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Archiv "Der Krankheit zuvorkommen: Prävention am Beispiel der Psychiatrie" (01.05.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Der Krankheit zuvorkommen

Prävention am Beispiel der Psychiatrie

A ..

rztliche Behandlung ist heute zu einem größeren Teil Prävention, als uns in der täglichen Arbeit bewußt wird. Das gilt für die Psychiatrie in ausgesprochenem Maße. The- rapie geht hier nahtlos in Prä- vention über, Rehabilitation soll sich auch prophylaktisch auswirken. Vorsorgen, Sorgen und Nachsorgen sind nicht li- near angeordnet, sondern sie bilden einen Kreis. Die Mög- lichkeiten psychiatrischer Prä- vention sollen hier in Stich- worten aufgeführt werden: ..". Primäre Prävention gegen- über Neurosen und anderen psychischen Erkrankungen: Fami I ienplanu ng (Partnerwahl, Kinde rzah I, Gebu rtenabstand), Verhüten perinataler Hirnschä- digungen (minimaler zerebra- ler Dysfunktion), Vermeidung von Milieuschädigungen be- sonders in der frühen Kind- heit, Berücksichtigen von Risi- kofaktoren, Eugenik. - Spe- ziell im Hinblick auf Abhängig- keit von Alkohol und Drogen: pädagogische Maßnahmen schon bei Kindern, Risikofak- toren erkennen, Verfügbarkeit erschweren auch durch ad- ministrative Maßnahmen. Be- züglich Suizidhandlungen: Er- kennen und Behandeln von Konfliktsituationen und begin- nenden psychischen Krank- heiten noch bevor Suizidalität entsteht. Bei Alterskrank- heiten: Erkennen und Behan- deln körperlicher Krankheiten mit zerebralem Risiko, voraus- schauende Berücksichtigung altersspezifischer Lebenskon- flikte.

..". Sekundäre Prävention bei psychischen Krankheiten all- gemein: frühe Diagnose und

fachgerechte Behandlung möglichst schon in den er- kennbaren Vorstadien, also bevor sich die eigentlichen Krankheitserscheinungen ma- nifestieren; zum Beispiel bei Abhängigkeitsentwicklung, be- vor das Stadium der Sucht er- reicht ist. Weiterhin systemati- sche Nutzung aller heute zur Verfügung stehenden Behand- lungsmaßnahmen, Erfassen noch nicht behandelter Pa- tienten. Beispiele sind Krisen- intervention bei Suizidgefahr, der Zugang zu Beratungsstel- len ist zu erleichtern. ln der Alterspsychiatrie: frühzeitiges Erfassen und Behandeln her- aufziehender Konflikte, kumu- lierender Probleme und be- ginnender psychischer Störun- gen zur Vermeidung von De- kompensationen.

..". Tertiäre Prävention besteht in der Psychiatrie insbesonde- re in der systematisch kombi- nierten Behandlung mit sozio- und pharmakatherapeutischen Maßnahmen, angewandt ins- besondere bei Psychosen mit dem Ziel, progrediente Verläu- fe aufzuhalten und Rehabilita- tion zu fördern. - Im einzel-

nen: Neuroleptische Langzeit-

behandlung kombiniert mit Soziotherapie bei Schizophre- nen, Lithiumprophylaxe zum Vermeiden erneuter depressi- ver und manischer Phasen.

Psychotherapie nach Suizid- versuch zur Verhütung von Wiederholungen. Selbsthilfe- gruppen insbesondere für Al- koholabhängige.

Was diese Stichworte bezeich- nen, ist zum Teil bereits Pra- xis, anderes harrt der Realisie- rung. Primäre Prävention ist, wie in der ganzen Medizin,

1352 (70) Heft 18 vom 1. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

auch in der Psychiatrie noch wenig verwirklicht. Prophylaxe (wörtlich: Vorbeugen oder Im- voraus-Schützen), also Verhin- dern von Krankheiten, gelingt der Psychiatrie gegenwärtig kaum mehr als in der Vergan- genheit. Prävention bedeutet jedoch mehr, wörtlich verstan- den: der Krankheit zuvorkom- men. Wo Verhüten nicht mög- lich ist und Krankheit bereits ausgebrochen ist, will der Arzt der Krankheit nicht nachlau- fen, sondern versuchen, sie einzuholen und den Krank- heitsprozeß aufzuhalten (se- kundäre Prävention). Wo auch Aufhalten nicht mehr möglich ist, können zum Teil doch noch ungünstiger Verlauf und bleibende Schäden vermieden werden.

