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Archiv "KBV-Vertreterversammlung: Gesundheit wird doch zum Wahlkampfthema" (14.12.2001)

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Die Bundesregierung habe den Kom- pass in der Gesundheitspolitik verloren, kommentierten Horst Seehofer (CSU) und Wolfgang Lohmann (CDU) das Re- formkonzept von Ulla Schmidt. Ihre Vorschläge richteten sich ausschließlich auf einzelne Bereiche, ein schlüssiges Gesamtkonzept sei nicht zu erkennen.

Offensichtlich wolle die Bundesregie- rung die Schmerzgrenze der Versicher- ten und der im Gesundheitswesen Be- schäftigten testen. Eine Politik, die den Patienten dazu verpflichte, zuerst den Hausarzt aufzusuchen, um sich von die- sem die Erlaubnis für eine Behandlung beim Facharzt zu holen, offenbare ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Ur- teilsvermögen und der Entscheidungs- kompetenz der Bürger. Auch Dr. Dieter Thomae, gesundheitspolitischer Spre- cher der FDP-Bundestagsfraktion, kri- tisierte die Pläne zur Einschränkung der Arztwahl. Wenn die Ankündigun- gen realisiert würden, müssten Gering- verdiener künftig auf die freie Arztwahl verzichten. Dies beschränke ihre Rech- te. Die gesundheitspolitische Spreche- rin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/

Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt, lehnte einen obligatorischen elektroni- schen Gesundheitspass strikt ab. Zu groß seien die Gefahren des Miss- brauchs bei einer Chipkarte, die alle persönlichen und krankheitsrelevanten Daten speichert. Dr. Ruth Fuchs, ge- sundheitspolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, begrüßte die Ankündigung, dass keine „marktradi- kale Zerschlagung“ des solidarischen Systems geplant sei.

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) gingen die Reform- vorschläge seiner Kabinettskollegin nicht weit genug. Er sprach sich für eine höhere Direktbeteiligung der GKV- Versicherten aus. Schmidt erteilte einer solchen „Teilprivatisierung des Krank- heitsrisikos“ eine strikte Absage. Mül- ler kann sich vorstellen, dass in der GKV Selbstbehalte eingeführt werden wie in der privaten Krankenversiche- rung (PKV). Zudem regte der Bundes- wirtschaftsminister eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrundlage für die GKV an. Ulla Schmidt ist dagegen, weil sie befürchtet, dass dann noch mehr GKV-Versicherte in die PKV

abwandern. Jens Flintrop

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timmung wollte so recht keine auf- kommen bei den Delegierten der Vertreterversammlung der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am 8. Dezember in Berlin. Dabei gab sich deren Vorsitzender, Dr. med. Man- fred Richter-Reichhelm, in seinem Be- richt zur Lage in Teilen durchaus kämp- ferisch. Für die Vertragsärzte steht eini- ges auf dem Spiel. Stellt doch das jüng- ste in einer Reihe von Expertengutach- ten, das im Auftrag des SPD-Vorstan- des erarbeitet wurde, einen der Grund- pfeiler des Gesundheitssystems, den Si- cherstellungsauftrag der Kassenärztli- chen Vereinigungen (KVen), infrage (siehe auch Seite eins in diesem Heft).

Inwieweit die Wissenschaftler mit ihren Empfehlungen zu Einkaufsmodellen der Krankenkassen Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt – oder wer auch immer zurzeit den gesundheitspo-

litischen Kurs der SPD bestimmt – be- eindrucken, muss sich noch zeigen.

Zwar begrüßte es Richter-Reichhelm, dass die Ministerin bei der Vorstellung des Gutachtens die Übertragung des Si- cherstellungsauftrages für die gesamte medizinische Versorgung auf die Kran- kenkassen abgelehnt hat. Gleichzeitig habe sie, so der KBV-Vorsitzende, aber betont, das Vertragsmonopol der Kas- senärztlichen Vereinigungen müsse auf- gebrochen werden.

Der zuweilen auch innerärztlich recht emotional geführten Diskussion um ein Ende der KVen hielt Richter- Reichhelm entgegen: „Die KVen sind notwendig als gemeinsame Klammer eines einheitlichen Sicherstellungsauf- trages im Wettbewerb der rund 400 Krankenkassen um attraktive Versi- cherte. Die Kassen werden diese Soli- darität nicht leisten können.“ Die Gut-

Kritik an den so genannten Experten-Gutachten: Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm warnte in sei- nem Bericht zur Lage vor den Folgen eines „Krankenkassen-Staates“. Fotos (7): Georg J. Lopata

KBV-Vertreterversammlung

Gesundheit wird doch zum Wahlkampfthema

Die Frage nach der Zukunft der Kassenärztlichen Vereinigungen, vor allem aber die nach der Qualität der ambulanten

Versorgung bestimmten die gesundheitspolitische Diskussion.

