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Archiv "Integrierte Versorgung: KBV will Rosinenpickerei und Einkaufsmodelle verhindern" (16.06.2000)

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uf den ersten Blick sieht die Sache ziemlich harmlos aus.

Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung (KBV) und die Kranken- kassen sollen in einer Rahmenverein- barung festlegen, wie die so genannte integrierte Versorgung zu regeln ist.

Zeit haben die Partner der gemeinsamen Selbstverwal- tung dafür bis zum 30. Juni dieses Jahres.

Ein Vertrag wie jeder andere ist diese Rahmen- vereinbarung jedoch kei- neswegs. Im Hintergrund steht nämlich die Frage, ob und wie weit die Kranken- kassen eine Option des Ge- setzgebers nutzen wollen, um die Machtverhältnisse im Gesundheitswesen auf Dauer nachhaltig zu verän- dern. Vor allem für den am- bulanten Sektor birgt die neue Versorgungsform das

Risiko, dass die Kassenärztlichen Ver- einigungen bei Vertragsverhandlun- gen keinen oder nur noch geringen Einfluss ausüben können.

Direkte Verträge mit Ärzten oder Arztgruppen

Abhängig vom Standpunkt des Betrachters riecht die integrierte Ver- sorgung mehr oder weniger nach dem Einkaufsmodell. Immerhin erlaubt das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 mit dieser neuen Versorgungs- form den Krankenkassen, Verträge mit Arztgruppen und sogar einzelnen Ärzten zu schließen. Dasselbe gilt für

einzelne Krankenhäuser oder andere Leistungserbringer. Welche Absicht der Gesetzgeber damit verbindet, ist in der Begründung des Paragraphen (140 a bis g, SGB V) nachzulesen:

„Die bisherige starre Aufgabentei- lung zwischen der ambulanten und

stationären Versorgung wird gezielt durchbrochen, um die Voraussetzun- gen für eine stärker an den Versor- gungsbedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientierten Behand- lung zu verbessern.“

Dies findet durchaus ungeteilten Beifall, deckt es sich im Prinzip doch mit der Forderung führender KBV- Vertreter, dass das Geld der Leistung folgen solle. Da die integrierte Versor- gung – anders als die bereits etablier- ten Praxisnetze und ähnliche Verbund- systeme – immer mehrere Leistungs- bereiche übergreifend verbindet, könnte diese Versorgungsform dazu beitragen, die sektoralen Budgets zu überwinden. Aber zu welchem Preis?

Die Kassenärztlichen Vereinigun- gen (KVen) regeln bislang alle Verträ- ge, von denen die ambulante Versor- gung in irgendeiner Weise berührt ist.

Sie tun dies kollektiv für alle ihre Mit- glieder, mithin für alle Kassenärzte der jeweiligen Region. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Kranken- kassen können sich nicht einzelne Ärzte oder Arzt- gruppen heraussuchen, die ihnen genehm sind, ande- re aber von den Versor- gungsverträgen ausschlie- ßen. Im Gegenzug steht die Kassenärztliche Vereinigung dafür gerade, dass zu jeder Zeit und an jedem Ort genü- gend Ärzte aller Fachrich- tungen die Versorgung der GKV-Versicherten wahr- nehmen (Sicherstellungsauf- trag) und dass dies wirt- schaftlich geschieht (Ge- währleistungsauftrag).

Auf der anderen Seite gewährlei- sten die Krankenhäuser die stationäre Versorgung. Überschneidungen in der Aufgabenteilung zwischen diesen bei- den Sektoren sind heute noch gering.

Mit der integrierten Versorgung soll sich das ändern. Krankenhäuser oder beispielsweise auch Reha-Einrichtun- gen können sich mit niedergelassenen Ärzten zu einem Versorgungsverbund zusammenschließen, der sich entwe- der auf die Behandlung bestimmter Krankheitsbilder (Diabetes, Rheuma und andere Formen chronischer Er- krankungen) oder aber auf ein umfas- sendes Angebot für bestimmte Versi- chertengruppen der Krankenkassen

konzentriert. ✁

A-1644 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 24, 16. Juni 2000

P O L I T I K AKTUELL

Verhandlungsführer für die Kassenärztliche Bundesvereinigung: Dr. med.