Psychiatrische Prävention konnte auf empirische For- schung begründet werden, insbesondere auf epidemiolo- gische und Verlaufsuntersu- chungen, life event- und Risi- kofaktorenforschung. ln der Praxis hat sich gezeigt, daß mit der Akzentuierung der Prävention Umstellungen der Arbeitsweise verbunden sind:

Ambulante Behandlung wird gegenüber stationärer Thera- pie betont. Der Arzt wird öfter initiativ, wenn er nicht mit dem spontanen Wiederer- scheinen des Patienten rech- nen kann. Multiprofessionelle Zusammenarbeit, insbesonde- re mit psychiatrischen Fach- krankenschwestern und -pfle- gern bewährt sich gerade in der präventiven Arbeit.

N

aturgemäß bleiben die Er- folge präventiver Anstren- gungen begrenzt, auch wenn eine Krankheit gut erforscht ist und die Schritte der Prä- vention praktikabel konzipiert wurden. Ein Beispiel hierfür ist der Alkoholismus. Was in der Suchtprävention möglich

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EDITORIAL

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

FÜR SIE GELESEN

wäre, ist in der Praxis noch wenig realisiert. Ein herausra- gendes Beispiel erfolgreicher psychiatrischer Prävention ist die Lithium-Langzeitmedika- tion bei affektiven Psychosen (Depression und Manie), de- ren Rezidive durch diese ein- fache Maßnahme bei der Mehrzahl der Krankheiten ver- hindert werden können. Bei Schizophrenen mit chroni- schem Verlauf sind unter lang- fristiger neuroleptischer Medi- kation Rezidive zur Ausnahme geworden, während Wiederer- kranken ohne diese Maßnah- men die Regel ist. Insgesamt gesehen ist Prävention in der Psychiatrie weniger eine Me- thode neben anderen als ein durchgehendes Behandlungs- prinzip.

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ragt man nun nach den Ko- sten, muß zuerst betont werden: Prävention gibt es nicht umsonst. Psychiatrische Prävention erfordert zwar rela- tiv wenig Sachaufwendungen, aber sie ist nicht ohne einen gewissen Personaleinsatz denkbar. Wenn man an die Kosten denkt, die später bei Erkrankungen, Rezidiven und Behinderungen notwendig werden, muß man Prävention für ökonomisch halten. Es gibt keine Berechnungen oder zu- verlässige Abschätzungen der denkbaren Kosteneinsparun- gen. Sicher ist aber, das psychiatrische Prävention viel Leid verhüten kann. Eine Ge- sellschaft muß wissen, für wel- ches Gut sie ihre Ressourcen verwenden will.

Literatur

Caplan, G. (1964) Principles of Prevention Psychiatry. Basic Books Inc. Popl. New York; Rudolf, G., Töte, R. (1984) Präven- tion in der Psychiatrie. Springer Berlin/

Heidelberg/New York/Tokyo.

Prof. Dr. med. Rainer Tölle Klinik für Psychiatrie der Universität

Albert-Schweitzer-Straße 11 4400 Münster/Westfalen

Thrombolyse des

akuten Myokardinfarkts mit Streptokinase

Die Thrombolysetherapie mit Streptokinase hat seit einigen Jahren erneut in größerem Um- fang Eingang in die Behandlung des akuten Myokardinfarktes ge- funden. Seit Mitteilung der ersten kasuistischen Berichte von Ren- trop 1979 liegen in der Zwischen- zeit auch erste Ergebnisse kon- trollierter Studien zu diesem The- ma vor.