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achter-Professoren verschlössen ihre Augen vor der Tatsache, dass die Frei- gabe des Vertragsrechts in einem Sy- stem des Kassenwettbewerbs alle Mög- lichkeiten eröffne, unliebsame Versi- cherte und schlechte Risiken, aber auch unliebsame Leistungserbringer zu se- lektieren. Wettbewerbskriterium sei nicht mehr die Qualität, sondern der Preis. „Wer einheitliche Zugangsrechte und Qualitätsstandards will, muss des- halb das einheitliche Leistungserbrin- gerrecht erhalten und weiterent- wickeln, statt es abzuschaffen“, betonte Richter-Reichhelm. Zugleich forderte er Politik und Krankenkassen auf, zu ei- nem sachbezogenen Dialog über die Aufgaben der KVen zurückzukehren.

Die verheerenden Folgen einer Machtverlagerung auf die Krankenkas- sen für die Versorgungsqualität will die KBV auch der Öffentlichkeit vermitteln.

Entgegen der Absicht der Bundesregie- rung wird das Gesundheitswesen wohl doch zum Wahlkampfthema. „Und ich sage Ihnen, wir mischen mit“, lautete die Botschaft von Richter-Reichhelm an die Delegierten. Wer ein budgetiertes, staat- lich geführtes Einkaufsmonopol an die Stelle der derzeitigen gemeinsamen Selbstverwaltung setzen wolle, müsse sich auf harte Auseinandersetzungen mit der Ärzteschaft einstellen.

Der KBV-Vorsitzende wehrte sich zudem gegen den Vorwurf, die KVen behinderten die Umsetzung innovati- ver Vertragsstrukturen. Verhinderer seien vielmehr die Krankenkassen, die sich an der Bequemlichkeit gesetzlicher Budgetvorgaben festklammerten. Of- fen für Modellversuche seien sie nur in Bereichen, die ihrem Image gegen- über bevorzugten Versichertengruppen nützten. Bestes Beispiel seien die Mo- dellprojekte zur Akupunktur. Um so genannte gute Risiken nicht zu verlie- ren, zögerten die Kassen auch nicht, ge- setzwidrige Erstattungen in beträchtli- cher Höhe vorzunehmen, wie der aktu- elle Prüfbericht des Bundesversiche- rungsamtes erneut belege. Richter- Reichhelm: „Das sind dem Experten- Gutachten zufolge die künftigen Hüter der Qualität – armes Deutschland.“

Den Experten-Vorschlägen hat die KBV eigene Überlegungen zum Ver- tragswettbewerb entgegengestellt. Im Bereich der Solidarleistungen kann es

nach Ansicht von Richter-Reichhelm keinen Wettbewerb geben, der einzelne Versicherte oder Leistungen außerhalb des Sicherstellungsauftrags stellt. Le- diglich im Bereich von Individuallei- stungen könnten die Rahmenbedingun- gen für die Tarif-, Vertrags- und Preis- gestaltung geöffnet werden. „Verwei- gert sich die Politik einer sinnvollen Lö-

sung, sollten wir sie ermutigen, das heu- tige System im Sinne des Professoren- Vorschlags an die Wand zu fahren“, sag- te Richter-Reichhelm unter dem Beifall der Delegierten. Es sei dann eindeutig die Verantwortung der Politik, für die Folgen budgetierter Einkaufspolitik ge- radezustehen.

Überleben die KVen? Die Ansich- ten der Delegierten darüber waren ge- teilt. Leidenschaftliche Unterstützung erhielt Richter-Reichhelm von seinem Vorstandskollegen, Dr. med. Theo Windhorst, KV Westfalen-Lippe: „Die KV ist ein Garant für Qualität und flächendeckende Versorgung. Wir müssen in dieser Frage kämpferisch nach vorne gehen.“ Den Pessimismus bei einigen Delegierten, die sich zum Teil schon anderweitig in Medi-Ver- bünden oder Vertragsärztlichen Verei- nigungen organisieren, brachte Dr.

med. Norbert Metke, KV Nord-Würt- temberg, auf den Punkt: „Sie halten Beerdigungsreden und versuchen zu- gleich, dem Verstorbenen eine Per- spektive zu geben.“

