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Archiv "Ambulante Behandlung alkoholkranker Patienten — eine Aufgabe für den niedergelassenen Arzt: Schlußwort" (04.10.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Alkoholiker-Behandlung

niger die des Amtsarztseins) sehe ich gemeinsam mit meinem Mitar- beiter gerade die Koordination von ambulanten Hilfen mit dem Patien- ten selbst, mit seiner Familie, sei- nem Arbeitgeber, den Selbsthilfe- Organisationen, Krankenkassen, Sozialämtern usw. — und dem Haus- arzt. Schade, daß Sie das Gesund- heitsamt aus Ihrem Konzept aus- klammern, meiner Ansicht nach hat es das nicht verdient!

Dr. med. Sigrun Riemer Medizinaldirektorin Bremer Weg 10 2808 Syke

El

Schlußwort

Als sozialpolitisch engagierter jun- ger Landarzt, der sich leider nur am Rande seiner allgemeinärztlichen Tätigkeit mit dem Alkoholismuspro- blem beschäftigen kann, habe ich meinen Beitrag über die Möglichkei- ten des niedergelassenen Arztes be- züglich der Erkennung und Behand- lung dieser wichtigen Krankheit „Al- koholabhängigkeit" veröffentlicht, in erster Linie in der Hoffnung Kolle- gen, die wie ich ihre allgemeinärztli- che Tätigkeit nicht nur als Summe verschiedener Fachgebiete sehen, anzusprechen. Dem allgemeinärzt- lich-hausärztlich tätigen Arzt muß das Recht zugesprochen werden, ei- gene Ideen zu entwickeln, und seine Erfahrungen sollten in die Vorstel- lungen der klassischen medizini- schen Fachgebiete einfließen, da- mit unsere Medizin patientennahe bleibt. Wir Hausärzte sehen viel- leicht einiges nicht mit genügender wissenschaftlicher Schärfe, wie es Kollege Krebs formuliert (er spricht von Unschärfe meines Beitrages).

Wir erleben aber die Medizin in vie- len Bereichen hautnah und erleben manche Familientragödie gerade im Bereich der Alkoholkrankheit häufig wesentlich direkter als der in der Kli- nik tätige Arzt. Ich bin aber dem Kol- legen Krebs dankbar für seine Er- gänzungen auch für seine Hinweise, lasse mir unter diesem Aspekt auch gerne den Vorwurf der Unschärfe machen. Aus seiner Sicht hat Krebs sicher recht. Wenn mir der Gesund-

heitsminister eines deutschen Bun- deslandes schreibt und die Hoff- nung ausdrückt, daß meine Veröf- fentlichung von vielen Ärzten gele- sen wird, er sie als große Hilfe bei seinen staatlichen Bemühungen um die Bekämpfung des Alkoholismus in Deutschland ansieht, so zeigt mir diese Reaktion ebenso wie die posi- tive Reaktion vieler Kollegen, daß mir meine Absicht gelungen ist: die ärztliche Öffentlichkeit sowohl im stationären als im ambulanten Be- reich ein wenig für diese aktuelle Aufgabe zu sensibilisieren. Krebs schreibt, daß 75 000 Alkoholkranke behandlungswillig sind, allerdings zwischen drei und 12 Monate auf ein Krankenbett warten müssen.

300 000 Personen seien behand- lungswillig, aber nicht im Bereich einer stationären Therapie, wohl aber unter ambulanten Bedingun- gen. Dies ist genau meine Zielgrup- pe. Wer anders als das Potential der niedergelassenen Ärzte kann helfen, diese große Zahl von Alkoholkran- ken zu diagnostizieren und schließ- lich auch zu therapieren. Wenn Krebs schreibt, daß mit Ausnahme der leichteren und mittleren alkohol- induzierten Fettleber alle übrigen Kranken ausnahmslos in die Klinik und nicht in die Hand des niederge- lassenen Arztes gehören, so gebe ich ihm damit recht, muß aber gleichzeitig sagen, daß nach meinen Erfahrungen dann etwa 80 bis 90 Prozent in der Hand des niederge- lassenen Arztes bleiben können.

Hier liegen mir aber keine genauen Zahlen vor, es ist dies nur eine von mir gemachte grobe Erfahrung.

Wenn Krebs meint, daß Suchtthera- peuten in den Selbsthilfegruppen keine Daseinsberechtigung hätten, so muß ich dem widersprechen, denn in der Regel sind Suchtthera- peuten ehemalige Alkoholiker, so auch in unseren Gruppen, und damit gruppenbedürftig. Darüber hinaus stehen diese Suchttherapeuten zu Einzelgesprächen mit Alkoholkran- ken zur Verfügung, und dies halte ich eben für besonders wichtig. Ge- rade die Suchttherapeuten sind häu- figer als der Arzt die ersten An- sprechpartner der Alkoholkranken.

