Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 40⏐⏐6. Oktober 2006 A2621
B R I E F E
PRÄVENTION
Aus dem Nichtrau- cherschutzgesetz scheint ein Gesetz zum Schutze der Raucher zu werden (DÄ 31–32/2006: „Im Raucherparadies“
von Timo Blöß).
Offene Diskussion
Welch scheinheilige Debatte über ein zweifellos schwieriges gesundheits- politisches Problem . . . Die Gefah- ren des Rauchens sind mir als nieder- gelassenem Kardiologen natürlich bestens vertraut. Ich plädiere aller- dings für eine offene Diskussion un- ter Berücksichtigung aller Aspekte bis hin zu philosophischen Überle- gungen. Der Staat hat grundsätzlich in die Entscheidung des einzelnen Bürgers nicht hereinzuregieren, er kann mir weder Extremsportarten verbieten noch die Einnahme schädi- gender Substanzen. Es bleibt seine Pflicht, umfassend Aufklärungsar- beit zu betreiben und ggf. Mitmen- schen zu schützen. Dass in öffentli- chen Gebäuden bzw. in Amtsstuben nicht geraucht werden darf, kann ich ja noch nachvollziehen. Lächerlich ist die Diskussion bezüglich Bars und Kneipen, teilweise auch Speise- restaurants. Hier geht der Bürger ganz freiwillig hin und möchte sich in Kenntnis der dort gelebten Bräu- che amüsieren. Die eigentliche Kata- strophe des Rauchens findet aller- dings in den privaten Wohnungen und Häusern statt. Hier werden näm- lich die Schwächsten der Gesell- schaft, also unsere Kinder, jahre- und jahrzehntelang schutzlos verraucht.
Ich habe bis heute keine einzige Stel- lungnahme bezüglich dieses gravie-
renden Problems gehört oder gele- sen. Wahrscheinlich käme dann auch sofort die Antwort, dass dies die Pri- vatsphäre sei und man hier keine Handhabe hätte . . . Die richtigere Vorgehensweise wäre, Restaurants, Kneipen und Wirtschaften und damit den Bürger nicht zu schikanieren, sondern andererseits intensive Auf- klärungsarbeit zu leisten und selbst- verständlich nach dem Verursacher- prinzip das gesundheitsschädliche Genussmittel Tabak massiv zu ver- teuern und diese Mehrabgaben sofort und ohne Abzüge den Krankenkas- sen zuzuführen. Ein Rauchverbot bis zum 18. Lebensjahr geht in die rich- tige Richtung.
Dr. med. Christoph Wineken, Bergisch-Gladbacher-Straße 439–441, 51067 Köln-Holweide
Wie in den USA und Italien
Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe wundert sich zu Recht. 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen rechtfertigen also etwa 150 000 Tote im Jahr und ein Vielfaches an gesundheits- und volkswirtschaftlichem Schaden, wahrscheinlich sich dem dreistelli- gen Milliardenbereich nähernd? Not- falls kommt, typisch deutsche „Lite“- Kultur, das K.o.- Arbeitsplatzargu- ment wegen einer handvoll Tabak- bauern in der strukturschwachen Pfalz. Nur eindeutige, konsequente und flächendeckende Regelungen – wie in den USA und Italien – haben Signalwirkung, die, man sollte es nicht vergessen, gerade wegen der sonst untragbaren Folgekosten so ri- goros sind. Durch konsequentes Ver- bot des Rauchens in allen öffentli- chen Räumen wird es bald erheblich weniger Arbeitsausfälle und (lebens-
lange!) Gesundheitsdefizite und Krankheit geben . . .
Gerhard Schuster,11, rue Scribe, F-75009 Paris
AMBULANTE VERGÜTUNG
Die Vergütung der niedergelassenen Ärzte steht vor einer fundamentalen Um- wälzung (DÄ 28–29/
2006: „Paradigmen- wechsel“ von Josef Maus).