Richter-Reichhelm gab sich dennoch vorsichtig optimistisch. Der KBV-Vor- stand habe mit seinem Handlungspro- gramm und den Papieren für den Run- den Tisch die Eckpunkte für ein stimmi- ges Reformkonzept formuliert. Wer das Solidaritätsprinzip erhalten wolle, brauche ein einheitliches Leistungser- bringerrecht. Damit sich die Medizin wieder stärker an der Versorgungsrea- lität orientieren könne, müssten zudem die sektoralen Budgets durch Zielver- einbarungen abgelöst werden. Richter- Reichhelm begrüßte es, dass dieses Prinzip im Arzneimittelbudgetablö- sungsgesetz bereits realisiert ist und in den Disease-Management-Program- men ebenfalls angewendet werden soll:

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Geschlossen für oder gegen das Überleben der KVen? Beifall für Richter-Reichhelms Ermunterung, notfalls mit den Einkaufsmodellen „das System gegen die Wand fahren zu lassen“.

Scharfer Kritiker der „Expertokratie“: Kammer- präsident Prof. Jörg-Dietrich Hoppe

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„Beide Bereiche werden ein Testfall für die gemeinsame Selbstverwaltung.“

Für innerärztlichen Zwist zwischen Allgemeinärzten und Internisten hat die gesundheitspolitische Diskussion über ein Primärarztsystem – gerade vom Experten-Gutachten für den SPD- Vorstand wieder belebt – gesorgt. Mi- nisterin Schmidt, so Richter-Reich- helm, liebäugele ebenfalls mit der hausarzt-koordinierten vertragsärztli- chen Versorgung. Während sich die Allgemeinärzte eine deutliche Stär- kung ihrer Position auch in der anste- henden Gesundheitsreform erhofften, drohten die Fachärzte zwischen der ge- stärkten Position der Allgemeinärzte und – ausgelöst von der Einführung der DRGs – der zunehmenden Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung zerrieben zu werden. Hoff- nungsvoll stimmen den KBV-Vorsit- zenden Gespräche mit der Bundesärz- tekammer über eine künftige einheitli- che Hausarztqualifikation im Weiter- bildungsrecht. „Es besteht begründeter Optimismus, dass die dazu notwendige Annäherung der bisher sehr gegensätz- lichen Positionen von Allgemeinärzten und Internisten erreicht wird“, sagte Richter-Reichhelm. Gelinge diese De-

finition, werde auch das Problem des Hausarzttarifs lösbar. Ein solcher dürfe jedoch nur auf freiwilliger Basis ein- geführt werden. Ein Primärarztsystem englischer Prägung, bei dem sich jeder Versicherte bei einem Hausarzt ein- schreiben muss, komme für die KBV nicht infrage.

Ein weiteres Problem, das die Ge- schlossenheit nach außen bröckeln lässt, ist die unzureichende Vergütung der Psychologischen Psychotherapeu- ten und der Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeuten, die mittlerweile zulasten der fachärztlichen Versorgung höhere Punktwerte einklagen. Dazu Richter-Reichhelm: „Wir können nie- mandem vorhalten, ihm zustehende Rechtspositionen wahrzunehmen. Ein Skandal ist es aber, wenn der Gesetzge- ber dieses von ihm selbst geschaffene Vergütungsproblem offensichtlich bis nach der nächsten Bundestagswahl aus- sitzen will.“ Einem Antrag der Psycho- logen, nach dem der KBV-Vorstand sich politisch dafür einsetzen solle, dass die Kassen die Leistungen der Psychologen extrabudgetär finanzie- ren, stimmten die Delegierten mit gro- ßer Mehrheit zu.

Konfliktträchtig ist auch die Ar- beit am Runden Tisch, der nach dem Willen von Bundesgesundheitsministe- rin Schmidt Vorschläge für die kom- mende Gesundheitsreform erarbeiten soll. Dessen Arbeit konzentriert sich Richter-Reichhelm zufolge zurzeit auf drei wesentliche Konfliktfelder: die sektorenübergreifende Versorgung, die Einführung von diagnosebezogenen Fallpauschalen im Krankenhaus und die über bereits beschlossene Gesetze hinausgehenden Neuregelungen der Arzneimittelversorgung wie Freigabe des Versandhandels und Änderung der Preisbildung. „Erwartungsgemäß konn- te in allen drei Konfliktfeldern bisher kein Konsens erzielt werden“, so Rich- ter-Reichhelm. Ein solcher zeichne sich bisher nur in den Arbeitsgruppen Prävention und Qualitätssicherung ab.

