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Archiv "Niederlande: Gesetz zu Euthanasie verabschiedet: Aktive Sterbehilfe bleibt grundsätzlich strafbar" (15.04.1994)

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THEMEN DER ZEIT

zum Beispiel wissenschaftliche Re- putation, auch Macht, Selbstverwirk- lichung oder Anerkennung in einer Gruppe, die Patienten vor allem Ge- sundheit. Sie benutzen gewisserma- ßen das Krankenhaus als Instrument zur Realisierung eigener metaökono- mischer Zwecke. Je mehr Antino- mien in der Zielsetzung des Kran- kenhauses mit der individuellen Ziel- setzung vermieden werden können, desto effektiver sind Ziele realisier- bar. Dies sollte übrigens ein Grund sein, Bewerber im Krankenhaus (zum Beispiel Chefärzte) nicht einzu- stellen, nur weil sie bereits große Er- fahrungen auf Gebieten haben, die sie aber aufgrund eines eingegrenz- ten Leistungsspektrums im betreffen- den Krankenhaus gar nicht umsetzen können oder nicht umsetzen sollen.

Ziel-Bündel

Vor diesem Hintergrund ist es wesentlich, daß gemeinsam über Zie- le gesprochen wird, das heißt, daß die wesentlichen Leistungsträger auch in Planungsentscheidungen für das gesamte Krankenhaus mit einbe- zogen werden. Bei der Festlegung der zukünftigen Struktur und Abläu- fe muß sich jeder Mitwirkende fra- gen, ob diese Vorstellungen mit sei- nen metaökonomischen Zielen dek- kungsgleich sind bzw. ob er aktiv eine Kongruenz herstellen kann. Für lei- tende Ärzte bedeutet dies, nicht nur die persönlichen Ziele anzustreben, da dann das klinikbezogene Denken Vorrang erhält, sondern zu erken- nen, daß zumindest langfristig es auch zum eigenen Wohle und für den Status der Klinik sinnvoll ist, das Krankenhausziel mit in die eigenen Überlegungen einzubeziehen und zur Deckungsgleichheit zu bringen.

Dieses bedeutet konsequenterweise für die Beschäftigten auch, für das Gesamtgebilde Krankenhaus Aufga- ben und Verantwortung mit zu über- nehmen. Das setzt voraus, daß die leitenden Ärzte auch entsprechende Informationen erhalten, zum Bei- spiel über ein internes Controlling und ein Informationssystem.

Eine auf Kosten und Leistung bezogene Organisationsform impli- ziert also eine Lockerung der bisheri-

AUFSATZE / BLICK INS AUSLAND

gen Funktionsabgrenzungen, da langfristig die Gesamtzusammenhän- ge im Krankenhaus den Erfolg auch der Teilbereiche determinieren.

Durch die Einbeziehung der Chefärzte in den Planungsprozeß sollten diese sich allerdings zukünftig nicht mehr als „einfache Angestellte"

des Krankenhauses verstehen, son- dern als leitende Angestellte im Sin- ne des Arbeitsrechts. Es ist dann nur konsequent, daß die Chefärzte die ihnen unterstellten Mitarbeiter selbst einstellen können — was im prakti- schen Ablauf ohnehin schon erfolgt.

Dieses wäre im betriebswirtschaftli- chen Sinne ein weiterer Schritt in die Richtung, daß Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung zusammenfallen.

Es bedeutet aber auch, daß zuneh- mend befristete Verträge für leiten- de Angestellte und damit auch für leitende Ärzte diskutiert werden.

Es würde damit vertraglich die Mitverantwortung für das gesamte Krankenhaus festgelegt und zugleich eine persönliche Konsequenz aufge- zeigt werden, wenn die individuellen Zielvorstellungen des leitenden Arz-

In der Praxis wurde in den Nie- derlanden schon seit Jahren so ver- fahren, wie es die neue Regelung vorsieht. Ins Rollen gekommen war die Diskussion, nachdem 1973 erst- mals eine Ärztin wegen aktiver Ster- behilfe zu einer Woche Gefängnis verurteilt worden war. Das Urteil wurde unter anderem von Ärzten und der „Niederländischen Vereini-

tes nicht mit denen des Krankenhau- ses zur Kongruenz gebracht werden können. Diese Überlegungen erübri- gen sich bei einer hochspezialisierten Fachklinik, in der der Arzt bereits ei- nen Sitz in der Geschäftsführung hat.

Durch die Einbeziehung der Chefärzte in die Strukturplanung des gesamten Krankenhauses — wobei zum Beispiel der Sitz des Ärztlichen Direktors in der Geschäftsführung hilfreich sein kann — wird über die Kostenerfassung hinaus im Team mit den Leistungserbringern sicherlich manch kreativer Gedanke realisiert werden können.