Aus der Gesamtheit der Einzelfall- berichte sowie aus den nicht kon- trollierten und auch kontrollierten Studien ging ein günstigeres Ab- schneiden der streptokinasebe- handelten Patienten hervor. Auch die kontrollierten Studien von Kennedy und Arneson zeigen zum Teil mit statistischer Signifikanz einen günstigeren Effekt bezüg- lich Letalität und Rekanalisation der betroffenen Herzkranzarterie in der mit Streptokinase behan- delten Gruppe. Auch eine gesam- te statistische Auswertung aller zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Studien wies auf einen positiven Trend unter Behandlung mit Streptokinase hin.

In einer kürzlich mitgeteilten Stu- die von Rentrop und Mitarbeitern (1) konnte jedoch nicht ein günsti- ges Abschneiden unter intrakoro- narer Behandlung mit Streptoki- nase mitgeteilt werden. Andeu- tungsweise (nicht statistisch signi- fikant) verstarben in der Kontroll- gruppe innerhalb von sechs Mo- naten weniger Patienten als bei intrakoronarer Behandlung mit Streptokinase oder Streptokinase in Kombination mit Nitroglyzerin.

Als Einwand muß bei diesen Un- tersuchungen allerdings berück- sichtigt werden, daß auch Patien- ten mit einem Infarktalter von bis 12 Stunden in diese Studie aufge- nommen wurden. In allen anderen Studien galt ein Infarktalter von mehr als sechs Stunden als Aus- schlußkriterium für die Behand- lung mit Streptokinase.

Im Zusammenhang damit erschei- nen die Untersuchungen von Da- vies (2) von besonderer Bedeu- tung. Davies und Mitarbeiter ha- ben in einer kleineren Untersu- chungsserie Patienten mit ganz frischem Myokardinfarkt, der sich unter stationären Bedingungen entwickelt hatte, intrakoronar mit Streptokinase behandelt. In diese Studie wurden nur Patienten ein- bezogen, deren Myokardinfarkt nicht älter als ein bis zwei Stun- den war. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß die thrombolyti- sche Behandlung, sofern inner- halb der ersten bis zweiten Stun- de nach Einsetzen der Infarkt- symptome begonnen, die Ent- wicklung eines Myokardinfarktes bei mehr als 50 Prozent der Pa- tienten verhindern könnte.

In den restlichen Fällen dürfte die Entwicklung des Infarktes in der ganz initialen Phase möglicher- weise nicht auf die Thrombose al- lein zurückgeführt werden kön- nen. Nach Meinung dieser Auto- ren könnte bei diesem Patienten- gut ein Koronarspasmus ätiolo- gisch beteiligt sein.

Nachdem die Mehrheit der zum Thema Thrombolyse des akuten Myokardinfarktes mit Streptokina- se vorliegenden Studien positive Ergebnisse berichtet hat, sollte zum jetzigen Zeitpunkt dieses Be- handlungsverfahren als dem bis- herigen Vorgehen überlegen be- urteilt werden. Dennoch bleiben weitere, insbesondere kontrollier- te Studien abzuwarten, bevor ei- ne abschließende Urteilsbildung möglich sein wird. zme

(1) Rentrop, K. P.; Feit, F.; Blanke, H., et al.: Ef- fects of Intracoronary Streptokinase and intra- coronary Nitroglycerin Infusion an Coronary Angiographic Patterns and Mortality in Pa- tients with Acute Myocardial lnfarction. New Engl. J. Med. 311 (1984) 1457 — Dr. K. P. Ren- trop, Mount Sinai School of Medicine, 1 Gusta- ve L. Levy Place, New York, NY 10029, USA — (2) Davies, G. J. Chierchia, S., Maseri, A.: Pre- vention of Myocardial Infarction by Very Early Treatment with Intracoronary Streptokinase.

New. Engl. J. Med. 311 (1984) 1488

Dr. G. J. Davies, Royal Postgraduate Medical School, Hammersmith Hospital, Ducane Road, London W 12, England

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 18 vom 1. Mai 1985 (73) 1353

Referenzen

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