Die nächste Sitzung müsse beweisen, ob aufgrund der vorliegenden Ergeb- nisse eine tragfähige Grundlage für eine Fortsetzung der Diskussion gegeben ist.

„Gelingt das nicht, stellt sich die Institu- tion selbst infrage.“

Ohnehin nimmt nach Ansicht von Richter-Reichhelm die aktuelle Gesetz- gebung einen Teil der für 2003 geplan- ten Gesundheitsreform vorweg. So sei die Regelung zum Wohnortprinzip we- sentliche Voraussetzung, um die Miss- verhältnisse in der Vergütung zwischen alten und neuen Bundesländern abzu- bauen. „Hier haben wir aber nur einen P O L I T I K

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Als Antwort auf die durch mehrere Gutachten ausgelösten öffentlichen Diskussionen um die Qualität des deutschen Gesundheitswesens und die Notwendigkeit eines grundlegenden System- wechsels mit Verlagerung der Gestaltungsmacht allein auf die Krankenkassen beschließt die Ver- treterversammlung der KBV:

1. Die Basis für die politische Diskussion zur Gesundheitsreform ist und bleibt das Handlungs- konzept der KBV zur Weiterentwicklung des Ge- sundheitswesens.

2. Der zur Begründung eines Systemwechsels erhobene pauschale Vorwurf, das deutsche Ge- sundheitswesen sei zu teuer und liefere dafür schlechtere Qualität als kostengünstigere Syste- me, widerspricht der positiven Beurteilung des deutschen Gesundheitswesens durch die Patien- ten. Die für diesen Vorwurf herangezogenen Gut- achten werden deswegen einer kritischen wissen- schaftlichen Analyse unterzogen.

3. Die Konsequenzen einer Verlagerung der Gestaltungsmacht im Gesundheitswesen auf circa 400 konkurrierende Krankenkassen und die ihnen übertragene Einkaufsmacht gegenüber Ärz- ten, Apothekern und Krankenhäusern für die Qua-

lität der ärztlichen Versorgung der Patienten und für die notwendige fachliche Unabhängigkeit der Gesundheitsberufe sind der Öffentlichkeit in einer PR-Aktion deutlich aufzuzeigen.

4. Die von der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung erarbeiteten Rahmenverträge für Disease- Management-Programme werden auf Bundes- und Landesebene allen Krankenkassen angebo- ten. Nur unter den darin festgelegten Anforderun- gen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqua- lität werden die KVen diese Verträge mit Kranken- kassen abschließen. Die ärztlichen Berufsverbän- de werden aufgefordert, sich im Interesse einer einheitlichen Qualität der Versorgung unserer Pa- tienten diesem Vorgehen anzuschließen.

5. Die Kassenärztlichen Vereinigungen ent- wickeln gemeinsam mit der KBV ein Konzept zur Weiterentwicklung der vertragsärztlichen Selbst- verwaltungsstrukturen, um deren Handlungs- fähigkeit gegenüber dem Wettbewerb der Kran- kenkassen zu verbessern.

6. Rechtzeitig vor der nächsten Bundestags- wahl wird auf einem außerordentlichen Kas- senärztetag die Position der Kassenärzte zur Ge- sundheitspolitik vorgelegt.

KBV-Standpunkte zur Gesundheitsreform

VV-Vorsitzender Dr. med. Michael Hammer und KBV-Vorstandsmitglied Dr. med. Theo Windhorst beim Sichten der Anträge

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Teilerfolg errungen“, räumte der KBV- Vorsitzende ein. Nach wie vor stehe für die vertragsärztliche Versorgung in den neuen Bundesländern nur 76 Prozent des Westniveaus zur Verfügung. „Wir werden weiterkämpfen“, kündigte Richter-Reichhelm an. Zugleich beton- te er, eine bessere Finanzierung der Versorgung im Osten dürfe nicht erneut zulasten der West-Ärzte gehen. Es müs- se zusätzliches Geld von den Kassen kommen.

Als großen politischen Erfolg der Kassenärzteschaft wertete Richter- Reichhelm die Abschaffung von Arz- neimittelbudget und Kollektivregress.

„Begrüßenswert ist, dass sich die Bun- desregierung mit dem Arzneimittel- budgetablösungsgesetz und dem DRG- Gesetz systematisch von der sektoralen

Budgetierung verabschiedet.“ In einem nächsten Schritt gelte es, auch das sek- torale Budget der vertragsärztlichen Gesamtvergütung durch intelligentere Systeme wie Regelleistungsvolumina abzulösen.

