inderunfälle sind eine trauri- ge Realität in der täglichen ärztlichen Praxis und in den kinderärztlichen und chirurgischen Abteilungen der Krankenhäuser. Im Kindesalter sterben vom ersten Le- bensjahr an mehr Kinder an den Fol- gen von Unfällen als an Krebs und In- fektionskrankheiten zusammen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin schätzt, dass jährlich etwa 1,9 Millionen Kinder bei einem Unfall so schwer verunglücken, dass sie einen Arzt aufsuchen müssen be- ziehungsweise 14 Tage oder länger von den Unfallverletzungen beein- trächtigt sind.
Prävention weist deutliche Erfolge auf
Experten gehen davon aus, dass Kinderunfälle durch präventive Maß- nahmen um 30 bis 60 Prozent gesenkt werden können. Dass Unfälle grund- sätzlich vermeidbar sind, beweist die Zahl der im Verkehr tödlich verun- glückten Kinder, die durch Verkehrs- regulierung, Anschnallpflicht und Ver- kehrserziehung von 2 167 im Jahre 1970 auf 304 in 1997 gesenkt wer- den konnte – trotz eines Anstiegs der Kraftfahrzeugzahlen von 20,8 Millio- nen auf circa 50 Millionen. In Schwe- den, wo 1954 eine später staatliche Organisation für die Prävention von Unfällen und dezentral entsprechen- de Arbeitskreise in den Gemeinden gegründet wurden, konnte die Zahl tödlicher Kinderunfälle in vier Jahr- zehnten auf ein Fünftel gesenkt wer- den. In den USA wurde auf Initiative des Childrens National Medical Cen- ters in Washington die Safe Kids Cam-
paign gegründet. Inzwischen gibt es 263 regionale Allianzen in allen Bun- desstaaten, die die Senkung der tödli- chen Kinderunfälle in den USA um 33 Prozent im Verlauf von zehn Jahren unter anderem auf ihre Präventions- maßnahmen zurückführen.
Angeregt durch die Erfolge der Unfallprävention im Straßenverkehr und angesichts der zunehmenden Un- fälle im Heim- und Freizeitbereich, im Kindergarten und in der Schule wurde
auf Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit die Bundesarbeitsge- meinschaft „Kindersicherheit“ (BAG Kindersicherheit) gegründet. Sie hat inzwischen 38 im Bereich der Un- fallprävention tätige Verbände und Gruppen als Kooperationspartner ge- winnen können. Die Ärzteschaft wird durch die Bundesärztekammer, den Bundesverband der Ärzte des Öf- fentlichen Gesundheitsdienstes, die Deutsche Akademie für Kinderheil- kunde und Jugendmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Kinder-
chirurgie vertreten. Die Kassenärztli- che Bundesvereinigung unterstützt die Initiative.
Wichtigstes Ziel ist eine mög- lichst breite Verankerung der Initiati- ve in den Ländern und Kommunen:
1. Es sind mehr Informationen über die Unfallhergänge und die re- gionale Verteilung von Unfällen er- forderlich, um gezielt Prävention zu betreiben.
2. Die BAG Kindersicherheit entwickelt einen Leitfaden, der Ärzte und weitere Initiatoren in den Ge- meinden bei der Gründung regionaler Allianzen unterstützt.
3. Am 10. Juni fand der 1. Kin- dersicherheitstag im Rahmen des Düsseldorfer Kinderfestes unter dem Motto „Vorsicht Fallen“ statt. Zukünf- tig soll dieser Kindersicherheitstag je- des Jahr zu einem Schwerpunktthema durchgeführt werden.
4. Mit dem Experteninformati- onssystem „Kindersicherheit“ soll den auf dem Gebiet der Kinderunfall- prävention arbeitenden Institutionen eine Plattform zur Verbes- serung des Erfahrungsaus- tauschs angeboten werden.
Künftig wird sich die Bun- desarbeitsgemeinschaft Kindersicherheit auch mit Fragen der Produktsicher- heit und des Verbraucher- schutzes beschäftigen. Der Ausschuss „Gesundheits- förderung, Prävention und Rehabilitation“ der Bun- desärztekammer bereitet zurzeit einen Bericht „Ver- letzungen und deren Fol- gen – Prävention als ärztli- che Aufgabe“ im Auftrag des 102. Deutschen Ärz- tetages 1999 vor, der sich über die Prävention von Kinderunfäl- len hinaus auf sämtliche Altersgrup- pen beziehen wird.
Weitere Informationen können im Internet unter www.kindersicherheit.de oder www.bfge.de abgefragt werden.
Literatur beim Verfasser Dr. med. Frank Lehmann, MPH Dezernat Fortbildung
und Gesundheitsförderung Bundesärztekammer Herbert-Lewin-Straße 1 50931 Köln
A-1810 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 26, 30. Juni 2000
T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE
Prävention
Langfristig für mehr Kindersicherheit
Die neu gegründete Bundesarbeitsgemeinschaft
„Kindersicherheit“ engagiert sich für die Verhütung von Unfällen.
K
Demonstration: Sturz mit der Lauflernhilfe; Sturzunfälle sind mit 50 Prozent Beteiligung in fast allen Altersgruppen der häufigste Grund für eine Einweisung ins Krankenhaus. Foto: BAG Kindersicherheit