Je komplexer ein Krankenhaus ist, desto schwieriger wird die Erfas- sung der Kosten, desto notwendiger aber auch, um wirtschaftliche Reser- ven zu erkennen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. rer. biol. hum. Eckehardt Rathje Geschäftsführer

des Evangelischen Krankenhauses Bethesda

Postfach 10 04 34 41004 Mönchengladbach

gung für Freiwillige Euthanasie" kri- tisiert. Sie forderten eine Legalisie- rung der Sterbehilfe (dazu Deutsches Ärzteblatt, Heft 8/1993).

Nach dem niederländischen Strafgesetzbuch bedeutet Euthanasie aktives ärztliches Eingreifen zur Ver- kürzung des Lebens auf ausdrückli- chen Wunsch des Patienten. 1984 wurde ein Gesetzesantrag einge-

Niederlande: Gesetz zu Euthanasie verabschiedet

Aktive Sterbehilfe bleibt grundsätzlich strafbar

In den Niederlanden wird noch in diesem Jahr — nach einer abschließenden Diskussion in der Zweiten Kammer — das neue Euthanasie-Gesetz in Kraft treten. Es war im November 1993 mit 37 gegen 34 Stimmen von der Ersten Kammer des niederländischen Parlaments verabschiedet worden. Die Zweite Kammer hatte die Regierungsvorlage bereits im Februar vergangenen Jahres verabschiedet. Nach dem neuen Gesetz bleibt die aktive Sterbehilfe grundsätzlich strafbar. Ärzten, die auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Patienten und unter be- stimmten Bedingungen Euthanasie leisten, steht jedoch Straffreiheit zu. Auf passive Sterbe- hilfe stehen drei Jahre Gefängnis.

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 15, 15. April 1994 (33) A-1037

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THEMEN DER ZEIT

bracht, wonach Euthanasie grund- sätzlich nicht strafbar sein sollte.

Dieser Antrag scheiterte vor allem am Widerstand der Christdemokra- ten. In Artikel 293 des „Wetboek van Strafrecht" heißt es: „Wer eine ande- re Person auf deren ausdrücklichen und ernstlichen Wunsch ihres Le- bens beraubt, wird mit Freiheitsent- zug bis zu zwölf Jahren oder einer Geldstrafe ... belegt." Hilfe zur Selbsttötung ist strafbar nach Artikel 294: „Wer eine andere Person vor- sätzlich zur Selbsttötung anstiftet, ihr dabei behilflich ist oder ihr dazu die Mittel beschafft, wird, falls die Selbsttötung erfolgt, mit Freiheits- entzug bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe ... belegt".

Die letztlich angenommene Re- gierungsvorlage enthalte implizit die Entscheidung, das Strafgesetzbuch nicht zu ändern, sagte der niederlän- dische Justizminister Dr. Ernst M. H.

Ballin auf einem Expertengespräch der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bonn. Doch man wollte dem Wunsch von Patienten Rechnung tragen, „in Würde zu sterben und ein unerträgli- ches Leiden abzukürzen". Kernstück der neuen Regelung sei eine Prüfung durch die Behörden „bei Entschei- dungen über Leben und Tod". Ärztli- che Entscheidungen, die zur Sterbe- hilfe führen, müssen in jedem Fall der Staatsanwaltschaft gemeldet wer- den. Ohne Kontrolle sei letztlich auch keine Strafverfolgung möglich, sagte der niederländische Justizmini- ster. Der Staatsanwalt müsse jeweils im Einzelfall entscheiden, ob eine Verfolgung eingeleitet werde.

Meldeverfahren

Das Meldeverfahren ermögliche es den Justizbehörden, Fälle von Sterbehilfe zu überprüfen. Soweit nicht höhere Gewalt oder eine Notla- ge vorliegen — diese gelten nach An- gaben des niederländischen Justizmi- nisteriums als akzeptierte Ausnah- mefälle — wird der Staatsanwalt die strafrechtliche Verfolgung einleiten.

Das gelte auf jeden Fall, so der Ju- stizminister, bei Patienten, die nicht ausdrücklich um Sterbehilfe nachge- sucht haben. Letztendlich entscheide dann der Richter. „Die neue Rege-

BLICK INS AUSLAND

lung wird nicht dazu führen, daß in allen Fällen aktiver Sterbehilfe auf Verlangen strafrechtliche Ermittlun- gen gegen einen Arzt eingeleitet wer- den, betonte der Justizminister.