Leonhard Hansen (links) und Dr. med. Michael Späth Foto: Bernhard Eifrig

Integrierte Versorgung

KBV will Rosinenpickerei und Einkaufsmodelle verhindern

Versorgungsverbünde aus Krankenhäusern und Kassenärzten mögen in naher Zukunft noch die Ausnahme sein.

Das kann sich aber ändern. Deshalb verhandeln die KBV und die Krankenkassen derzeit über eine Rahmenvereinbarung.

A

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Damit tritt neben die bisherige Regelversorgung eine neue Struktur, die bewusst die verschiedenen Lei- stungsbereiche miteinander verbin- det. Reibungslos kann dies jedoch nur funktionieren, wenn die beteiligten Akteure gewisse Spielregeln einhal- ten – vor allem auf den Gebieten, die die elementaren Interessen der bei- den Sektoren unmittelbar berühren.

Hier setzt nun die Rahmenver- einbarung zwischen der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkas- sen an. Dr. med. Michael Späth, ge- meinsam mit Dr. med. Leonhard Han- sen Verhandlungsführer für den KBV- Vorstand auf diesem sensiblen Feld, bringt die Sache auf den Punkt: „Die integrierte Versorgung kann nicht an den Kassenärztlichen Vereinigungen vorbei organisiert werden.“

Nimmt man indessen nur den Ge- setzestext, liegen die Dinge anders.

Dort heißt es, die Verträge können (auch) mit den KVen geschlossen wer- den. Sie müssen es aber nicht. Ledig- lich über den Umweg der Rahmen- vereinbarung ist die Kassenärztliche Bundesvereinigung beteiligt. Diese soll sicherstellen, dass die integrierte Versorgung „in einen geordneten Zu- sammenhang mit dem System der ver- tragsärztlichen“ gebracht wird.

KVen sollen Verträge nicht blockieren können

Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Frage, inwieweit die Kassenärztli- chen Vereinigungen am Zustande- kommen und an der Ausgestaltung der Verträge beteiligt werden. Offen- kundig ist, dass der Gesetzgeber den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht die Möglichkeit einräumen wollte, Verträge zur integrierten Versorgung blockieren zu können. Äußerungen der Bundesgesundheitsministerin und des SPD-Gesundheitspolitikers Ru- dolf Dreßler deuten andererseits dar- auf hin, dass die Bundesregierung den Sicherstellungsauftrag der KVen kei- neswegs infrage stellt. Späth und Han- sen werden in den bereits laufenden Verhandlungen mit den Krankenkas- sen deshalb kaum auf einem Veto- recht der Kassenärztlichen Vereini- gungen beharren können. Vielmehr

schlagen die KBV-Vertreter ein Stu- fenmodell vor, nach dem die KVen zunächst von den Krankenkassen in- formiert werden sollen, wenn ein Ver- trag zur integrierten Versorgung mit Vertragsärzten geplant ist. Den KVen sollen sowohl die Teilnahme an den Verhandlungen als auch der Beitritt zum Vertrag offen stehen.

Für den Fall, dass eine KV nicht an einem Vertrag mitwirkt, will die KBV in den Verhandlungen mit den Krankenkassen eine Vorlagepflicht erreichen. Dabei soll geprüft werden können, ob der betreffende Vertrag gegen wichtige Grundsätze verstößt.

Einer davon dokumentiert die Schutzfunktion der KV: Sollte bei- spielsweise erkennbar sein, dass die Auswahl der beteiligten Vertragsärzte andere Kollegen benachteiligt, um sie auf diesem Wege aus der vertragsärzt- lichen Versorgung zu verdrängen, wird die KV Einspruch erheben. Eine Schiedskommission soll dann über das Zustandekommen des Vertrages entscheiden.