Schon wieder eine neue Gebührenordnung
. . . Im Jahr 2009 soll wieder einmal eine völlig neue Gebührenordnung kommen. Ist das nicht etwas früh, nachdem die „alte Neue“ noch nicht einmal richtig verdaut ist? Das DÄ soll auch ruhig einmal schreiben, was mit solchen, für das Jahr 2009 geplanten Pauschalierungen bzw.
Abstaffelungen letztendlich geschaf- fen wird. Kleine Praxen in Großstäd- ten werden finanziell abgesichert;
große Praxen im ländlichen Raum hingegen werden zugrunde gerichtet.
Man sollte sich aber einmal die Fra- ge stellen, warum große Praxen ei- gentlich groß sind und warum kleine Praxen klein sind. Zumindest für Letzteres gibt es nur drei Gründe:
– die Praxen liegen in Gegenden, wo absolute Überversorgung herrscht, – die Praxen haben einen schlechten Ruf, oder
– der Praxisbetreiber hat es nicht nötig, mehr zu arbeiten, und solche Praxen sollen auch noch maßgeblich herangezogen werden für die Be- rechnung der durchschnittlichen Pra- xiskosten. So etwas kann nicht gut
Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns zudem Kürzungen vorbehalten. Die Chance zur Veröffentlichung ist umso größer, je kürzer der Brief ist. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.
Das Leser-Forum
A2622 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 40⏐⏐6. Oktober 2006
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gehen. In der freien Wirtschaft oder auch im Krankenhauswesen verhält es sich genau umgekehrt. Hier wer- den kleine Betriebe und Kranken- häuser, die nach wirtschaftlichem Er- messen unrentabel arbeiten, ge- schlossen, und nicht große, wirt- schaftlich arbeitende Betriebe . . .
Dr. med. Gerd Galle,Stadtmühlweg 4, 92637 Weiden/Oberpfalz
Unverständnis
Es ist mir unverständlich, wie die KBV dazu kommt, ein pauschaliertes Honorarsystem vorzuschlagen. Seit Jahren zunehmend werden in der Ärzteschaft Forderungen nach der Einführung eines Kostenerstattungs- systems unter Wegfall aller Zwangs- regulierungen, Budgets und Abstaf- felungen formuliert. Diese Forderun- gen wurden durch zahlreiche De- monstranten und natürlich auch durch die Redner zahlreicher ärztli- cher Standesorganisationen ein- drucksvoll artikuliert. Mit ihrem jetzt vorgelegten Konzept setzt sich die KBV über alle Forderungen der ärzt- lichen Basis hinweg . . . Ein Kosten- erstattungssystem auf der Basis der GOÄ hat alle Vorteile, die man sich nur wünschen kann:
– Kostentransparenz auf allen Ebenen – Kalkulationssicherheit bei den Ärzten
– Abrechnungskontrolle durch infor- mierte Patienten
– Plausibilitätskontrolle durch die fi- nanzierende Krankenkasse
– weitgehende Sicherheit vor betrü- gerischer Manipulation
– und letztendlich durch die Über- einstimmung von erbrachter und abgerechneter Leistung auch die Be- freiung von der Überlegung, welche Pauschale oder welcher Zuschlag oder welche Komplexziffer denn jetzt noch in An- oder Absatz ge- bracht werden kann oder muss . . .
Frank Walter,Karl-Marx-Straße 30, 29410 Salzwedel
Der Unterschied
Leider vermisse ich in dem Artikel den Hinweis, dass der gleitende Punktwert durch die „floatende“
Fallpauschale ersetzt wird, siehe die
regionalen, qualitätsabhängigen, li- quiditätsbezogenen etc. Korrektur- faktoren für die neuen Fallpauscha- len. Der „gleitende Punktwert“ un- terscheidet sich von der demnächst zu erwartenden „gleitenden Fallpau- schale“ u. a. dadurch, dass dem Punkt eine konkrete Leistung ge- genüberstand, die Pauschale aber viele Leistungen enthält. In der Zu- kunft werden die in einer Fallpau- schale enthaltenen ärztlichen Lei- stungen sicherlich erweitert werden.