Das Fazit von Richter-Reichhelm:

„Es bedarf einer sehr viel intensiveren Diskussion über die Vor- und Nachteile unseres Gesundheitswesens.“ Eine An- sicht, die der Präsident der Bundesärz- tekammer und Delegierte der KV Nordrhein, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, teilt: „Unser Gesundheitssy- stem wird im internationalen Vergleich als vorbildlich gewertet. Wir reden es hier kaputt.“ Angesichts der Gutach- teninflation der letzten Woche gab Hop- pe der Politik den Rat: „Löst Euch vom Tropf dieser Experten“, die ohnehin nie die Verantwortung für die Folgen einer Umsetzung ihrer Vorschläge überneh- men würden. Heike Korzilius

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ritik aus den eigenen Reihen kann mitunter einen Befreiungsschlag zur Folge haben. Bei der Diskussi- on des „EBM 2000 plus“ in der Vertre- terversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung war dies der Fall.

Vor der Sitzung schienen die Einwände gegen die nahezu fertig gestellte neue Gebührenordnung der Kassenärzte so schwerwiegend, dass eher mit einer Rücknahme des Entwurfs gerechnet werden musste. Doch es kam anders:

Die Vertreterversammlung und der Vorstand der KBV einigten sich auf die Rückkehr zu der ursprünglichen Verhandlungsposition gegenüber den Krankenkassen.

Die innerärztlichen Probleme mit dem neuen EBM waren aufgetaucht, nachdem sich die KBV-Spitze und die Krankenkassen im November dieses Jahres über das weitere Vorgehen bei der Reform auseinander gesetzt hatten.

Die Kassen wollen die betriebswirt- schaftlich kalkulierten Bewertungen der Gebührenordnung

ebenso wenig akzep- tieren wie den „kalku- latorischen Arztlohn“.

Während die KBV den Wert einer „Arztminu- te“ auf 1,71 DM fest- gesetzt hatte, sind die Krankenkassen nur be- reit, 1,50 DM zu akzep- tieren. Eine Einigung wäre allerdings notwen- dig, wenn die angestreb- te Testphase von zwei Quartalen vor der ver- bindlichen bundeswei- ten Einführung des neu- en EBM stattfinden soll.

Weitere Kritik war von den beratenden Fachausschüssen der

KBV eingebracht worden. So beklag- ten die Hausärzte eine Einengung ihres Leistungsspektrums, die geringere Be- wertung der hausärztlich-technischen Leistungen gegenüber denen der fach- ärztlich tätigen Kollegen, den fehlen- den Morbiditätsbezug und die fehlende Abbildung der hausärztlichen Kompe- tenzen. Die Fachärzte haben Probleme mit dem Überweisungsvorbehalt und fühlen sich bei den Ordinationskom- plexen wiederum im Vergleich zu den Hausärzten zu schlecht bewertet. Die Psychotherapeuten lehnen die Bewer- tungen der Leistungen innerhalb der Richtlinientherapie sogar rundweg ab.

Was kann die KBV in einer derarti- gen Situation tun? „Wir können den ge- samten EBM-Entwurf zurücknehmen“, sagte Dr. med. Andreas Köhler den De- legierten. Damit, fuhr der Honorarde- zernent und stellvertretende Hauptge- schäftsführer der KBV fort, würden die Praxisbudgets beibehalten, und die Strategie der KBV mit einem neuen EBM und der gleichzei- tigen Erarbeitung des Morbiditätsindex wäre hinfällig. Mit der neuen Gebührenordnung will die KBV wieder zu an- gemessenen Preisen für die ärztlichen Leistun- gen kommen und den Versorgungsbedarf der Versicherten in den Vordergrund stellen.

Praxisbudgets können das nicht leisten.

Die zweite Hand- lungsmöglichkeit wäre die Überarbeitung des Entwurfs unter Berück- sichtigung der Verbes- serungsvorschläge der Berufsverbände. Auf Zurück zur alten Verhandlungsli-

nie: KBV-Honorardezernent Dr.

med. Andreas Köhler konnte der Kritik der Delegierten am EBM- Entwurf mit konstruktiven Vor- schlägen begegnen.

Gebührenordnung

Totgesagte leben länger

Vertreterversammlung, Länderausschuss und

Vorstand der KBV vereinbaren Nachbesserungen und Neuverhandlungen zum EBM 2000 plus.

Gesundheitsreform als Herausforderung: KBV- Vize Dr. med. Leonhard Hansen (links) und KBV- Vorsitzender Dr. med. Manfred Richter-Reich- helm

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