Ein weiterer wesentlicher Punkt, den die Rahmenvereinbarung regeln soll, ist die Bereinigung der Gesamt- vergütung. Die neuen Versorgungs- verbünde erhalten ein Budget, das zu- mindest teilweise aus der Gesamtver- gütung der Kassenärzte entnommen werden muss. Dieser Betrag soll aber rechnerischer Bestandteil der Ge- samtvergütung bleiben und dem Ver- sorgungsrisiko entsprechen.

Die KBV will damit verhindern, dass die Weiterentwicklung der Ge- samtvergütung um die Aufwendun- gen für die integrierte Versorgung ge- schmälert wird und dass Versorgungs- verbünde überwiegend Jagd auf die so genannten guten Risiken (junge, ge- sunde Versicherte) machen. „Rosi- nenpickerei werden wir nicht dul- den“, sagt Dr. Michael Späth.

Ein solches Berechnungsverfah- ren dürfte freilich nicht einfach sein.

Es muss auf versichertenbezogenen Ausgabenprofilen basieren und auch Alter und Geschlecht der Versicher- ten berücksichtigen. Ohne ein Berei- nigungsverfahren für die Gesamtver- gütung wird kein Vertrag über die in- tegrierte Versorgung zustande kom- men können. Denn auch der Gesetz- geber hat dies als zentralen Punkt er- kannt und in den Pflichtenkatalog für

die abzuschließende Rahmenverein- barung aufgenommen.

Wenn Späth von „Rosinenpicke- rei“ bei der Auswahl von Versicherten spricht, dann gilt dies auch in umge- kehrter Richtung. „Vertragsärzte, die an der integrierten Versorgung teil- nehmen, bleiben Vertragsärzte, und zwar mit allen Rechten und Pflichten“, betont er. Weil die integrierte Versor- gung ein Bindeglied zwischen den ver- schiedenen Leistungssektoren der Ge- setzlichen Krankenversicherung sein soll, wird davon der Zulassungsstatus der Teilnehmer nicht berührt. Das heißt: Für die ambulante Versorgung können nur zugelassene Vertragsärzte in der integrierten Versorgung tätig werden. Ein neuer privatärztlicher Markt wird nicht eröffnet.

Auch neue Chancen für die Vertragsärzte

So kompliziert und detailliert die Detailregelungen der Rahmenverein- barung auch sein mögen, so wenig glauben KBV und Krankenkassen derzeit daran, dass die integrierte Ver- sorgung in kurzer Zeit zu einer wirkli- chen Alternative zur bisherigen Regel- versorgung werden kann. Dazu Späth:

„Fakt ist, dass die KVen und ihre Mit- glieder heute mehr als 99 Prozent der ambulanten Versorgung sicherstellen.

Daran wird sich auch künftig nur we- nig ändern. Aber selbst wenn sich die integrierte Versorgung in den nächsten zehn Jahren als sinnvolle Alternative etablieren sollte, muss jemand die Ver- antwortung für die ambulante ärztli- che Versorgung der vielen Millionen Versicherten übernehmen.“

Späth glaubt, dass dies weder die Kassen noch die Politik ernsthaft wol- len: „Es muss bei der Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen bleiben, denn nur die sind in der Lage, diese Verantwortung zu schultern.“

Dass die KVen – wie der Gesetz- geber unterschwellig befürchtet – die neue Versorgungsform blockieren, glaubt Späth nicht: „Die integrierte Versorgung kann den Vertragsärzten auch neue Chancen eröffnen. Und das wollen wir unseren Kollegen nicht verbauen. Momentan geht es darum, das Ganze von vornherein in die rich- tigen Bahnen zu lenken.“ Josef Maus A-1646

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 24, 16. Juni 2000

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