Straffrei bleiben Ärzte, wenn sie Eu- thanasie auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten praktiziert haben so- wie dessen Krankheit und Leiden

„unannehmbar" sind.

Maßstab für die Strafbarkeit der Sterbehilfe ist ein Prüfverfahren, das bereits 1990 in Zusammenarbeit mit der Königlich Niederländischen Ge- sellschaft zur Förderung der Heil- kunde (Koninklijke Nederlandsche Maatschappij tot bevordering der Geneeskunst, KNMG) erarbeitet wurde. In Form eines Meldeberichts- bogens muß der behandelnde Arzt dem kommunalen Leichenbeschauer Angaben machen zur Krankenge- schichte, zur freiwilligen und wieder- holten Bitte des Patienten um Le- bensbeendigung, zur Beratung mit einem Kollegen sowie zur gewählten Form der Sterbehilfe. Das Gutachten wird dann an den Gemeindearzt wei- tergeleitet, der eine Leichenbeschau vornimmt Daraufhin informiert der Leichenbeschauer die Staatsanwalt- schaft. Aufgrund dieses Meldever- fahrens seien 1992 rund 1 300 Fälle von Sterbehilfe gemeldet worden. Im Jahr 1991 waren es 590. Ballin be- grüßte die Bereitschaft der Ärzte, Verantwortung zu tragen. Noch wichtiger sei es jedoch, daß die Wie- dergabe der Fakten zuverlässig sei.

Das Gesetz, das nach rund 15jährigem Tauziehen einen Kom- promiß zwischen Christdemokraten (CDA) und ihren jeweiligen Koaliti- onspartnern darstellt, wäre in letzter Minute beinahe an den Bedenken ei- niger christlichdemokratischer Sena- toren gescheitert. In den Parlaments- debatten hatte die Regierung jedoch zugesichert, die Einhaltung der Re- gelung streng zu überwachen. Dabei wurde ein wirksames Ermittlungs- und Strafverfolgungssystem angekün- digt. Dadurch soll verhindert werden, daß Sterbehilfefälle nicht gemeldet werden. Auch werden zusätzliche Garantien zum Schutz jener Patien- ten geschaffen, die nicht in der Lage seien, ihren Willen zu äußern, versi- cherte das niederländische Justiz- ministerium.

Die nächste Bewährungsprobe steht der Koalition bei der genauen Formulierung des Meldescheins für Euthanasiefälle bevor, welche die Parlamentarier sich ausdrücklich vor- behalten haben. Hierbei soll vor al- lem eine klare Trennungslinie gezo- gen werden zwischen jenen, die ihren Todeswunsch geäußert haben, und den „Willensunfähigen". Als „wil- lensunfähig" gelten zum Beispiel be- hinderte Säuglinge und komatöse Pa- tienten.

Nach Ansicht der Ärzteorgani- sation KNMG hätten die Politiker ei- nen deutlichen Unterschied zwischen Beendigung des Lebens auf Wunsch und einer Beendigung ohne aus- drücklichen Wunsch des Patienten machen müssen. Eine solche Unter- scheidung treffe das Gesetz jedoch bisher nicht, so daß der Eindruck entstehe, als ob Tötung eines Patien- ten ohne ausdrücklichen Wunsch mit Sterbehilfe oder Hilfe bei Selbsttö- tung auf Verlangen des Patienten gleichzusetzen sei, kritisierte KNMG-Sekretär Robert J. M. Dill- mann das Gesetz.

„Euthanasie-Tourismus"

Einen „Euthanasie-Tourismus"

soll es auf keinen Fall gegen. Zwei Abgeordnete des niederländischen Parlaments hatten im März 1993 an- gefragt, ob es möglich sei, daß Aus- länder in die Niederlande reisen kön- nen, um Sterbehilfe zu erhalten. Wie die Botschaft des Königsreichs der Niederlande dem Deutschen Ärzte- blatt mitteilte, geht aus der jetzt vor- liegenden Antwort hervor, daß Ster- behilfe immer nur im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patienten möglich ist. Nur durch einen langen therapeutischen Prozeß, in dem sehr behutsam und wohlüberlegt vorgegangen werde und regelmäßig Gespräche des behan- delnden Arztes mit dem Patienten stattfinden, könne über eine mögli- che Sterbehilfe entschieden werden.

„Deshalb ist es ausgeschlossen, daß einem Ausländer Sterbehilfe gelei- stet wird, wenn er nur zu diesem Zweck in die Niederlande gereist ist", so die niederländische Bot- schaft. Gisela Klinkhammer A-1038 (34) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 15, 15. April 1994

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