- heitserziehung;

O Aus- und Fortbildung der auf dem Gebiet der Gesundheitserzie- hung und -aufklärung tätigen Perso- nen;

O Koordinierung und Verstär- kung der gesundheitlichen Aufklä- rung und Erziehung sowohl der be- troffenen Einzelpersonen, Familien, des sozialen Umfeldes als auch der Meinungsbildner und -multiplikato- ren;

O Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gesundheitserziehung mit ausländischen Institutionen und Organisationen, so auch mit dem Europabüro der WHO als „Kolla- borationszentrum für Gesundheits- erziehung".

Seit eineinhalb Jahren leitet Dr.

med. Elisabeth Pott (38) die Bun- deszentrale in Köln. Stellvertreter ist Hans Schnocks.

Der Etat ist 1987 mit 22,5 Mil- lionen DM Bundesmitteln ausgestat- tet worden. Davon entfallen 5,3 Mil- lionen DM für Personalausgaben (die BZgA beschäftigt zur Zeit rund 100 Mitarbeiter). Aktuelle Schwer- punktprojekte der Kölner Zentrale:

> Aufklärung über AIDS;

> Kampagnen zur Förderung des Nichtrauchens;

> Förderung der Gesundheit

der Frau. HC

Beitrag der Kirche zur Aids-Bekämpfung

Dt. Ärztebl. 84, Heft 40, 1. Oktober 1987 (31) A-2599

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