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Archiv "SCHWERBESCHÄDIGTE: Würde des Kranken" (10.07.1980)

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SCHWERBESCHÄDIGTE Zu dem Leserbrief „Volkserfassung" von Dr. Ottmar Bengert in Heft 13/1980, der sich mit der Flut von Schwerbeschädig- tenanträgen beschäftigte:

Würde des Kranken

. Anlaß der ganzen Aktion, die wie manche andere nn. W. ohne parla- mentarische Diskussion auf dem Verordnungsweg in Gang gesetzt wurde, wird die mangelnde Ausla- stung der Versorgungsämter gewe- sen sein, nachdem die Kriegsopfer nun endlich einigermaßen erfaßt wa- ren. Ein Wirtschaftsunternehmen ohne Absatz geht in Liquidation, ei- ne Behörde aber? Ihr wird im Zuge der Umverteilung eine neue oder er- weiterte Zuständigkeit zugewie- sen . . . Aber das war wohl nur der Anlaß. Wie beim Schach, bei dem man die späteren Positionsfolgen ei- nes Zuges des Gegners beachten muß, muß man auch in der Politik, der äußeren wie inneren wie Sozial- politik, nicht nur die erklärten Ziele, sondern die zunächst verborgenen und kaschierten im Auge behalten.

Mit recht geringen Vorteilen, die man in Aussicht stellt, hat „man"

schon jetzt erwiesen, daß der Groß- teil der Bevölkerung aller Schichten keine Bedenken hat, bei einer Be- hörde alle Daten auszuliefern, die man bisher für die persönlichsten gehalten und deshalb mit der ärztli- chen Schweigepflicht geschützt hat.

Wer will heute noch in der Auseinan- dersetzung um das Berufsethos und das Berufsbild des Arztes vom per- sönlichen Vertrauensverhältnis „un- ter vier Augen" als der Grundlage des Verhältnisses Arzt—Patient spre- chen? Muß er nicht verstummen, wenn ihm diese unter der Hand durchgeführte Massenbefragung (Anzeige in Zeitungen: wer sich be- hindert fühlt, soll sich melden bis . . . ) entgegengehalten wird?

Und da diskutiert man noch treuher- zig über Datenschutzgesetz, als wenn nicht schon jetzt eine solche Fülle von Daten „freiwillig" preisge- geben sind, daß fast nichts zu schüt- zen mehr übrigbleibt. „Volkserfas- sung" nennt Herr Bengert seine Zu- schrift in Anführungszeichen; aber

BRIEFE AN DIE REDAKTION

die sind nicht nötig, eher noch irre- führend; denn es ist schon eine Volkserfassung, die beabsichtigt ist.

Man stelle sich vor, eine radikale Gruppe erlange wie 1933 den Zugriff auf eine solche Fülle von Daten über die Intimbereiche der Bevölkerung!

Aber noch eine weitere Folge ist schon zu beachten: Wie alles, was es zuviel und zu billig gibt, an Wert verliert, so schon jetzt der Behinder- ten-Ausweis. Hat man schon regi- striert (bei den autofahrenden Ärz- ten vielleicht noch nicht so ganz), daß sich Behinderte in 0-Bus oder Straßenbahn mit Vorweisen ihrer

„Prozente" um die reservierten Plät- ze streiten ... ? Die Leidtragenden sind die wirklich Behinderten, und der Friede unter den Menschen.

Gottlob ist's noch so, daß der Groß- teil der Bevölkerung dem wirklich Behinderten Rücksicht und Hilfe zu erweisen bereit ist. Wenn aber die Zahl der „Berechtigten" weiter so steigt, wird auch die Skepsis und Rücksichtslosigkeit zunehmen. Ist das etwa auch eine Absicht? Wir wissen als Ärzte, daß nicht erst durch die erwähnte Neuregelung der Zug in diese Richtung gelenkt wird, daß schon manche Weiche vorher falsch gestellt war, und daß wir nicht zurück vor diese falsch ge- stellten Weichen können. Aber wir sollten unsere Augen nicht ver- schließen und auch nicht resignie- ren. Wenn's um unsere eigene wirt- schaftliche oder „Standes"-existenz ginge, brauchten wir nicht bange zu sein; in jedem System werden Ärzte gebraucht und auch bezahlt. Aber es geht hier wie an vielen anderen Stel- len um das Los der Kranken und ihre Würde, die mehr ist als die eines funktionierenden Teils in Produk- tion und Konsum. Es ist uns Ärzten nicht nur die Reparatur im Auftrag des Kollektivs (Staat, Gesellschaft oder wie genannt), sondern Hilfe und Schutz des einzelnen gegen die

„Interessen" aufgetragen oder — an- ders ausgedrückt — Schutz dessen, was wir in Europa „Person" nennen, und das zu sein oder zu werden wir selbst beanspruchen.

Dr. med. Friedrich Karl Schwebel Devarannestraße 5

5650 Solingen 19 Betriebsärztliche Dienste

wesentlichen dadurch bedingt, daß die Berufsgenossenschaften sich auf den gesetzlichen Auftrag für die Gründung solcher Dienste berufen konnten, Unterstützung bei den Ge- werkschaften fanden und die Mög- lichkeiten hatten, ohne wirtschaftli- ches Risiko diese Dienste zu finan- zieren. Zum anderen zeigt sich aber auch das Versäumnis der Ärztekam- mern, eigene Konzeptionen zur Be- treuung von Klein- und Mittelbetrie- ben zu entwickeln. Warum haben die Ärztekammern zum Beispiel nicht selbst überbetriebliche Dien- ste gegründet oder niedergelassene Ärzte angeregt, sich in überbetriebli- chen Diensten zusammenzuschlie- ßen? Auch der Verband der Deut- schen Betriebs- und Werksärzte hat hier versagt.

Dank der Initiative von Arbeitgeber- verbänden, des TÜV, unseres Insti- tuts und anderen ist es nicht zu einer Monopolstellung der Berufsgenos- senschaften gekommen. Die Vielfalt der Art überbetrieblicher Dienste sorgt für einen gesunden Wettbe- werb und dient letztlich der Erhö- hung der Qualität der arbeitsmedizi- nischen betriebsärztlichen Be- treuung.

Die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern sollten aufhö- ren, gegen überbetriebliche Dienste zu polemisieren, sondern die Grün- dung weiterer überbetrieblicher ar- beitsmedizinischer Dienste, und zwar ärztlich initiierter, evtl. sogar durch die Ärztekammern getragener Dienste, anregen.

Dabei sollte man auf das große Po- tential der niedergelassenen Ärzte zurückgreifen, die bereits jetzt be- triebsärztlich tätig sind, um deren Kenntnisse und Erfahrungen bei der betriebsärztlichen Betreuung von Klein- und Mittelbetrieben zu nutzen.

Dr. med. B. Marschall Daimlerstraße 7 7500 Karlsruhe

Institut für Arbeits- und Sozialhygiene,

gemeinnützige Stiftung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 28 vom 10. Juli 1980 1779

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