Entsprechend dem bisherigen Pflichtprinzip im SGB V werden die Kassenärzte zur Erbringung dieser Leistungen sicher gesetzlich ver- pflichtet . . .
Henrik Jordan,Van Nahuysweg 105, NL-8061 EZ Hasselt
Der Schwarze Peter bleibt beim Arzt
. . . Mit den Pauschalen wird das Morbiditätsrisiko nun endgültig bei der Ärzteschaft abgeladen. Der von den Niedergelassenen täglich er- brachte unbezahlte Mehraufwand von 30 Prozent aller Leistungen ver- schwindet dann in den Pauschalen.
Das Missverhältnis zwischen er- brachter Leistung und unterfinan- ziertem Honorartopf wird damit in devoter Unterwerfung unter das BMG bereitwillig und untertänig ka- schiert und aus der öffentlichen Schusslinie genommen. Unisono schon erklären Kassen und Politik bis in die Union hinein, dass kein zu- sätzliches Geld für die Honorare zur Verfügung stehe. Es geht also nur um Umverteilung, oder treffender, um Etikettenschwindel. Die Pauschalen werden durchweg so knapp bemes- sen sein, dass künftig in der Betreu- ung nur noch nach dem Motto „quick and dirty“ verfahren werden kann.
Jede weitere Differenzierung näm- lich wäre ein Schritt zurück in Rich- tung EBM. Wozu dann der Aufwand, nur um statt mit Ziffern mit Diagno- sen abzurechnen? Nein, es geht um Vereinheitlichung und Nivellierung nach unten. Schon einmal wurde den Ärzten mit dem später gebrochenen Versprechen der Steigerung der Ge- samtvergütung ein derartig blauäugi- ges oder „staatstragendes“ Zuge-
ständnis abgerungen: bei der Ein- führung des Honorarbudgets. Leider wird aus der Geschichte nicht jeder klug . . . Aufwendige Patienten mit hohem Betreuungsaufwand werden in der schönen neuen Pauschalwelt zum wirtschaftlichen Risiko, da sie betriebswirtschaftlich den Schnitt nach unten ziehen. Die Rationie- rungsschere wird noch tiefer im Kopf des Arztes implantiert und im Fall eines Schadens durch unzurei- chende Behandlung bleibt der Schwarze Peter sowieso beim Arzt . . .
Christoph Larisch, Düsseldorfer Landstraße 147 a, 47249 Duisburg-Buchholz
BEREITSCHAFTSDIENST
Der Ausstieg aus dem Nacht- und Notfalldienst bedeu- tet für viele Ärzte mehr Lebensqualität (DÄ 30/2006: „Kas- senärztlicher Bereit- schaftsdienst: Die erkaufte Freiheit“ von Heike Korzilius und Samir Rabbata).
Das Beispiel Main-Kinzig-West
Mit großer Freude habe ich den o. g.
Artikel gelesen, weil dieser genau dem entspricht, was ich vor fünf Jahren als Obfrau der Bereitschafts- dienstzentrale Maintal – später Main-Kinzig-West – erlebt habe.
Auch bei uns ging die Initiative von der Basis aus. Im Jahr 2001 hatten zwei Ärztinnen, die Gynäkologin Frau Dr. Inge Papaikonomou und ich, die Idee, die Lebensqualität der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu verbessern. Nach zehn Jah- ren Niederlassung waren wir es leid, 24 Stunden für unsere Patientinnen und Patienten erreichbar sein zu müssen, und konnten die damit ver- bundene Belastung für unsere Fami- lien nicht mehr tolerieren. Wir struk- turierten die bei uns bereits beste- hende kleine Bereitschaftsdienstzen- trale (zuständig nur für die Wochen- enden und Feiertage) so um, dass nun auch die Wochentage ab 18 Uhr und der Mittwochnachmittag ab