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Tun und Lassen in der Medizin

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Bayerisches Ärzteblatt 5/2006 249

BLÄK informiert

Muss jede Therapiemöglichkeit bis ins Letzte ausgeschöpft werden oder gibt es auch ein al- ternatives Handeln? Dieses Thema fokussierten die Evangelische Akademie Tutzing und das Ge- sundheitsforum der Süddeutschen Zeitung Ende März mit der Veranstaltung „Tun und Lassen in der Medizin – Patienten- und situationsgerechte Diagnostik und Therapie“.

Was die Behandlung von schwer kranken Pa- tienten für den Arzt so komplex mache, sei die ethische und moralische Verantwortung.

Gerade junge noch unerfahrene Ärzte neigten dazu, alle bisher noch nicht probierten Mög- lichkeiten in der Behandlung auszuschöpfen.

„Doch ‘Lassen in der Medizin’ bedeutet nicht nichts zu tun, sondern lediglich den Über- gang von einer kausalen zu einer symptomati- schen Therapie“, so Professor Dr. Otto-Al- brecht Müller, Internist im Rotkreuzkranken- haus München. Es gäbe viele Behandlungssi- tuationen sowie bestimmte Patientengruppen, die den Arzt in eine Zwickmühle bringen könnten. Besonders ältere Menschen stellten eine wichtige Patientengruppe dar. Es bestehe die Gefahr von Wechselwirkungen, da viele mehrere Medikamente einnähmen. Zudem sei der Körper mit höherem Alter weniger belastbar. Gerade wenn die Aussichten auf ei- nen positiven Ausgang einer sehr belastenden Therapie gering seien, sollte eine Nutzen- Kosten-Bilanz gemacht werden. Das sei vor allem auf die Zufriedenheit und Lebensqua- lität des Erkrankten bezogen. Doch dieser Aspekt müsse auch ins Bewusstsein des Arz- tes vordringen, erfolgreiche Behandlung sei nicht immer mit Kurabilität gleichzusetzen, sondern meist schon als die Steigerung der Lebensqualität zu verstehen.

Wenn eine Genesung in weite Ferne gerückt sei, sollte in einem Gespräch zwischen Arzt und Patient das weitere Vorgehen besprochen werden. „Es muss das Ziel sein, die Patienten und ihre Angehörigen in die Behandlung mit einzubinden. Sie sollten das Gefühl haben, von ihrem Arzt begleitet zu werden. Dadurch ist es möglich, Konfliktsituationen zu vermei- den“, so Dr. Boris Zernikow, Leiter des Insti- tuts für Kinderschmerztherapie und Pädiatri- sche Palliativmedizin an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln der Uni- versität Witten/Herdecke.

Tun oder Lassen

Doch die Problematik des Tuns und Lassens treffe auch in spezifischen medizinischen Si- tuationen zu. Zudem trügen die Medien ei- nen Teil dazu bei, die psychische Belastung für den Arzt zu verstärken. Arztsendungen wie „Notruf“ zeichneten für den Patienten ein Bild des Arztes, das in der Wirklichkeit nicht zu erreichen sei. „Vor allem Notärzte werden als Götter in Weiß angesehen“, erklärte Pro- fessor Dr. Christian Lackner vom Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement der Ludwig-Maximilians-Universität München.

„Man wird gerufen, um zu tun. Wenn dann nicht gehandelt wird, ist man oft mit Entrüs- tung und Unverständnis konfrontiert. Durch Fernsehserien entsteht zunehmend der Ein- druck, dass ein Einsatz in 90 Prozent der Fäl- le positiv ausgeht, in der Realität werden al- lerdings bei der Reanimation in etwa 86 Pro- zent der Patienten verloren.“

Professor Dr. Claudia Wiesemann, Abteilung für Ethik und Geschichte der Medizin, Uni- versität Göttingen und Präsidentin der Aka- demie für Ethik in der Medizin e. V., erin- nerte an das antike Arztbekenntnis, den hippokratischen Eid: „Ärztliche Verordnun- gen werde ich treffen zum Nutzen der Kran- ken nach meiner Fähigkeit und meinem Ur- teil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwen- den“. Aber die Prinzipien „nutzen“ und „nicht schaden“ nach dem eigenen Ermessen seien teilweise schwer einzuschätzen. „Wenn ich in der Medizin nicht weiß, wann ich nutze,

muss der Patient selbst entscheiden“, so Wiesemann. Die Selbstbestimmung spiele heute eine wichtigere Rolle als damals in der Antike. Die Grenzziehung zwischen dem, was als medizinisch normal und dem, was von der Norm abweichend, und damit behandelt werden sollte, festgelegt sei, scheine manch- mal willkürlich.

Finanzieller Aspekt

Auch den finanziellen Aspekt, eine Therapie noch durchzuführen oder zu lassen, sollte man in der Diskussion nicht vergessen. Man sollte sich auch bewusst sein, dass das teuerste Präparat nicht immer das für die Behandlung am besten geeignete sei. Es sei verständlich, dass der Erkrankte möchte, dass alles ge- macht werde, egal zu welchem Preis. „Doch mit mehr Patientenverantwortung, sollte sich schon die Frage stellen: Wie viel sind wir be- reit auszugeben, um wie viel mehr Nutzen zu erreichen?“, betonte Professor Dr. Stefan N.

Willich, Direktor des Instituts für Sozialme- dizin, Epidemiologie und Gesundheitsökono- mie an der Charité Berlin. Ärzte befänden sich im Zwiespalt zwischen gesetzlicher Bud- getierung und optimaler Behandlung. Eine Entspannung der Situation durch eine prakti- kable Reform im Gesundheitswesen sei vor- erst nicht in Sicht. Auch weiterhin werde der Beigeschmack, man habe eine Behandlung aus finanziellen Gründen unterlassen, vor- handen sein.

Johanna Dielmann-von Berg (BLÄK)

Tun und Lassen in der Medizin

Auch im ärztlichen Alltag sollte das Arzt-Patienten- Gespräch mehr Bedeutung bekommen.

249.qxp 26.04.2006 17:50 Uhr Seite 249

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