Sie motivieren den Alkoholkranken zum Arztbesuch und zum Besuch

der Selbsthilfegruppen. Mit dem Suchttherapeuten zusammen kann der Arzt über die notwendige Thera- pie entscheiden. Zurückweisen muß ich aber in aller Deutlichkeit, die An- sicht des Kollegen Krebs, wenn er die Rolle des niedergelassenen Arz- tes reduziert wissen will auf die Rol- le eines „verständnisvollen Selektie- rers und Motivierers". Ich glaube hier unterschätzt er die Potenz des niedergelassenen Arztes, auch des Fachneurologen. Würde diese Mei- nung unwidersprochen bleiben, würde sie viele niedergelassene Kol- legen davon abhalten, sich mit der Problematik des Alkoholkranken auseinanderzusetzen. Die von mir propagierte kurzzeitige Ausgabe von Chlormethiazol, die von ver- schiedenen anderen Autoren be- schrieben wird, mit der Methadon- ausgabe an Heroinsüchtige in den USA zu vergleichen erscheint mir doch etwas gewagt. Wir haben bis- her nur in wenigen Fällen eine sol- che Behandlung und dann auch nur unter strengsten Kautelen durchge- führt. Ich glaube, manche internisti- sche Abteilung oder Fachklinik wird mit dem Chlormethiazol wesentlich weniger streng umgehen. Der Ver- gleich mit dem Methadon hinkt ja auch insofern, als ja Methadon heu- te auch in den Kliniken nicht mehr an Heroinsüchtige ausgegeben wer- den darf! Wenn ich die Gebühren- ordnung in meinem Artikel ange- sprochen habe, dann nur unter dem Aspekt, daß auch heute noch die ärztliche Beratung als ärztliche Grundleistung — und nichts anderes ist in der Regel ein therapeutisches Gespräch mit dem Alkoholkranken — mit einem Honorar zwischen 3 und 5 DM abgegolten wird. Ich persönlich sehe dies nicht als einen Witz an, sondern finde es eher tragisch, wenn man bedenkt, daß auch heute noch für eine Leberfunktionsunter- suchung zwischen 8 und 12 DM be- zahlt werden. Die Gebührenordnung hat für diese Dinge nun einmal eine enorme Lenkungsfunktion. Ich zitie- re aus einem Brief, den mir ein auf diesem Gebiet sehr erfahrener Chef einer psychosomatischen Klinik zu- gehen ließ. Es handelt sich um die am 1. Januar 1979 in Kraft getrete- ne Empfehlungsvereinbarung zwi-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 40 vom 4. Oktober 1979 2601

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

BRIEFE AN DIE REDAKTION

BEREITSCHAFTSDIENST

Das aufsehenerregende Urteil des Ham- burger Arbeitsgerichtes über den ärztli- chen Bereitschaftsdienst, über das das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT mehrfach ein- gehend berichtete (zuletzt im Heft 28/

1979, Seite 1849) hat ein lebhaftes Leser- echo gefunden. Die Zuschrift eines Nord- horner Chefarztes ergänzt die Ausfüh- rungen von Dr. med. Wolfgang Dau (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 26/

1979, Seite 1769 ff.):

Problem

Stellenplanerweiterung?

Ein Urteil des Hamburger Arbeitsge- richtes über den ärztlichen Bereit- schaftsdienst (Aktz. 11 Ca 421/78) legte fest, daß von einem Assistenz- arzt nur einmal wöchentlich ein Be- reitschaftsdienst zu verlangen ist.

Dieses Urteil ging durch Presse, Fernsehen und Rundfunk. Der Rich- ter, der dieses Urteil fällte, hat sich die Sache leicht gemacht, zumin- dest braucht er sich um die Folgen seines Urteils nicht zu kümmern.

Ob er gleichermaßen geurteilt hätte, wenn ihm die Situation der Assi- stenzarztstellen an kleineren und mittleren peripheren Krankenhäu- sern bekannt gewesen wäre, mag dahingestellt bleiben. Für diese kann dieses Urteil mit seinen mögli- chen Folgen nur wie ein Alptraum wirken!

Die sich daraus ergebenden Konse- quenzen wurden im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT eingehend erörtert.

Die Konsequenz lautet: Es müssen mehr Assistenzärzte eingestellt wer- den, wenn dem Urteil des Gerichts gefolgt werden muß! Es trifft in der Regel auch nicht die großen Klini- ken und zentral gelegenen Kranken- häuser, sondern die mittleren und peripheren Häuser und Abteilungen, die zwar planmäßig ausreichende Assistentenstellen haben, diese aber schon jahrelang nicht besetzen konnten. Man verfolge nur den An- zeigenteil im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT, in dem immer wieder Assi- stenten gesucht werden, teilweise von denselben Abteilungen über Jahre hinaus.

