erhöhen und den Verdrängungswettbe- werb zu überstehen.
Nach Ansicht von Prof. Dr. med. Jörg Rüdiger Siewert, Vorstandsvorsitzendem und Ärztlichem Direktor des Klinikums rechts der Isar in München, zugleich stell- vertretendem VUD-Vorsitzenden, sollten die einzelnen Hochschulen durch abge- stimmte Angebote in der Krankenversor- gung und in der klinischen Forschung spe- zielle Profile entwickeln und damit ei- genständige Marktpositionen besetzen.
„Nicht alle Klinika müssen die gleichen Schwerpunkte haben“, betonte Siewert beim Innovationskongress. Stattdessen könnten sich einige Kliniken besonders auf die Forschung, andere auf beson- dere klinische Aktivitäten spezialisieren.
Denkbar seien interdisziplinäre, krank- heitsorientierte Zentren. Als Beispiele nannte Siewert die Entwicklung von Tu- morzentren, die indivuelle Therapiekon- zepte für den Patienten erarbeiten und umsetzen. Darüber hinaus müssten Fä- cher, die gemeinsame Ressourcen nut- zen, zusammenrücken, um Kosten zu sparen. Beispielsweise könnten opera- tive Fächer gemeinsam Operationssäle, Wachstationen, Polikliniken oder auch Aufnahmestationen nutzen (Depart- ment-Strukturen). Besonders wichtig für die Universitätskliniken sei auch der Auf- bau von dienstleistungsorientierten Ser- vicezentren. Die hohe Bedeutung zum Beispiel der diagnostischen Fächer für den „workflow“ dürfe man nicht unter- schätzen. Servicezentren dienten auch dem Patientenkomfort. Dabei sei darauf zu achten, dass die Netzwerkbildung nicht zulasten der klassischen medizini- schen Fächer gehe, unterstrich Siewert.
Eine betriebswirtschaftliche Leitung dür- fe nicht die Spezialisierung an den Uni- versitätskliniken herunterschrauben und ärztliche Leistungsträger entmachten.
„Konkurrenz belebt das Geschäft“, fol- gerte Irmtraud Gürkan, kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg. Sie scheut den zunehmenden Konkurrenzdruck durch die Privaten nicht. „Wir können es genauso gut – wenn wir die gleichen Rahmenbedingungen wie die Privaten bekommen“, sagte sie beim Hauptstadtkongress selbstbewusst.
Strehl ergänzte: „Wir werden darauf ach- ten, dass die privaten Betreiber gut sind – und nicht nur besser wissend.“
Jens Flintrop/Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann
P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 28–29⏐⏐18. Juli 2005 AA1999
KOMMENTAR
D
ie Ausgaben für das Gesundheits- wesen beliefen sich im letzten Jahr auf 240 Milliarden Euro. Das sind fast 11 Prozent des Bruttosozialpro- duktes (DÄ, Heft 13/2005). Bei knapp 83 Millionen Einwohnern sind das fast 3 000 Euro pro Jahr und Person an Ge- sundheitskosten.Diese Kosten zu senken wird das Ziel jeder Regierung sein. Ein Gesetz- entwurf zur Prävention wurde am 27. Mai 2005 durch den Bundesrat ge- stoppt. Bei neuen Präventionsaktivitä- ten sollten bisherige kritisch auf Effizi- enz überprüft werden, wie die folgende.
Durch das Mammographie-Scree- ning werden 25 Prozent weniger Todes-
fälle an Brustkrebs prognostiziert. Zu dieser Präventionsaktion gibt es 27 Bro- schüren, die informieren und motivieren wollen. Deren nüchterne Analyse durch das Max-Planck-Institut für Bildungs- forschung (Berlin) ergab, dass wenig mit anschaulichen und verständlichen Zah- len argumentiert wird: Von Mammo- graphien alle zwei Jahre bei Frauen zwi- schen 50 und 69 Jahren wird erwartet, dass statt acht von 1 000 nur noch sechs von 1 000 Frauen an Brustkrebs in einem Zehnjahreszeitraum sterben, also zwei von 1 000 Frauen weniger. Statt mit 25 Prozent (sechs versus acht) lässt sich das mit zwei von 1 000 zahlenmäßig darstellen. Diese Absolutzahlen würden vermutlich weniger Frauen zur Scree- ning-Mammographie motivieren.
Nach den aktuellen Daten des Münchner Krebsregisters erkranken drei von 1 000 Frauen zwischen 50 und 60 an Brustkrebs jährlich beziehungs- weise vier von 1 000 zwischen 50 und 69 Jahren. Circa ein Drittel (eine Frau beziehungsweise 1,3 Frauen von 1 000) stirbt daran. Lassen solche Daten einen großen Ansturm auf Mammographie- Screening erwarten? Würden zur Scree- ning-Aufklärung die Häufigkeiten von Intervall-Krebsen und unnötigen Brust- operationen mit Risiken (einschließlich
Narkoserisiken) angegeben, dann wäre die Ernüchterung noch größer.
In der 1-Million-Frauen-Studie wur- de bei 122 355 gescreenten Frauen 629-mal Brustkrebs entdeckt, also circa bei einer von 200 mammographierten Frauen (meist im ersten Studienjahr).
Von den 122 355 gescreenten Frauen ergab sich bei 3 885 Frauen ein falsch- positiver Befund (umsonst operiert be- ziehungsweise Gewebe aus der Brust entnommen), also circa bei einer von 30 Frauen. Nur Absolutzahlen in dieser Art können zur individuellen Entscheidung – Screeningteilnahme ja/nein – beitragen.
Für die Gynäkologie sind Anmerkun- gen zum Nutzen von Screening-Mammo-
graphien naheliegend, weil diese Präven- tionsmaßnahme hohe Aktualität und Pu- blizität hat. Internisten würden als Bei- spiel die Statinüberschätzung wählen.
Exemplarisch dazu die CARDS-Daten von 2004 (Collaborative Atorvastin Diabetes Study/DÄ, Heft 15/2005). Eine Statinmedikation im Placebovergleich habe 37 Prozent weniger akute Herzbe- schwerden, Apoplex und Coronarinter- ventionen bewirkt bei einer Hochrisiko- gruppe hierfür, nämlich Diabetikern. In vier Jahren Beobachtung hatten in Abso- lutzahlen nur drei von 100 einen Nutzen von der Statinmedikation (neun Prozent Ereignisse in der Placebogruppe versus 5,8 Prozent in der Statingruppe = Diffe- renz 3,2 Prozent = 37 Prozent RR Risiko- minderung).
Prävention kostet die Solidar- gemeinschaft viel Geld und macht Deutschland in einer globalisierten Welt immer weniger konkurrenzfähig (die Hälfte deutscher Produkte wird exportiert). Für alle Präventionsmaß- nahmen sollte sich die Mittelvergabe über Krankenversicherungsbeiträge und Steuergelder an Erfolgsaussichten in Absolutzahlen (pro 100/pro 1 000) orientieren statt an Wahrscheinlich- keiten in verwirrenden Prozentanga- ben. J. Matthias Wenderlein,Universität Ulm