Abteilungsärzte, die jahrelang Assi- stenten suchten, können in die Resi- gnation verfallen, wenn sie jetzt ge- zwungen sind, noch mehr Planstel- len zu beantragen, ohne Aussicht, diese jemals besetzen zu können.

Die Misere der schlecht besetzten Assistenzarztstellen liegt nicht nur darin, daß ein erweitertes Niederlas- sungsrecht erlassen wurde, sondern vielmehr auch darin, daß die Fach- arztordnungen sich monostrukturär erheblich verändert haben, so daß für eine Facharztausbildung auf ei- nem bestimmten Gebiet keine Kenntnisse von anderen Fächern mehr verlangt werden. Die verschie- denen Facharztausbildungsbestim- mungen haben durch Aberkennung der vollen Ausbildungszeit dazu ge- führt, daß manche Abteilung da- durch an Attraktivität für Assistenten verlor.

Ein weiterer Grund für die Misere:

Der Status der Medizinalassistenten wurde abgeschafft. Wie viele Abtei- lungsärzte, besonders chirurgischer Abteilungen, haben sich jahrelang mit Medizinalassistenten „über Wasser" gehalten, um ihre Abteilun- gen einigermaßen funktionstüchtig zu halten.

Für diese Kollegen muß es wie eine bittere Ohrfeige empfunden werden, wenn der niedersächsische Minister des Inneren durch Schnellbrief vom 21. Februar 1979 eine Mitteilung an die Bezirksregierungen erläßt, in der die Einreise von Ärzten und Kran- kenpflegepersonal aus den westeu- ropäischen Staaten erheblich einge- schränkt, wenn nicht sogar aufge- hoben wird.

Wieder ist hier einmal zu erkennen, wie wenig Verbindung von der Re- gierung zu den Realitäten an der Ba- sis besteht. Wenn dem Innenmini- ster die wahrhaftigen Verhältnisse an den peripheren, mittleren und kleinen Krankenhäusern bekannt gewesen wären, hätte vielleicht auch er sich seinen Erlaß noch ein- mal überlegt .. .

Offensichtlich nimmt der Innenmini- ster an, daß die große „Ärzte- schwemme", von der seit einiger Alkoholiker-Behandlung

schen den Krankenkassen und Ren- tenversicherungsträgern. Diese Ver- einbarung hat die Behandlungssi- tuation für zahlreiche Alkoholkranke erheblich verschlechtert. Nach die- ser Vereinbarung wird die Behand- lung Alkoholkranker in eine Entgif- tungs- und eine Entwöhnungsphase aufgeteilt. Für die erstere wird die Krankenkasse, für die letztere die Rentenversicherung kostenpflichtig gemacht. Nach Ansicht der Kran- kenkassen ist die Entgiftungszeit nach höchstens 14 Tagen abge- schlossen, danach haben dann im Rahmen der Entwöhnungsphase die Rentenversicherungsträger die Re- habilitation zu übernehmen. Die BfA finanziert aber nur Maßnahmen, die mindestens vier Monate durchge- führt werden. Die LVA hat hier eine andere Einstellung. Es ist also bis- her in keiner Weise gesichert, daß der Patient nach einer 14tägigen Entgiftungsbehandlung kontinu- ierlich in eine Entwöhnungsbehand- lung übergehen kann. Er wird also vorzeitig entlassen, was in der Regel zu einem Rückfall und zu einer Ge- fährdung seines Lebens führen kann. Hier also kann der erfahrene niedergelassene Arzt eingreifen, wenn ihm die Möglichkeit dazu ge- boten wird und er über entsprechen- de Erfahrungen verfügt. Die Emp- fehlungsvereinbarung kann unter diesem Aspekt zu einer Aufwei- chung des Krankheitsbegriffes für Alkoholiker zu sehen sein. Gerade unter diesem Aspekt ist es von unge- heurer Wichtigkeit, die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten zu ver- bessern und damit die klinischen Behandlungszeiten zu verkürzen.

Andere Länder haben uns das schon längst vorgemacht. Unsere teilweise traditionellen langfristigen Behand- lungszeiten werden aber von eini- gen Vertretern verteidigt wie eine Weltanschauung. Der Alkoholismus ist eine noch zu unerforschte Krank- heit, als daß man sich jetzt schon auf festgefahrenen Gleisen bewegen könnte. Neue Therapiemöglichkei- ten müssen diskutiert und erprobt werden.

Dr. med. Wolf-Rüdiger Weisbach Siegtalstraße 19

5227 Windeck-Herchen

2604 Heft 40 vom 4. Oktober 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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